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Emotionssoziologische Erklärungsansätze

“Emotion –including feelings, sentiments, motivation, expression, and their representation- is seen from the persperctive to be the product of c ultural construction through an individual‟s socialization and his or her continuing experience in a particular sociocultural context” (Ly on, 1998, p. 40).

Es läßt sich schließlich festhalten, dass aus der großen Menge an soziologischen Perspektiven zum Thema Emotionen ein Bereich extrahiert wurde. So geht es in diesem Zusammenhang im Sinne der sozialkonstruktivistischen Denkweise um Emotionen als Ergebnis und auch als Reaktion auf soziale Konstellationen. Das Erleben von Emotionen wird als subjektiv und als positiv oder negativ beschrieben. Emotionen geschehen zeitnah, können aber durch Erfahrungen in der Vergangenheit sowie in der Zukunft liegende Ziele kognitiv beeinflusst werden.

Um dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Ausgangspunkt, nämlich dem Verständnis des Public Viewing als gesellschaftliches Geschehnis gerecht zu werden, werden die Komponenten Kommunikation und Kultur im Folgenden schwerpunktmäßig erfasst. Wobei Emotionen generell als multikomplexes System verstanden werden, welches in seiner Ganzheit kaum zu erfassen ist.

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“…The sociologist of em otion does not usually focus on a person‟s childhood development per se, or on injury and repair, but instead on the socioc ultural determinants of feeling, and the sociocultural bases for defining, appraising and managing human emotion and feeling” (Hochschild, 1998, p. 5).

In diesem Kapitel wird dem Gedanken gefolgt, sich auf wenige wichtige Konzeptionen der Emotionssoziologie zu beschränken, um eine Zerfaserung des Gesamtkontextes zu vermeiden.65 Zu diesem Zwecke wird im Folgenden zunächst ein Überblick über drei soziologische Emotionsmodelle gegeben. Als Ergebnis soll kein eigenes emotionssoziologisches Modell entstehen, sondern bestehende Ansätze sollen als Basis der Analyse dienen. Hierbei wird das Ziel verfolgt, geeignet erscheinende Arbeiten zu wählen und zur Erklärung des Zusammenhangs von Emotionen und Public Viewing zu nutzen. Die zu analysierende Grundlage bilden die sozialkonstruktivistischen Arbeiten von Kemper (1978) bzw. Gerhards (1988). Kempers Arbeit von 1978 stellt einen

65 Gerade im B ezug auf weit ere Konz eptionen zum Thema Emotionen aus dem Bereich Soziologie, aber sicherlich auch aus den Gebieten der Psychologie und der Konsumforschung lassen sich an dieser Stelle gute Anknüpfungspunkte für weitere Fo rschungsarbeit finden.

Ausgangspunkt dar, der durch die Überlegungen Gerhards, aber auch durch spätere Aufsätze Kempers (2002, 2007) und andere Arbeiten um wichtige Komponenten erweitert wird. Riedls (2006) systemtheoretischer Zugang ergänzt die Beispiele um den Aspekt der Kommunikation als strukturelle Kopplung zwischen psychischen und sozialen Systemen.

Gerhards (1988) baut seine Überlegungen auf der „Social Interactional Theory of Emotions‟ von Kemper (1978) auf. Dabei sind Emotionen nach Gerhards einerseits als Ergebnisse sozialer Beziehungsmuster zu sehen und andererseits als Konstrukteure von Wirklichkeit. Nach Flam (1999, S. 183) geht Kemper davon aus, mit seinem Ansatz die Lücke zwischen Makro- und Mikrosoziologie zu schließen, weil er Gefühle zum Produkt sozialer Verhältnisse, aber auch zur wichtigen Quelle dieser macht. Es wird z.B. von Flam (2002, S. 134ff.) und Gerhards (1988, S. 124) hervorgehoben, dass Kemper in drei intervenierende Interaktionsebenen Sozialstruktur, Emotionen und Physiologie unterscheidet.

