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Die internationale Zuständigkeit in streitigen Erbrechtsverfahren Das FamFG wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in

I. Vergleichende Untersuchung der bislang problematischen Punkte Im vorangegangenen 3. Kapitel wurde eine ganze Reihe von Problemen und

2. Die internationale Zuständigkeit in streitigen Erbrechtsverfahren Das FamFG wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in

Fa-miliensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ge-schaffen249. Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit im streitigen Erb-rechtsverfahren blieben durch dieses sog. „FGG-Reformgesetz“ naturgemäß un-berührt. Was den in diesem Bereich schon von jeher250 angewandten Grundsatz der Doppelfunktionalität der Gerichtsstandsnormen sowie die hiermit verknüpf-ten Einzelfragen und Problemfelder angeht, kann deshalb umfassend nach oben verwiesen werden (3. Kap. B. II.). Die dortigen Ausführungen gelten nach dem 01.09.2009 unverändert fort.

249 Coester-Waltjen, Jura 2009, 858; Fröhler, BWNotZ 2008, 183; Zimmermann, ZEV 2009, 53.

250 Also seit Inkrafttreten der ZPO am 01.10.1879, verfestigt durch die ständige Rspr. des RG, vgl.

RGZ 126, 196 (198); 150, 265 (268).

3. Die internationale Zuständigkeit in Nachlassverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Geradezu gegenteilig ist die Situation im Bereich der freiwilligen Gerichtsbar-keit. Wie bereits überblicksartig dargestellt, wurde die internationale Zuständig-keit in Nachlasssachen mit Inkrafttreten des FamFG gänzlich neu geregelt.

a. Abkehr vom Grundsatz des Gleichlaufs

Das eigentliche Kernstück der Reform der internationalen Zuständigkeit in Nachlassverfahren bildet die Abkehr vom Grundsatz des Gleichlaufs zwischen anwendbarem Recht und Zuständigkeit. Ein Schritt, der gleichermaßen bedeut-sam wie konstruktiv „einfach“ ist und deshalb für sich genommen keiner weite-ren Erläuterung bedarf. Im Bereich der Nachlasssachen gilt nicht mehr die in dieser Form im deutschen internationalen Zivilverfahrensrecht einzigartige Ausnahme des Gleichlaufgrundsatzes. Die internationale Zuständigkeit leitet sich nun vielmehr – wie überall dort, wo sich nicht ausdrücklich eine anderwei-tige Regelung findet – schlicht aus den Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit ab.

b. Die einstigen Ausnahmekonstellationen

Wie oben (3. Kap. B. III.) erläutert, ließ die Rechtsprechung bis zum Inkrafttre-ten des FamFG in bestimmInkrafttre-ten Konstellationen Ausnahmen vom Grundsatz des Gleichlaufs zu. Nachdem dieser insgesamt verworfen wurde, sind denklogisch auch die partiellen Einschränkungen bzw. Erweiterungen hinfällig geworden.

Ob die einstigen Ausnahmekonstellationen von dem jetzt geltenden Grundsatz der Doppelfunktionalität der Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit zufrieden-stellend gelöst werden oder ob insofern weiterhin Sonderlösungen geboten er-scheinen, soll nachfolgend untersucht werden.

aa. „Fremdrechtserbschein“, § 2369 Abs. 1 BGB

§ 2369 Abs. 1 BGB wurde bis zum 01.09.2009 als gesetzliche Ausnahme des Gleichlaufgrundsatzes verstanden, in deren „Dunstkreis“, gleichsam als Annex, die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte für verschiedene weitere Maßnahmen unabhängig vom einschlägigen Erbstatut bejaht wurde.

Neben der eigentlichen Erbscheinserteilung wurde aus § 2369 Abs. 1 BGB a.F.

insbesondere die Zuständigkeit für die Eröffnung letztwilliger Verfügungen, für die Entgegennahme von Annahme- und Ausschlagungserklärungen und deren Anfechtung sowie für die Einziehung unrichtiger Erbscheine abgeleitet251. (1) Erteilung eines Fremdrechtserbscheins

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die örtlich zuständigen Nachlassge-richte einen Erbschein seit dem 01.09.2009 – allgemeinen Grundsätzen folgend – auch dann ausstellen, wenn die Rechtsnachfolge von Todes wegen ausländi-schem Recht unterliegt. Nach § 2369 Abs. 1 BGB a.F. war dies nur möglich so-fern und soweit sich Nachlassgegenstände im Inland befanden. Die Reform hat hier also zu einer deutlichen Erweiterung der internationalen Zuständigkeit für die Erteilung von Fremdrechtserbscheinen geführt, die zudem weltweite Gel-tung beanspruchen252. Ein solcher Fremdrechtserbschein kann nun grundsätzlich selbst dann erteilt werden, wenn im Inland keinerlei Nachlassgegenstände vor-handen sind253.

