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Familiäres Umfeld

Im Dokument Übergänge gestalten (Seite 77-81)

Dimensionen der Fachstudienberatung im Spannungsfeld individualisierter Personalentwicklung und

3. Fachstudienberatung im Rahmen berufsbegleitender Studiengänge

3.3 Familiäres Umfeld

Im Kontext der Fachberatung wird das familiäre Umfeld als Anspruchsgruppe eher implizit und über die Studierenden vermittelt. Eine direkte Nachfrage durch An-gehörige erfolgt in aller Regel bei berufsbegleitend bzw. -integrierend Studieren-den nicht so sehr während des Studiums, sondern besonders in der Erstberatung (vgl. Kap. 1). Allerdings spielt das familiäre Umfeld als Hintergrundvariable für die Studierenden eine große Rolle. Zu der Vereinbarkeitsherausforderung von Be-rufstätigkeit, Freizeit und Studium kommt mit dem familiären Umfeld noch eine weitere Anspruchsgruppe hinzu. Aufgrund der divergenten Altersstruktur der Stu-dierenden ergeben sich klassische Vereinbarkeitsproblematiken sowohl im Bereich der Betreuung von Kindern als auch der Versorgung von pfl egebedürftigen Ange-hörigen. Hier stellen sich oft Fragen zur Verschiebung oder zeitlichen Flexibilisie-rung von Prüfungsleistungen sowie zum Teil der Wunsch nach der VerändeFlexibilisie-rung von Lehrveranstaltungszeiten, dem nur sehr begrenzt und in Ausnahmefällen ent-sprochen werden kann.

Im Kontext der Fachberatung wird deutlich, dass auch das familiäre Umfeld von längerfristigen Planungshorizonten und einer hohen planerischen Verlässlich-keit profi tiert, die durch die Struktur des Studiums bedingt werden. Der weitgehen-de Verzicht auf Lehrveranstaltungen an Wochenenweitgehen-den, an Feiertagen und in weitgehen-den Abendstunden kommt einer besseren Vereinbarkeit mit familiären Aufgaben ent-gegen – stellt aber auch ein Konfl iktpotenzial zu Anforderungen an die Arbeitszei-ten seiArbeitszei-tens der Arbeitgeber(innen) aus der berufl ichen Tätigkeit dar. Aus der Er-fahrung der berufsbegleitenden und -integrierenden Managementstudiengänge zeigt sich, dass die Studierenden auf Verständnis für den Wunsch nach Höherqualifi ka-tion seitens ihrer Familie setzen.

Die Vereinbarkeit von Studium, Berufstätigkeit und Familie wird zu Beginn des Studiums explizit und offensiv als Beratungsfeld der Fachberatung und der

Studiengangbeauftragten dargestellt. Dabei kann die Beratung nur so umfassend sein, wie die potenziell Studierenden offen individuelle Belange aus ihrem jewei-ligen Umfeld ansprechen. Insofern erscheint es notwendig, eine Atmosphäre des Vertrauens und der Vertraulichkeit zu schaffen, in der die Studierenden auch ver-meintlich als privat eingeordnete Schwierigkeiten offen in der Fachberatung an-sprechen. Es zeigt sich, sofern es gelingt, in dem ersten individuellen Beratungs-gespräch eine grundlegende Vertrauensbasis zu schaffen, dass diese ein Grundstein für die ganze weitere Beratung im Studienverlauf ist. Hier wäre interessant, syste-matisch zu analysieren, wovon es abhängt, diese Vertrauensbasis in den doch rela-tiv kurzen Kontaktzeiten vor und zu Beginn eines Studiums aufbauen zu können und ob diese mit dem Studienerfolg korreliert. Ferner wäre dann auch zu analy-sieren, wo die Grenzen der Fachstudienberatung erreicht sind und eine „Familien-beratung“ beginnt.

Übersehen werden darf an dieser Stelle aber auch nicht die verpfl ichtende Kom-ponente einer auf Vertrauen (vgl. Rosenstiel 2007: 387ff.; Steiger/Lippmann 2008:

101ff.) fußenden Beratung. Damit ist nicht nur der vertrauensvolle Umgang mit den empfangenen Informationen gemeint, sondern es wird auch die Erwartungs-komponente seitens der Studierenden adressiert. So wird neben dem Verständnis für die individuelle Situation der Studierenden häufi g auch Toleranz gegenüber Ab-weichungen vom Soll-Studierendenverhalten insbesondere hinsichtlich der Nicht-einhaltung von Terminen und das Finden „kreativer Lösungen“ für daraus entste-hende Probleme erwartet. Insofern ist es nach unserer Erfahrung für das Gelingen des weiteren Studienberatungsprozesses wesentlich, die Rahmenbedingungen in Form einer Rollen- und Erwartungsklärung als Basis für eine vertrauensvolle Zu-sammenarbeit von Beginn an festzulegen.