Seiner Meinung nach führen so ziale Situationen zu spezifischen physiologische Zuständen, die spezifische Emotionen auslösen. Das Zusammenspiel dieser drei Ebenen versucht Kemper in seinen Arbeiten zu erläutern. Im Bereich des Sozialen bilden Macht und Status für Kemper (1978, pp. 26-42) die fundamentalen Dimensionen. Alle Interaktionen zwischen zwei Akteuren können zwischen diesen beiden Dimensionen lokalisiert werden. Aus diesen realen, imaginierten oder antizipierten Stellungen im sozialen Raum resultieren entsprechende Emotionen.

Die Machtdimension definiert Kemper (1978, p. 29) als jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstände durchzusetzen, gleichgültig, worauf diese Chance beruht. Riedl (2006, S. 108) schreibt, die Machtdimension kann ein Verhalten des Gehorsams und der Unterordnung erzeugen, welches nicht auf Freiwilligkeit beruht. Auf der anderen Seite steht die Statusdimension für alle Verhaltensweisen, die als generell positiv gesehen werden können, also Haltungen, die als Form der Gewährung von Achtung, Akzeptanz oder Sympathie zu sehen sind. Darüberhinaus sind in der Statusdimension Aktionsweisen integriert, die als gebend, unterstützend, liebevoll usw. bezeichnet werden können, also alle positiv orientierten Verhaltensformen.

Flam (2002, S. 150) weist jedoch darauf hin, dass Kemper immer davon ausgeht, dass die Mächtigen in einer Gesellschaft in der Lage sind, die Macht- und Statusdimensionen zu strukturieren.

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Auf dieser Grundlage entwickelt Kemper ein zunächst aus wenigen Kompone nten bestehendes Modell. Dieses eignet sich damit für den Einstieg in die Welt der Emotionen. Kemper (2007, p. 96) beschreibt die Konzeption, geht vom idealen Zustand von nur zwei interagierenden Akteuren, als Alter und Ego bezeichnet, aus. Als Ergebnis der Positionen dieser im sozialen Raum und der Bewertung des eigenen und fremden Verhaltens in den Dimensionen exzessiv, adäquat oder insuffizient, resultieren die Emotionen Egos.

Abb. 8: Strukture lle Emotionen nach Ke mper (nach Gerhards, 1988, S. 130)

Gerhards (1988, S. 128) führt aus, dass Kemper diese Grundstruktur des Modells zunächst um einen dritten verantwortlichen Akteur, den er mit „agency‟ bezeichnet, erweitert. Dabei kann es sich auch um Ego oder Alter selber handeln, oder es kann sich um ein drittes Subjekt handeln. Wobei der Dritte sowohl ein konkreter Akteur oder auch ein imaginierter Handelnder sein kann. Nach Kemper (2007, p.

97) kann die „agency‟ aber auch „the way things are“ sein.

Dieses Muster der Emotionsentstehung lässt sich auf spezifische Situationen im Sport anwenden. Nehmen wir eine Szene im Fußballstadion: Der Zuschauer Ego

ist eher gelegentlicher Besucher der Spiele des Vereins. Alter dagegen geht regelmäßig zu den Spielen und ist sogar im Fanclub organisiert. Ego besucht nun mit Alter ein Spiel des Vereins in ihrer Stadt, wobei Ego gerne in den erweiterten Kreis von Alters Fanfreunden aufgenommen werden möchte. Alter zeigt sich aber genervt. Ego würde Alter die Agency zurechnen und das Verhalten von Alter als insuffizient interpretieren. Folglich wird sich Ego herabgewürdigt fühlen. Kemper spezifiziert sein Modell noch um weitere Variable, wobei das Konstrukt dadurch schnell an Komplexität gewinnt. Da diese eher der Verwirrung als dem Erkenntnisgewinn zuträglich sind, wird auf die Ausführung weiterer Spezifikationen des Konstrukts verzichtet. Für eine differenziertere Darstellung der „Social Interactional Theory of Emotions‟ vgl. besonders Kemper (1978, aber auch 2002, 2007) und Gerhards (1988). Weitere Interpretationen sind bei Flam (2002) oder auch im Band von Turner und Stets (2007) nachzulesen. Peterson (2007, p. 121) schreibt, der Ansatz Kempers würde deutlich zeigen, wie Änderungen in Beziehungen emotionale Reaktionen zur Folge haben. Die in diesem Falle erwarteten emotionalen Reaktionen seien als Resultate der gesellschaftlichen Emotionskultur zu sehen.

