• Keine Ergebnisse gefunden

Probleme aus dem Bereich des streitigen Erbrechtsverfahren

A. Überblick: die geplante EU-Verordnung zum Erbrecht

I. Vergleichende Untersuchung der bislang problematischen Punkte Zu untersuchen ist, ob bzw. wie sich das von der Kommission vorgeschlagene

3. Probleme aus dem Bereich des streitigen Erbrechtsverfahren

Nachdem vorstehend mit der Frage nach dem für Qualifikation und Auslegung maßgeblichen Recht ein Thema behandelt wurde, das sowohl im Bereich der streitigen als auch der freiwilligen Gerichtsbarkeit relevant ist, sollen nachfol-gend diejenigen Punkte beleuchtet werden, die bislang – jedenfalls in ihrer kon-kreten Ausgestaltung – ausschließlich oder zumindest vorwiegend in streitigen Erbrechtsverfahren von Bedeutung bzw. problematisch sind.

a. Die Gerichtsstände der §§ 12 ff. ZPO

Auch wenn die Darstellung der Gerichtsstandsnormen der §§ 12 ff. ZPO ange-sichts der hierzu bereits vorliegenden umfassenden Rechtsprechung und Litera-tur im 3. Kapitel der vorliegenden Untersuchung nur vergleichsweise wenig Raum einnimmt, ist mit den doppelfunktionalen Zuständigkeitsvorschriften eine Reihe von Problemen und Streitfragen verknüpft. Mit Inkrafttreten der

geplan-492 Vgl. Mayr, 35 f. sowie zur Brüssel II bzw. IIa-VO: Rauscher, Einl Brüssel IIa-VO, Rn. 21; Wag-ner, IPRax 2001, 75.

493 Verordnung (EG) Nr. 04/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusam-menarbeit in Unterhaltssachen, veröffentlicht im ABl EU 2009 Nr. L 7 vom 10.01.2009, 1 ff.

ten Verordnung werden die betreffenden Vorschriften des autonomen nationalen Rechts und mit ihnen auch die angesprochenen Schwierigkeiten jegliche Bedeu-tung verlieren494. Soweit der Anwendungsbereich der Verordnung reicht, wer-den allein die hierin enthaltenen Regelungen maßgeblich sein. Es gilt der von EuGH und BVerfG entwickelte Anwendungsvorrang des Unionsrechts.

Ob bzw. inwieweit aus den Zuständigkeitsvorschriften der Art. 3 ff. ErbVO-E neue Probleme erwachsen, wird noch zu untersuchen sein. An dieser Stelle soll es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass die §§ 12 ff. ZPO und die mit ihnen verknüpften Streitpunkte künftig keine Rolle mehr spielen werden.

b. Erweiterungen

Fraglich ist, ob der vorstehende Befund auch auf die bislang vorzunehmenden ungeschriebenen Erweiterungen der internationalen Zuständigkeit deutscher Ge-richte zutrifft.

aa. Notzuständigkeit

Eine Notzuständigkeit deutscher Gerichte ist nach autonomem Recht immer dann zu bejahen, wenn andernfalls der Zugang zum Recht infolge eines negati-ven Kompetenzkonflikts gefährdet wäre und ein hinreichendes Rechtsschutzbe-dürfnis für ein Verfahren gerade in Deutschland besteht (vgl. oben 3. Kap.

B.II.2.a. sowie 4. Kap. B.I.3.b.cc.).

