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Public Viewing als Erlebnis–Setting?

durch Beschreibung und Etikettierung eine Multiplikatorfunktion einnehmen, die die Assoziationen bzgl. des Public Viewing positiv unterstützt.

10.3 Public Viewing als Erlebnis–Setting?

„Wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der gesellschaftlichen Produktion in der Hervorbringung von Spektakeln besteht und die Schauspiele immer mehr zu körperlichen performances–Spiel, Aufführung, Ästhetik- werden, dann nähern sich die Handlungsbereic he von Unterhalt ung, B usiness, Kultur und Sport einander immer mehr an“ (Gebauer, 2002, S. 3).

Opaschowski führte in seinen Berichten und Trendaussagen zur Zukunft des Sports (1996, S. 57; 2000a, S. 166) aus, dass sich der Sport im Erlebniszeitalter nur als „vermarktete Freizeitwelt zwischen Körperkultur und Erlebnismarketing behaupten“ könne. Ob diese Aussage absolut zu sehen ist, bleibe dahingestellt.

Dennoch stellt z.B. Beckmann (1993, S. 153) fest, dass ein Heimspiel des von ihm untersuchten Handballvereins VfL Fredenbeck ein „Fest“ sei, ein „Handballspiel, aber rundherum, vorher und nacher [böten] sich ausgezeichnete Möglichkeiten, den Unterhaltungswert zu steigern“. In den vorangehenden Kapiteln ist es jedoch deutlich geworden, dass das emotionale Erleben innerhalb von Freizeitangeboten in den Vordergrund rückt. Public Viewing-Veranstaltungen als mediale Rezeption können von der Verstärkung des Erlebnispote ntials profitieren. Aufgabe ist es nun, Möglichkeiten für Public Viewing-Verantwortliche am Beispiel des Erlebnis-Setting aufzuzeigen.

Erlebnis-Setting ist als ein „Erklärungsmodell zur touristischen Angebotsgestaltung in der Erlebnisökonomie“ (Müller & Scheurer, 2004, S. 10) entwickelt worden.

„Setting“, aus dem Englischen von „to set“, ist zu übersetzen mit Umgebung oder Schauplatz. Unter Setting ist in diesem Zusammenha ng nach Scheurer (2003, S.

13) die „Gesamtheit der Umgebungsmerkmale, in deren Rahmen bestimmte Erlebnisse [bzw. zunächst Ereignisse, um bei der in dieser Arbeit verfolgten Differenzierung der Begriffe Ereignis und Erlebnis zu bleiben] stattfinden“, gemeint. Dabei kann es sich um kommerzielle und nicht-kommerzielle Schauplätze handeln. Für den ursprünglich touristischen Hintergrund bedeutet dies, dass eine möglichst optimale Angebotsgestaltung von Urlaubszielen angestrebt wird. Denn, obwohl Erlebnisse schon immer Bestandteil des touristischen Angebots waren, hat sich auch im Tourismus die Angebotslage

verändert: Romeiß-Stracke (2006, S. 35f.), Schober (1995, S. 12ff.) und Scheurer (2003, S. 13) heben hervor, dass Erlebnisse nicht mehr nur erwünschte Zusatzleistungen sind, sondern operatives Ziel der Angebotsgestaltungen. Zu diesem Zweck sollte dem Besucher zunächst einmal ein Ereignis in einem spezifischen Setting offeriert werden. Dieses wird nach Scheurer (2003, S. 133) mit „Settingprogramm‟ bezeichnet. Erlebnis-Settings zeichnen sich durch drei Eigenschaften aus:

1. Ein einziges Subjekt oder mehrere handelnde Subjekte,

2. eine Umgebung, die die typischen Inhalte im Erlebnis-Setting unterlegt, und 3. eine spezifische, für den jeweiligen Schauplatz charakteristische

Reihenfol-ge.

Für eine Public Viewing -Veranstaltung könnte das folgendes bedeuten:

1. Die Besucher und die Mitarbeiter sind die handelnden Personen.

2. Das Settingprogramm ist die Fernseh-Vorführung mit den begleitenden At- traktionen, wie Moderation, Musikeinspielungen, Imbissbuden usw., und 3. die Umgebung ist automatisch d urch die begrenzte Sicht auf die Leinwände

eingeschränkt. Wobei ein Marktplatz genauso die Umgebung darstellen kann wie ein eingegrenztes Fan Fest-Areal, etwa den Münchner Olym-piapark oder die Glückauf-Kampfbahn in Gelsenkirchen wie bei der WM 2006.

Daraus leitet Scheurer (2003, S. 133) folgende Minimalkriterien für einen Erlebnis-Schauplatz ab:

1. Es muss mindestens ein „relativ gleich bleibendes“ Settingprogramm vor-handen sein,

2. eine temporale sowie physische Abgrenzung des Settings existieren, und 3. das Programm des Settings sollte mit der Umgebung übereinstimmen.