Gerhards (1988, S. 139f.) erweitert die Grundstruktur Kempers, indem er zunächst Kritikpunkte anmerkt. Zum einen erläutert er, dass Handelnde nicht automatisch soziale Situationen in den Kategorien Status und Macht erfassen müssen.

Emotionen entstünden nicht automatisch aufgrund der Sozialstruktur, sondern es komme darauf an, ob Ego die soziale Situation überhaupt in den vorgeschlagenen Kategorien Macht und Status interpretiert. Zum anderen fehle in der Konzeption Kempers der Gedanke, dass allein aus Gründen der Komplexitätsreduktion die Interpretation von Situationen nicht immer wieder neu geschähe, sondern das spezifische Deutungsmuster bereits existieren. Kemper versuche die sozialen Bedingungen zu rekonstruieren, die verschiedene Emotionen auslösen, übersieht dabei aber laut Gerhards (1988, S. 140 ff.) den Bereich der kulturellen Kodierung von Emotionen. Gerhards verdeutlicht diese These am Beispiel einer Trauerfeier.

Die Trauer der Gäste lässt sich zwar mit Hilfe der Kemperschen Kategorien aus einer Beziehungssituation heraus erklären, dennoch darf nicht vergessen werden, dass die Anwesenden einer Beerdigung auch Trauer fühlen, weil es kulturell so vorgeschrieben ist. Aus diesen Defiziten heraus erweitert Gerhards die Theorie

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um folgende Punkte;

1. Er misst der Interpretationsleistung eines jeden Akteurs eine eigenstä ndige Größe zu, und

2. integriert er das kulturelle Deutungsschema in seiner Relevanz für Emotio nen in den theoretischen Rahmen.

Er versucht mithilfe der Systeme des Organismus, der Persönlichkeit, des Sozialsystems und der Kultur sich der Entstehung von Emotionen zu nähern.

Emotionen werden nach Gerhards (1988, S. 205) definiert als das Ergebnis des Zusammenspiels der vier Ebenen Organismus, Persönlichkeit, Sozialstruktur und Kultur.

Subjekte bzw. psychische Systeme und deren Gefühlslagen und Gemütszustände, die durch wertende Prozesse von Stimuli und Situationen ausgelöst werden, stehen im Mittelpunkt der Diskussion. Gerhards (1988, S. 91) sieht Gefühle nicht eindimensional aus sozialstrukturellen Situationen, Impulsen des Organismus oder kulturellen Normen erklärbar. Diese spielen eine große Rolle, aber Emotionen entstehen erst aus der subjektiven Interpretation dieser Bedingungen durch die Akteure heraus. Weiter führt er aus, dass die Determinante Persönlichkeit aber eindeutig dem Analysezusammenhang der Psychologie zuzuschreiben ist. Deshalb wird sie im Folgenden nicht weiter aufgegriffen. Die zentrale Aussage der Beachtung der spezifischen Interpretationsleistung, die Gerhards dem Cluster Persönlichkeit zurechnet, muss allerdings festgehalten werden. Der Organismus gehört, genauso wie die Persönlichkeit nicht in den Bereich der Soziologie. Er soll hier als Parameter zwar kurz erklärt werden, im weiteren Verlauf der Ausführungen wird er aber nicht weiter betrachtet. So können physiologische Impulse z.B. bei der Entstehung von Emotionen eine Rolle spielen, sie müssen dies aber nicht. Des Weiteren ist es als unabdingbar anzusehen, dass die Impulse mittels einer sinnhaften Interpretation ins Bewusstsein transportiert werden, damit sie als Emotion ins Bewusstsein treten können (vgl. ebd., S. 195f.).