Ein solches allgemeines forum necessitatis sieht der Entwurf der Kommission nicht vor, was zweifellos damit zu erklären ist, dass ein negativer Kompetenz-konflikt im Anwendungsbereich einer supranationalen Zuständigkeitsordnung logisch ausgeschlossen erscheint. Die Gerichte sämtlicher Mitgliedstaaten haben ihre Zuständigkeit anhand derselben, autonom auszulegenden Normen zu

ermit-494 Dies gilt selbstverständlich nur für den hier zu untersuchenden Bereich der internationalen

Zu-teln. Die Rechtslage wird mit der innerhalb eines Staates geltenden Ordnung vergleichbar. Die klassische Konstellation eines negativen Kompetenzkonflik-tes, in der die Gerichte des Wohnsitzstaates an der Staatsangehörigkeit anknüp-fen, während der Heimatstaat von einer Wohnsitzzuständigkeit ausgeht, scheidet ebenso aus, wie z.B. der Fall einer einseitig für wirksam gehaltenen Zuständig-keitsvereinbarung oder die tatsächliche allseitige Unzuständigkeit aufgrund bei-spielsweise eines Bürgerkriegs in dem Staat, dessen Gerichte zur Entscheidung berufenen wären495. Auch die für den umgekehrten Fall eines positiven Kompe-tenzkonflikts formulierten Bedenken im Zusammenhang mit der Möglichkeit unzutreffender Subsumtionsergebnisse – beispielsweise aufgrund verfehlter Auslegung eines Zuständigkeitskriteriums oder unzureichender Sachverhaltskenntnis496 – werden hier keine Rolle spielen. Während es im Falle der Anhängigkeit eines Rechtsstreits vor den Gerichten verschiedener Mitglied-staaten zur Sicherung des internationalen Entscheidungseinklangs geboten er-scheint, durch eine entsprechende supranationale Regelung möglichst frühzeitig einzugreifen und so die Entstehung von sich ggf. widersprechenden Entschei-dungen zu verhindern, vgl. Art. 13 ErbVO-E, stellt sich die Situation im Fall einer zu Unrecht verneinten Zuständigkeit gänzlich anders dar. Erforderlichen-falls kann der Rechtsschutzsuchende in dieser Konstellation mit den nach dem Prozessrecht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen (Rechts-)Mitteln nachhaken und gem. Art. 267 AEUV ggf. die Vorlage an den Europäischen richtshof erreichen. Würde man hier zusätzlich eine Notzuständigkeit der Ge-richte anderer Mitgliedstaaten zulassen, so hieße dies anstelle des tatsächlich nicht vorhandenen negativen einen positiven Kompetenzkonflikt mit unter Um-ständen gleich mehreren mitgliedstaatlichen Gerichten zu provozieren.

Dennoch ist der vollständige Verzicht auf eine Notzuständigkeit unter zumin-dest zwei Aspekten problematisch.

ständigkeit in erbrechtlichen Streitigkeiten.

495 Jedenfalls erscheint dies unwahrscheinlich. Die Union verlangt nach den 1993 formulierten Ko-penhagener Kriterien, dass in sämtlichen Mitgliedstaaten eine institutionelle Stabilität herrscht, die unter anderem die Aufrechterhaltung einer rechtsstaatlichen Ordnung gewährleistet.

496 Vgl. hierzu: Lehmann, ZErb 2005, 320 (325); Haas, 137 f.

(1) Versagung der Anerkennung

Ein Bedürfnis nach einer internationalen Notzuständigkeit wird regelmäßig dann bestehen, wenn unter korrekter Anwendung des Art. 4 ErbVO-E eine Ent-scheidung ergangen ist, dieser jedoch aus einem der in Art. 30 ErbVO-E nor-mierten Gründe die Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat versagt wird.

Können die Wirkungen des erststaatlichen Urteils nicht auf das Inland erstreckt werden, so muss – soll die Versagung der Anerkennung nicht zugleich eine Rechtschutzverweigerung insgesamt bedeuten497 – dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Klage im Zweitstaat zu wiederholen498.

Wenn die Kommission für die Revision der EuGVVO die Aufnahme eines ent-sprechenden „forum necessitatis“ vorsieht499, muss dies daher erst recht für die geplante Erbrechtsverordnung gefordert werden. Denn während die EuGVVO eine Vielzahl an konkurrierenden Gerichtsständen zur Verfügung stellt500, so dass sich im Fall der Anerkennungsversagung häufig eine Zuständigkeit auch im Zweitstaat begründen lässt501, führt die in Art. 4 ErbVO-E vorgesehene Zu-ständigkeitskonzentration dazu, dass sich im Fall der Versagung der Anerken-nung einer ausländischen Entscheidung eine eigene Zuständigkeit nicht wird begründen lassen. Entsprechend dem (noch) geltenden autonomen deutschen Recht502 muss in diesen Konstellationen daher eine Notzuständigkeit eröffnet werden.

