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Problemfelder und Entwicklungsaufgaben

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Studieren mit berufl icher Qualifi kation – Weiterentwicklung universitärer Beratung

4. Problemfelder und Entwicklungsaufgaben

Im Rahmen der Analysen zur Beratungssituation zeichneten sich eine Reihe von Problemfeldern und Entwicklungsaufgaben ab. Diese betrafen sowohl die Studi-eninteressierten und Studierenden mit berufl icher Qualifi kation als auch die unter-schiedlichen Berater(innen)aufgaben und die universitäre Beratungsinfrastruktur am KIT. Angesichts der Komplexität und Interdependenzen der relevanten Sach-verhalte konzentrieren wir uns im Folgenden auf eine additive Darstellung von Problemfeldern:

Anrechnung

Die Anrechnung berufl ich erworbener Kompetenzen oder Qualifi kationen auf das Hochschulstudium fi ndet an einer Universität wie dem KIT eher selten statt und wird an den Fakultäten unterschiedlich gehandhabt. Es scheint den Dozent(in -n)en schwer zu fallen, die Inhalte aus der berufl ichen Praxis auf den wissenschaft-lichen Rahmen und die Studieninhalte zu übertragen. Nach Aussage der befrag-ten Fachberater(innen) erfolgt generell keine pauschale Anrechnung von Inhalbefrag-ten aus der Berufstätigkeit oder aus außerhochschulischen Kontexten auf das Studi-um. Dies betrifft in manchen Fällen auch die an anderen Hochschulen erworbe-nen Leistungsnachweise. Berufspraktische Erfahrungen könerworbe-nen nach Einzelfallprü-fung in verwandten Kontexten angerechnet werden (z.B. für eine Praxiseinheit im Studium oder das Vorpraktikum). An einigen Fakultäten gibt es ein Bewerbungs-verfahren mit inkludiertem Punktesystem, welches einschlägigen Praktika, Aus-landsaufenthalten oder Berufserfahrung zusätzliche Punkte zuteilt. Die Punkte wer-den mit wer-den Bewerbungsnoten verrechnet. Diese Form der Anrechnung ist jedoch nicht pauschalisiert, das Ermessen liegt bei den Fachbereichen bzw. den zuständi-gen Auswahl- und Zulassungsausschüssen.

Arbeitsbelastung

Die Umstellung, aus dem Beruf heraus ein Studium an einer Universität wie dem KIT aufzunehmen, wird von vielen Studieninteressierten und Studierenden unter-schätzt. Der Arbeitsaufwand ist für alle Studierenden entsprechend neu bzw. hoch und es kommt darauf an, wie sich die Studierenden in die Universitätsstrukturen und die Hochschulwelt einfi nden. Die Fachberater(innen) vermuten, dass vor allem berufl ich Qualifi zierte im engeren Sinn vor einer Herausforderung stehen, wenn sie vom Berufs- in den Studienalltag übergehen und die ersten Semester bewälti-gen müssen. In den Interviews wurden Aspekte aufgezählt, die bei dieser Verände-rung berücksichtigt werden müssen, wie beispielsweise die Koordination des Stu-dienplans, die Vereinbarkeit von Studium und Beruf(-stätigkeit) oder ggf. Familie.

Diese Aspekte behalten auch bei berufl ich qualifi zierten Studierenden mit schuli-scher HZB ihre Gültigkeit, wenn man davon ausgeht, dass durch die Berufstätig-keit, zwischen dem Erwerb der schulischen HZB und der Aufnahme des Studiums, eine längere Zeit vergangen ist. Die Erfahrungen der befragten Fachberater(innen) haben gezeigt, dass beispielsweise eine große Gefahr in der Phase des Studienbe-ginns besteht, z.B. durch den Verlust des Prüfungsanspruchs, sofern die für die Ori-entierungsprüfung relevanten Leistungskontrollen nicht bestanden werden.