Im Fokus der soziologischen Analyse Gerhards stehen die Sinnzusammenhänge Sozialstruktur und Kultur, was sie von der Ausrichtung her als Grundlage für diese Arbeit geeignet macht. In der sozialstrukturellen Ebene beruft er sich auf die vorgestellte Theorie Kempers, die allerdings durch die genannten Kritikpunkte und die Anmerkungen zum System Persönlichkeit erweitert werden muss. Konkret

heißt dies, dass nicht Status und Macht soziale Zusammenhänge strukturieren, sondern die Interpretation sozialer Situationen in den Dimensionen Macht und Status. An dieser Stelle muss die entscheidende Modifikation des sozialstrukturellen Modells nach Kemper gesehen werden: Erst die Deutung durch das Individuum entscheidet über die Entstehung der Emotionen.

“This powerful process of matching inner experience to a cultural dictionary bec omes, for the sociologist of emotion, a mysterious, important part of the drama“ (Hochschild, 1998, p. 6).

Gerhards (1988, S. 197) führt weiter aus, dass die interpretierte Sozialstruktur durch die genannten physiologischen Determinanten, die kulturelle Defi nition usw.

gedanklich vervollständigt wird. Kultur und Sozialstruktur müssen in diesem Zusammenhang als Gegenbegriffe verstanden werden. In Gerhards (1988, S.

200) Sinn heißt Kultur „ein System kollektiver Sinnkonstruktionen, meint die Schemata der Weltinterpretation, mit denen Menschen Wirklichkeit definieren“.

Bezieht man den Begriff der Kultur auf Emotionen, bedeutet es, dass die den Mitgliedern einer Gesellschaft oder Gruppe gemeinen Sinnkonstruktionen auch für die Deutung von Gefühlen gelten.

Hier ist der Begriff der „feeling rules‟66 zentral.

„Gefühlsregeln sind Deutungsmuster, meist über die Sozialisation vermittelt und über Formen der sozialen Kontrolle stabilisiert, die festlegen, was und wie in welchen Situationen gefühlt und zum Ausdruck gebracht werden soll“ (ebd., S. 199).

Dabei beziehen sich die normativen Emotionscodes auf

1. die Qualität der Emotionen, also die Frage, welche Emotion in welcher S i tuation erwartet wird,

2. die Intensität der Gefühle, d.h., wie stark soll man sich ärgern, traurig sein etc., sowie

3. die Dauer der erwarteten Emotion, ob diese nur situativ oder an eine die Situation überspringende Rolle gebunden ist (vgl. ebd., S. 199).

Es kann folglich gesagt werden, dass das System Kultur auf zwei Ebenen in die Entstehung von Emotionen ei ngreift. Auf der einen Seite kann Kultur unmittelbar über die genannten Gefühlsregeln intervenieren, und auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit eines mittelbaren Einflusses über die kulturelle Kodierung von Sozialstruktur (vgl. ebd., S. 201f.). Nach Gerhards (1988, S. 201f.) kann die

66 Der Begriff der „feeling rules‟ ist von Hochschild geprägt worden (vgl. Hochschild, 1990; 1998).

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Kultur und in Verbindung mit dieser auch die Sozialstruktur durch folgende Ansatzpunkte in Form von Gefühlsregeln auf die Emotionen einwirken:

1. Kultur wirkt unmittelbar durch kulturelle Gebote des richtigen und angemes-senen Fühlens und des angemesangemes-senen Ausdrucks der Gefühle auf die Ent-stehung des Emotionalen ein.67

2. Kulturelle Deutungen leiten die Interpretation von Sozialstrukturen an und wirken auf diese Weise mittelbar a uf die Entstehung von Emotionen.

Zwischen Sozialstruktur und Kultur lassen sich drei Ansatzpunkte erkennen:

- Kulturelle Normen legen das Maß an Macht- und Statusgebrauch fest. Das heißt, dass sie involviert sind in die Interpretation von Verhalten in den Di-mensionen exzessiv, adäquat oder insuffizient.

- Normierte Codes legen fest, ob wir uns die Macht- und Statuskonstellatio-nen in einer bestimmten Situation als selbstverschuldet zuschreiben oder dem Gegenüber dieses zurechnen.

- Positionen und Handlungen können in verschiedenen Kulturen mit divergierenden Macht- bzw. Statusanteilen versehen sein. Somit können Handlungen und Positionen in zwei Gesellschaften das Gleiche bedeuten oder aber etwas anderes ausdrücken und demzufolge andere emotionale Reaktionen auslösen.

