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Professionelle Übergänge durch Refl exion – die Portfoliomethode als Instrument des

Im Dokument Übergänge gestalten (Seite 195-200)

Übergangsmanagements

1. Vorbemerkungen

Wenn Berufserfahrene beschließen, sich noch einmal „auf die Schulbank zu set-zen“ und ein Studium aufzunehmen, ist das meist ein wohlüberlegter und vielfach abgewogener Schritt. Oftmals können oder wollen sie dabei nicht aus ihren Berufs- und/oder Familientätigkeiten aussteigen und suchen zielgerichtet nach Möglichkei-ten, in Teilzeit oder berufsbegleitend studieren zu können. Entsprechend einer HIS-Studie zu berufsbegleitenden und dualen HIS-Studienangeboten in Deutschland bilden berufsbegleitende Bachelorangebote für berufl ich Qualifi zierte „potenziell die An-schlussmöglichkeit des berufl ichen Aufstiegs durch hochschulische Weiterqualifi -zierung“ (Minks/Netz et al. 2011: 26). Berufsbegleitend studieren bedeutet aber, neben einem Teilzeit- oder Vollzeitjob abends und/oder am Wochenende Lehrver-anstaltungen zu besuchen und/oder sich im Selbststudium mit dem Lehrstoff aus-einanderzusetzen. Dies erfordert von den Studierenden eine starke und dauerhafte Motivation, um über einen langen Zeitraum, i.d.R. mehrere Jahre, hinweg, dieser enormen Doppelbelastung gewachsen zu sein.

Dieser Beitrag wirft zunächst einen kurzen Blick auf die Motive Berufserfahre-ner, ein Studium aufzunehmen. Anschließend werden wichtige Aspekte des Span-nungsfeldes thematisiert, in dem diese sich während ihres Studiums bewegen und aus denen sich Rollenkonfl ikte und Identitätskrisen entwickeln können, die demoti-vierend auf das Studienvorhaben wirken. Schlussfolgernd wird eine wichtige Auf-gabe des Übergangsmanagements darin gesehen, didaktische Strategien zu entwi-ckeln, die geeignet sind, existierende Spannungsbögen für das Studium produktiv nutzbar zu machen. Als eine in diesem Zusammenhang neu entwickelte Metho-de wird das im Rahmen Metho-des Dresdner ANKOM-Übergänge-Projekts „Arbeiten und trotzdem studieren – ein Projekt der Fachhochschule Dresden“ eingeführte Refl exions portfolio vorgestellt.

2. Motivation berufserfahrener Studierender

Gründe und Motive dafür, dass sich jemand entscheidet, nach Jahren im Berufsle-ben noch ein Studium aufzunehmen, können vielfältig sein. Entsprechend wird in bisherigen Forschungsarbeiten auch eine breite Auswahl an sowohl extrinsisch als auch intrinsisch orientierten Motiven angeführt. Sotz-Hollinger (2009: 14ff.) nennt z.B. im Ergebnis Ihrer Befragungen berufsbegleitend Studierender an österreichi-schen Fachhochschulen als wesentliche Beweggründe berufsbezogene, extrinsisch

motivierte Gründe, welche vorranging das Erreichen eines akademischen Titels, eine Verbesserung der Positionierung am Arbeitsmarkt, beziehungsweise das Errei-chen einer besseren Position in der Firma umfassen. Andere Studien betonen dem-gegenüber sowohl im Ergebnis von Befragungen deutscher Studienanfänger(innen) (vgl. Willich/Buck et al. 2011: 139ff.) als auch bei Berufserfahrenen (vgl. Schä-mann 2005: 93ff.) neben extrinsischen Motiven die hohe Bedeutung intrinsisch orientierter Gründe, welche vor allem Fachinteresse, Neigung und Begabung, die Möglichkeit der persönlichen Entfaltung und wissenschaftliches Interesse beinhal-ten. Die Trendstudie Fernstudium 20111 ermittelte „persönliche Weiterentwicklung“

und „Vertiefung fachlicher Qualifi kationen“ sogar als am häufi gsten genannte Mo-tive für eine Studienaufnahme, allerdings auch hier dicht gefolgt von extrinsischen Motiven, wie „Verbesserung der Arbeitsmarktchancen“ und „Berufl icher Aufstieg“

(Thuy/Höllermann 2011: 7).

