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Erhöhter Zeit- und Kostenaufwand

II. Untersuchung von seit Inkrafttreten des FamFG problematischen Punkten

4. Erhöhter Zeit- und Kostenaufwand

Vielfach wird davon ausgegangen, dass die Abkehr vom Grundsatz des Gleich-laufes zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Sachrecht zu einer deutlichen Erhöhung des für die einzelnen Maßnahmen der Nachlassge-richte erforderlichen Zeit- und Kostenaufwandes führt339. Um diese Frage seriös untersuchen zu können, ist zwischen den betreffenden Verrichtungen im Allge-meinen und dem Erbscheinsverfahren im Besonderen zu differenzieren.

336 Heldrich, NJW 1967, 417 (420); Horndasch/Viefhues/Hohloch § 105, Rn. 34, 38; Roth, JZ 09, 585 (591).

337 BT-Drs 16/6308, 221 f.; Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff § 105, Rn. 4; Schaal, BWNotZ 2007, 154 (158); Zimmermann, FGPrax 2006, 189 (191).

338 Vgl. Zimmermann, FGPrax 2006, 189 (191), der hierin eines der Hauptprobleme der neuen Rechtslage ausgemacht zu haben meint.

339 Zimmermann FGPrax 2006, 189 (191); Kroiß, ZErb 2008, 300 (303); derselbe in ZEV 2009, 493; vgl. MK ZPO/Mayer § 343 FamFG, Rn. 29.

a. Allgemeines

Im Allgemeinen dürfte sich der für die Verrichtungen deutscher Nachlassgerich-te in Fällen mit Auslandsbezug erforderliche Aufwand tatsächlich erhöht haben.

Bis zum 01.09.2009 war die internationale Zuständigkeit grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn in der Sache deutsches Erbrecht Anwendung fand. Ein deut-scher Nachlassrichter war regelmäßig nicht gezwungen, sich mit ausländischem materiellem Recht auseinanderzusetzen. Seit dem Inkrafttreten des FamFG ist dies anders. Die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte ist nun gänzlich unabhängig von dem nach Art. 25 EGBGB berufenen Erbstatut. War der Erblasser Ausländer340 und ist zugleich eine der Varianten der §§ 343 f.

FamFG erfüllt, ist der Nachlassrichter gezwungen, ausländisches Erbrecht an-zuwenden. Dies dürfte in aller Regel zu einer zeitlichen Verzögerung führen341. Sieht der Richter sich in eigener Person zur Anwendung der fremden Rechts-ordnung außer Stande, müssen kostspielige Gutachten eingeholt werden. Die Kosten hierfür sind – allgemeinen Grundsätzen folgend – vom Antragsteller bzw. den sonstigen Beteiligten zu tragen342. Unbefriedigend ist dies insbesonde-re dann, wenn sich der überwiegende Teil des Nachlasses im Ausland befindet, die „teuer erkaufte“ Verrichtung des Nachlassgerichts dort aber nicht anerkannt wird343.

Auch wenn also grundsätzlich von einem Mehraufwand auszugehen ist, gilt es jedoch Folgendes zu beachten:

In den von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen vom Gleichlaufgrund-satz waren die Nachlassrichter bereits bisher gezwungen, ausländisches Recht

340 War der Erblasser Deutscher und findet somit deutsches Sachrecht Anwendung, entsteht kein Mehraufwand.

341 Vgl. BT-Drs 16/6308, 349; BeckOK BGB § 2369/Siegmann/Höger, Rn. 1; MK/Mayer § 2369, Rn. 1.

342 § 137 I Nr. 5 KostO, Korintenberg/Lappe § 137, Rn. 19; Zimmermann, ZEV 2009, 53 (57);

Kroiß, ZEV 2009, 493 (494).

343 Zimmermann, FGPrax 2006, 189 (191); derselbe in ZEV 2009, 53 (57).

anzuwenden. Die Maßnahmen der deutschen Nachlassgerichte beanspruchten in den betreffenden Konstellationen regelmäßig ausschließlich im Inland Geltung, so dass der Rechtsschutzsuchende erforderlichenfalls gezwungen war, zusätz-lich eine ausländische Stelle anzurufen. Insgesamt entstanden hierdurch unter Umständen höhere Kosten als dies heute der Fall ist.