497 Und mithin ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grund-rechte der Europäischen Union vermieden werden.

498 Zur EuGVVO: Geimer/Schütze Art. 34 EuGVVO, Rn. 197 ff.

499 Art. 26 des Vorschlags der Kommission zur Neufassung der EuGVVO vom 14.12.2010, KOM(2010) 748 endgültig; vgl. hierzu: Hausmann, EULF 2011, 1 (2).

500 Lehmann, 193 ff.; Musielak/Lackmann, Art. 2 EuGVVO, Rn. 1 ff.; MK ZPO/Gottwald, Art. 2 EuGVVO, Rn. 1 ff.

501 Geimer weist mit Blick auf die EuGVVO jedoch darauf hin, dass auch hier Fälle denkbar sind, in denen sich eine Zuständigkeit aus dem geschriebenen Recht nicht ableiten lässt. In diesen Kons-tellationen sieht Geimer den Zweitstaat aus Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 der Euro-päischen Grundrechte-Charta zur Eröffnung einer eigenen Zuständigkeit verpflichtet, Gei-mer/Schütze, Art. 34 EuGVVO, Rn. 199. Ausdrücklich von „Notzuständigkeit“ spricht MK ZPO/Gottwald, Art. 2 EuGVVO, Rn. 10.

502 Wieczorek/Schütze/Hausmann vor § 12, Rn. 84 f.; Kropholler, Hdb IZVR Kap. III, Rn. 184, 187;

Stein/Jonas/Roth vor § 12, Rn. 37.

(2) Verfahren in sachnahem Drittstaat unmöglich bzw. unzumutbar

Die eingangs angestellten Überlegungen zum logischen Ausschluss eines nega-tiven Kompetenzkonflikts fußen sämtlich auf einer für die betreffenden Gerichte verbindlichen supranationalen Zuständigkeitsordnung. Hieran fehlt es jedoch immer dann, wenn eine mitgliedstaatliche Zuständigkeit nach den Art. 4 ff.

ErbVO-E nicht eröffnet ist. Auch wenn der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers ebenso wie der gesamte Nachlass im EU-Ausland zu verorten ist, der betreffende Drittstaat aber beispielsweise nicht über eine intakte Rechtsordnung verfügt oder die Durchführung eines Verfahrens dort schlicht unzumutbar er-scheint, kann es jedoch geboten sein, eine Zuständigkeit innerhalb der Union bereit zu stellen503. Aus eben diesem Grund enthält beispielsweise die Brüssel IIa-Verordnung504 für derlei Fallgestaltungen einen Verweis auf die Zuständig-keitsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten505. Noch deutlich weiter reichen Art.

7 der Unterhaltsverordnung sowie Art. 26 des Kommissionsvorschlags zur Re-vision der EuGVVO, die eine unionsrechtliche allgemeine Notzuständigkeit immer dann eröffnen, wenn eine Zuständigkeit nach den sonstigen Vorschriften der Verordnung nicht gegeben ist, ein ausreichender Inlandsbezug besteht und

„es nicht zumutbar ist oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfah-ren in einem Drittstaat, zu dem der Rechtsstreit (so die Unterhalts-VO, Anm. d. Verf.) /die Streitigkeit (so der Kommissionsvorschlag zur Re-vision der EuGVVO, Anm. d. Verf.) einen engen Bezug aufweist, ein-zuleiten oder zu führen“.

Zwar erscheint die Anordnung derart weit reichender und offen formulierter Zu-ständigkeiten insbesondere mit Blick auf die Außenwirkung, die solchen Rege-lungen zukommt, ihrerseits durchaus nicht unproblematisch. So mögen

bei-503 Kindler, IPRax 2010, 44 (46); MPI Comments, 49 f.