Der neuen Fassung des § 2369 Abs. 1 BGB kommt vor diesem Hintergrund eine im Vergleich zur alten Fassung quasi umgekehrte Funktion zu. Die eigenständi-ge Bedeutung der Vorschrift ergibt sich nicht mehr daraus, die internationale

251 BayObLGZ 1965, 423 (429); 1971, 34 (37); Bamberger/Roth/Lorenz Art. 25 EGBGB, Rn. 66;

Pinckernelle-Spreen DNotZ 1967, 195 (201 f.); MK/Birk Art. 25 EGBGB, Rn. 319.

252 Schulte-Bunert/Weinreich/Tschichoflos § 343, Rn. 6; Keidel/Engelhardt § 105, Rn. 4;

Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff § 105, Rn. 1.

253 In diesen Konstellationen dürfte es jedoch jedenfalls dann am erforderlichen Rechtsschutzbe-dürfnis fehlen, wenn die Anerkennung des Erbscheins im Ausland nicht zu erwarten steht, vgl.

Bahrenfuß/Schaal § 343, Rn. 6.

Zuständigkeit ausnahmsweise zu eröffnen, sondern aus der Möglichkeit, diese zu beschränken. Der Formulierung des neuen § 2369 Abs. 1 BGB,

„(…) kann (…) auf die im Inland befindlichen Gegenstände beschränkt werden.“,

ist dabei zu entnehmen, dass eine Beschränkung lediglich auf alle im Inland be-findlichen Nachlassbestandteile möglich ist. Eine Beschränkung auf einzelne inländische Gegenstände oder den im Ausland belegenen Nachlass scheidet aus254. Unabhängig ist die Beschränkungsmöglichkeit hingegen von der Frage des anwendbaren Sachrechts. Auch die Erteilung eines beschränkten Eigen-rechtszeugnisses ist zulässig255.

Das Interesse an einer solchen Beschränkung, die zwingend in den Erbschein mit aufzunehmen ist256, dürfte sich in erster Linie aus der Erwartung ergeben, Zeit und Kosten zu sparen. Auch wenn, was im Einzelnen noch darzulegen sein wird, diese Erwartung nicht auf alle Konstellationen in gleichem Maße zutrifft, stellt die Möglichkeit der gegenständlichen Beschränkung des Erbscheins inso-fern grundsätzlich einen durchaus tauglichen Ansatz dar. Bei entsprechender Fallgestaltung profitiert der Antragsteller nicht nur von einer infolge geringeren Nachlasswerts reduzierten Gerichtsgebühr, sondern spart außerdem die Kosten für das Erstellen teurer Rechtsgutachten257.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es einer Sonderbehandlung der ehe-mals von der Ausnahmeregelung des § 2369 Abs. 1 BGB a.F. erfassten Konstel-lationen grundsätzlich nicht mehr bedurft hätte. Der nach § 105 FamFG nun auch in Nachlassangelegenheiten anwendbare Grundsatz der

Doppelfunktionali-254 Fröhler, BWNotZ 2008, 183 (187); Kroiß, ZEV 2009, 493 (494); Schaal, BWNotZ 2007, 154 (157).

255 Bolkart, MittBayNot 2009, 268 (274); Fröhler, BWNotZ 2008, 183 (187); Kroiß, ZEV 2009, 493 (494).

256 Kroiß, ZEV 2009, 493 (495).

257 Vgl. im Einzelnen unten (II.4.), wo die Frage nach dem für die Verrichtungen des Nachlassge-richts erforderlichen Mehraufwand insgesamt diskutiert wird.

tät der Gerichtsstandsnormen ermöglicht eine sachgerechte Antwort auf die Fra-ge der internationalen Zuständigkeit zur Erteilung eines Erbscheins. Im Zusam-menspiel insbesondere mit § 343 Abs. 3 FamFG sorgt er dafür, dass deutsche Nachlassgerichte (auch) immer dann zuständig sind, wenn sich Teile des Nach-lasses im Inland befinden. Ein entscheidender Vorteil ist hierbei darin zu sehen, dass die Frage nach den teilweise diffizilen kollisionsrechtlichen Anknüpfungen und Verweisungen aus dem Bereich der Zuständigkeitsprüfung verschwindet.