Auch in den Fällen, in denen der Gleichlaufgrundsatz Anwendung fand, ergaben sich aus Sicht des Rechtsschutzsuchenden häufig Gegeneffekte, die auf den oben problematisierten Zusatzaufwand anzurechnen sind. Bis zum 01.09.2009 war jeder, der Rechte am Nachlass eines in Deutschland verstorbenen Auslän-ders geltend machen wollte, grundsätzlich gezwungen, eine ausländische Stelle anzurufen. Dies galt auch dann, wenn der Erblasser bereits seit Jahrzehnten im Inland gelebt hatte, faktisch kein Bezug mehr zum Heimatstaat vorhanden war und sich insbesondere der gesamte Nachlass in Deutschland befand. Selbst in den seltenen Fällen, in denen der Heimatstaat des Erblassers trotz der beschrie-benen Umstände die eigene Zuständigkeit bejahte und die deutsche Rechtsord-nung die ausländische Verrichtung anerkannte, das ausländische Verfahren also nicht gänzlich unnütz war, bedeutete dies einen erheblichen Zeit- und Kosten-aufwand, der dem Rechtsschutzsuchenden nach neuem Recht vollständig erspart bleibt.

b. Erbscheinsverfahren

Das Erbscheinsverfahren bedarf im vorliegenden Zusammenhang einer geson-derten Betrachtung. Die in § 2369 Abs. 1 BGB n.F. vorgesehene Möglichkeit der gegenständlichen Limitierung des Erbscheins soll ausweislich der Gesetzes-begründung insbesondere der Ersparnis von Zeit und Kosten dienen344. Inwie-weit die für keine andere Verrichtung der Nachlassgerichte vorgesehene Be-schränkungsmöglichkeit diesen Zweck erfüllen kann, hängt in hohem Maße von der kollisionsrechtlichen Lage des Einzelfalles ab.

344 BT-Drs 16/6308, 349; Fröhler, BWNotZ 2008, 183 (187); Muscheler, ZEV 2008, 105 (112).

aa. Nachlasseinheit

Findet auf den gesamten Nachlass einheitlich entweder deutsches345 oder aber ausländisches Erbrecht Anwendung, so spielt die Möglichkeit der gegenständli-chen Beschränkung des Erbscheinsantrages für die rechtliche Prüfung des Nach-lassgerichts keine Rolle. Ist ein fremdes Erbstatut zur Anwendung berufen, so bleibt die unter Umständen zeit- und kostenintensive Untersuchung des auslän-dischen materiellen Rechts auch dann erforderlich, wenn das im Erbschein aus-zuweisende Ergebnis nur für die im Inland befindlichen Gegenstände gelten soll.

Eine Kostenersparnis kann sich in diesen Konstellationen allenfalls aus der Re-duzierung des für die Berechnung der Gebühren maßgeblichen Gegenstands-wertes ergeben. Nach § 107 Abs. 2 S. 3 KostO bleiben die von den Wirkungen des Erbscheins nicht erfassten Gegenstände – im Fall einer Beschränkung nach

§ 2369 Abs. 1 BGB also der im Ausland belegene Teil des Nachlasses – bei der Bestimmung des Gebührenwertes außer Betracht346. Da ein Antrag nach § 2369 Abs. 1 BGB aber zugleich das Kostenprivileg des § 46 Abs. 4 S. 1 KostO entfal-len lässt und das allgemeine Schuldenabzugsverbot des § 18 Abs. 3 KostO zur Anwendung bringt, muss in jedem Einzelfall berechnet werden, ob die Be-schränkung tatsächlich eine Verringerung der Kosten bewirkt347.

bb. Nachlassspaltung

Ungleich größere Bedeutung kommt der Möglichkeit einer gegenständlichen Beschränkung des Erbscheins in den Fällen sog. Nachlassspaltung zu. In diesen

345 Es besteht auch die Möglichkeit einen gegenständlich beschränkten Eigenrechtserbschein zu be-antragen, MK/Mayer § 2369, Rn. 1; Palandt/Weidlich § 2369, Rn. 1; BeckOK BGB/Sieg-mann/Höger § 2369, Rn. 1.

346 Bolkart, MittBayNot 2009, 268 (274); Zimmermann, ZEV 2009, 53 (57); derselbe in Rpfleger 2009, 437; Kroiß ZEV 2009, 493 (494); Korintenberg/Lappe § 107, Rn. 54.

347 Bolkart, MittBayNot 2009, 268 (274); vgl. Korintenberg/Lappe § 107, Rn. 54, der jedoch unter Verweis auf OLG Schleswig DNotZ 1994, 137 (139) davon ausgeht, dass der Gebührenwert nach § 107 Abs. 2 S. 3 KostO nicht höher sein kann als nach § 107 Abs. 2 S. 1, 2 KostO.

Konstellationen, die der Reformgesetzgeber bei der Neufassung des § 2369 Abs.

1 BGB in erster Linie im Blick gehabt haben dürfte348, findet auf einen Teil des Nachlasses – beispielsweise eine im Ausland belegene Immobilie349 – ausländi-sches Recht, im Übrigen aber das deutsche materielle Erbrecht Anwendung. Be-schränkt der Rechtsschutzsuchende seinen Erbscheinsantrag in dieser Situation auf die im Inland befindlichen Nachlassgegenstände, so entfällt die häufig mit dem beschriebenen Zeit- und Kostenaufwand verbundene Prüfung des ausländi-schen Rechts350. Eine Vereinfachungsmöglichkeit von der insbesondere dann Gebrauch gemacht werden dürfte, wenn bereits zum Zeitpunkt der Antragstel-lung erkennbar ist, dass der Erbschein nur im Inland benötigt und/oder im Aus-land nicht anerkannt werden wird351.