504 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 DES RATES vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren be-treffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, veröffentlicht im ABl EU 2003 Nr. L 338 vom 23.12.2003, 1 ff.

505 Art. 7 und 13 Brüssel IIa-Verordnung.

spielsweise die zitierten Vorschriften der Unterhaltsverordnung bzw. des Kom-missionsvorschlags vom 14.12.2010 von Drittstaaten als exorbitant oder gar diskriminierend empfunden werden506. Mit dem äußerst überschaubaren An-wendungsbereich solcher Regelungen zum einen und der in den betreffenden Fällen drohenden Verletzung des Justizgewährungsanspruchs zum anderen, las-sen sich jedoch gute Argumente für solche oder ähnliche Regelungen finden507. Es wird dringend angeregt, den Entwurf der Kommission um eine allgemeine Notzuständigkeit nach dem Vorbild des Art. 26 des Kommissionsvorschlags zur Revision der EuGVVO vom 14.12.2010 zu ergänzen508.

bb. Ordre-public-Zuständigkeit

Unter dem Stichwort der sog. Ordre-public-Zuständigkeit wird nach autonomem deutschem Recht diskutiert, ob eine internationale Zuständigkeit deutscher Ge-richte bereits dann zu bejahen ist, wenn lediglich zu erwarten steht, dass das Ur-teil des zur Entscheidung berufenen ausländischen Gerichts gegen den deut-schen ordre-public verstößt, der betreffende Richterspruch also noch überhaupt nicht ergangen ist (vgl. oben 3. Kap. B.II.2.b.).

Auf unionsrechtlicher Ebene wird der Ordre-public-Vorbehalt entsprechend dem steigenden Maß an Rechtsvereinheitlichung stetig zurückgedrängt509. Be-reits zu den in der Vergangenheit in Kraft getretenen Akten sekundären Unions-rechts wurde vielfach gefordert, ganz auf den betreffenden Grund zur

Versa-506 MPI Comments, 49 f.

507 Das MPI schlägt in seiner Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag entsprechend den Art. 7, 13 der Brüssel IIa-Verordnung einen Verweis auf die Vorschriften des autonomen Rechts der Mitgliedstaaten vor, MPI Comments, 49.

508 Zwar ist es wahrscheinlich, dass sich eine entsprechende Zuständigkeit auch ohne schriftliche Festschreibung etablieren wird, im Rahmen der Ausarbeitung der Verordnung bietet sich jedoch die Chance, die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen etc. ausdrücklich zu normieren und auf diese Weise für ein Mehr an Rechtssicherheit zu sorgen.

509 Vgl. EuGH Rs. C-38/98, NJW 2000, 2185 (2186); BGH FamRZ 1990, 868 f.; Völker, 290 ff.

gung der Anerkennung zu verzichten510. Auch wenn der offensichtliche Verstoß gegen die innerstaatliche öffentliche Ordnung noch einmal Eingang in die Auf-listung möglicher Anerkennungsversagungsgründe in Art. 30 ErbVO-E gefun-den hat511, ist daher davon auszugehen, dass die im nationalen Recht umstrittene Frage jedenfalls in den Konstellationen verneint werden muss, die sich aus-schließlich zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten abspielen. Nur dann, wenn einer tatsächlich vorliegenden Entscheidung eines anderen Mitgliedstaates we-gen des offenkundiwe-gen Verstoßes gewe-gen den inländischen ordre-public gem. Art.

30 lit. a ErbVO-E die Anerkennung versagt wird, ist aus den oben erläuterten Gründen die Notzuständigkeit der eigenen Gerichte zu prüfen. In ihrer speziel-len Ausprägung wird diese Form der Notzuständigkeit vereinzelt auch als „Ord-re-public-Zuständigkeit“ bezeichnet512.