Der Einfluss der kulturellen Kodierung von Sozialstruktur lässt sich nach Gerhards (1988, S. 203) weiter u.a. an der kulturellen Definition von Persönlichkeitsentwürfen, dem spezifischen Entwurf von Identität und über die Stellung dieser Identitäten in der Gesellschaft erkennen. Resümiert man die vorgestellten Überlegungen, so stellt sich heraus, dass der Sinnzusammenhang Kultur in vielerlei Hinsicht, durch Gefühlsregeln, die Kodierung von Sozialstruktur sowie die kulturelle Definition von Identität, Einfluss auf die Entstehung von Gefühlen nimmt.

Turner und Stets (2007, p. 39) weisen richtig darauf hin, dass sich die vorgestellte Theorie von Kemper, wie die meisten anderen Theorien, die sich mit Macht und Status befassen, auf einem Mikrolevel beweg t. So ist es nötig, nach Ansätzen Ausschau zu halten, die diese Ansätze weiterführen, aber soziale Faktoren mehr

67 Peterson (2007, p. 115) führt das Beis piel an, dass die K ultur steuere, ob wir eine erhöhte Herz rate in einer bestimmten Situation mit Aufregung oder Angst gleichs etzen.

integrieren. Gerhards‟ Erweiterung der Kemperschen Theorie ist hier bereits eine Hinleitung, weitere Anknüpfungspunkte lassen sich u.a. in der soziologischen Systemtheorie finden. So ist auch Riedl (2006, S. 130ff.) der Meinung, dass der Bereich des Sozialen für die Entstehung, Interpretation und Regulierung von Emotionen in psychischen Systemen unabdingbar ist. Es darf aber nicht vergessen werden, dass soziale Systeme für sich keine Emotionen empfinden können, dies können nur die Person selbst, also das psychische System. In der Systemtheorie gibt es jedoch den Terminus der „Strukturellen Kopplung‟, und „das Medium der strukturellen Kopplung des psychischen Systems mit dem sozialen System ist Sprache“ (ebd., S. 132).

Nach Riedl (2006, S. 133; 2008, S. 233f.) haben soziale Systeme also zwei Möglichkeiten im Bezug auf Emotionen:

1. Sie können über Emotionen kommunizieren. Gefühle sind Inhalt bzw. The ma von Kommunikation.

2. Soziale Systeme können aber auch auf emotionalisierter Kommunikationen basieren. Das meint, dass sich aus der Art und Weise, wie kommuniziert wird und Informationen mitgeteilt werden, Emotionen erschließen lassen.

Tritt (1992, S. 180) hebt hervor, dass Emotionszuschreibungen bei Mitmenschen in der Face-to-face-Interaktion maßgeblich an Prozessen der Sinngebung und bei der Wahl von Handlungsentwürfen beteiligt sein können. Gerhards (1988, S. 90) schreibt weiter, dass non-verbale Kommunikationsformen als die dominanten Kanäle durch die Emotionen ihren Ausdruck erhalten. Zudem könne z.B. zwischen dem Gefühl Freude und bestimmten Gesichtsausdrücken ein Zusammenhang bestehen. Diese sind teilweise kulturell uni versell.

Was Gerhards (1988) als den Einfluss der Kultur auf die Sozialstruktur und die Emotionen beschreibt, fasst Riedl (2006, S. 135-138; 2008, S. 234ff.) unter dem Oberbegriff der Emotionsregeln zusammen. Als Unterkategorien nennt er Emotionsnormen, Kodierungsregeln, Manifestationsregeln und Korrespondenzregeln, wobei letztere auf untergeordneter Ebene den Kodierungs- und Manifestationsregeln zuzuschreiben sind. Unter Emotionsnormen versteht Riedl Regelungen, die festlegen, welche Gefühle für eine spezifische Situation von anderen sozial erwartet werden und aus Sicht des Subjekts angemessen erscheinen. Emotionsnormen erhöhen also die Wahrscheinlichkeit, dass auf eine gewisse Situation bestimmte Emotionen erfolgen und ausgedrückt werden. Riedl

9.2 Emotionssoziologische Erklärungsansätze

bietet an dieser Stelle ein Beispiel aus dem Bereich des Fußballs an. Ein rüdes Foul ist nicht nur durch die Spielregeln verboten und wird von den Unparteiischen geahndet, sondern bietet den Zuschauern auch die Möglichkeit, über das unnötig harte Einsteigen des Spielers wütend zu sein. Diese Normen der Emotionen geben also Verhaltensmuster vor, die zur Komplexitätsstrukturierung beitragen.

