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Hypothese 4: In Bezug auf die Fähigkeit, unterstützende Netzwerke zu gründen, gibt es zahlreiche Beispiele: Es sind eine Vielzahl von Initiativkinderläden entstanden

10.3. Die unzufriedenen Familien, die abgewandert sind (Typ 2)

10.3.1.3. Beurteilung der institutionelle Ressourcen

10.3.1.3.3. Beurteilung von Arztpraxen und Behörden

Weitere Einrichtungen, die den institutionellen Ressourcen zugerechnet werden können, sind Kinderärzte und das Bezirksamt Neukölln. Was die Mutter besonders negativ in Erinnerung hatte, war die Art und Weise, wie sie in einer großen Kinderarztpraxis behandelt wurde. Sie schilderte eine Situation, in der sie in der Praxis drei Stunden auf eine Behandlung hatte warten müssen, obwohl ihre Kinder hohes Fieber hatten. Sie hatte den Eindruck, dass zu wenig auf die persönliche Situation der Familien eingegangen wurde und die Sprechstundenhilfen nur ihren organisatorischen Ablauf im Kopf hatten (zusammengefasst, S. 9, Interview 6).

Aber auch die Ausstattung der Praxis, zu der sieben Kinderärzte gehören, missfiel ihr:

„Dann war dieses Wartezimmer total verhunzt und verranzt, ja. Wenn man bedenkt wie viel Kinder da durchlaufen, dann muss man das einfach auch pflegen. Und wenn man bedenkt, welches Klientel da auch durchläuft, das sind ja nicht unbedingt Kindergruppen, die mit allen pfleglich umgehen. Dann muss man das auch entsprechend pflegen. Damit das eben einigermaßen aussieht. Ich hab mich da einfach nicht gerne aufgehalten“

(Befragte, S.9, Interview 6). Was die Mutter mit „Klientel“ meinte, wurde nicht weiter erläutert.

Jedoch machte der Dialog deutlich, dass die Familie auch dann erwartete, in der

Arztpraxis zuvorkommend und freundlich behandelt zu werden, wenn diese sehr voll ist.

Mit der medizinischen Versorgung, d.h. mit der fachlichen Seite, war die Mutter recht zufrieden. Aber die Art und Weise, wie sie dort abgefertigt wurde, störte sie gewaltig.

Offenbar erschienen ihr in der Erinnerung viele Situationen in Neukölln als besonders unerfreulich da sie inzwischen den direkten Vergleich mit Potsdam hatte. Als ein anderes Beispiel schilderte sie eine Situation mit Angestellten des Bezirksamtes Neukölln. Auch dort wurde sie nicht gerade zuvorkommend behandelt. „Du wirst so oft angepflaumt, wenn ich vergleiche, wie ich mich in Berlin angemeldet hab auf dem Bezirksamt, ja eh, dann musst Du zwei Stunden warten und dann wurde ich angepflaumt…“. Sie schilderte den Dialog, in dem sie den Tonfall einer unfreundlichen Sachbearbeiterin nachahmte:

„und ehm als ich mich hier angemeldet hab. Das war samstags, ich bin mit M. (ihrer Tochter) da hingefahren. Da ist sie vor dem Bürgeramt noch hingefallen und ich bin da rein. Es war zufällig halt leer…(Unterbrechung wegen Kind).

Also ich da zum Bürgeramt und da war halt frei und dann hab ich vergessen, dass ich da so eine Nummer ziehen muss, da sagt die eine Kollegin: „Ach ich hab gerade nichts zu tun, ich hole ihnen eine“, M. (die Tochter weinte), da hat ihr eine Schokolade

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angeboten… und die andere Kollegin holte dann so ein „Welcome-Beutelchen“, wo dann die Tageszeitung drin war und ein Stadtplan“ …

„Ja, und ich hab mich richtig als neue Bürgerin der Stadt willkommen geheißen gefühlt.

Das kannte ich nicht. In Berlin, da haben sie mir vors Schienbein getreten quasi, im übertragenen Sinne, als ich hier her kam und das macht es noch mal deutlich aus…“. Der Unterschied zwischen Potsdam und Berlin bestand für die Mutter vor allem darin, dass der Umgangston z. B. mit Behördenmitarbeitern in Potsdam ein anderer als in Berlin ist.

Denn dies ist für die Eltern, neben vielen anderen Kriterien, auch eines, um sich in einer Stadt oder in einem Stadtteil wohlfühlen zu können.

