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Online-Assessment Mathematik („Fit fürs Studium?“)

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„PI – Perspektive Ingenieur“

5. Online-Assessment Mathematik („Fit fürs Studium?“)

Gute mathematische Kenntnisse, wie sie bis zum Abschluss der zehnten Klas-se vermittelt werden, sind notwendig für einen erfolgreichen Studieneinstieg, aber nicht hinreichend. Nicht ohne Grund ist Mathematik auch weiter in der gymnasia-len Stufe Teil des Lehrplans und bildet somit das notwendige Vorwissen in viegymnasia-len Studiengängen, insbesondere in den MINT-Fächern. Somit muss sich das Soll-Ni-veau der mathematischen Kompetenzen an diesem NiSoll-Ni-veau orientieren.

Um eine gute Vorbereitung aufzubauen und die Motivation für ein Studium zu erhöhen, ist das Niveau des Tests den real herrschenden Rahmenbedingungen an-gepasst und im Vergleich mit anderen „Testportalen“ verhältnismäßig hoch ange-setzt. Fehlleitende Selbsteinschätzungen sollen so vermieden werden. Es soll viel-mehr dazu motiviert werden, sich mit den mathematischen Themenkomplexen im Vorfeld tiefer auseinander zu setzen. Auch der Umfang der Fragen ist extra so groß gewählt, um einen realistischen Überblick der aktuellen mathematischen Kompe-tenzen der am Test teilnehmenden Person zu ermöglichen. Wie notwendig das ist, zeigt sich schon daran, dass mehr als die Hälfte der Studienabbrecher(innen) ihre mathematischen Vorkenntnisse für unzureichend oder zumindest teilweise fehlend einschätzen. Dabei verfügt in der Regel die Mehrzahl von ihnen über Abitur oder Fachabitur (vgl. Heublein/Hutzsch et al. 2010).

Die Differenz aus Soll-Niveau und Ist-Stand gibt Aufschluss über den Umfang des aufzuarbeitenden Stoffes. Kernelement des Online-Assessments ist hier nicht unbedingt die Erkenntnis, was noch alles aufgearbeitet werden muss, sondern viel-mehr die Erkenntnis bei der jeweiligen Person, dass grundsätzlich noch Wissens-defi zite herrschen. Diese sollten am besten noch vor Studienbeginn aufgearbeitet werden, wohl wissend, dass Hochschulen, bedingt durch Budgetrestriktionen, nicht für jeden Leistungsstand Hilfsmöglichkeiten anbieten können. Das Kernelement des Online-Assessments nimmt somit auch auf die Heterogenität der mathemati-schen Wissensstände der Personen Rücksicht und soll helfen, Motivation und Voli-tion zum Aufarbeiten der Defi zite zu erzeugen. Dieser Punkt ist besonders wichtig, da, wie eingangs beschrieben, die Zielgruppe überaus heterogen ist.

Gleichzeitig soll das Ergebnis des Assessments eine Richtschnur dafür bilden, in welchen mathematischen Themenkomplexen noch Defi zite herrschen. Dazu wur-den im Online-Assessment die für die Ingenieurwissenschaften relevanten Themen-komplexe gewählt und die Aufgaben so gestaltet, dass sie ein möglichst breites Spektrum des jeweiligen Komplexes abdecken. Im Vordergrund stehen dabei die zu den jeweiligen Themenkomplexen gehörenden Rechenregeln.

Das heißt also: Ziel des Online-Assessments „Mathematik“ ist nicht die Fest-stellung eines Leistungsstands im Sinne einer Prüfung. Vielmehr steht im Vorder-grund, dass die Testperson das geforderte Niveau mathematischer Kompetenzen in der Studieneingangsphase ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge wahrnimmt.

Das Anforderungsniveau in der Mathematik soll durch das Online-Assessment „er-fahrbar“ gemacht werden. Es strukturiert sich daher in:

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• sieben Themenkomplexe (Funktionale Zusammenhänge, Differenzialrechnung, Integralrechnung, Statistik und Stochastik, Analytische Geometrie, Folgen und Reihen sowie Komplexe Zahlen),

• je Themenbereich sechs Aufgaben (drei einfache, zwei mittelschwere, eine schwere Aufgabe).

