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6. Gebietsbeschreibung Neuköllns mittels statistischer Daten aus Sicht der Jugendhilfeplanung Jugendhilfeplanung

6.1.4. Problemlagen und Ressourcen aus Sicht der Experten

Im Folgenden soll die Expertenmeinung der Jugendhilfe wiedergegeben werden, da anhand dieser qualitativen Berichte die Besonderheiten, spezifische Probleme und Ressourcen des Gebietes Reuterplatzes besonders deutlich werden. In Kapitel 10 wird gezeigt werden, dass die Einschätzung der Experten der Jugendhilfe sich nicht immer mit der Wahrnehmung der interviewten Eltern decken muss.

Nach Expertenmeinung der Jugendhilfe fehlten im Jahr 2003 wesentliche integrative Aspekte, wie z. B. das Erlernen der deutschen Sprache (Neuköllner Kinder- und Jugendhilfebericht 2002, Teil 2:. 12).

Weiterhin wird problematisiert, dass die verschiedenen ethnischen Gruppen, u. zw.

Gruppen türkischer, palästinensischer und libanesischer und deutscher Herkunft, auf einem sehr engen Raum zusammen leben. Eine gelebte Nachbarschaft oder

freundschaftliche Kontakte hat es kaum gegeben. Stattdessen, so wird berichtet, grenzen sich die Bewohner von einander ab (ebd.).

Die hohe Wohndichte, der Mangel an attraktiven Plätzen und Grünflächen wird als ein weiteres strukturelles Problem benannt. Dieses Gebiet zeigte auch die typischen Symptome eines benachteiligten Quartiers wie z. B. einen hohen Ladenleerstand, das Verschwinden des Einzelhandels, die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes wegen nicht beseitigten Mülls, aussortierten Möbeln und Hausrat sowie aufgrund von

Schmierereien („Tags“) an den Häuserwänden usw. (ebd.).

Als positive Ressource wurde der Reuterplatz bewertet, der im Sommer einen fast

marktähnlichen Charakter annimmt. Die 10 Spielplätze in diesem Gebiet sind zum großen Teil umgestaltet worden und sollen sich in einem guten Zustand befinden. Allerdings kritisiert die Kiez-AG des Jugendamtes, dass Aktionsplätze mit entsprechenden

Angeboten für Jugendliche fehlen (Neuköllner Kinder- und Jugendhilfebericht 2003, Teil 2: 12).

Ferner wird festgestellt, dass die so genannte Mittelschicht zunehmend das Wohngebiet verlässt, eine soziale Durchmischung ist lt. Neuköllner Kinder- und Jugendhilfebericht 2003, Teil 2 kaum zu erkennen. Aus Sicht der Experten der Jugendhilfe lässt sich dieses Gebiet wie folgt kennzeichnen: kaum intakte Familien, Arbeitslosigkeit der Eltern, Missbrauchserfahrungen, ungewisser Rechtsstatus, Verhaltensauffälligkeiten,

Straffälligkeit, Gewaltbereitschaft und aggressives und provozierendes Auftreten, massive Schulprobleme, mangelhafte Schulausbildung, kulturelle Identitätsprobleme und

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unzureichende und beengte Wohnverhältnisse (Neuköllner Kinder- Jugendhilfebericht 2003, Teil 2: 18).

Ein Problem in dem Gebiet Reuterplatz soll die Zusammenballung von Familienclans aus dem ehemaligen Jugoslawien (Sinti- und Romafamilien) in der Weserstraße sein. Die oft zerrütteten Familien mit instabil gewordenen Strukturen, so der Bericht, können ihrem Erziehungsauftrag nur unzureichend gerecht werden. Ähnliches wird von Teilen der Schinkel- und Bürknerstraße berichtet. Hier ist nach Eindruck des Jugendamtes eine Konzentration arabischer Großfamilien entstanden (Kinder- und Jugendhilfebericht 2003, Teil 2: 15).

Positiv von Seiten des Jugendamtes und ansässiger Projekte wird bewertet, dass sich die Jugendlichen im Kiez ausgesprochen wohl und sicher fühlen. Viele kennen einander.

Aufgrund des hohen Ausländeranteils finden besonders abends Treffen, Veranstaltungen usw. statt (Neuköllner Kinder- und Jugendhilfebericht, Teil 2, 2003: 13).

Im aktuellen Kinder- und Jugendhilfebericht von 2006 wurde dieses Gebiet weitaus differenzierter und auch positiver dargestellt. So wird Z.B. berichtet, dass sich die Menschen in der Nähe des Ufers zu Kreuzberg stark mit ihrem Kiez identifizieren. Dort hat sich eine bunte Trägerlandschaft angesiedelt. Dazu zählen Beratungsangebote für Eltern, Galerien, Künstler, kleine Theater usw., die den Kiez bereichern. Kommt man hingegen in die Querstraßen zwischen Karl-Marx-Straße und Sonnenallee, z.B. in die Weichselstraße, sucht man nette Plätze und Lokalitäten zum Verweilen vergeblich.