Während das Kollisionsrecht bisher darüber entschieden hat, ob bzw. inwieweit ein deutsches Nachlassgericht international zuständig ist, spielt es seit dem 01.09.2009 erst dann eine Rolle, wenn es die Frage zu beantworten gilt, nach welchem Recht die im Erbschein auszuweisende Erbfolge inhaltlich zu bestim-men ist258. Die mit der Anknüpfung an die örtliche Zuständigkeit einhergehende Zuständigkeitserweiterung wird dazu führen, dass es deutlich häufiger erforder-lich ist, ausländische Rechtsinstitute in die deutsche Rechtssprache (lex fori) zu

„übersetzen“259. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beschränkungsmöglich-keit des § 2369 Abs. 1 BGB n.F. als äußerst nützlich. Die Regelung wird in den Fällen der Nachlassspaltung dafür sorgen, dass der mit der Anwendung fremden Sachrechts verbundene Mehraufwand nur dann betrieben wird, wenn er auch einen entsprechenden Mehrwert verspricht.

(2) Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen

Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus leitete die Rechtsprechung aus § 2369 Abs. 1 BGB a.F. die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte auch für die Eröffnung letztwilliger Verfügungen ab. Begründet wurde dies da-mit, dass es sich hierbei um eine Voraussetzung für die von § 2369 Abs. 1 BGB a.F. vorgesehene Erteilung eines Fremdrechtserbscheins handle260.

258 Vgl. Schaal, BWNotZ 2007, 154 (159).

259 Vgl. Schaal, BWNotZ 2007, 154 (159 f.); wohl auch deshalb wurde die funktionelle Zuständig-keit in § 16 Abs. 1 Nr. 6 RpflG n.F. in sämtlichen Fällen, in denen „die Anwendung ausländi-schen Rechts in Betracht kommt“ dem Richter zugewiesen, vgl. Savigny/Schäuble in: Haus-mann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, 1869.

260 BayObLGZ 1965, 423 (429); 1971, 34 (37); Bamberger/Roth/Lorenz Art. 25 EGBGB, Rn. 66;

Pinckernelle-Spreen DNotZ 1967, 195 (201 f.); MK/Birk Art. 25 EGBGB, Rn. 319 f.

Dieser Konstruktion bedarf es seit dem 01.09.2009 nicht mehr. Auch die inter-nationale Zuständigkeit für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen ergibt sich jetzt – allgemeinen Grundsätzen folgend – aus den §§ 105, 343 FamFG261. Die verschiedenen Varianten des § 343 FamFG führen hierbei wiede-rum zu einer deutlichen Zuständigkeitserweiterung. Die Regelung des § 344 Abs. 6 FamFG, die speziell die Eröffnung letztwilliger Verfügungen im Blick hat, dürfte demgegenüber in erster Linie im Bereich der örtlichen Zuständigkeit relevant werden. Konstellationen, in denen eine Verfügung von Todes wegen nicht beim Nachlassgericht des letzten Wohnsitzes bzw. Aufenthalts des Erblas-sers, sondern beispielsweise beim Gericht eines früheren Wohnsitzes verwahrt wird, sind durchaus gängig262. Im Rahmen der Prüfung der internationalen Zu-ständigkeit wird § 344 Abs. 6 FamFG hingegen kaum eine eigenständige Rolle spielen. Zwar eröffnet er theoretisch eine Zuständigkeit auch für den Fall, dass ein ausländischer Erblasser, der weder Wohnsitz bzw. Aufenthalt noch Vermö-gen im Inland hatte, eine letztwillige Verfügung bei einem deutschen Nachlass-gericht verwahrt, diese Konstellation erscheint jedoch äußerst unwahrscheinlich.

Hinzu kommt, dass es in derlei Fällen häufig am erforderlichen Rechtsschutzbe-dürfnis für eine inländische Zuständigkeit fehlen dürfte263.

