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Fußball-Welt- und -Europameisterschaften als Quotengaranten

5.2 Wachsende Beliebtheit des Public Viewing

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6 Bei den Zahlen für 2002 muss allerdings beachtet werden, dass die Spiele mit neun Stunden Zeit verschiebung zu eher unattraktive n Fernsehzeiten ausgestrahlt wurden (vgl. Gees e et al., 2006, S. 454).

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oder RTL verfolgt, was 61,48 Mio. Zuschauern entspricht (vgl. Geese et al., 2006, S. 454). Die EM in Österreich und der Schweiz im Jahr 2008 verfolgten insgesamt 56,94 Mio. Rezipienten, wobei aber die durchschnittliche Sehbeteiligung mit einem Wert von 15,84 Mio. Zuschauern über dem Wert der WM 2006 mit 12,06 Mio.

liegt, was nach Geese und Gerhard (2008, S. 442) an den späteren Spielzeiten gelegen haben kann.7 In besonderem Maße ist das Turnier in Japan und Südkorea 2002 hervorzuheben (s. Kap. 5.2.2). Es kann ohne Zweifel als

“24 hours a day, seven days a week viewing phenomenon“ (FIFA Marketing AG M edia Services, o.J. )8

bezeichnet werden. Trotz der, durch die Zeitverschiebung zwischen den Austragungsorten in Asien und dem Hauptteil der Rezipienten in Europa und Amerika bedingten, ungünstigen TV-Übertragungszeiten sahen sich weltweit viele Menschen die Spiele an. So wurden zahlreiche „non-prime-time‟ Live-Übertragungsrekorde gebrochen. Zum Beispiel verfolgten 18,1 Mio. Deutsche das Spiel ihrer Nationalmannschaft gegen Paraguay, was der ARD, die das Spiel übertrug, einen Marktanteil von 88% bescherte (vgl. ebd., o.J.). Im Fußballland Brasilien sahen sich kumulierte 54,8 Mio. Rezipienten diese WM an, 20 Mio. mehr als beim vorherigen Turnier 1998 (vgl. Infront Sports & Media AG, o.J.c). Der brasilianische Fernsehsender TV Globo erreichte mit der Übertragung des Viertelfinalspiels zwischen England und Brasilien einen sehr hohen Marktanteil von 94,2%. Bei einer gemessenen Einschaltquote von 30,2% bedeutet das hochgerechnet, dass sich 46 Mio. Brasilianer die Partie ansahen, obwohl sie um drei Uhr dreißig in der Nacht ausgestrahlt wurde (vgl. FIFA, o.J.b). In Asien, wo die

7 Während bei der WM 2006 etwa ein Drittel der S piele am Nachmittag stattfand, wurden die EM -Spiele alle um 18 bz w. um 20.45 Uhr ausgetragen (vgl. ebd., S. 442).

8 Die rückläufigen TV -Quoten der WM 2002 führt die FIFA (o.j.b) bei den vom Welt fußballverband ermittelten Werten auf, die ersten zuverlässig ermittelten und geprüften Erhebungen in China zurück. Die chinesischen Angaben für die Turniere von 1990 bis 1998 wären bei weitem zu hoch, da sie auf den Qut oten von Shanghai City basierten, die auf das ganze Land hochgerec hnet worden sind. Diese unbefriedigenden Ergebnisse führten zu dem Entschluss der FIFA, für die Weltmeisterschaft 2002 gründlichere und genauer geprüfte Zuschauerz ahlen zu ermitteln. So betrug die k umulative Einschaltquote aller Tage und Länder der Weltmeisterschaft im Jahr 2002 insgesamt 28,8 Mrd.. Was bedeutet, dass die Zuschauerzahl im Vergleic h zum vorherigen Wettbewerb in Frankreich um 4,6 Mrd. gesunken ist, denn der für dieses Turnier von der FIFA ermittelte Wert lag bei kumulierten 33,4 Mrd. TV-Zuschauern (vgl. FIFA, o.J.a). Würden jedoch bei beiden Veranstaltungen die Daten aus China nicht berücksichtigt, sei für die Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan 2002 ein Ansteigen der Einschaltquoten um 431,7 Mio. Rezipienten, was eine Steigerung von 2% ausmache, festzustellen, so der Welt fußballverband. K umulative Angaben, die in dieser Arbeit gemacht werden, beziehen sich auf „that in many instanc es, the football fans not only watch one but rat her several matches on TV, hence the incredible totals that are registered“

(ebd.).

Spiele zur Hauptsendezeit übertragen wurden, lagen die Zuschauerzahlen im Vergleich noch höher. So sahen auf dem japanischen Sender CX beachtliche 62,3 Mio. Menschen das Spiel Japan gegen Russland (vgl. Dentsu/Video Research zit.

n. FIFA Marketing AG Media Services, o.J.). Sicherlich waren Sport und insbesondere Fußball- Weltmeisterschaften schon immer ein Garant für gute TV-Quoten, aber diese Zuschauermassen wurden zum ersten Mal erreicht;

“[I]n terms of television viewing, the FIFA World Cup is the absolute no. 1 sports event“ (FIFA, o.J.a).

Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt also, dass viele Menschen ein enormes Interesse haben, wichtige nationale wie internationale Ereignisse, insbesondere des Sports, intensiv vor dem Fernseher zu verfolgen.

Was können nun aber die Gründe dafür sein? Kruck und Stuke (2003, S. 36) sehen die Besonderheit der Fußball-Weltmeisterschaft im Vergleich zu den Olympischen Spielen in ihrem Aufbau. Während bei letztere n die Spannung auf viele Entscheidungen verteilt wird, baut sich die Spannung bei der WM sukzessive auf, und am Ende verbleibt nur ein einziger Gewinner. Dieses einzelne Ergebnis bestimme auch die kommunikative Struktur des Turniers bei den Medien wie bei den Zuschauern. Ein anderes Argument ist das im Vergleich auffällig hohe Interesse der weiblichen Bevölkerung an den Begegnungen. Der ARD-Trend:

Programm und Marketing (2002 zit.n. Rühle, 2003, S. 217) gibt an, dass das Sportinteresse von weiblichen und männlichen TV-Sehern unterschiedlich ist.

Während 66% der Männer im Alter von 14-49 Jahren und 69% der Männer ab 50 Jahren dem Sport eine „wichtige“ oder sogar „besonders wichtige“ Position einräumen, sind es bei den Frauen (14-49 Jahre) gerade einmal 23% und bei den Frauen ab 50 Jahren mit 29% ebenfalls nur geringfügig mehr. Die WM-Spiele 2006 erreichen aber bei allen soziodemographischen Bevölkerungsgruppen hohe und relativ gleichmäßige Marktanteilswerte. Das heißt, dass die WM-Livespiele auf hohem Akzeptanzniveau gleichmäßig alle Zuschauergruppen relativ unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung und Berufsstatus erreichen (vgl. AGF/GfK-Fernsehforschung, pc#tv, Fernsehpanel D+EU zit. n. Gerhard, 2006, S. 473).

Nach Geese et al. (2006, S. 456) war während des Endturniers der Fußball-WM im eigenen Land das Interesse der weiblichen Zuschauer erstaunlich hoch. Im

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Vergleich mit der vorangega ngenen Bundesligasaison gesehen9, interessierten sich weit mehr Teile der weiblichen Bevölkerung für die Live-Begegnungen der WM. Während sich in der Bundesliga nur ein Drittel der weiblichen Zuschauer wirklich für Fußball begeisterten, waren es bei den Livespielen der Weltmeisterschaft 2006 beachtliche 43%. Bei den Begegnungen, an denen die deutsche Mannschaft beteiligt war, machten die Frauen sogar die Hälfte der

Abb. 2: Zuschauerstruktur (Zuschauer ab 14 Jahren) ausgewählter Sp iele der Fußball-EM 2008 nach Geschlecht (AGF/ GfK-Fernsehforschung, pc#tv, Fernsehpanel D+EU nach Geese & Gerhard, 2008, S. 445)

Wie Abb. 2 verdeutlicht, sahen bei der Europameisterschaft 2008 durchschnittlich ebenso viele Frauen wie Männer die Begegnungen der deutschen Nationalelf. Ab dem Viertelfinale überstieg die Zahl der weiblichen Rezipienten die der männlichen erstmals, und dem Finale sahen 13,65 Mio. Frauen und „nur‟ 12,63 Mio. Männer zu (vgl. auch Kap. 13.2). Woran kann dieser enorme Publikumszustrom bei Fußball-Europa- und -Weltmeisterschaften liegen? Diese Frage wird, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entstehung und Entwicklung des Public Viewing steht, in den folgenden Kapiteln immer wieder von unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. An dieser Stelle bietet Gerhard (2006, S. 470f.) zunächst folgende Merkmale zur Beschreibung der Beliebtheit von Fußball-Europa- und -Weltmeisterschaften an:

- die Marktanteile,

9 Gemeint ist hier die Saison 2005/06.

- die erzielten Reichweiten einzelner Begegnungen,

- die durchschnittlich erzielten absoluten Zuschauerzahlen und - den weitesten Seherkreis des Events10.