Die Aufgaben der Kategorie „Einfach“ verlangen von den Testpersonen Wissen und Anwendung grundlegender Rechenregeln aus dem Themenkomplex. Ebenso zeichnen sich die Aufgaben durch Anwendung von nur wenigen Rechenschritten aus. Im Bereich „Mittelschwer“ werden mehrere Rechenregeln kombiniert. Zudem werden mehr Rechenschritte zur Lösung benötigt. Die letzte Aufgabe je Teilge-biet (Kategorie „Schwer“) kombiniert Rechenregeln mit komplexen Rechenschrit-ten oder auch die Anwendung von Rechenregeln aus anderen Themenkomplexen.

Zu fast jeder Aufgabe gibt es, soweit sinnvoll, Lösungshinweise. Die Hilfe kann genutzt werden, wenn der Lösungsansatz nicht sofort erkannt wird. Wenn einer Testperson ein Lösungsweg nicht sofort präsent ist, heißt das nicht automatisch, dass die Aufgabe von der Person grundsätzlich nicht gelöst werden kann. Es kann sein, dass das Gelernte nur einfach weiter zurück liegt. Somit dient die Hilfestel-lung als Gedächtnisstütze. Zu jeder Aufgabe, die sich auf eine bestimmte Rechen-regel konzentriert, gehören Hinweise zur Selbstbearbeitung der Aufgabe und im Anschluss ein detaillierter Lösungsweg mit Exkursen, in denen wichtige Rechen-wege hergeleitet werden. Auch dieses Mittel dient dazu, dass die Testperson für sich überprüfen kann, ob die Aufgabe hätte grundsätzlich gelöst werden können – oder eben nicht.

Tabelle 1: Schwerpunkt und Schwierigkeitsgrade am Beispiel von Testaufgaben zum Themenkomplex „Differnzialrechnung“

Aufgabe Aufgabenschwerpunkt Kategorie

1. Potenz- und Summenregel Leicht

2. Quotientenregel Leicht

3. Produktregel Leicht

4. Kettenregel Mittel

5. Textaufgabe zur Extremwertberechnung Mittel

6. Produkt- und Kettenregel Schwer

Die Potenz- und Summenregel sind elementar für die Differenzialrechnung. Die Quotientenregel ist eine Regel für die Ableitung von Funktionen mit einer be-stimmten Form. Um die Quotientenregel anwenden zu können, müssen der Um-gang mit Funktionen auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Potenz- und Summenregel beherrscht werden. Das Gleiche gilt auch für die Produkt- und Ket-tenregel. Eine Steigerung fi ndet sich beispielsweise in der Aufgabe 6, bei der die

Produkt- und die Kettenregel in einer Aufgabe verwendet werden. Durch die Wie-derholung der Rechenregeln sollen zudem ein Wiedererkennungs- und ein Lernef-fekt einsetzen.

Das Online-Assessment „Mathematik“ ist demnach kein Leistungstest, sondern eine Momentaufnahme des aktuell verfügbaren Wissens. Es ist so gestaltet, dass sich die Testperson nicht abgeschreckt fühlt, sondern das Ergebnis als Motivation nimmt und die erkannten Defi zite für sich annimmt. Sie soll ein „schlechtes“ Ab-schneiden nicht als Unfähigkeit deuten, sondern eher als eine Noch-Nicht-Bereit-schaft. Die Sprache im Test und in der Auswertung ist extra so gewählt. Weiterfüh-rend wird aufgezeigt, wie fehlendes Wissen aufgearbeitet werden kann.