Diese Ergebnisse decken sich auch mit unseren Erfahrungen aus Beratungsge-sprächen mit berufl ich qualifi zierten Studieninteressierten für die von uns angebote-nen berufsbegleitenden Studiengänge „Sozialpädagogik & Management“ und „Pfl e-ge- und Gesundheitsmanagement“. In den Gesprächen wurde immer wieder das be-sondere Interesse an Studienangeboten mit wissenschaftlichem Hintergrund, die aber dennoch an praktischen Erfahrungen anschließen, betont. Es wurde deutlich, dass es unserer Zielgruppe vor allem auch darum geht, neben fundiertem Spezial-wissen komplexere Zusammenhänge zu verstehen und ihr DetailSpezial-wissen einordnen zu können. Deshalb suchen sie gezielt nach Angeboten, die in ihrer Komplexität über reine Weiterbildungslehrgänge hinausgehen. Oft sind sie nach ihrer Ausbil-dung bereits mehrere Jahre im Beruf tätig und dabei mitunter an einem Punkt an-gekommen, wo Routine ihre berufl iche Tätigkeit dominiert. Deshalb bilanzieren sie ihre Arbeitserfahrungen so, dass sie sich mit dem bisher erreichten berufl ichen Er-gebnis nicht zufrieden geben wollen, nach dem Motto: „Das kann es doch nicht ge-wesen sein!“. Häufi g genannte Motive für eine Studienaufnahme sind neben der Si-cherung und dem Ausbau berufl icher Möglichkeiten und der Erschließung neuer berufl icher Perspektiven auch immer wieder der Wunsch zum Erwerb neuer bzw.

Erweiterung bestehender Qualifi kation. Sie erwarten dabei, im Studium ihr Praxis- und Erfahrungswissen durch ein Expertenwissen erweitern zu können und erhoffen sich somit einen Zuwachs an Professionalität.

Der Begriff Motivation kommt vom lateinischen Begriff „movere“, was so-viel bedeutet wie „Bewegung auslösen“. In diesem Sinn kann man Motivation ver-stehen als einen Prozess, bei dem Motive aktiviert und in Handlung umgesetzt werden. An unserer Hochschule2 fi ndet mit jedem und mit jeder Studieninteres-sierten ein ausführliches Beratungsgespräch statt. Dabei werden die Studieninter-essierten in ihrem Studienwunsch bestärkt und gemeinsam mögliche Umsetzungs-1 Diese Trendstudie basiert auf einer online-basierten Umfrage der IUBH (Internationale Hoch-schule Bad Honnef-Bonn), an der 174 Absolventinnen und Absolventen bzw. aktiv Studieren-de eines Fernstudiengangs teilnahmen.

2 Als private Hochschule erheben wir Studiengebühren für unsere Studiengänge. Deshalb spie-len Beratungsgespräche für Studieninteressierte bei uns eine große Rolle. Dabei geht es ne-ben der fachlichen Beratung auch um Fragen der Studienorganisation und -fi nanzierung.

wege zur Realisierung erarbeitet. Eine große Rolle spielt dabei eine konsequen-te Ausschöpfung der Möglichkeikonsequen-ten, die auch Berufserfahrenen ohne traditionelle Zugangsberechtigung den Weg in die Hochschule ebnen. Unsere Erfahrungen aus diesen Gesprächen zeigen, dass sich die Verbesserung der Anrechnungspraxis für Kompetenzen, die außerhalb der Hochschule erworben wurden, dabei stark motiva-tionsfördernd auswirkt. Die Studierenden fühlen sich mit ihren bisher erworbenen Kompetenzen wertgeschätzt. Das stärkt das Selbstvertrauen und zielt somit auf den Aufbau der notwendigen Motivation, um ein Studium unter den gegebenen, kom-plizierten Bedingungen beginnen und durchhalten zu können.

Zu Beginn des Studiums scheinen demzufolge gerade berufsbegleitend Studie-rende mit einer überdurchschnittlich guten Motivation und dem nötigen Ehrgeiz ausgestattet zu sein, um das Studium bewältigen zu können. Umso wichtiger ist es jedoch, darauf zu achten, dass diese Motivation trotz der andauernden hohen Be-lastung auch dauerhaft aufrechterhalten werden kann.

