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Fragenkomplexe der Orientierungs- und Beratungsphase

Im Dokument Übergänge gestalten (Seite 104-108)

Blended Guiding und virtuelle Kurse – Studienorientierung für berufl ich Qualifi zierte an der FH der Diakonie

3. Orientierung und Beratung

3.2 Fragenkomplexe der Orientierungs- und Beratungsphase

Die Analyse der Leitfragen für die Beratungs- und Aufnahmegespräche an der FH der Diakonie lässt drei Fragenkomplexe und damit verbundene Ziele erkennen.

Diese Ziele wurden im kollegialen Austausch von vier Lehrenden, die solche Ge-spräche durchführen, konkretisiert. Sie haben entsprechend der Grafi k in Abbildung 3 in allen zuvor dargestellten Prozesselementen eine Bedeutung. So werden Infor-mationen nach den mit den Zielen beschriebenen Fragestellungen ausgerichtet und diese Ziele sind in dialogischen Prozessen sowie bei der Aktivierung vor Studien-beginn handlungsleitend.

3.2.1 „Schaffe ich es, das Studium erfolgreich zu absolvieren?“

Die Wertschätzung von Fähigkeiten, die in berufl icher Tätigkeit und Weiterbildun-gen entwickelt wurden, ist für die Vertrauensbildung geWeiterbildun-genüber der Hochschu-le (vgl. Kap. 3.1) und die Motivation von Studierenden von Bedeutung, sie stellt Hochschulen aber auch vor besondere Herausforderungen. Welche Kompetenzen sollen zu Beginn eines Studiums vorliegen? Neben den formalen Zugangsvoraus-setzungen zu einer Hochschule und zu einem speziellen Studiengang gibt es wei-tere Faktoren, die relevant sind. So stellt sich die Frage, ob Kompetenzen, die vor langer Zeit erworben wurden, noch vorhanden sind, und ob Defi zite in einem Be-reich durch Ressourcen kompensiert werden können.

Die Praxis an der FH der Diakonie zeigt, dass – neben den formal erworbe-nen und durch Zeugnisse nachgewieseerworbe-nen Kompetenzen – die individuellen Rah-menbedingungen für ein Studium einen wichtigen Einfl uss auf den späteren Studi-enabschluss haben. Erfahrungen an der FH der Diakonie zeigen, dass Studierende durch eine hohe intrinsische Motivation und umfangreiche zeitliche Ressourcen im Verlauf des Studiums schlechte Startbedingungen, wie sie beispielsweise durch fehlende Lernpraxis oder schlechte Schulnoten dokumentiert sind, kompensieren können. Aus diesem Grund ist es wichtig, bei der Auswahl neben den dokumen-tierten Kompetenzen die Motivation und die Rahmenbedingungen, unter denen Bewerber(innen) studieren können, zu berücksichtigen.

Für Studieninteressierte ist es wichtig, einen Eindruck zu bekommen, ob das Studium für sie leistbar ist. Sie brauchen eine Einschätzung, mit welchem Aufwand das Studium verbunden und wie realistisch ein Studienabschluss ist. Erfahrungen aus Beratungsgesprächen zeigen, dass Einzelne vor Studienbeginn eine hohe Zu-versicht in den persönlichen Studienerfolg brauchen. Die Angst davor, gegenüber

Arbeitgeber(inne)n, Kolleg(inn)en und im privaten Umfeld einen Studienabbruch zu kommunizieren, nachdem diese Beteiligten möglicherweise wegen des Studiums Rücksicht genommen haben, ist für diese Personen groß und könnte von der Auf-nahme des Studiums abhalten. Auch das Unterschätzen von Studienanforderungen ist möglich, was falsche Weichenstellungen hinsichtlich der Organisation von Rah-menbedingungen bedingt, oder mit Enttäuschungen bei Prüfungsleistungen einher-gehen könnte.

Im Rahmen der Orientierung und Beratung vor einem Studienbeginn geht es darum, einen wechselseitigen Prüfprozess von Seiten der Organisation und der Stu-dieninteressierten zu vollziehen. Dabei werden die individuellen Kompetenzen und Rahmenbedingungen in Bezug auf Arbeit, Unterstützungssysteme und private Ver-pfl ichtungen von Studieninteressierten mit den organisationalen Anforderungen und Möglichkeiten der Hochschule (vgl. Kap. 3.1.2) in Beziehung gesetzt.