Im Anschluss an die Sonnenallee in Richtung Kiehlufer gibt es lediglich einige Obst- und Gemüseläden, ein paar Kneipen, eine Kindertagesstätte, diverse Nachlassverwalter und einen Tierarzt. Hier sollen auch laut Jugendamt die sozialen Probleme in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. „Hierhin verläuft sich keiner, der nicht dort wohnt oder in einer Kindertagesstätte arbeitet“ (Bezirksamt Neukölln von Berlin

2006, Abt. Jugend - Region Nord-Ost: 1)11

6.1.4.1. Angebote für Familien, Kinder und Jugendliche

Als diesbezügliche Anbieter werden mehrere öffentliche und private Träger genannt:

Diese sind das Kinder- und Jugendzentrum „Manege“ in der Rütlistraße, mehrere

11 http://www.neukoelln-jugend.de/regionen/region_no_reu.pdf. Zugriff am 28.03.2011

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Stadtteilläden für schwer erreichbare Jugendliche und der exklusiv für Mädchen eingerichtete Stadtteilladen „Reachina“. Auch die Kirchengemeinden vor Ort, die Nicodemusgemeinde und die katholische Kirche St. Christopherus bieten für ihre Gemeindemitglieder ein Jugendcafe´ und diverse Freizeitaktivitäten an.

Die Angebote des „Kiosks“ am Reuterplatz sind an

Kinder und Lückekinder sowie an Familien gerichtet Auch Gruppenangebote für Schularbeitenhilfe bestehen. Das Nachbarschaftsheim „Elele“ hat sich für offene

Angebote für Kinder entschieden. Darüber hinaus existieren drei Schularbeitshilfevereine, 12 Kinderläden und Elterninitiativen.

Ein türkischer Träger, der türkische Bund Berlin Bildungsverein, hat

Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche mit Migrationshintergrund entwickelt.

Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Projektträgern, d. h. zwischen dem Jugendamt und den drei Schulen im Reuterkiez, der Franz-Schubert-Grundschule, der Rütli-Hauptschule und der Heinrich-Heine-Realschule wird insgesamt als positiv bewertet. Eine Mehrzahl von Projekten sind angestoßen worden. Dies gilt z. B. für Schulverweigerungsprojekte für die Kinder und Jugendlichen der Rütli-Hauptschule in Zusammenarbeit mit der Manege. Es war eine Schülerzeitung der Schüler der Heinrich-Heine-Realschule entstanden. An der Rütli-Schule wurde eine Wand von Schüler/innen neu gestaltet.

Auch Outreach, ein Träger, der Straßensozialarbeit anbietet, führte Projekte an den Schulen durch.

Die Franz-Schubert-Grundschule wird besonders positiv hervorgehoben. Sie wird für ihre konstruktive Zusammenarbeit mit Dienststellen des Jugendamtes gelobt. Außerdem gab es ein unterrichtsergänzendes Angebot der Arche für

„Lückekinder“. Dies sind diejenigen Kinder, die nicht in den Hort gehen. Die Schule hat eine Sozialarbeiterin eingestellt, „die die Kontakte hält und die Vernetzung fördert“

(Neuköllner Kinder- und Jugendhilfebericht 2003, Teil 2: 16).

Die Sprachdefizite von Kindern mit Migrationshintergrund und damit zusammenhängende Verhaltensprobleme werden von Seiten der Experten der Jugendhilfe als eines der größten Probleme bezeichnet. Hierzu regte das Jugendamt an, die

Schule zu einem Ort des ganzheitlichen Lernens zu gestalten. Dies sollte ebenso die Gestaltung der Freizeit auch der Eltern mit einschließen. Für diese wird eine Elternschule

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angeregt, die „Spaß macht (gemeinsame Aktivitäten), praktische Erfahrung ermöglicht und Wissen zu Erziehungsfragen vermittelt“ (Neuköllner Kinder -und Jugendhilfebericht 2003, Teil 2: 16). Auch Sprachkurse für ausländische Frauen und ihre Männer wurden angeregt.

6.1.4.2. Quartiersmanagement im Reuterkiez

Seit Anfang 2002 wurde das Gebiet Reuterplatz zum Gebiet mit besonderem

Entwicklungsbedarf erklärt und verfügt seitdem über ein Quartiersmanagement (QM).