Bei der WM 2006 haben mehr als 61 Mio. Zuschauer, das sind 83% der Bevölkerung, mindestens eine der Übertragungen im Free-TV verfolgt (vgl. Geese et al., 2006, S. 454; ebd., S. 465). Nach Rühle (2003, S. 216) gilt Sport als Zuschauermagnet, was ihm eine besondere Position für die Ausgestaltung von Senderprofilen verleiht. Er wird neben Information und Unterhaltung als dritter wichtiger Programmkomplex gesehen. Der positive Aspekt des Sports ist, dass er in den verschiedenen Alters-, Bildungs- und Einkommensgruppen gleichermaßen beliebt zu sein scheint. Diese breite Zielgruppenansprache macht den Sport zu einem besonderen Programmbestandteil, was insbesondere für internationale Fußballturniere, allen voran Weltmeisterschaften, gilt. Die durchschnittlich erzielten absoluten Zuschauerzahlen von ARD und ZDF für die ersten vier deutschen Spiele lagen bei der Weltmeisterschaft 1998 bei kumulierten 85,5 Mio.

Zuschauern. In 2006 waren es mit durchschnittlich 87,6 Mio., also jeweils ca. eine halbe Mio. mehr Zuschauer pro Begegnung (vgl. Infront Sports & Media AG, 2006a). Die Reichweiten einzelner Begegnungen betrac htend, muss festgestellt werden, dass 31 der 56 Spiele von mehr als zehn Mio. Zuschauern gesehen wurden. Acht Spiele fesselten sogar mehr als 20 Mio. Menschen und erstmals erreichte mehr als die Hälfte der übertragenen Spiele ein zweistelliges Millionenpublikum (vgl. AGF/GfK-Fernsehforschung, pc#tv, Fernsehpanel D+EU zit.n. Geese et al., S. 454). Die größte Reichweite überhaupt erzielte das Halbfinalspiel Italien gegen Deutschland. 29,66 Mio. Zuschauer verfolgten den Einzug der Italiener ins Finale. Dies bedeutet einen Marktanteil von 84,1%, was der höchsten in Deutschland je gemessenen TV-Reichweite entspricht (vgl. ebd., S. 454). Diese Zahlen decken sich mit den zehn meistgesehenen TV-Sendungen des Jahres 2006 in den Öffentlich-Rechtlichen, die ausnahmslos Übertragungen der Fußball-WM sind.

10 Diese Determinante gibt an, wie viele Zuschauer mindestens eines der Live -Spiele gesehen haben (vgl. ebd., S. 470f. ).

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Tab. 1: Rangreihe der me istgesehenen Ein ze lsendungen des Jahres 2006 (Zuschauer ab 3 Jahre;

Sendungslänge mind. 10 Min.) (A GF/ GfK, pc#tv, Fe rnsehpanel D+EU nach Zubayr & Ge rhard, 2007, S.

193)

Diese überwältigende Akzeptanz der WM 2006 bestätigt in zugespitzter Form die außerordentliche Rolle von Fußballübe rtragungen für Weltmeisterschaftsturniere im Fernsehen. Keine andere Sportart scheint so für das Fer nsehen geeignet wie der Fußball, nicht nur bei einer Fußball–WM (vgl. Gerhard, 2006, S.465).11 Allerdings hat diese Aufwärtsspirale offenbar ihre Grenzen. Bei der WM 2002 verkaufte die FIFA in den meisten nationalen Märkten die Ausstrahlungsrechte an Pay-TV-Sender, die die meisten Spiele live zeigten.12 Dies hatte rückläufige Reichweiten der Endrunde in 2002 zur Folge, so dass u.a. aus diesem Grund in 2006 deutlich mehr Übertragungen im Free-TV stattfanden (vgl. ebd., S. 468).13 Zusammenfassend kann an dieser Stelle zunächst gesagt werden, dass besonders die Endrunden der Fußball-Welt- und -Europameisterschaften große Aufmerksamkeitswerte in breiten Bevölkerungskreisen, auch bei der weiblichen Bevölkerung, erreichen. Das Interesse steigt sukzessive an, es scheint jedoch im Falle eines kostenpflichtigen Zugangs Grenzen zu geben.

11 Bei den erwähnten Reichweiten muss man berücksichtigen, dass die Messungen der GfK sich auf Fernsehnutzung in Privathaushalten beschränkt (vgl. Zubayr & Gerhard, 2007, S. 192f.).

12 Für die freien Stationen blieb nur ein begrenztes Kontingent von wichtigen Spielen für die jeweiligen heimischen Märkte übrig. Das Vorgehen des Welt verbandes ist vor allem zur Steigerung der Abonnent enzahlen der Pay-TV -Sender gedacht gewesen.

13 Für Deutschland erwarb RTL die Recht e für die ac ht Sonnt agsspiele bis zum Viertelfinale von den öffentlich–rechtlichen Sendern. Diese strahlten insgesamt 48 Spiele aus. Acht Partien übertrug der Bezahlsender Premiere exklusiv. Somit wurden erstmals 56 der 64 Spiele im Free-TV ausgestrahlt, bei der WM 2002 erwarben ARD und ZDF nur Rechte für 26 Spiele (vgl. Gees e et al., 2006, S.454). Dieses waren die Spiele des letzten Vorrundentages, die in den Gruppen zeitgleich stattfanden.