Hiervon unabhängig bleibt festzuhalten, dass sich die internationale Zuständig-keit zur Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen seit Inkrafttreten des FamFG unproblematisch unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, §§ 105, 343, 344 Abs. 6 FamFG. Einer ungeschriebenen Hilfskonstruktion (Annex zu § 2369 Abs. 1 BGB a.F.) bedarf es nicht mehr. Die FGG-Reform hat in diesem Punkt also zu einer Vereinfachung und deutlich erhöhter Rechtsklarheit geführt.

(3) Annahmezuständigkeit

261 Zumindest missverständlich daher Keidel/Zimmermann § 344, Rn. 37: „Testamente von Auslän-dern sind nach § 344 zu eröffnen, wenn hier eine internationale Zuständigkeit besteht (§ 105).“

262 MK/Hagena, 4. Auflage 2004, § 2261, Rn. 1; Soergel/Mayer 13. Auflage Stand 2002/2003 § 2261, Rn. 1.

263 In diese Richtung könnte man auch die angesprochene Kommentierung von Zimmermann (Kei-del/Zimmermann § 344, Rn. 37) deuten.

Unter Verweis auf den engen inhaltlichen Zusammenhang leitete die Recht-sprechung aus § 2369 Abs. 1 BGB a.F. die internationale Zuständigkeit auch für die Entgegennahme solcher rechtsgestaltender Erklärungen ab, die den erbrecht-lichen Erwerb bzw. die Erbfolge insgesamt betreffen. Deutsche Nachlassgerich-te waren hiernach insbesondere berufen, Erklärungen zur Annahme und Aus-schlagung der Erbschaft sowie zur Anfechtung von Verfügungen von Todes wegen entgegenzunehmen264. Kontrovers diskutiert wurde in diesem Zusam-menhang zum einen, nach welchem Recht die für die betreffenden Erklärungen geltenden Fristen zu bestimmen seien265. Zum anderen war umstritten, wie weit die beschriebene Annahmezuständigkeit reichen sollte bzw. – anders formuliert – ob sich die Wirkung der gegenüber einem deutschen Gericht abgegebenen Ausschlagungserklärung auf den im Inland befindlichen Nachlass zu beschrän-ken habe.

(a) Ausschlagungsfrist nach Erbstatut zu bestimmen

Die erste Frage berührt den Bereich der internationalen Zuständigkeit bei ge-nauerer Betrachtung nur mittelbar. Ob die Ausschlagungsfrist nach dem Erbsta-tut oder aber der lex fori zu bestimmen ist, hängt zu allererst davon ab, ob man die betreffenden Regelungen dem materiellen Erbrecht oder aber dem Verfah-rensrecht zuordnet. Die nach altem Recht herrschende Meinung, die insofern von einer materiellen Voraussetzung und damit der Anwendung des Erbstatuts ausging266, stützte sich dementsprechend nicht etwa auf den Gleichlaufgrundsatz und muss auch nach der FGG-Reform fortgelten.

(b) Reichweite der Annahmezuständigkeit

Was den zweiten Streitpunkt angeht, so war nach altem Recht zu differenzieren:

Soweit in der Sache deutsches Erbrecht Anwendung fand, waren die deutschen Nachlassgerichte nach dem sog. Gleichlaufgrundsatz für die Entgegennahme rechtsgestaltender Erklärungen zuständig. In den Fällen sog. Nachlassspaltung