Bezogen auf die hier dargestellte Systematik (vgl. Abb. 3) ist es deshalb für Hochschulen wichtig, Informationen über Faktoren, die einen Studienerfolg5 be-günstigen (z.B. Reduzierung von Arbeitszeit, Unterstützung durch Arbeitgeber(in) und Familie, berufl iche Perspektive) darzustellen. Sie sollten auch über Kriteri-en für die Auswahl von StudierKriteri-endKriteri-en informierKriteri-en6. Aufgrund der Komplexität der Prozesse, die zu einen erfolgreichen Studienabschluss und dem Erreichen einer an-gestrebten berufl ichen Perspektive führen, ist es von beiderseitigem Interesse, die Frage der Studierfähigkeit dialogisch zu erörtern. Berater(innen) der Hochschulen erlangen dadurch umfangreichere Informationen über Bewerber(innen) und können diese für die Auswahl von Studierenden nutzen. Studienbewerber(innen) haben auf Grund des dialogischen Vorgehens die Möglichkeit, eine qualifi ziertere Entschei-dung für ein Studium zu treffen, als wenn sie sich ausschließlich aufgrund der er-haltenen Informationen entscheiden müssten. Sie können außerdem frühzeitig ak-tiviert werden, sich bei der Vorbereitung auf das Studium durch die Hochschule beraten zu lassen.

3.2.2 „Wie kann ich das Studium in mein Leben integrieren?“

In Kapitel 3.1.1 dieses Beitrags wurde die Bedeutung von Rahmenbedingungen des Studiums zur Kompensation oder Verstärkung von Defi ziten erläutert. Ein in die-sem Zusammenhang wichtiger Aspekt ist die zeitliche Gestaltung von Arbeit, Stu-dium und Privatleben. So müssen die Zeiten für Präsenzveranstaltungen, aktive

5 Der Begriff ist vielschichtig. Gemeint sind hierbei sowohl Kriterien, die das subjektive Wohl-befi nden von Studierenden im Studium fördern, als auch den Studienabschluss ermöglichen.

6 Im Gegensatz zu formalen Kriterien zur Auswahl (z.B. Abiturnote) gibt es weiche Kriterien, die nur annähernd beschrieben werden können. Die Einschätzung der Studierfähigkeit an der FH der Diakonie umfasst ein ganzheitliches Konzept, in dem die personalen und sozialen Kompetenzen sowie die Fach- und Methodenkompetenzen Beachtung fi nden. Das Kommuni-kationsvermögen, die Fähigkeit für eine sachlich begründete Handlungsweise und die Bereit-schaft zum wissenBereit-schaftlichen Arbeiten sind weitere Indikatoren der Studierfähigkeit, die im Auswahlverfahren zu berücksichtigen sind (Huber 1994: 17ff.).

Teilnahme und Selbstlernphasen sowie für Prüfungen und Lerngruppenarbeit gut eingeschätzt werden, um Belastungen, die mit dem Studium einhergehen, zu erken-nen und entsprechende Planungen vorzunehmen. Da Zeit subjektiv wahrgenommen wird (Hecht 2006: 61ff.), ist es sinnvoll, im Vorfeld zu erleben, wie diese Zeiten ausgefüllt werden. So erleben Studieninteressierte beispielsweise mit der Anreise zu einem Beratungsgespräch den Reiseaufwand, der mit dem Studium verbunden ist. Es geht also nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Perspektive darum, eine Vorstellung vom Studieren zu bekommen. Dies ist ein wichtiger An-satz für die in Kapitel 5 dieses Beitrags beschriebenen virtuellen Kurse.

Ein weiterer Aspekt ist die Frage der möglichen Anrechnung von erworbenen Kompetenzen. Es werden vor Studienbeginn, insbesondere bei Informationsver-anstaltungen aber auch in Beratungsgesprächen, Hinweise auf Anerkennungsmög-lichkeiten und -verfahren gegeben. Dabei können zudem möglicherweise zu hohe Erwartungen der Studierenden revidiert werden. Das verbindliche Anerkennungs-verfahren beginnt erst nach der Immatrikulation, es kann aber schon vorher vorbe-reitet werden und somit die Transparenz hinsichtlich der zu erbringenden Gesamt-leistung im Studium verbessern.

Erfahrungen aus Beratungsgesprächen zeigen, dass die Interessierten an Studi-engängen der FH der Diakonie oftmals Fragen haben, wenn sie von dem Blended- Learning-Konzept erfahren. Dies kann sich auf die technische Ausstattung oder auf die Handhabung der Geräte beziehen. Die technische Ausstattung kann hinsichtlich der Finanzierung des Studiums eine Bedeutung bekommen. So ist es beispielswei-se wichtig zu erfahren, ob die Lernplattform über vorhandene Smartphones oder Tablets gut genutzt werden kann, oder ob ein Laptop angeschafft werden muss.