4. Das Spannungsfeld individualisierter Personalentwicklung und funktionsorientierter Organisationsentwicklung

Beim Vergleich der Anspruchsgruppen mit ihren zum Teil unterschiedlichen Anfor-derungen sind Spannungsfelder indiziert, denen die Studierenden ausgesetzt sind.

So ist offensichtlich, dass Anforderungen aus dem familiären Umfeld der Studie-renden mit Anforderungen eines umfassenden und vielfältigen Studiums bei ein-geschränkter Flexibilität in der Studienorganisation Konfl iktfelder entfalten. Dieses Problemfeld ist hinreichend bekannt (vgl. Wissenschaftsrat 2014: 14ff.).

Darüber hinaus entsteht ein Spannungsfeld durch die Belastung in dem Arbeits-feld selbst, die dann noch zu den Anforderungen des Studiums hinzukommt. So wird beispielsweise in der Pfl ege durch die hohe Arbeitsbelastung und den Schicht-dienst, wie er auch bei berufsintegrierend Studierenden des Wirtschaftsingenieur-wesens vorkommt, die zeitliche Organisation zusätzlich erschwert. In der Regel folgt einer hohen Arbeits- und Studienbelastung die Frage nach der eigentlichen Priorisierung von Arbeit und Studium, was häufi g zu einem grundsätzlichen Hin-terfragen der Studienentscheidung führen kann.

Ein erweitertes Spannungsfeld ergibt sich, wenn die Anforderungen individuel-ler Personalentwicklung denen der funktionsorientierten Organisationsentwicklung gegenübergestellt werden. Verglichen werden hier also nun die Anforderungen der Anspruchsgruppe der Studierenden mit denen des Personalmanagements hinsicht-lich der inhalthinsicht-lichen Ausgestaltung des Studiums und der Studienorganisation.

Individualisierte Personalentwicklung wird einerseits seitens der Unterneh-men mit mehr oder weniger bestimmten Qualifi kationszielen betrieben (s. Kap.

3.2), die sich jedoch vornehmlich an den funktionsorientierten Organisationsent-wicklungsbedarfen orientieren und hier deshalb als Personalentwicklung mit funk-tionsorientierter Organisationsentwicklungsperspektive bezeichnet werden. Die in-dividualisierte Personalentwicklung aus Sicht der Studierenden legt andererseits in der Regel den Fokus auf die eigene Karriereentwicklung. Diese muss zwar nicht grundsätzlich im Widerspruch zu der Perspektive der funktionsorientierten Orga-nisationsentwicklung stehen. Doch unsere Erfahrungen zeigen, dass hier ein Kon-fl iktfeld liegt. Ein Beleg hierfür ist die in unserem Studienklientel ermittelte Aussa-ge, dass ca. 60% der berufsbegleitend Studierenden aus dem Pfl egebereich (s. Kap.

2) nach Studienabschluss den Arbeitgeber wechseln wollen – und das, obwohl über 98% der Unternehmen von der Weiterbildung der Studierenden wissen und 88%

diese begrüßen.

Für berufsintegrierende Studiengänge sind Daten zur Wechselabsicht wesentlich schwieriger zu erheben, da die Studierenden durch arbeitsrechtliche Personalbin-dungsmaßnahmen für einen gewissen Zeitraum an ihr Unternehmen gebunden sind beziehungsweise (arbeitsrechtlich eingeschränkt) gebunden werden können. Hier äußert sich das Konfl iktfeld insbesondere bei der Wahl von Schwerpunktsetzun-gen im Studium. So versuchen die Studierenden häufi g im Studium zwei Schwer-punktsetzungen abzubilden, obwohl nur eine gefordert ist, um einerseits den per-sönlichen Zielen und andererseits den Unternehmensvorgaben zu entsprechen. Bei ca. 25% der berufsintegrierend Studierenden in dem Studienfeld Betriebswirtschaft und Wirtschaftsingenieurwesen ist das der Fall. Dieses wirft dann regelmäßig Pro-bleme bei der Studienorganisation auf, da so der Zeitbedarf für das Studium steigt.