Beratungsangebot

An einer Universität wie dem KIT gibt es eine Vielzahl von Anlauf- und Informa-tionsstellen für berufl ich Qualifi zierte ohne schulische HZB, die aufgesucht wer-den müssen, um sich zu bewerben, zu immatrikulieren oder um sich beraten zu las-sen. Zum einen sind das Anlaufstellen, die für alle Studieninteressierten mit und ohne berufl iche Qualifi kation relevant sind, wie z.B. das Studienbüro für Bewer-bung und Zulassung oder das Studierendenwerk für Angelegenheiten bezüglich Fi-nanzierung des Studiums oder Wohnungssuche. Zum anderen gibt es spezifi sche Stellen, die sich mit der Eignungsfeststellung beschäftigen, wenn keine schulische HZB bzw. keine Aufstiegsfortbildung vorliegt, oder wenn die Fachberatung durch-geführt werden muss, um die Zulassung zu erreichen. Das Beratungsangebot ist entsprechend vielfältig und zu gewissen Teilen auch intransparent. Es gibt keine explizite Anlaufstelle für die Zielgruppe der Studierenden ohne schulische HZB, d.h. alle Pfl icht- sowie freiwilligen Beratungsstellen sind bereits am KIT eta bliert und nehmen die Beratung der Zielgruppe als „Zusatzaufgabe“ wahr. Manchen Fachberater(inne)n fehlen Informationen über die Aufgaben und Inhalte in der Be-ratung der speziellen Zielgruppe sowie Informationen über die Zielgruppe selbst.

Auch ist aufgrund der fehlenden Datenlage keine Aussage über den Verbleib an der Hochschule und den Studienverlauf sowie ggf. den Studienabbruch der Studieren-den möglich. Es besteht somit noch kein kumuliertes oder strategisch aufgebautes Expertenwissen bezüglich der Zielgruppe.

Bewerbungsprozess

Die befragten Berater(innen) geben des Weiteren an, dass auch der Bewerbungs-prozess und die Zulassungsverfahren problematisch für Personen ohne schulische HZB sein können. Die Auswahl und die Aufnahme in die Studiengänge erfolgen über eine Eignungsfeststellung anhand der Note der schulischen HZB oder die Note der Aufstiegsfortbildung. Bewerber(innen) ohne Aufstiegsfortbildung sind nach Bestehen der Eignungsprüfung ebenfalls im offi ziellen Bewerbungsranking mit den Abiturient(inn)en und den Absolvent(inn)en der Aufstiegsfortbildung ein-geordnet. Diese direkte Konkurrenzsituation der Bewerbungsnoten kann sich ins-besondere in zulassungsbeschränkten Studiengängen nachteilig auswirken. Die Punktevergabe (Gewichtung der Noten und sonstige berücksichtigungswürdige Leistungen) ist bei den Auswahlverfahren fakultäts- und studiengangspezifi sch ge-regelt. Nach Angaben des Studienkollegs bestehen über 50% der Bewerber(innen) ohne schulische HZB die Eignungsprüfung nicht bzw. haben trotz Bestehen der Eignungsprüfung bei zulassungsbeschränkten Studiengängen keine Garantie auf ei-nen Studienplatz.

Fachliche Schwächen

Die Fachberater(innen) der Fakultäten weisen darauf hin, dass es durch das feh-lende Oberstufenwissen bei berufl ich qualifi zierten Studierenden im engeren Sinn (vor allem bei jenen mit Eignungstest) in technischen Studienfächern zu fachlichen Schwierigkeiten kommen kann. Auch berufl ich Qualifi zierte mit schulischer HZB sind durch die zeitliche Distanz zwischen Erwerb der HZB und Aufnahme des Stu-diums nach einer Berufsausbildung und/oder Berufstätigkeit von diesen Heraus-forderungen in fachlicher Hinsicht betroffen. Mögliche Schwächen müssen durch die Studierenden zusätzlich ausgeglichen werden, beispielsweise in entsprechenden Vorbereitungskursen. Hierfür bietet das KIT diverse Unterstützungsmöglichkeiten und -angebote, wie z.B. das MINT-Kolleg, welches Tutorien und Vorbereitungskur-se in den MINT-Fächern bietet, oder das HouVorbereitungskur-se of Competence, welches in einzel-nen Kursen wissenschaftliche Methoden und wissenschaftliches Schreiben sowie Arbeiten fördert.