10.3.1.4. Soziale Beziehungen: Auswertung des Netzwerkfragebogens Der Netzwerkfragebogen der Mutter wurde im August 2007 rückwirkend ausgewertet, da nach dem Interview, das im Oktober 2006 stattfand, die Zeit dafür nicht mehr ausreichte.

Familiäres Netzwerk

Von der Familie/Verwandtschaft erhielten die Eltern einmal im Monat, u. zw. an vier Tagen in der Woche, eine materiell/praktische Unterstützung bei Kinderbetreuung im Krankheitsfall. Diese Form der Unterstützung wurde von der Mutter der Befragten geleistet und war der Interviewten auch psychologisch sehr wichtig. Die Mutter der Befragten wohnt außerhalb Berlins.

Freunde

Zu dem Freundeskreis zählen drei Personen bzw. Paare. Von ihnen kam eines aus

Neukölln. Mit diesem Paar hatte das befragte Paar einen täglichen Kontakt. Zwei weitere Personen kamen aus anderen Bezirken. Zu diesen hatten die Eltern mindestens einmal wöchentlich Kontakt. Die Qualität der Unterstützung wurde als psychologisch/emotional und auch als praktisch bewertet. Die Form der Unterstützung wurde als wichtig erachtet.

Bekannte

Der Bekanntenkreis des befragten Paares setzte sich aus sechs Einzelpersonen bzw.

Paaren zusammen. Vier davon wohnten in Neukölln, zwei in anderen Bezirken. Mit denjenigen, die in Neukölln wohnten, hatte das Paar einmal pro Woche Kontakt. Zu zwei Personen in Neukölln kam der Kontakt nur einmal im Monat zustande. Die Qualität der

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Unterstützung wurde als praktisch und psychologisch/emotional bis nur praktisch bewertet. Die Art und Weise der Unterstützung wurde als wichtig eingeschätzt. Zu den Bekannten, die in anderen Bezirken wohnten, hatte das Paar seltener Kontakt. Die

Qualität der Unterstützung wurde vorwiegend als psychologisch/emotional eingestuft. Sie wurde jedoch insgesamt als weniger wichtig eingeschätzt.

Elternnetzwerke

Das Paar verfügte aufgrund seiner Verbindung zu den Kinderbetreuungseinrichtungen der Kinder und zu dem Kidsgarden über drei große Elternnetzwerke. Die dazu zählenden Personen wurden nicht einzeln aufgeführt. Auch zur Kontakthäufigkeit machte die Mutter keine Angaben, ebenso nicht zur Qualität der Unterstützung. Die Elternnetzwerke, die aus den Kinderläden entstanden sind, wurden als wichtig erachtet. Das Elternnetzwerk aus dem Kidsgarden e.V. dagegen wurde als weniger wichtig angesehen.

Professionelle Unterstützung

Aus dem Kontaktbereich der professionellen Unterstützer wie z. B. Lehrer, Erzieher, Kinderärzte werden vier Personen genannt: eine Kinderfrau, die mindestens einmal pro Woche die Kinder betreute, die Kinderärztin, die sie ca. einmal im Monat aufsuchten und die Erzieherinnen aus beiden Kinderläden. Die Qualität der Unterstützung war

überwiegend praktisch. Die Erzieherin aus dem Kinderladen ihrer Tochter war der

Familie auch emotional wichtig. Als am wichtigsten wurde die Unterstützung, die von der Kinderfrau geleistet wurde, beurteilt. Als weniger wichtig wurden die professionellen Hilfeleistungen der Kinderärztin und der Erzieherinnen ihres Sohnes erachtet.

Andere Bereiche

Der Kategorie „andere Bereiche“ wurde die LPG zugeordnet, die definitionsgemäß kein Netzwerk, sondern eine Genossenschaft, ist. Von dieser hatte die Familie ihre

ökologischen Nahrungsmittel bezogen. Dort kaufte sie mehrmals pro Woche ein. Zu dieser Kategorie wurde noch eine Erzieherin, ein Spielplatz in Kreuzberg sowie eine Arbeitskollegin gezählt. Die Qualität der Unterstützung lag bei allen im praktischen Bereich. Sie wurden insgesamt als weniger wichtig angesehen.

Abschließend fällt auf, dass bei der Art der sozialen Unterstützung von der Familie

niemals das Informationspotential genannt wurde. Das qualitative Interview zeigte jedoch,

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dass das Informationspotential der sozialen Beziehungen für die Familie eine große Rolle gespielt hatte. Dies besonders zu dem Zeitpunkt, als noch nicht klar war, dass sie nach Potsdam ziehen würden. Sie hatten sich mit Hilfe von Freunden aus dem Haus über eine qualitativ hochwertige Grundschule informiert.