Ein weiteres Indiz für die kurz- bis mittelfristigen Wechselabsichten von berufs-integrierend Studierenden sind die in vertrauensbasierten (vgl. Kap. 3.3) Perspek-tivgesprächen geäußerten Ziele, das derzeitig arbeitgebende Unternehmen zu ver-lassen. Seitens der Fachstudienberatung werden diese Perspektivgespräche mit dem Ziel angeboten, den Studierenden zu helfen, mit ihren jeweiligen Arbeitgeber(in-ne)n zu klären, wie berufl iche Entwicklungen im betrieblichen Arbeitsfeld ausse-hen und sich Entwicklungsschritte darstellen könnten. Viele Studierende, die dieses Beratungsangebot annehmen, sehen in ihrem eigenen Unternehmen keine Perspek-tiven der individuellen Personalentwicklung. Die Ursachen hierfür sind vielschich-tig. So wird von Studierenden in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) häufi g berichtet, dass sie Hemmnisse haben, die Geschäftsführung als betriebliche Perso-nalentwicklung anzusprechen und dass keine adäquaten Ansprechpartner(innen) mit entsprechenden (Beratungs-)Kompetenzen vorhanden sind.

Ebenso häufi g können Studierende ihre berufl ichen Ziele nicht in unternehme-rische Ziele überführen und haben daher große Kommunikationsprobleme bei der Entwicklung entsprechender Entwicklungsperspektiven mit ihrem Unternehmen.

Da sie aber die (Fachstudien-)Beratung suchen, kann ein grundsätzlich vorhande-ner Wille zum Verbleib im Betrieb unterstellt oder zumindest eine Unsicherheit in dieser Angelegenheit angenommen werden. Das Perspektivgespräch wird dann me-thodisch entlang einer Arbeitsplatzanalyse geführt (vgl. Kap. 5), so dass die Fach-beratung einen genauen Einblick in das Arbeitsfeld der Studierenden gewinnt und durch gezielte Fragen der/dem Studierenden geholfen wird, selbst nach Entwick-lungsoptionen zu suchen und diese für sich und das Unternehmen zu entfalten. Im Hinblick auf die Professionalisierung von Beratungskompetenzen wird eine zuneh-mende Bedeutung der Hochschule deutlich. Der Fachstudienberatung erwächst hier also die Aufgabe, die Studierenden bei der Gestaltung ihres zukünftigen Arbeits-platzes in ihrem derzeitigen Betrieb zu beraten.

Es soll an dieser Stelle ganz deutlich hervorgehoben werden, dass hier natürlich zu allererst die Arbeitgeber(innen) mit ihren Verantwortlichen für die Personalent-wicklung gefordert wären, von sich aus dieses Spannungsfeld proaktiv anzugehen.

Leider wird dieses besonders in KMU zu wenig unternommen. Dieses ist umso dramatischer, da sich zeigt, dass die Studierenden, die diese hochschulseitig ange-botenen Perspektivgespräche genutzt haben, zu über 90%2 Optionen für die indivi-duelle Entwicklung im betrieblichen Arbeitsfeld der derzeitigen Arbeitgeber(innen) entdeckt und als prinzipiell zugänglich bzw. erschließbar eingestuft haben, die vor-her verdeckt waren. Unterstellt man, dass berufstätig Studierende ein hohes Ar-beits- und Organisationsverständnis des jeweiligen Betriebs haben, können so auch Anschlüsse für die funktionsorientierte Organisationsentwicklung vermutet werden.

Hier sind nun die betrieblichen Personalentwickler(innen) gefordert, mit den Stu-dierenden Entwicklungspfade zu erschließen und mit den funktionsorientierten An-forderungen abzugleichen.

Aus Sicht der Hochschule ist die Frage zu stellen, ob eine Fachstudienberatung das komplexe Arbeitsfeld der Beratung zur kombinierten Personal- und Organisa-tionsentwicklung übernehmen möchte und dieses auch vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen einer Hochschule anbieten kann. Hierzu bedarf es auf jeden Fall einer weitergehenden Forschung. Gleichwohl ist aber auch zur Kenntnis zu nehmen, dass (vereinzelte) berufstätige Studierende sich schon jetzt an die Fachstu-dienberatung mit diesem Beratungsbedarf wenden. Insofern macht es Sinn, diesen Beratungsbereich konzeptionell anzudenken.

2 Quote aus den bislang geführten Perspektivgesprächen in dualen Studiengängen am Institut für Duale Studiengänge der Hochschule Osnabrück.

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