Informationslage

Die hochschulunabhängige Informationslage für Studierende mit berufl icher Qualifi kation hinsichtlich ihrer Studienmöglichkeiten ist im Allgemeinen nicht übergreifend ausgestaltet bzw. die Möglichkeiten und Wege zur Aufnahme eines Studiums sind nicht durchgängig in den Bundesländern verbreitet und oft hoch-schulspezifi sch. Deshalb muss die hochschulübergreifende sowie hochschulinterne Informationslage gefördert werden. Am KIT wurde diesbezüglich ein formalisierter Ablauf für Bewerber(innen) bei der Bewerbung und Zulassung initiiert. Nach An-gaben der Beratungsstellen ist der hochschulinterne Informationsfl uss dennoch aus-baufähig, ebenso wie der Kontakt der unterschiedlichen Anlauf-, Informations- und Beratungsstellen und der fakultätsübergreifende Austausch der Fachberater(innen)

untereinander. Bisher gibt es keine spezielle Anlaufstelle für die Zielgruppe, die den oben angesprochenen Beratungsbedarf in seiner Ganzheit abdeckt.

Selbsteinschätzung

Alle Studierenden können aufgrund einer falschen Einschätzung ihrer persönlichen Vorkenntnisse, Fähigkeiten und Entwicklungspotenziale Schwierigkeiten mit den Leistungsanforderungen im Studium bekommen. Aufgrund zeitlich zurückliegender Lernerfahrungen und spezifi scher berufl icher Lernbereiche können davon aber Studienanfänger(innen) ohne schulische HZB besonders betroffen sein. Als Bei-spiel wurde im Workshop mit den Berater(inne)n eine Person mit Meisterabschluss und Berufserfahrung beschrieben. Wenn diese Person im Beruf sehr erfolgreich ist und aufgrund dieser positiven Erfahrung ein Studium aufnimmt, dann aber merkt, dass Lernform, Umstellung der Hierarchie, fehlende soziale Einbindung oder wis-senschaftliche Arbeitsweise nicht ihrer Art zu Lernen entsprechen, ist das Schei-tern umso gravierender, sollte für die Aufnahme des Studiums die berufl iche und fi nanzielle Existenzgrundlage aufgegeben worden sein.

Demgegenüber steht allerdings auch die Vermutung seitens der Berater(innen), dass möglicherweise nicht alle Personen mit berufl icher Qualifi kation, die dazu ge-eignet wären, ein Studium beginnen oder es frühzeitig wieder abbrechen, weil sie nicht das Zutrauen haben, das Studium mit ihrem berufl ichen Hintergrund erfolg-reich abschließen zu können. So sei in der Fachberatung von Studieninteressierten mit berufl icher Qualifi kation oft die selbstkritische Frage formuliert worden, ob sie denn das Studium überhaupt „packen“ könnten.

Soziale Einbindung – Atmosphäre

Die befragten Beratungspersonen sehen in der sozialen Anbindung eine wichtige Voraussetzung für das erfolgreiche Studieren an der Universität. Doch vor allem aufgrund großer Lehrveranstaltungen und auch vor dem Hintergrund der Dominanz der neuen Medien wird der persönliche Kontakt mehr und mehr erschwert, da die Kommunikation an der Universität meist anonym und vermehrt in digitaler Form abläuft. Die Kontaktaufnahme zu den anderen Studierenden (z.B. bei der Bildung von Lerngruppen) kann aber auch aufgrund des Altersunterschieds, der anderen Le-benssituation und/oder des berufl ichen Hintergrunds schwieriger sein als für tradi-tionell Studierende.

Von einer generellen Ablehnung der Studierenden mit berufl icher Qualifi kati-on vkati-on Seiten der traditikati-onell Studierenden können die Befragten jedoch nicht be-richten. Studierende seien vielmehr heterogene Gruppenzusammensetzungen ge-wöhnt. Allerdings vermuten sie, dass es eine gewisse Ablehnungshaltung bei den Dozent(inn)en gegenüber der spezifi schen Zielgruppe gibt, die von potenziellen Lern- und Leistungsdefi ziten herrühre. Aufgrund des Nachholbedarfs (z.B. fehlen-des Oberstufenwissen) begegne man Studierenden ohne schulische HZB mögli-cherweise mit gewissen Vorbehalten.

Universitäre Strukturen

Um an einer Universität wie dem KIT erfolgreich zu studieren, sind für die Berater(innen) Aspekte wie Selbstorganisation und Zeitmanagement unabdingbar.

Die Umstellung vom strukturierten Arbeitsalltag auf die Studienrealität könnte des-halb zu Problemen führen. Berufl ich Qualifi zierte im engeren Sinn sollten dement-sprechend vor Studienbeginn für sich prüfen, ob sie den neuen Herausforderungen gewachsen sind. Die Universität hat einen hohen Anspruch hinsichtlich der eigen-ständigen Denkweise, der Aufnahme des theorielastigen Wissens und Studieninte-ressierte sollten abwägen, ob ihnen die Art der Wissensaufnahme und -vermittlung zusagt. Diesbezüglich ist auch die gewandelte Lernkultur an der Universität einzu-ordnen, bei der der Fokus weniger auf nachhaltigem Lernen als auf einer breiten Vermittlung prüfbaren Wissens liegt.

