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A. Überblick: die geplante EU-Verordnung zum Erbrecht

VI. Weitere Inhalte

Bei den Bemühungen um ein Unionsinstrument für den Bereich des internatio-nalen Erbrechts herrschte bereits früh Einigkeit darüber, dass ein echter Fort-schritt nur durch eine „Paketlösung“ zu erreichen ist465. Neben den Regelungen zur internationalen Zuständigkeit, auf die im weiteren Verlauf noch ausführlich

462 Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, veröffentlicht im ABl EU 2007 Nr. L 324 vom 10.12.2007, 79 ff.

463 Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außerge-richtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen, Jayme/Hausmann Nr. 211.

464 Auf das nach der aktuellen Formulierung unklare Verhältnis zwischen den Maßnahmen des nach Art. 15 zuständigen Gerichts und denen des Hauptsachegerichts, wird noch näher einzugehen sein (vgl. B.II.8.f.), vgl. Lehmann, 228; zum insofern abweichenden Diskussionsentwurf: Haas, 139.

einzugehen sein wird, enthält der Verordnungsvorschlag der Kommission daher Vorschriften über das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstre-ckung sowie die Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses.

1. Anzuwendendes Recht

Was die Harmonisierung des Kollisionsrechts angeht, so hat sich die Kommissi-on in ihrem Vorschlag für eine KombinatiKommissi-on aus objektiver Anknüpfung und Rechtswahl entschieden466.

Gem. Art. 16 ErbVO-E bildet der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblas-sers – wie bereits angedeutet – grundsätzlich den alleinigen Anknüpfungspunkt auch für das in der Sache anwendbare Recht467. Ausnahmen von diesem Grund-satz finden sich lediglich in den Art. 18 und 20 bis 22 ErbVO-E, die spezielle Regelungen für Erbverträge, die Formgültigkeit von Annahme- bzw. Ausschla-gungserklärungen sowie die ausnahmsweise Anwendbarkeit des Belegenheits-rechts enthalten. Ist keine dieser Sondervorschriften einschlägig, so gilt das nach Art. 16 ErbVO-E berufene Erbstatut für „die gesamte Rechtsnachfolge von To-des wegen“. Der Vorschlag sieht damit eine konsequente Normierung To-des Prin-zips der Nachlasseinheit vor468. Für den gesamten (Welt-)Nachlass gilt das Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen ge-wöhnlichen Aufenthalt hatte.

465 Wagner, DNotZ 2010, 506 (509); bereits das Maßnahmenprogramm des Rates vom 24.11. 2000 sah eine umfassende Regelung vor, veröffentlicht im ABl EU 2001 Nr. C 12 vom 15.01.2001, 1 ff.

466 Kindler, IPRax 2010, 44 (46); Wagner, DNotZ 2010, 506 (515); Süß, ZErb 2009, 342 (343 ff.).

467 Aus deutscher Sicht ein echter Paradigmenwechsel, vgl. statt vieler: Süß, ZErb 2009, 342 (343);

hinsichtlich der intensiv geführten Diskussion um den „richtigen“ Anknüpfungspunkt wird auf die parallele Problematik im Rahmen der internationalen Zuständigkeit verwiesen (vgl. B.II.6.).

468 Für die deutsche Rechtsordnung, die bisher eine Nachlassspaltung zwar zuließ (Art. 3a Abs. 2 EGBGB), selbst jedoch nicht vorsah, bedeutet dies keine große Umstellung. Für diejenigen Mit-gliedstaaten, die bisher – wie z.B. Frankreich – dem System der Nachlassspaltung folgten, stellt die Regelung hingegen eine gravierende Änderung dar, Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529 (1532); Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1 (4).

Vor dem Hintergrund dieser klaren Entscheidung gegen das bislang in einer Vielzahl von Mitgliedstaaten geltende Staatsangehörigkeitsprinzip räumt Art. 17 ErbVO-E dem Erblasser die Möglichkeit ein – wiederum für den gesamten Nachlass – das Recht seines Heimatstaates zu wählen469. Ein weitergehendes Wahlrecht sieht der Vorschlag mit Blick auf die drohende Umgehung von Pflichtteils- bzw. Noterbenrechten nicht vor470.

2. Anerkennung und Vollstreckung

Das Kapitel IV des Entwurfs, das sich ausdrücklich an den Art. 32 ff. der EuGVVO orientiert471, ordnet die automatische Anerkennung mitgliedstaatlicher Verrichtungen an. Eine inhaltliche Überprüfung der betreffenden Entscheidun-gen soll nicht erfolEntscheidun-gen. Die Anerkennung scheitert ausschließlich in den Fällen des Art. 31 ErbVO-E, wobei die hier aufgelisteten Nichtanerkennungsgründe weitgehend denen des Art. 34 EuGVVO entsprechen. Für Streitigkeiten in die-sem Bereich wird ebenso wie für das Vollstreckungsverfahren unmittelbar auf die seit vielen Jahren erprobten Regelungen der Art. 38 ff. EuGVVO verwiesen, so dass größere Schwierigkeiten hier grundsätzlich nicht zu erwarten wären472. Nachdem die Kommission in ihrem Entwurf zur Revision der EuGVVO vom 14.12.2010, mit Blick auf das zwischen den Mitgliedstaaten gewachsene gegen-seitige Vertrauen, die weitgehende Abschaffung des Exequaturverfahrens vor-schlägt473, erscheint allerdings fraglich, inwieweit eine Orientierung an der EuGVVO in ihrer bisherigen Fassung sachdienlich ist.