264 BayObLGZ 1965, 423 (429); Lorenz, ZEV 1994, 146 f.; Hermann, ZEV 2002, 259 (260).

265 Im Zentrum der Diskussion stand hierbei wenig überraschend die Frist zur Erklärung der Aus-schlagung.

266 Staudinger/Dörner (2007) Art. 25 EGBGB, Rn. 113 ff.; Hermann, ZEV 2002, 259 (263).

erfasste die Wirkung einer Ausschlagungserklärung daher nach überwiegender Ansicht nur einen Teil des Nachlasses267. Umstritten waren hingegen diejenigen Konstellationen, in denen sich aus dem Gleichlaufgrundsatz eine umfassende internationale Zuständigkeit ausländischer Stellen ergab und deutsche Nachlass-gerichte nur ausnahmsweise – abgeleitet aus 2369 Abs. 1 a.F. BGB – für die Entgegennahme z.B. einer Ausschlagungserklärung zuständig waren. Obwohl es vor dem Hintergrund der Tatsache, dass § 2369 Abs. 1 BGB a.F. auch in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nur eine beschränkte Zuständigkeit eröffne-te, nahe gelegen häteröffne-te, die Wirkung der Ausschlagungserklärung in diesen Fäl-len auf den im Inland befindlichen Nachlass zu begrenzen, vertrat die wohl herr-schende Lehre unter Verweis auf den Grundsatz der Nachlasseinheit eine um-fassende Wirkung derartiger, vor einem deutschen Nachlassgericht abgegebener Erklärungen268.

Seit dem 01.09.2009 ergibt sich auch die internationale Zuständigkeit für die Entgegennahme rechtsgestaltender Erklärungen aus den §§ 105, 343 FamFG.

Die hiernach eröffnete Zuständigkeit ist unabhängig von der Frage des anwend-baren Sachrechts. Sie kennt keinerlei Limitierung im Hinblick auf die Belegen-heit des Nachlasses und verlangt weltweite Geltung. Eine Beschränkungsmög-lichkeit, wie sie die eng auszulegende Ausnahmevorschrift des § 2369 Abs. 1 BGB n.F. für die Erteilung eines Erbscheins vorsieht, besteht nicht. Während die umfassende Zuständigkeit für die Entgegennahme einer Ausschlagungser-klärung und damit letztlich auch die Wirkung der Ausschlagung nach altem Recht – je nach Konstellation – gar nicht oder nur mit erheblichem Begrün-dungsaufwand zu erreichen war269, ergibt sie sich seit Inkrafttreten des FamFG unmittelbar aus dem Gesetz. Auch in diesem Punkt ist somit von einer Verein-fachung der Rechtslage auszugehen, die wiederum mit einer Erweiterung der internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte einhergeht.

267 Hermann, ZEV 2002, 259 (261); Lorenz, ZEV 1994, 146 (147 f.).

268 Kopp, 81; Lorenz, ZEV 1994, 146 (147 f.); derselbe in Bamberger/Roth Art. 25 EGBGB, Rn. 66;

vgl. Hermann, ZEV 2002, 259 (262); eine höchstrichterlich Entscheidung ist zu dieser Frage soweit ersichtlich – nicht ergangen.

269 Vgl. insbesondere Hermann, ZEV 2002, 259 (261 f.).

(c) § 344 Abs. 7 FamFG

Neue Probleme ergeben sich im Bereich der sog. Annahmezuständigkeit hinge-gen aus § 344 Abs. 7 FamFG. Wie oben (A.II.3.) angedeutet, ist insofern bereits streitig, ob die Vorschrift doppelfunktionalen Charakter hat, ob sie also neben der örtlichen auch die internationale Zuständigkeit eröffnet. Ein Großteil der Li-teratur lehnt dies entgegen der klaren Formulierung des § 105 FamFG ab270. Zur Begründung wird hierbei auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 344 Abs. 7 FamFG verwiesen. Außerdem befürchten die Vertreter dieser An-sicht neben einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit eine übermäßige Erweite-rung der internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte271.

Jedenfalls aus dem Wortlaut der Vorschrift und der Furcht vor Rechtsunsicher-heit lassen sich jedoch keine Argumente gegen die Doppelfunktion des § 344 Abs. 7 FamFG ableiten. Zwar trifft es zu, dass die Regelung mit den Verweisen auf die §§ 1945 Abs. 1, 1955 BGB zunächst Institute des deutschen Sachrechts im Blick hat, dies ist jedoch auch bei anderen Gerichtsstandsnormen der Fall (z.B. in unmittelbarem systematischem Zusammenhang: § 344 Abs. 1 Nr. 3 FamFG). Dennoch verfällt hier niemand auf den Gedanken, die doppelte Funk-tion dieser Vorschriften in Frage zu stellen272. Das aus der gegenteiligen Ansicht fließende Verständnis des Wortlauts hätte zur Folge, dass § 344 Abs. 7 FamFG auch die örtliche Zuständigkeit für die Entgegennahme z.B. einer Ausschla-gungserklärung ausländischen Rechts nicht zu begründen vermag, eine Ein-schränkung, für die keinerlei Rechtfertigung ersichtlich ist273. Die befürchtete Rechtsunsicherheit resultiert daraus, dass bei Ablauf der Ausschlagungsfrist zu-nächst keine verlässliche Aussage darüber möglich ist, ob nicht die

Ausschla-270 Horndasch/Viefhues/Heinemann § 344, Rn. 80; Heinemann, ZErb 2008, 293 (299); Bahrenfuß/

Schaal § 344, Rn. 31; Bassenge/Roth/Althammer § 105, Rn. 4; obergerichtliche Rechtsprechung ist zu dieser Frage bisher nicht ergangen.