Tabelle 2: Zuordnung von Testergebnissen zu Möglichkeiten der Aufarbeitung von fehlendem Wissen

Fehler Selbstwahrnehmung Handlungsempfehlung Wenige Fehler ein tieferes Verständnis

für Rechenregeln des Themenkomplexes vorhanden

Besuch von Brückenkurs sinnvoll, aber nicht zwingend notwendig

Einige Fehler ein tieferes Grundverständnis für Rechenregeln des Themenkomplexes vorhanden

Besuch Brückenkurs dringend empfohlen;

eventuell Rücksprache mit dem Dozenten, um den Stand der mathematischen Kompetenzen direkt zu besprechen und weitere Hilfsmaßnahmen auszuloten Viele Fehler die Selbsterkenntnis, dass ein

großer Teil der Rechenregeln der Themenkomplexe unbekannt sind

Aufarbeiten der mathematischen Kompetenzen noch außerhalb der Hochschule, da diese Grundkenntnisse nicht im Hochschulbetrieb vermittelt werden können, z.B. E-Learning, Volkshochschule, Nachhilfeunterricht

Gehört eine Person zur letzten Kategorie, dann sollte diese Person in Betracht zie-hen, den Studienbeginn zu Gunsten einer besseren Vorbereitung zu verschieben, da im Laufe des Studiums wegen der hohen Inhaltsdichte und Lehrgeschwindigkeit in der Regel diese Defi zite nicht aufgearbeitet werden können, ohne dass es zur Über-forderung kommt.

Da Vor- und Brückenkurse in der Regel als Wiederholung des Abiturwissens gedacht sind, können Personen der letzten Kategorie abgeschreckt werden. Außer-dem muss bedacht werden, dass der Lehrplan der Fachoberschule (als Einstiegs-niveau) 240 Unterrichtsstunden Mathematik vorsieht. Hier ist naheliegend, dass kürzere Zeiten in Brücken- und Vorkursen nicht zu einem vergleichbaren Ergeb-nis führen können. Somit müssen Hilfen gegebenenfalls auch außerhalb der Hoch-schule gesucht werden.

In derzeitiger Ermangelung adäquater institutioneller Hilfsmaßnahmen muss die Initiative zum Defi zitabbau bei den Studierwilligen bleiben, um auch tat-sächlich fachlich studienreif zu werden. Je nach Vorkenntnis und Lerntyp gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, Defi zite abzubauen und studienvorgelagerte

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Einstiegsqualifi zierungen wahrzunehmen: E-Learning unterschiedlicher Bildungs-anbieter, die sich bereits auf unterschiedliche Lernniveaus spezialisiert haben, Lehrbücher, aber auch Volkshochschulen und die klassische Nachhilfe können Wege sein, die individuellen Defi zite noch vor Beginn des Studiums abbauen zu können.

Zusammenfassung der Ziele des Mathe-Assessments:

1. vertraut machen mit den Inhalten und Niveau im Einstieg Ingenieursmathematik, 2. bewusst machen von Defi ziten und vor allem von der Notwendigkeit, diese

ab-zubauen,

3. Hilfestellung geben, wie diese Defi zite, in Abhängigkeit vom aktuellen Niveau, abgebaut werden können,

4. Motivation zum Abbau der Defi zite, aber eben keine Empfehlung zum Nichtstu-dieren.

6. Fazit

Realistische Erwartungen und Vorstellungen vom Studiengang und vom Studium an sich sind wichtige Faktoren, um in der Einstiegsphase des Studiums auf mögli-cherweise aufkommende Schwierigkeiten vorbereitet zu sein. So lassen sich Disso-nanzen vermeiden und die Entscheidung für ein Studium wird nicht als falsch in-terpretiert, wenn es tatsächlich zu Schwierigkeiten kommen sollte.

Damit der Übergang vom Beruf in das Studium ohne Überraschungen erfolgen kann, muss die Informationsvermittlung noch vor dem Beginn des Studiums erfol-gen. Die Möglichkeit, online ein Angebot zu nutzen, hat den Vorteil der örtlichen und zeitlichen Unabhängigkeit, insbesondere in der Orientierungsphase, wenn die angehenden Studierenden noch nicht eingeschrieben sind und somit keinen Zugang zu bestimmten Angeboten der Hochschulen haben oder wenn aus Zeitgründen Vor-bereitungskurse, die ein Gefühl für das Einstiegsniveau vermitteln können, noch gar nicht angeboten werden. Hier haben diese Personen bereits die Möglichkeit, sich auch außerhalb des akademischen Betriebs im Vorfeld vorzubereiten. Aber die Notwendigkeit zu dieser Vorbereitung muss auch individuell erfahren und erkannt werden. Und gerade hier liegt ein großer Vorteil der zeitlichen und örtlichen Unab-hängigkeit durch ein Online-Angebot.