Eine bundesweit repräsentative Untersuchung3 von Ursachen des Studien-abbruchs von Exmatrikulierten des Studienjahres 2007/08 kam zu dem Schluss, dass zu den wichtigsten Gründen neben Leistungsproblemen ein Motivationsver-lust aufgrund von Erwartungen an das Studium und erlebter Realität (vor allem in Bezug auf fachliche Inhalte und berufl iche Möglichkeiten) und Erwerbstätigkeit neben dem Studium zählen und stellt weiterhin fest: „Das ist häufi g bei Studie-renden der Fall, die eine Berufsausbildung absolviert haben und eine langjährige Übergangsdauer zur Hochschule benötigen. Höhere Lebensansprüche, die zum Bei-spiel aus Zeiten vor dem Studium resultieren, verschärfen die problematische Lage noch.“ (Heublein/Hutzsch et al. 2010: VII). Auch eine weitere Studie, die speziell dem Stand der Angebote berufsbegleitender und dualer Studiengänge gewidmet ist, kommt zu einer ähnlichen zusammenfassenden Schlussfolgerung: „Familiäre und berufl iche Verpfl ichtungen, eine Gewöhnung an andere Lebensformen und sozia-le Bindungen und Beziehungen, die fernab der Hochschusozia-le stattfi nden, können die Zentrifugalkräfte sein, die Studierende von ihrem Vorhaben ablösen“ (Minks/Netz et al. 2011: 110).

Berufsbegleitend Studierende sind also in verschiedener Hinsicht besonders ge-fährdet, im Verlauf Ihres Studiums die Bindung an ihr Vorhaben zu verlieren. Des-halb ist es gerade für Anbieter berufsbegleitender Studiengänge nicht nur beson-ders wichtig, die mit dem Studium verbundenen Wünsche, Hoffnungen und Per-spektiven der Studierenden zu kennen und zu beachten, sondern auch die Hürden und Gefahrenstellen. Nur wenn diese bekannt sind, ist es möglich, ihnen zielge-richtet mit entgegengesetzt ausgezielge-richteten Methoden und anderen geeigneten Maß-nahmen zu begegnen.

3 In der Studie wird zwar nach Hochschultyp (Universität, Fachhochschule), nach Studienfach und Studienabschluss (Diplom- oder Bachelorstudiengänge) unterschieden, nicht aber nach der Art des Studiums (Präsenz oder berufsbegleitend oder Fernstudium). Da es jedoch keine ver-gleichbaren empirischen Studien speziell für berufsbegleitende Studiengänge gibt und auch sonst keine verlässlichen Zahlen darüber, ob berufserfahrene Studierende das Studium häufi ger abbrechen als Studierende ohne berufl iche Qualifi kation, sollen die Ergebnisse dennoch heran-gezogen werden, um grundlegende Tendenzen sichtbar zu machen (vgl. Freitag 2011: 49f.).

3. Gründe für ein komplexes Übergangsmanagement

3.1 Begriff der Statuspassage

Übergangsforschung beschäftigt sich mit dem sozialen Phänomen des Übergangs von Individuen zwischen verschiedenen Stationen im Lebenslauf und untersucht übergangsbedingte Probleme der Anpassung an neue Rahmenbedingungen und Formen der Bewältigung (vgl. Felden/Schiener 2010: 21). Solche Übergänge im menschlichen Lebensverlauf werden als Statuspassagen bezeichnet. Das können ei-nerseits sogenannte Hauptpassagen sein, d.h. Passagen, die den zentralen Status be-treffen wie Übergänge von einem Lebensabschnitt in einen anderen: Kindheit – Ju-gend; Jugend – Erwachsenenstatus. Lebensläufe sind aber andererseits auch durch Übergänge von einer sozialen Gruppe zu einer anderen bestimmt. Auch dieser Pro-zess des Wechsels von einem sozialen Status in den anderen kann als solche Sta-tuspassage betrachtet werden: Schule – Ausbildung; Ausbildung – Beruf (vgl. Hel-ling/Mönnich et al. 1995) oder Schule – Universität; Universität – Arbeitswelt (vgl.

Gerholz/Sloane 2011). Beginn und Ende dieser Übergänge werden häufi g durch bestimmte Symbole und Riten geprägt (Schultüte, Zimmermannstaufe, Doktorhut).

Bisher bezog sich das Selbstverständnis solcher Statuspassagen ganz klar und typischerweise auf einen dieser beiden Bildungswege. D.h. Statuspassagen im Zu-sammenhang mit dem Studium bezogen sich auf traditionell Studierende, die nach dem Abitur an die Hochschule kommen, sich dort in Vollzeit dem Studium wid-men, um danach als akademisch Qualifi zierte in das Berufsleben einzutreten (vgl.