271 Horndasch/Viefhues/Heinemann § 344, Rn. 80; Heinemann, ZErb 2008, 293 (299); Bahrenfuß/

Schaal § 344, Rn. 31; Bassenge/Roth/Althammer § 105, Rn. 4; Savigny/Schäuble in: Haus-mann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, 1864.

272 Verfehlt erscheint es daher, wenn Bachmayer in BWNotZ 2010, 146 (153) trotz des eindeutigen Wortlauts des § 105 FamFG die Möglichkeit einer „erweiternden Auslegung“ des § 344 Abs. 7 FamFG prüft und im Ergebnis ablehnt.

273 Verfehlt daher: Bahrenfuß/von Milczewski § 344, Rn. 31; Heinemann ZErb 2008, 293 (299).

gung vor einem nach § 344 Abs. 7 FamFG zuständigen Gericht erklärt wurde.

Diese Unsicherheit bleibt jedoch auch dann bestehen, wenn man § 344 Abs. 7 FamFG ausschließlich als Regelung zur örtlichen Zuständigkeit versteht.

Wie bereits angedeutet, wurde § 344 Abs. 7 FamFG durch den Reformgesetz-gerber in erster Linie aufgenommen, um die nach altem Recht streitige Frage einer (örtlichen) Zuständigkeit auch ohne vorheriges Amtshilfeersuchen zu klä-ren274. Die historischen Wurzeln der Vorschrift dürften damit eindeutig dem Be-reich der örtlichen Zuständigkeit zuzuordnen sein. Allein hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, § 344 Abs. 7 FamFG habe entgegen der aus-drücklichen Anordnung des § 105 FamFG keine Doppelfunktion.

Zuzugestehen ist den Vertretern der angesprochenen Ansicht somit lediglich, dass § 344 Abs. 7 FamFG zu einer deutlichen Erweiterung der internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte führt. Wie die bisherige Betrachtung zeigt, ist das jedoch ein Effekt, den § 105 FamFG ganz allgemein erzielt. Sofern dies in der Konstellation des § 344 Abs. 7 FamFG vermieden werden soll, be-darf es hierfür einer Entscheidung des Gesetzgebers275.

Geht man dementsprechend davon aus, dass § 344 Abs. 7 FamFG auch auf die Frage der internationalen Zuständigkeit Anwendung findet, ergeben sich unmit-telbar weitere Probleme: Nachdem die Vorschrift ausdrücklich nur die Entge-gennahme der Ausschlagungserklärung (§ 1945 Abs. 1 BGB) und deren An-fechtung (§ 1955 S. 1, Alt. 2 BGB) erwähnt, erscheint fraglich, ob sie auch auf die Entgegennahme der Anfechtungserklärung betreffend die Annahme der Erb-schaft (§§ 1955 S. 1, Alt. 1, 1956 BGB) und die Anfechtungserklärung nach § 2308 Abs. 1 BGB anzuwenden ist. Unklar ist außerdem, ob die Zuständigkeit nach § 344 Abs. 7 FamFG lediglich die Aufnahme der angesprochenen

Erklä-274 Keidel/Zimmermann § 344, Rn. 44 ff.; Bumiller/Harders § 344, Rn. 16; Schulte-Bunert/Wein-reich/Tschichoflos § 344, Rn. 12.

275 Wie hier: MK ZPO/J. Mayer § 344, Rn. 21; a.A: Savigny/Schäuble in: Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, 1864.

rungen zur Niederschrift oder auch deren Entgegennahme in öffentlich beur-kundeter Form umfasst276.