Ein weiterer Vorteil eines Online-Angebotes ist die Anonymität. Bei einem Prä-senztest wird das aktuell vorhandene Kompetenzniveau einer Person erfasst. Da den Personen der Zielgruppe das Niveau des Studieneinstiegs jedoch nicht bekannt ist und somit keine Vorbereitung stattfi ndet, wird der Test bei den meisten schlecht ausfallen. Die Zuordnung der erbrachten Leistung zur Person werden die meisten als negative Bewertung der eigenen Person wahrnehmen. Daher ist es fraglich, ob sich die Mehrheit in der Orientierungs- bzw. Eingangsphase dem aussetzen wol-len. Zudem ist zu vermuten, dass diese erste, möglicherweise dann negative, Er-fahrung einer „Hochschulprüfung“, eher an den eigenen Fähigkeiten zum Studieren

zweifeln lassen. Da mathematische Kompetenzen in den Ingenieurwissenschaften elementar wichtig sind und einen Leistungsfaktor darstellen, muss bereits in der Eingangsphase ein gewisses Maß an mathematischem Wissen und Fertigkeiten vor-handen sein. Aus diesem Grund liegt das Hauptaugenmerk des Portals „PI – Per-spektive Ingenieur“ auf dem Online-Assessment Mathematik. Mit der Einbindung mathematischer Themenkomplexe in einfache Praxisbeispiele tragen wir der Ziel-gruppe berufl ich Qualifi zierter besonders Rechnung.

Die Entscheidung für eine berufl iche Fort- oder Weiterbildung speist sich ja ge-rade aus der Erkenntnis, dass im Berufsleben bestimmte Kompetenzen nicht in ei-nem ausreichenden Maße vorhanden sind. Zu erkennen, dass man etwas noch nicht weiß oder beherrscht und das auch ändern zu wollen, ist der erste Schritt in einem bewussten und selbstgesteuerten Lernprozess. Die Entscheidung für ein Studium ist somit eine Entscheidung für das Lernen. Mit unserem Instrument wollen wir diese Entscheidung für das Lernen unterstützen und die Motivation erhöhen.

Literatur

Betsch, Tilmann, Joachim Funke und Henning Plessner (2011): Allgemeine Psychologie für Bachelor: Denken – Urteilen, Entscheiden, Problemlösen. Lesen, Hören, Lernen im Web. Berlin: Springer.

Hachmeister, Cort-Denis, Maria E. Harde und Markus F. Langer (2007): Einfl ussfaktoren der Studienentscheidung – Eine empirische Studie von CHE und EINSTIEG.

Gütersloh. http://www.che.de/downloads/Einfl uss_auf_Studienentscheidung_AP95.

pdf (18.09.2014).

Heublein, Ulrich, Christopher Hutzsch, Jochen Schreiber, Dieter Sommer und Georg Besuch (2010): Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor- und in herkömmlichen Studiengängen – Ergebnisse einer bundesweiten Befragung von Exmatrikulierten des Studienjahres 2007/08. Hannover. http://www.dzhw.eu/pdf/pub_fh/fh-201002.

pdf (18.09.2014).

Heublein, Ulrich, Johanna Richter, Robert Schmelzer und Dieter Sommer (2012):

Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen – Statistische Berechnungen auf der Basis des Absolventenjahrgangs 2010. Hannover. http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-201203.pdf (18.09.2014).

Lent, Robert W., Steven D. Brown und Gail Hackett (2002): Social Cognitive Career Theory. In: Duane Brown (Hg.): Career Choice and Development. San Francisco:

Jossey-Bass: 255-311.

Zimbardo, Philip (1995): Psychologie. Berlin: Springer.

Kapitel 2:

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