Abb. 12: Das Konzept des Erlebnis-Settings (nach Scheurer, 2003, S. 16)

10.3 Public Viewing als Erlebnis–Setting?

In jede Situation, in die wir uns absichtlich oder auch unabsichtlich begeben, wirken Reize aus der Umwelt auf uns ein. Diese können natürlich sowohl positiver als auch negativer Natur sein. Scheurer (2003, S. 133f.) bezieht sich hier auf das Modell zur „Environmental Psychology‟ von Russel und Mehrabian (1974), wenn er sagt, dass Umweltreize und Personenvariable in einem bestimmten Setting Erlebnisse auslösen können.

Abb. 13: Einfluss von Umwe ltfaktoren und Wahrnehmung auf das Erlebnis (modifiziert nach Scheurer, 2003, S. 134)

Müller und Scheurer (2004, S. 10) betonen, dass die Wahrnehmung durch das Indi viduum eine unabdingbare Vorraussetzung für den Einfluss von Umweltreizen sei. Wenn wir etwas wahrnehmen, verarbeiten wir Informationen aus der U mwelt über die Sinnesorgane. Der Mensch ist in der Lage, Stimulatoren über den Geruchs-, Tast-, und Hörsinn wie auch über Muskeln und den Gleichgewichtssinn wahrzunehmen. Erstaunlicherweise jedoch nimmt das Individuum 80% der Reize über die Augen auf. Ein Faktum, das für Fernseh-Vorführungen nicht zuletzt eine wichtige Rolle spielt. Alle diese Sinneseindrücke sind jedoch immer subjektiv, d.h., was wahrgenommen wird und was sich im besten Fall als Erlebnis (bzw.

Erfahrung) heraus stellt, ist bei jedem unterschiedlich. Das Subjekt wird einerseits durch das Wahrnehmungsvermögen und andererseits durch Erwartungen und Erfahrungen beeinflusst (vgl. Kap. 9).75

Scheurer (2003, S. 134) stellt heraus, dass die Gesamtheit der Einzelreize und Reizcluster vom Individuum im Wahrnehmungsprozess gefiltert wird. Die wahrgenommene Reizessenz bildet die Umweltwirkung.

Nach der Theorie der Atmosphäre von Schober (1995, S. 26) wird in folgende Atmosphärearten unterschieden:

- Anregende Atmosphäre (anziehend-erregend):

Als themenbezogenes Beispiel kann hier das maritim gestaltete Fan Fest in

75 Dies e kurz e Erörterung über die Wahrnehmung soll hier genügen. Weiteres zum Wahrnehmungs proz ess ist nachzules en in Mehrabian und Russel (1974), Scheurer (2003), Pfaff (2002) u.a..

Hamburg zur WM 2006 genannt werden.

- Ruhige, entspannende Atmosphäre (anziehend-beruhigend):

Ein Wellness bereich eines Hotels oder ein Ruheraum

- Bedrückende, deprimierende Atmosphäre (abweisend-beruhigend):

Alles was eintönig und kahl ist, z.B. graue Hochhausfronten oder - aggressive Atmosphäre (abweisend–erregend):

Eine Reizüberflutung in dem Public Viewing-Areal, etwa in Form von zu vielen Besuchern, zu vielen Unterhaltungsangeboten oder zu lauter Musik.

Abb. 14: At mosphäre (modifizie rt nach Scheurer, 2003, S. 139)

Innerhalb eines Setti ngs sind meist einige der Reize dominanter als andere. Die Dominanten kann man nach Schober (1995, S. 24ff.) als „Atmosphäreträger‟

benennen. Diese werden in Atmosphärestifter und Atmosphärekiller unterteilt.

Erstere wirken anregend, also emotional positiv und abhängig von der Gesamtatmosphäre erregend/aktivierend oder beruhigend. Negative Atmosphäreträger, die Atmosphärekiller, beeinflussen demgegenüber negativ.

Zusätzlich existieren so genannte „Leerfaktoren‟ mit einer in den meisten Fällen neutralen emotionalen Wirkung. Die Wirkfaktoren lassen sich in konstante und variable Faktoren differenzieren. Konstante Faktoren sind z.B. das Landschaftsbild oder die Aufbauten beim Public Viewing. Der deutlichste variable Faktor ist wohl das Wetter. Des Weiteren kann in direkte Wirkfaktoren, wie Farbe, Licht, Töne, Gerüche etc. unterschieden werden, diese Eindrücke sind über die Sinnesorgane wahrnehmbar. Indirekte Wirkfaktoren dagegen bestehen schon vor dem Ereignis oder dem Urlaub. So nehmen Motive oder Erwartungen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung und spiegeln sich in Vorstellungen, Assoziationen oder Images wider. Zur Prüfung und letztendlich zum gelungenen Aufbau von Atmosphäreträgern ist demnach eine Reihe von Aspekten von wahrnehmungsphysiologischen bis zur psychologischen Wirkung von Reizclustern zu beachten (vgl. Müller & Scheurer, 2004, S. 11; Scheurer, 2003, S. 140f.). Diese drückt die emotionale Wirkung eines Standortes aus. Müller und Scheurer (2004,