Ob im Verhältnis zu Drittstaaten eine solche Zuständigkeit darüber hinaus auch in den Konstellationen zu bejahen sein sollte, in denen der Verstoß gegen inter-national zwingende Normen und Rechtssätze durch eine noch nicht ergangene ausländische Entscheidung lediglich zu erwarten steht, ist fraglich. Die ange-sprochene fortschreitende Rechtsvereinheitlichung innerhalb der Union und da-mit verbunden die rein faktische Vermutung gegen einen Ordre-public-Verstoß spielt hier keine Rolle. Die unter Geltung des nationalen Rechts geführte Dis-kussion dürfte sich insoweit unverändert fortsetzen.

cc. Gleichlaufzuständigkeit

Auch die Erweiterung der §§ 12 ff. ZPO im Wege einer sog. Gleichlaufzustän-digkeit wurde nach autonomem deutschem Recht diskutiert (vgl. oben, 3. Kap.

B.II.2.c.). Zwar wird die Ableitung der Zuständigkeit aus dem in der Sache

an-510 Zur EuGVVO: Art. 37a des Entwurfs der Kommission vom 22.12.1997, veröffentlicht im ABl EU 1998 Nr. C 33 vom 31.01.1998, 20 (27); Leipold, FS Stoll, 644 ff.; kritisch: Bruns JZ 1999, 278 ff.

511 Obwohl das Maßnahmenprogramm des Rates vom 15.01.2001 weiterhin die vollständige Ab-schaffung der ordre-public-Kontrolle vorsieht, veröffentlicht im ABl EU 2001 Nr. C 12 vom 15.

01. 2001, 1 ff.

zuwendenden Recht heute nahezu einhellig abgelehnt513, bereits die Tatsache, dass sich die Mehrzahl der gängigen Darstellungen zur internationalen Zustän-digkeit nach wie vor mit dieser Frage befasst514, zeigt jedoch, welch erheblicher Reiz von der Idee eines Gleichlaufs zwischen materiellem Recht und internatio-naler Zuständigkeit ausgeht.

Diesem Befund entsprechend sieht der Verordnungsvorschlag eine unmittelbare Verknüpfung zwischen Erbstatut und Zuständigkeit zwar nicht vor, nach den Artikeln 16 und 4 ErbVO-E ist jedoch in beiden Bereichen grundsätzlich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers maßgeblich. Durch die damit be-schriebene parallele Anknüpfung wird der Gleichlauf zwischen dem zur An-wendung berufenen Sachrecht und der internationalen Zuständigkeit in der Vielzahl der Fälle hergestellt515. Die zuständigen Gerichte wenden in aller Regel das „eigene“ Erbrecht an. Für die bislang diskutierte Gleichlaufzuständigkeit fehlt es bereits am Bedarf.

c. Einschränkungen

Entsprechend der vorstehend untersuchten Erweiterungen werden auch unge-schriebene Einschränkungen der §§ 12 ff. ZPO vorgenommen bzw. vertreten.

Fraglich ist, wie sich die geplante Verordnung auf diese Fallkonstellationen auswirkt.

512 So z.B. Kropholler, Hdb IZVR Kap. III, Rn. 193.

513 Wieczorek/Schütze/Hausmann Vor § 12, Rn. 63; Geimer, Rn. 1041; Schack, Rn. 216; a.A.: Neu-haus, 428 ff.

514 Vgl. neben den bereits Benannten z.B. Stein/Jonas/Roth vor § 12, Rn. 40; Heldrich, 181 ff.

515 Auf die Vorzüge einer solchen parallelen Anknüpfung und mögliche Ausnahmen wird noch nä-her einzugehen sein (vgl. 4.a.aa.), vgl. bereits Lehmann, ZErb 2005, 320 (325) sowie Koh-ler/Pintens FamRZ 2009, 1529 (1531).

aa. Zuständigkeitserschleichung

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine nach den §§ 12 ff. ZPO eröffnete internationale Zuständigkeit wegen sog. Zuständigkeitserschleichung zu versa-gen ist, ist im Einzelnen umstritten. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass mit Blick auf den im Zuständigkeitsrecht erhöhten Bedarf an Rechtssicherheit bei der Vornahme derartiger Einschränkungen Zurückhaltung geboten ist (vgl.

oben, 3. Kap. B.II.3.a.).

