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Einschränkungen der internationalen Zuständigkeit

B. Einzelfragen und Problemfelder

III. Die internationale Zuständigkeit in Nachlassverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

5. Einschränkungen der internationalen Zuständigkeit

Auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurden verschiedene Ein-schränkungen der internationalen Zuständigkeit diskutiert. Der mit der Begrün-dung eigener Zuständigkeit im Ausgangspunkt vergleichsweise zurückhaltende Gleichlaufgrundsatz führte jedoch dazu, dass den betreffenden Fallgestaltungen hier eine deutlich geringere Bedeutung zukam.

a. Wesensfremde Tätigkeit

Grundsätzlich waren deutsche Nachlassgerichte nur dann zuständig, wenn in der Sache deutsches Erbrecht zur Anwendung kam. Der problematische Umgang mit solchen Verrichtungen, die dem deutschen Recht wesensfremd sind, war damit in der Vielzahl der Fälle logisch ausgeschlossen. Nur in den von der

205 Heldrich NJW 1967, 417 (420); Berenbrok, 248; Staudinger/Dörner (2007) Art. 25 EGBGB, Rn.

849; MK/Sonnenberger Einl. IPR, Rn. 455.

206 Berenbrok, 74; Jansen/Müller-Lukoschek § 73, Rn. 50; MK/Birk Art. 25 EGBGB, Rn. 316.

Rechtsprechung eröffneten Ausnahmen vom Grundsatz des Gleichlaufs waren die aus dem Bereich der streitigen Erbrechtsprozesse bekannten Schwierigkeiten denkbar. Wie dort (vgl. oben 3. Kap. B.II.3.b.) war man sich auch hier darüber einig, dass mit der Annahme von Wesensfremdheit angesichts des Rechtsan-wendungsbefehls des Kollisionsrechts und der drohenden Rechtsschutzverwei-gerung äußerste Zurückhaltung geboten ist207. Soweit möglich, wurde die In-kongruenz zwischen ausländischem Sach- und deutschem Verfahrensrecht be-reits dadurch vermieden, dass ausländische Verfahrensnormen als materiell-rechtlich qualifiziert wurden208. In den verbleibenden Fällen wurden hohe Hür-den an die Einordnung einer Tätigkeit als wesensfremd gestellt. Auch wenn die hier zugrunde zu legenden Kriterien im Einzelnen streitig waren209, führte dies dazu, dass insbesondere in Nachlasssachen kaum Anwendungsfälle denkbar wa-ren, in denen eine Einschränkung tatsächlich vorzunehmen gewesen wäre210. Dementsprechend waren die Rechtsfolgen einer solchen „Einschränkung“ nicht abschließend geklärt. Während die einen ein Tätigwerden mit unterschiedlicher Begründung ganz ablehnten211, vertraten andere, solche ausländischen materiell-rechtlichen Figuren, die sich mit den Mitteln des deutschen Verfahrensrecht nicht umsetzen lassen, seien nach Möglichkeit durch vergleichbare Konstruktio-nen des deutschen Rechts zu ersetzen212.

b. Fehlende Anerkennung bzw. Vollstreckbarkeit

Auch im Bereich des Nachlassverfahrens setzt die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte nicht voraus, dass die betreffende Maßnahme im Ausland anerkannt wird. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang lediglich, ob

207 Berenbrok, 140 ff.; Kegel/Schurig, 872 f.; Kropholler, 587.

208 Dölle, RabelsZ 27 (1962/1963), 201 (228 ff.); Heldrich, NJW 1967, 417 (420); kritisch:

Schlechtriem, 38 ff.

209 Berenbrok, 142; Dölle, RabelsZ 27 (1962/1963), 201 (230); Kegel/Schurig, 872 f.

210 Kropholler, 588; Berenbrok, 145; anders: Von Craushaar, 96 f.

211 Wegen fehlender internationaler Zuständigkeit: Heldrich, NJW 1967, 417 (420); wegen fehlen-der sachlicher Zuständigkeit: Kegel/Schurig, 872; Soergel/Schurig Art. 25 EGBGB, Rn. 58.