Vorteile der Zielgruppe

Neben biographisch bedingten Erschwernissen wurden auch Vorteile angesprochen, die sowohl berufl ich qualifi zierte Studieninteressierte und Studierende im enge-ren als auch im weiteenge-ren Sinn mitbringen. Im Hinblick auf die Erwartungen der Bewerber(innen) haben die Berater(innen) die Erfahrung gemacht, dass die Stu-dierenden mit berufl icher Qualifi kation klare Vorstellungen bezüglich ihrer Zie-le haben und gut orientiert an ihr Studium herangehen. Gerade in den Bereichen Zeitmanagement und Organisation haben sie den traditionell Studierenden mitun-ter einiges voraus und werden zudem als gut informiert beschrieben. Sie sind be-züglich ihres Studiums in aller Regel „wissenshungrig“ und besitzen außerdem ein großes Erfahrungswissen. Die Stärken der Studierenden mit berufl icher Qualifi ka-tion werden insbesondere in der Verknüpfung der Studieninhalte mit den Praxiser-fahrungen gesehen. Zudem sind Berufserfahrung, persönliche Reife und Arbeitshal-tung nach Einschätzung der Fachberater(innen) von großem Vorteil.

Um das Beratungsangebot am KIT zielgruppenspezifi scher auf Studien be wer ber(in-nen) und Studierende mit berufl icher Qualifi kation abzustimmen, wurden in der Studie u.a. durch den Workshop, der bei den Teilnehmer(inne)n auf sehr viel Zu-spruch gestoßen ist, mit Hilfe der Berater(innen) des KIT verschiedene Lösungsan-sätze identifi ziert:

• Schulungen für Beratungspersonal: eine Schulung der Informations-, Anlauf- und Beratungsstellen hinsichtlich der Zielgruppe und der Aufgaben, z.B. in Form eines Workshops, der einmal im Jahr am KIT stattfi ndet und der auch dem allgemeinen Austausch dient.

• Zusammenschluss der Beratungsstellen: Ein Zusammenschluss von Fach- und Allgemeinberatung wäre sehr sinnvoll, bei dem auch ein Austausch der Be-rater(innen) angestrebt wird, um die Zielgruppe durchgängig und umfassend be-treuen zu können.

• Beratungsinhalte auf Zielgruppe abstimmen: Neben der Pfl ichtberatung zu In-halten des Studiengangs sollte in einem hochschulinternen Konsens in der Be-ratung auch darauf abgezielt werden, Studierende mit berufl icher Qualifi kation

hinsichtlich der Studienform der Universität (also den Anforderungen eines Voll-zeitstudiums) zu beraten.

• Qualitätssicherung und -entwicklung der Beratung: Die Sammlung und Aktua-lisierung zentraler Informationen (da die Zuständigkeiten sich ständig ändern) kann der Qualitätssicherung der Beratung dienen. Durch Instrumente, wie z.B.

ein gemeinsames Merkblatt, bestünde die Möglichkeit, Einheitlichkeit herzustel-len. Auf lange Sicht müssten diesbezüglich hochschuldidaktische und organisa-torische Umstellungen erfolgen, um die Qualität der Beratungssituation weiter-zuentwickeln und auch die Lehrenden anzusprechen.

• Zulassungsquote einführen: Um den Zugang für berufl ich Qualifi zierte zu er-leichtern, könnte die Möglichkeit diskutiert werden, eine Zulassungsquote einzu-führen, ähnlich wie bei ausländischen Studierenden.

• Schnupperstudium etablieren: Bevor eine Umstellung der Lebenssituation er-folgt, Studierende mit berufl icher Qualifi kation ihren Beruf aufgeben und ein Studium aufnehmen, sollten sie die Möglichkeiten nutzen, die das KIT zum

„Schnuppern“ anbietet, wie z.B. die Vorkurse für das Studium oder die Gasthö-rer-Funktion am MINT-Kolleg (mit der Möglichkeit, der spezifi schen Studien-planzusammenstellung).

5. Organisationales Lernen als Weg zur Weiterentwicklung

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