Hieran wird sich auch mit Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung nichts ändern. Im Gegenteil:

Die Zuständigkeitskonzentration nach Art. 4 ErbVO-E wird dazu führen, dass in aller Regel auf den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers abzustel-len ist. Auch wenn die insofern maßgeblichen Voraussetzungen und Abgren-zungen erst noch durch die Rechtsprechung entwickelt bzw. konkretisiert wer-den müssen516, dürfte es sich hierbei um ein für Manipulationen denkbar unge-eignetes Anknüpfungsmoment handeln. Zwar wird vielfach und zu Recht darauf hingewiesen, dass der Aufenthalt ein im Vergleich zur Staatsangehörigkeit we-niger „stabiles“ bzw. – je nach Akzentuierung – weniger „starres“ Kriterium darstellt517, hieraus erwächst jedoch keine erhöhte Missbrauchsgefahr. Um einen Wechsel der internationalen Zuständigkeit zu bewirken, muss der Erblasser in jedem Fall bereit sein, seinen gewöhnlichen Aufenthalt und hiermit verbunden seinen räumlichen Lebensmittelpunkt518 bis zum Ende seiner Tage in einen aus-ländischen Staat zu verlegen519. Es erscheint äußerst unwahrscheinlich, dass der Erblasser gewillt ist, einen solchen Aufwand zu betreiben, nur um die

Zustän-516 Süß, ZErb 2009, 342 (343 f.); Wagner, DNotZ 2010, 506 (513); Dörner, ZEV 2005, 137 (138).

517 Kindler, IPRax 2010, 44 (47); Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1 (4); Frantzen, FS Jayme, 187 (189).

518 KOM(2009) 154 endgültig, Begründung, 6 f.; Süß, ZErb 2009, 342 (344); vgl. DNotI, Schluss-bericht, 291.

519 Eine nur vorübergehende Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland würde nur dann genügen, wenn dem Erblasser die Möglichkeit eingeräumt würde, das Recht des gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalts zu wählen, vgl. Lehmann, ZErb 2005, 320 (321). Dies sieht der Vor-schlag der Kommission jedoch gerade nicht vor.

digkeit der Gerichte eines anderen Staates zu begründen. Wird der gewöhnliche Aufenthalt ins Ausland verlegt, so sprechen vielmehr gute Gründe dafür, dass eine erhebliche Bindung zu dem betreffenden Staat bzw. seiner Rechtsordnung entstanden ist520. Von einem „Erschleichen“ der Zuständigkeit kann dann jedoch nicht die Rede sein.

Die einzige weitere Anknüpfung, die – vermittelt über die Rechtswahlmöglich-keit des Art. 17 ErbVO-E und das Verweisungs-Procedere des Art. 5 ErbVO-E – eine vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt abweichende, umfassende Zustän-digkeit zu begründen vermag, ist die Staatsangehörigkeit des Erblassers. Hierbei handelt es sich jedoch anerkanntermaßen um dasjenige Anknüpfungsmoment, das wegen der hohen Anforderungen, die an einen Wechsel bzw. die Begrün-dung der Staatsangehörigkeit gestellt werden, für Manipulationen praktisch na-hezu ausscheidet521.

Auch die Art. 6 bis 9 und 15 ErbVO-E sind für die Erschleichung von Zustän-digkeiten denkbar ungeeignet. Um überhaupt den Anwendungsbereich des Art.

6 ErbVO-E zu eröffnen, wäre der Erblasser gezwungen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins EU-Ausland zu verlegen, was mit Blick auf die damit verbunde-nen Anerkennungsschwierigkeiten jedenfalls hinsichtlich der in dem betreffen-den Nicht-Mitgliedstaat belegenen Nachlassgegenstände äußerst problematisch ist. Da Art. 6 lit. a ErbVO-E zudem vorrangig auf den dann vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt abstellt, wäre es für die Erschleichung der gewünsch-ten mitgliedstaatlichen Zuständigkeit also erforderlich, den gewöhnlichen Auf-enthalt zumindest zweimal zu wechseln – eine Möglichkeit, die angesichts des hiermit verbundenen Aufwands wohl eher theoretischer Natur sein dürfte.