212 Berenbrok, 148 ff.; Kropholler, 588; vgl. für das Verhältnis der österreichischen Einantwortung zur deutschen Erteilung eines Erbscheins: BayObLGZ 1967, 197 (201); 1971, 34 (44).

gegebenenfalls das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist. Dies könnte dann der Fall sein, wenn bereits bei Einleitung des Verfahrens sicher feststeht, dass die betreffende Maßnahme im Inland leerlaufen und im Ausland nicht anerkannt bzw. substituiert werden wird213.

c. Ausschließliche ausländische Zuständigkeit

Ob bzw. inwieweit eine im Ausland reklamierte ausschließliche Zuständigkeit auch im Geltungsbereich des FGG eine negative Prozessvoraussetzung zu be-gründen vermochte, bedarf vorliegend keiner näheren Untersuchung. Jedenfalls in Nachlasssachen wurde die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nicht durch die Betätigung einer ausländischen Stelle berührt:

Voraussetzung für die Blockade einer deutschen Sachentscheidung ist – wie oben erläutert (II.3.c.dd) – zunächst ein positiver Kompetenzkonflikt. Aus Sicht des deutschen Rechts muss für ein und dieselbe Verrichtung also sowohl ein deutsches Nachlassgericht, als auch eine ausländische Stelle zuständig sein. Au-ßerdem muss zu erwarten stehen, dass die ausländische Entscheidung oder Ver-richtung auch im Inland Bindungswirkung entfaltet. Im Anwendungsbereich des Gleichlaufgrundsatzes fehlte es bereits an ersterer Voraussetzung. Das Kollisi-onsrecht erklärte stets nur das Sachrecht eines Staates für anwendbar. Ein posi-tiver Kompetenzkonflikt war demnach denklogisch ausgeschlossen. Auch im Rahmen der oben beschriebenen Ausnahmen vom Gleichlaufgrundsatz kam ein positiver Kompetenzkonflikt nicht in Betracht: Sowohl Sicherungs- als auch Notzuständigkeit setzten voraus, dass ausreichender Rechtsschutz durch auslän-dische Gerichte gerade nicht zu erwarten stand. Soweit eine entsprechende Zu-ständigkeit im Ausland eröffnet war und eine anzuerkennende Entscheidung versprach, fehlte es daher bereits tatbestandlich an den Voraussetzungen für eine

213 MK Sonnenberger Einl. IPR, Rn. 472; Staudinger/Dörner (2007) Art. 25 EGBGB, Rn. 853; der-selbe in IPRax 1994, 362 (364).

Durchbrechung des Gleichlaufgrundsatzes214. Ein positiver Kompetenzkonflikt war somit allenfalls in den Konstellationen des § 2369 BGB denkbar. Hier fehl-te es aber an der zweifehl-ten denklogischen Voraussetzung für die Begründung der Unzulässigkeit des Verfahrens vor dem deutschen Nachlassgericht. Während die herrschende Meinung ausländischen Erbscheinen lediglich Beweis-, nicht aber Legitimationswirkung beimisst215, plädieren andere zwar für die Anerkennung ausländischer Erbscheine, lehnen eine Bindungswirkung jedoch gleichfalls ab216. Wenn aber bereits dem ausländischen Erbschein keine Bindungswirkung zu-kommt, so vermag die zu seiner Begründung eröffnete ausländische Zuständig-keit unabhängig davon, ob sie im Ausland als konkurrierend oder ausschließlich eingestuft wird, die Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte erst recht nicht auszuschließen.

d. Ausländische Rechtshängigkeit

Aus denselben Erwägungen spielten auch die Probleme um ein zeitlich früher begründetes ausländisches Verfahren in Nachlasssachen bis zum 01.09.2009 keine Rolle. Wo bereits die Situation eines positiven Kompetenzkonfliktes lo-gisch ausgeschlossen ist, bzw. aus Sicht des deutschen Rechts die verbindliche Entscheidung einer ausländischen Stelle in keinem Fall neben die Verrichtung des inländischen Nachlassgerichts treten kann, ist es gänzlich irrelevant, in wel-cher Reihenfolge die unter Umständen parallelen Verfahren in Gang gesetzt werden.

214 Vgl. Staudinger/Dörner (2007) Art. 25 EGBGB, Rn. 842; Pinckernelle/Spreen, DNotZ 1967, 195 (200); Brand/Kleeff, 570.

215 KG NJW 1954, 1331 f.; Pinckernelle/Spreen DNotZ 1967, 195 (215); Staudinger/Schilken (2010) § 2369, Rn. 12.

216 BayObLGZ 1965, 377; Soergel/Zimmermann § 2369, Rn. 4; Palandt/Thorn Art. 25 EGBGB, Rn.

19; Keidel FGG/Winkler § 73, Rn. 32.