Bei der Nichterwähnung der Anfechtungserklärungen nach §§ 1955 S. 1, Alt. 1, 1956, 2308 Abs. 1 BGB dürfte es sich unterdes wohl um ein Redaktionsverse-hen handeln277. Auch im Hinblick auf die notariell beurkundeten Erklärungen spricht bereits der Zweck der Gesetzesänderung – dem rechtsunkundigen Erben die Fristwahrung zu ermöglichen und ihm die Suche nach dem örtlich zuständi-gen Nachlassgericht zu ersparen – dafür, von einer Entgezuständi-gennahmezuständigkeit auszugehen278. Im Ergebnis sind mit der herrschenden Meinung daher beide Fragen zu bejahen.

Hiervon unabhängig bleibt festzuhalten: der Gesetzgeber hat mit der mögli-cherweise übereilt aufgenommenen Regelung des § 344 Abs. 7 FamFG mehr Probleme geschaffen als gelöst279.

(4) Einziehung eines unrichtigen Erbscheins

Auch die internationale Zuständigkeit zur Einziehung oder Kraftloserklärung eines unrichtigen Erbscheins wurde bis zum 01.09.2009 aus § 2369 Abs. 1 BGB a.F. abgeleitet280. Mit Einführung des § 105 FamFG hat sich diese Hilfskon-struktion erübrigt. Die Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte ergibt sich nunmehr – allgemeinen Grundsätzen folgend – aus § 343 FamFG. Gleichsam als Gegenstück zum jetzt regelmäßig zu erteilenden unbeschränkten Fremd-rechtserbschein, beansprucht diese Zuständigkeit weltweit Geltung. Die Einzie-hung bzw. Kraftloserklärung hat das gesamte Vermögen des Erblassers im Blick281. Außerdem besteht die spezielle, aus § 2361 BGB folgende,

Zuständig-276 Vgl. Bumiller/Harders § 344, Rn. 16; Bahrenfuß/von Miczewski § 344, Rn. 24.

277 Bahrenfuß/von Milczewski § 344, Rn. 24; Bumiller/Harders § 344, Rn. 16; Heinemann, ZErb 2008, 293 (295); a.A. Bassenge/Roth § 344, Rn. 13.

278 Keidel/Zimmermann § 344, Rn. 44 f., 47; im Ergebnis auch: Bahrenfuß/von Miczewski § 344, Rn. 24; Bumiller/Harders § 344, Rn. 16.

279 Vgl. Heinemann, DNotZ 2009, 6 (25).

280 Staudinger/Dörner (2007) Art. 25 EGBGB, Rn. 840; BayObLGZ 1971, 34 (37).

281 MK ZPO/Mayer § 343 FamFG, Rn. 28; Zimmermann, 189.

keit zur Einziehung oder Kraftloserklärung eines selbst erteilten fehlerhaften Erbscheins fort. Dasjenige Nachlassgericht, das einen unrichtigen Erbschein er-teilt hat, ist auch für dessen Einziehung (international) zuständig282. In welchem Verhältnis die örtliche Zuständigkeit aus § 2361 BGB hierbei zu der aus § 343 FamFG steht, ob in den betreffenden Konstellationen also ausschließlich dasje-nige Gericht zuständig ist, das den fehlerhaften Erbschein erteilt hat oder ob da-neben auch die Zuständigkeit des Nachlassgerichts nach § 343 FamFG besteht, bedarf hier keiner Untersuchung. Die deutsche internationale Zuständigkeit für die Einziehung eines unrichtigen, durch ein deutsches Nachlassgericht erteilten Erbscheins, ist in jedem Fall zu bejahen.

bb. Maßnahmen zur Sicherung des Nachlasses

Als weitere Ausnahme vom Grundsatz des Gleichlaufs von Erbstatut und inter-nationaler Zuständigkeit hatte sich in der Rechtsprechung zum alten Recht die sog. Sicherungszuständigkeit deutscher Nachlassgerichte etabliert. Unter Beru-fung auf eine entsprechende „internationale Praxis“ wurde die Zuständigkeit für

Als weitere Ausnahme vom Grundsatz des Gleichlaufs von Erbstatut und inter-nationaler Zuständigkeit hatte sich in der Rechtsprechung zum alten Recht die sog. Sicherungszuständigkeit deutscher Nachlassgerichte etabliert. Unter Beru-fung auf eine entsprechende „internationale Praxis“ wurde die Zuständigkeit für