520 Kindler, IPRax 2010, 44 (46 f.); Mansel, FS Ansay, 185 (208 f.); Haas, 135 f.; Dörner/Hertel/La-garde/Riering, IPRax 2005, 1 (4).

521 DAV, Stellungnahme Nr. 3/2010, 3 ff.; Kindler, IPRax 2010, 44 (46 f.); Bajons, FS Heldrich, 495 ff. (508); Rauscher, FS Jayme, 719 (730 ff.).

Die Zuständigkeit nach Art. 7 ErbVO-E setzt voraus, dass sich der Widerkläger zunächst selbst einer Klage ausgesetzt sieht. Ihre Begründung liegt somit nicht in der Hand des potentiellen Manipulators.

Die Art. 8, 9 und 15 ErbVO-E kommen von vornherein lediglich zur Begrün-dung einer Zuständigkeit für spezielle Teilaspekte in Betracht. Hierbei dürfte es für die Zuständigkeiten nach Art. 8 und 15 ErbVO-E bereits an einem hinrei-chenden Manipulationsinteresse fehlen. Ebenso wenig wie ein Erblasser Teile seines Vermögens ins Ausland verbringen wird, nur um dort eine Zuständigkeit für den einstweiligen Rechtsschutz zu begründen, werden Erben oder Ver-mächtnisnehmer ihren gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegen um dort eine der Erklärungen nach Art. 8 ErbVO-E abgeben zu können, wenn Zustän-digkeit und Erbstatut im Übrigen unberührt bleiben. Maßnahmen nach Art. 9 ErbVO-E beziehen sich schließlich in aller Regel auf unbewegliches Vermögen.

Wie bereits der Begriff der „Immobilie“ deutlich macht, ist eine Manipulation in Form der gezielten Verlagerung solcher Nachlassgegenstände ins Ausland lo-gisch ausgeschlossen.

Ob bzw. inwieweit angesichts dieses Befunds Konstellationen sog. Zuständig-keitserschleichung überhaupt noch eine Rolle spielen werden, kann letztlich nur der praktische Umgang mit der Verordnung zeigen. Vorab ist jedenfalls zu kon-statieren, dass die vorgeschlagenen Regelungen dazu geeignet sind, die Fälle der missbräuchlichen Begründung einer Zuständigkeit auf ein Minimum zu reduzie-ren.

bb. Wesenseigene Unzuständigkeit

Der Umgang mit solchen Instituten und Verrichtungen, die dem deutschen Pro-zessrecht wesensfremd sind bzw. die Einschränkung der internationalen Zustän-digkeit aufgrund sog. wesenseigener UnzustänZustän-digkeit war im Bereich der strei-tigen Verfahren von je her problematisch (vgl. oben 3. Kap. B.II.3.b.).

Durch die von der Kommission vorgeschlagene parallele Anknüpfung von Zu-ständigkeit und Erbstatut wird das Problem für die Großzahl der Fälle gelöst bzw. bereits in der Entstehung gehindert. Soweit die Gerichte des Mitgliedstaa-tes, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Auf-enthalt hatte (Art. 4 E), das Recht eben dieses Staates (Art. 16 ErbVO-E), mithin ihr „eigenes“ Recht zur Anwendung bringen, ist die Konfrontation mit wesensfremden Rechtsfiguren logisch ausgeschlossen.

Schwierigkeiten sind künftig nur mehr für solche Konstellationen zu erwarten, in denen internationale Zuständigkeit und anwendbares Sachrecht

Schwierigkeiten sind künftig nur mehr für solche Konstellationen zu erwarten, in denen internationale Zuständigkeit und anwendbares Sachrecht