Kerres/Schmidt et al. 2012: 9). Sie bezogen sich folglich auf einen klar defi nier-ten Lebensabschnitt zwischen Abitur und Eintritt in das Berufsleben4. Gerade der Übergang von der Schule in die Hochschule besitzt als Statuspassage für tradi-tionell Studierende insofern eine besondere individuell-biographische Dimension, als er einen (gewollten!) Entwicklungsprozess anstößt. An der Hochschule exis-tiert nicht nur ein noch ungewohnter akademischer Habitus, dessen Regeln und Ge-pfl ogenheiten unbekannt sind und erst erlernt werden müssen, sondern auch eine im Unterschied zum schulischen Lernen völlig andere Lernkultur, die selbstgesteu-ertes Lernen und ein hohes Maß an Eigeninitiative voraussetzt. Die an sie gestell-ten Forderungen lernen die Neuimmatrikuliergestell-ten erst nach und nach kennen und erleben sie teils als Herausforderungen, teils als Irritationen oder sogar als Pro-bleme. Demnach sind die Zeiten des Übergangs immer auch „sensitive und sensi-ble Phasen, denn sie sind mit Angst, Spannung und Selbstzweifel verbunden“ (Nu-ber 2008: 24). Das ist eine besondere Herausforderung für solche Studierende, de-ren soziales Umfeld wenig Bezug zum Hochschulkontext aufweist und denen somit im familiären Umkreis geeignete Vorbilder und Bezugspersonen fehlen. Ebenso ist

4 Selbst im neuesten Bildungsbericht werden im Kapitel F: Hochschule ausschließlich traditio-nelle Studienformen (Präsenz, Vollzeit) thematisiert. Berufsbegleitende und Fernstudiengänge werden lediglich relativ unspezifi ziert im Kapitel G: Weiterbildung und Lernen im Erwachse-nen-Alter behandelt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012).

dieser Schritt mit großer Unsicherheit für Studierende verbunden, bei denen eine längere „Lernpause“ in der Bildungsbiographie zu verzeichnen ist.

Obwohl das Studium für traditionell Studierende als Statuspassage zwischen Schule und Beruf in dieser Weise klar defi niert und empirisch bereits gut unter-sucht ist, muss die darin enthaltene Grundannahme jedoch zunehmend infrage ge-stellt werden, weil sie nicht mehr der Realität vieler Studierenden entspricht und den gegenwärtigen demografi schen Trend außer Acht lässt (vgl. Döbert/Szymansky 2013; Wilkesmann/Virgillito et al. 2012).

Für Berufserfahrene mit abgeschlossener Ausbildung würde der Lebenslauf demgegenüber durch folgende Stationen und Übergänge bestimmt sein: Schule – Ausbildung – Beruf – Studium – Beruf. Siara (1986: 24) charakterisiert diesen Bil-dungsweg als „untypische Statuspasssage“, da aus bereits „Erwerbstätigen wieder Schüler“ werden. Aber auch hier wird davon ausgegangen, dass die Statuspassa-ge durch einen Übergang von der Erwerbstätigkeit (zurück) in ein Präsenzstudium stattfi ndet.

Entsprechende Forschungen bezogen auf ein berufsbegleitendes Studium feh-len fast völlig, obwohl es gerade dabei einige interessante Besonderheiten gibt. Zu-nächst kommt es erst einmal zu einer (an unserer Hochschule z.B. ebenfalls durch eine feierliche Immatrikulation ritual begleiteten) Eröffnung einer solchen Status-passage, die in gleichem Maße wie bei den traditionell Studierenden von vielfäl-tigen Emotionen wie Erregtheit, Neugier, Unsicherheit, Ängste geprägt ist. In der Folge bewegen sich berufsbegleitend Studierende aber immer zwischen den bei-den Kontexten Hochschule (mit dem Studierenbei-den-Status) und Berufsalltag (mit dem Expert(inn)en-Status). Das heißt, die Statuspassage wird nicht wirklich linear durchlaufen, sondern im Wechsel betreten und wieder verlassen. Zugespitzt formu-liert kommt es zu zwei konträren Parallelwelten5, in denen Studium und Arbeits-tätigkeit zwei getrennte „Passagen“ darstellen, in denen man sich an den jeweils herrschenden Normen orientieren muss, wenn man sie mit Erfolg durchlaufen will.

Es ist damit zu rechnen, dass ein solch ständiger Wechsel mit Verunsicherungen einhergehen wird, nicht nur auf der Seite der Individuen, die sich in dieser Status-passage befi nden, sondern auch innerhalb der Gruppe oder des sozialen Umfel-des, in das sie integriert sind. Das kann wiederum dazu führen, dass damit die ur-sprünglich angestrebten Neupositionierungen ausbleiben oder zumindest wesentlich weniger deutlich hervortreten.