469 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106 (112); DNotV, Stellungnahme vom 19.01.2010, 2, 18; Dör-ner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1 (5).

470 KOM(2009) 154 endgültig, Begründung, 7; zu den mit der gewählten Formulierung einherge-henden Problemen: Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106 (112) m.w.N.

471 KOM(2009) 154 endgültig, Begründung, 8; Kohler/Pintens, FamRZ 2010, 1481 (1485); Wagner, DNotZ 2010, 506 (517).

472 Auch wenn die Art. 38 ff. EuGVVO in erster Linie streitige Verfahren im Blick haben, vgl.

DNotV, Stellungnahme vom 19.01.2010, 27.

Systemfremd und deshalb ebenfalls problematisch ist die in Kapitel V vorgese-hene „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden474.

3. Europäisches Nachlasszeugnis

Das Kapitel VI des Kommissionsentwurfs enthält Vorschriften zu einem Euro-päischen Nachlasszeugnis, das auf Antrag eines Erben, Vermächtnisnehmers oder Nachlassverwalters erteilt werden und Auskunft über das anwendbare Recht, die am Nachlass berechtigten Personen, ihre Quote bzw. die ihnen zuste-henden Vermögenswerte und vieles mehr geben soll, vgl. Art. 36 ff. ErbVO-E.

Das Zeugnis würde neben bereits bestehende nationale Nachweise treten und soll in allen Mitgliedstaaten als tauglicher Beleg für die beschriebenen Inhalte anerkannt werden. Es ist mit weitreichenden Vermutungs- und Gutglaubenswir-kungen ausgestattet, die zum Teil stark an den Erbschein deutschen Rechts erin-nern475.

Auch wenn die Aufnahme der betreffenden Regelungen in den Kommissions-entwurf übereinstimmend begrüßt wird und zum Teil überschwänglich von den hiermit einhergehenden Erleichterungen bei der Abwicklung grenzüberschrei-tender Erbfälle die Rede ist476, bleibt angesichts der äußerst unterschiedlichen Rechtstraditionen in den einzelnen Mitgliedstaaten abzuwarten, inwieweit die vorgeschlagene Ausgestaltung von Reichweite, Verfahren, Inhalt und Wirkung des Nachlasszeugnisses geeignet ist, die damit angesprochene Herausforderung zu meistern477.

473 Vgl. Art. 37 ff. des Vorschlags der Kommission zur Neufassung der EuGVVO vom 14.12.2010, KOM(2010) 748 endgültig.

474 Wagner, DNotZ 2010, 506 (517); Süß, ZErb 2009, 342 (346 f.); DRiB, Stellungnahme Nr. 01/10, 2.

475 DAV, Stellungnahme Nr. 3/2010, 11.

476 Süß, ZErb 2009, 342 (347); Dörner, ZEV 2010, 221 (222, 227 f.); Wagner, DNotZ 2010, 506 (517 f.).

477 Wagner, DNotZ 2010, 506 (517 f.); DNotV, Stellungnahme vom 19.01.2010, 3, 29 ff.; Döner, ZEV 2010, 221 (222, 227 f.).

4. Allgemeine und Schlussbestimmungen

In Kapitel VII des Entwurfs schlägt die Kommission unter anderem eine Rege-lung zum Vorrang bereits bestehender Staatsverträge (Art. 45 ErbVO-E) sowie einige äußerst spärlich geratene Übergangsbestimmungen vor (Art. 50 ErbVO-E), die insbesondere im Hinblick auf letztwillige Verfügungen aus der Zeit vor der Anwendbarkeit der Verordnung problematisch erscheinen478. Die EuErbVO soll am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtblatt der Europäi-schen Union Inkrafttreten und ein Jahr später Anwendung finden (Art. 51 ErbVO-E).

B. Einzelfragen und Problemfelder

Entsprechend dem mit der Darstellung eines Wandels notwendig einhergehen-den vergleicheneinhergehen-den Charakter der vorliegeneinhergehen-den Untersuchung sind im Rahmen der näheren Beschäftigung mit den vorgeschlagenen Neuregelungen zunächst die bislang problematischen Punkte zu betrachten. Anschließend wird dann zu prüfen sein, ob bzw. welche neuen Problemfelder durch die vorgeschlagenen Regelungen geschaffen würden.

I. Vergleichende Untersuchung der bislang problematischen Punkte