Durch die steigende Nutzung des Internets in der Bevölkerung (Eimeren/Frees 2014: 379ff.) kann davon ausgegangen werden, dass viele Studieninteressierte Er-fahrungen in der Nutzung sozialer Software haben. Dies ist zwar keine zwingende Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums, allerdings müssen schon zu Studi-enbeginn grundlegende Techniken beherrscht oder erlernt werden. Auch in diesem Bereich ist eine Aktivierung möglich, indem zukünftige Studierende auf geeigne-te Compugeeigne-terkurse im Vorfeld des Studiums hingewiesen werden. Das Konzept der virtuellen Kurse verfolgt ebenfalls das Ziel, mögliche Defi zite erkennbar zu ma-chen und technische Kenntnisse bereits vor Studienbeginn auszubauen.

3.2.3 „Welchen Nutzen habe ich durch das Studium und den Abschluss?“

Aus den Erfahrungen, die berufl ich qualifi zierte Studieninteressierte aus ihrem Arbeitsfeld mitbringen, entwickeln sich in der Beratungspraxis in der Orientie-rungs- und Beratungsphase konkrete Fragen. Diese beinhalten beispielsweise die tarifrechtliche Anerkennung von Abschlüssen, die Einstellungsperspektiven oder Tätigkeitsfelder für Absolvent(inn)en. Die Aufnahme eines Studiums kann als be-rufl icher Einschnitt gesehen werden, der auf Veränderungen in der berufl ichen Tä-tigkeit abzielt. Studieninteressierte wollen beispielsweise in Leitungspositionen

gelangen, ihr Arbeitsfeld wechseln oder streben einen anderen Tätigkeitsschwer-punkt an, um z.B. weniger in der direkten Pfl ege und mehr beratend und anleitend tätig zu sein. Sie benötigen in diesem Prozess Informationen und Beratung.

So gehen beispielsweise Expert(inne)en und Leitungsverantwortliche in der Pfl ege davon aus, dass zukünftig akademisch qualifi zierte Pfl egekräfte gebraucht werden. Diese Ansicht wird jedoch in der Praxis von Fachkräften nicht grundsätz-lich bestätigt (Benedix/Medjedovic 2014: 39f.). In dieser Situation ist es wichtig, Studieninteressierten Hintergründe für die Entwicklung von Arbeitsfeldern zu ver-mitteln um Unsicherheiten zu begegnen. Es geht im Weiteren darum, individuelle Perspektiven für ein Studium zu entwickeln. Was bringt eine Person an Vorerfah-rungen und Stärken mit, und wo könnten diese besonders gebraucht werden? Eine der Fragen im Bewerbungsgespräch an der FH der Diakonie lautet: „Woran erken-nen Sie in fünf Jahren, dass das Studium für Sie erfolgreich war?“ Es geht darum, konkrete Visionen für berufl iche Perspektiven schon zu Studienbeginn zu fördern.

Diese inneren Bilder werden in der Verhaltenstherapie und im Coaching motivati-onsfördernd eingesetzt (Klenke 2014) und können im Verlauf des Studiums weiter entwickelt werden. Virtuelle Kurse haben das Potenzial solche individuellen Pers-pektiven zu fördern7.

Aus den eigenen Perspektiven können Studierende individuelle Studienschwer-punkte ableiten. Solche StudienschwerStudienschwer-punkte entstehen durch die Wahl von Mo-dulen und durch die Auseinandersetzung mit eigenen inhaltlichen Schwerpunkten innerhalb von Modulen, beispielsweise in Prüfungen. Dies kann mit Personalent-wicklungsmaßnahmen der Arbeitgeber(innen) verknüpft werden. Um Unterstützung und Akzeptanz eines berufsbegleitenden Studiums zu fördern, ist es sinnvoll, wenn Bewerber(innen) vor Studienantritt mit ihren Arbeitgeber(inne)n berufl iche Pers-pektiven und notwendige Innovationen in der Organisation thematisieren. Im Stu-dium können dann Synergien entstehen, durch die sich berufl iche Tätigkeiten und Tätigkeitsschwerpunkte schon während des Studiums verändern.

Es wird deutlich, dass sowohl die Elemente der Orientierung und Beratung (In-formation, Dialog, Aktivierung) als auch die Fragenkomplexe eng miteinander ver-woben sind. Dies gilt für die Kommunikationsmedien, die aufeinander abzustim-men sind, und die Kommunikationsinhalte, die sich gegenseitig bedingen. Die folgenden Ausführungen sollen dazu dienen, diese Ansätze anhand des Konzepts des Blended Guiding zu systematisieren.

7 Ein im Projekt mit „Praxis ins Studium“ entwickelter virtueller Kurs für Leitungen von Kin-dertageseinrichtungen versucht dieser Zielgruppe berufl iche Perspektiven zu vermitteln.

3.3 Blended Guiding – Ein Konzept zur integrierten Beratung vor dem

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