Werden diese wiederholt und auf ähnliche Situationen übertragen, kommt es zur Festigung der Norm. Die Kodierungsregeln und die Manifestationsregeln setzten am Verhaltensaspekt der Emotionen und ihrer entsprechenden Darstellung an.

Während erstere bestimmt, welche Verhaltensweisen wie Gestiken, Mimiken, Ausrufe usw. als Expression von Gefühlen gelten, legen die Manifestationsregeln fest, welcher Emotionsausdruck in welchem Maße in welcher Situation angemessen ist. Die Kodierungsregeln e rmöglichen es umstehenden Personen, aus dem Verhalten des Subjektes etwas über die momentane Gefühlslage zu erfahren. So ist z.B. Nägelkauen ein verbreitetes Signal für Nervosität. Das Publikum im Sport kann sich also einerseits an sich selber orientieren, andererseits mit Blick auf das Verhalten der anderen Fans oder aber auch auf die Athleten entscheiden, welche Emotionen sich aus deren Verhalten ableiten lassen. Die Manifestationsregeln blicken auf die soziale Situation und kodieren so die zu zeigenden Emotionen sowie ihre Qualität. Das heißt, dass das Publikum anhand dieser Regelungen im Normalfall weiß, dass ein genormtes Ärgern in dem obig beschriebenen Fall toleriert, ja sogar erwartet wird, ein totales Ausrasten allerdings in der Regel als unangemessen erfahren wird.

“Each culture has it‟s unique emotional dicitionary, which defines what is and isn‟t, and it‟s emotional bible, which defines what one should and should not feel in a given context” (Hochschild, 1998, p. 7).

Unter dem Begriff der Korrespondenzregeln, die Riedl als Unterkategorie der Kodierungs- und Manifestationsregeln einordnet, ist die Steuerung der emotionalen Reaktion auf Emotionen zu verstehen. Für die Zuschauer beim Public Viewing heißt das, dass sie anhand der Korrespondenzregeln wissen, wie sie auf den Jubel ihrer Nationalmannschaft reagieren sollen, nämlich auch mit Jubel.

Oder genauso heißt es für die Organisatoren, dass sie wissen müssen, welche Inszenierungsmethoden und -techniken geeignet sind, um die positive Stimmung zu erhalten oder zu verbessern (s. Kap. 10.4 & 13.2). Natürlich kann es vorkommen, und es ist sogar wahrscheinlich, dass sich diese Normen und Regeln

zeitweilig überschneiden oder widersprüchlich sind. Sie sind immer vom Kontext abhängig, fast nie eindeutig und direkt übertragbar. So wie hier dargestellt, stellen sie lediglich ein Abstraktum dar, was der Verdeutlichung zuträglich ist. „Emotionen limitieren die Möglichkeiten sozial anerkannter Formen des Emotionserlebens und emotionaler Reaktionen, aber sie determinieren Emotionen nicht“ (Riedl, 2006, S.

138).

In diesem Kapitel ist das Ziel verfolgt worden, aus bestehenden emotionssoziologischen Ansätzen wichtige Erkenntnisse für den Zusammenhang zwischen Emotionen und Public Viewing zu extrahieren. Als Ergebnisse der erörterten Theorien muss festgehalten werden, dass Emotionen ausschließlich multidimensional aufgefasst werden können. Sie entstehen letztlich aus der subjektiven Interpretation eines jeden Einzelnen auf der Basis von kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründen. Diese Regeln und Normen stellen die soziale Basis der emotionalen Deutung dar, a nhand derer verdeutlicht werden konnte, wie geteiltes Wissen Einfluss auf die Emotionsentstehung und –regulierung beim Sportpublikum nehmen kann.