Unter Beteiligung der Anwohner wurden viele Projekte und Initiativen angestoßen. Die Arbeit des Quartiersmanagements kann man in vier Bereiche einteilen:

Bauliche Maßnahmen; Maßnahmen zur Verbesserung des Bildungsniveaus; Maßnahmen zur Qualifizierung für den Arbeitsmarkt und Beratungsangebote für Eltern, die deren Erziehungskompetenz stärken sollen (Neuköllner Kinder- und Jugendhilfebericht 2003, Teil 2: 14).

Bauliche Maßnahmen

Das Quartiersmanagement war maßgeblich an dem Umbau der Rütlistraße zur Jugendstraße beteiligt. Diese Straße sollte Kindern und Jugendlichen Raum für Aktivitäten und Perspektiven bieten. Die vorhandene gute Infrastruktur mit Kindertagesstätten, Schulen, dem Jugendclub Manege und einem angrenzenden Gewerbegebiet boten ideale Voraussetzungen für die Umsetzung dieses Projektes. In dieser Straße sollten die verschiedenen Stationen jugendlichen

Lebens vernetzt werden. Kinder, Jugendliche und interessierte Anwohner sollten einbezogen werden. Die Jugendstraße umfasst drei Schwerpunkte: Den Jugendclub Manege, den öffentlicher Raum sowie die Ausbildung und Arbeit. Bis 2006 sollte die Straße umgebaut sein. Im Jahre 2003 wurde diese Straße teilweise für den

Durchgangsverkehr gesperrt. Zwei überdimensionale Frösche bewachen jetzt die Jugendstraße (Neuköllner Kinder- und Jugendhilfebericht 2003, Teil 2: 17).

Eine weitere bauliche Maßnahme war die Erneuerung und Umgestaltung des Freiflächenangebots bzw. des Ballspielplatzes am Maybachufer.

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Maßnahmen zur Verbesserung des Bildungsniveaus und der Qualifizierung für den Arbeitsmarkt

Zur Verbesserung des eher niedrigen Bildungsniveaus wurden einige Projekte realisiert.

Diese Projekte waren darauf gerichtet, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die Qualifikation besonders Jugendlicher aus bildungsfernen Familien zu verbessern. Dazu zählten: das Projekt „Lokalstart.de“, ein FKZ-projekt (FKZ= Festkostenzuschuss) in Kooperation mit dem Sozialamt zur Qualifizierung im Multimediabereich. Die Projekte sollten für 20 junge Sozialhilfeempfänger/innen eingerichtet werden. Weiterhin zählte die Durchführung von sieben abgeschlossenen Projekten für Jugendliche in enger

Kooperation mit der Jugendförderung dazu. Diese wurden mittels des Programms „KuQ - Kompetenz und Qualifikation für junge Menschen in sozialen Brennpunkten“ finanziert.

Maßnahme zur Stärkung der Erziehungskompetenz von Eltern

Das Quartiersmanagement unterstützt zahlreiche Projekte, die darauf abzielen, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken. Dazu sollen Kurse zu den Themen wie Erziehung, Ernährung, Gesundheit eingerichtet werden. Dies betrifft z.B. die

Initiativgruppe gesund, FaNN, das Familienhaus Neukölln-Nord, ein Café für Eltern mit kleinen Kindern sowie für werdende Mütter usw.

Des Weiteren hat sich eine Initiative gebildet, die sich darum bemüht, den Ladenleerstand im Reuterkiez zu reduzieren. Eine „Zwischennutzung“ soll das Problem lösen Die

Akteure versuchen, mit den Eigentümern in Kontakt zu kommen und diese dazu zu bewegen, ihre leer stehenden Ladenlokale z.B. Künstlern unentgeltlich oder für eine kleine Miete zu überlassen.

Insgesamt hat ich laut Jugendamt das Quartiermanagement im Reuterkiez zu der wichtigsten Ressource im Kiez entwickelt. Die Mehrzahl der Akteure findet man im nördlichen Bereich in der Friedel- Pflüger, Lenau- und Hobrechstraße. In den

Verbindungsstraßen zwischen Karl- Marx-Straße und Sonnenallee, d.h. in der Weichsel- Fulda- oder auch in einem Teil der Reuterstraße gibt es keinerlei Kiezstrukturen. Hier fehlen Cafés, Galerien oder auch Beratungsangebote für Familien, die ein Quartier lebenswert machen. Erst am Weichselplatz am Weigandufer sieht man die Spuren des Quartiersmanagements. Der Weichselplatz wurde umgestaltet. Dort gibt es zwei

Spielplätze und eine Skaterbahn. Diese Freizeitmöglichkeiten sind auch stark frequentiert.

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Insgesamt erfährt dieses Gebiet eine Aufwertung, was sich nicht zuletzt an den gestiegenen Mieten in diesem Quartier bemerkbar macht sowie an dem ständigen

Hinzukommen immer mehr neuer Cafés, Kneipen und Galerien, die hier eröffnet wurden.