Die bei uns angebotenen berufsbegleitenden Studiengänge „Sozialpädagogik

& Management“ und „Pfl ege- und Gesundheitsmanagement“ blicken darüber hin-aus nicht auf gewachsene akademische Strukturen zurück, in deren Verlauf sich ihr Profi l geschärft hätte. Dadurch wird dieser Prozess für die Studierenden noch kom-plizierter. Es kann durchaus sein, dass während der Phasen der Berufstätigkeit im 5 Ein möglicher Zugang für die Untersuchung solch komplexer Übergangssituationen bietet der Ansatz von Tosana und Faulstich-Wieland (2005), den sie als „Konzept der doppelten Statuspassage“ bezeichnen und der dadurch gekennzeichnet ist, dass einerseits das komplexe Verhältnis zwischen Schule und Lebenswelt betrachtet und andererseits die jeweilige sozio-kulturelle Einbettung mit einbezogen wird (vgl. Tosana/Faulstich-Wieland 2005: 145ff.).

berufl ichen Umfeld beispielsweise im Kolleg(inn)enkreis oder auch auf der Füh-rungsebene niemand mit entsprechendem Hochschulabschluss ist und somit ein Vorbild als Orientierung komplett fehlt. Die Gefahr einer Demotivation wird damit besonders groß, sobald erste Schwierigkeiten mit den Veränderungen der Lebenssi-tuation oder in der Bewältigung des zu lernenden Stoffes auftreten und kann dazu führen, die getroffene Studienentscheidung wieder infrage zu stellen und das Studi-um letztendlich abzubrechen.

3.2 Gefahr der Demotivation durch Rollenkonfl ikte

Die im vorigen Kapitel angeführten Überlegungen zur Statuspassage und die damit verbundene Herausforderung bei der Aufrechterhaltung der Studienmotivation über den langen Zeitraum eines berufsbegleitenden Studiums, bilden nur eine Facette der komplexen Übergangssituation zwischen berufl icher Tätigkeit und Hochschul-studium. Ein weiterer wichtiger Aspekt bezieht sich auf die unterschiedlichen Rol-lenerwartungen, mit denen insbesondere die nicht-traditionell Studierenden umge-hen müssen und die ebenfalls von hoher Bedeutung für die Studienmotivation sein dürften. Die Grundidee des Rollenkonzeptes in der Soziologie besagt, dass an die Mitglieder einer Gesellschaft in bestimmten sozialen Situationen Verhaltenserwar-tungen gestellt werden, die alle Rollenhandelnden etwa in gleicher Weise erfüllen.

Somit bezieht sich der Rollenbegriff auf ein regelmäßig ablaufendes Verhalten, das in bestimmten Situationen von Mitgliedern einer Gruppe erwartet wird (vgl. Mie-bach 2014: 40). In diesem Sinne ist der Rollenbegriff einerseits eng mit dem Sta-tus oder der Position verbunden, den ein Rolleninhaber einnimmt, und beschreibt die Gesamtheit der kulturellen Muster, die mit einem bestimmten Status verbunden sind. Diese kulturellen Muster umfassen Verhaltensweisen, Einstellungen und Wer-tevorstellungen des Statusinhabers. Anderseits nimmt ein(e) Rollenträger(in) einen bestimmten Platz in der gesellschaftlichen Ordnung oder in einer Gruppe ein und ist dadurch mit Rechten und Pfl ichten ausgestattet, die das Rollenhandeln eingren-zen und in bestimmte Bahnen lenken.

Ein Individuum kann zeitgleich oder nacheinander mehrere Rollen innehaben und wird jedes Mal versuchen, aus der Sicht dieser Rolle zu handeln. Die verschie-denen Rollenzuschreibungen und die daraus resultierenden Erwartungen ändern sich je nach Lebensphase. Widersprechen sich die Erwartungen aus verschiedenen Rollen oder werden zu viele Erwartungen gleichzeitig in eine(n) Rollenträger(in) gesetzt, so kann es zu einer Rollenüberladung kommen und es können Rollenkon-fl ikte6 entstehen.

6 Die Theorie unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen Inter- und Intra-Rollenkonfl ikten.

Der Inter-Rollenkonfl ikt besagt, dass jeder Mensch in mehreren sozialen Systemen steht und das zu Spannungen führen kann, wenn sich eine einzelne Rolle mit anderen Rollen schwer oder gar nicht vereinbaren lässt. Der Intra-Rollenkonfl ikt bezieht sich auf den Rollenträger selbst, wenn es ihm nicht gelingt, Verhaltenserwartungen, die an ihn gerichtet sind, in Ein-klang zu bringen.

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