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Soziale, demographische und ethnische Segregation anhand einiger Beispiele aus Nordrhein-Westfalen Beispiele aus Nordrhein-Westfalen

3. Sozialraumanalyse mit Hilfe der Segregationstheorie

3.2.2. Soziale, demographische und ethnische Segregation anhand einiger Beispiele aus Nordrhein-Westfalen Beispiele aus Nordrhein-Westfalen

Im Folgenden werden einige Städte in NRW vorgestellt, die aufgrund ihrer

sozialräumlichen Struktur (ethnische, demographische und Segregation) Ähnlichkeiten mit Neukölln-Nord aufweisen.

Voran gestellt sind einige Erläuterungen zur Methode der Sozialraumanalyse: Strohmeier hat mittels sozioökonomischer, demographischer und ethnischer Faktoren Clusteranalysen durchgeführt und Typologien gebildet, nach denen die Quartiere der kreisfreien Städte in NRW eingeteilt wurden. Folgende Indikatoren haben sich bei Faktorenanalyse als

besonders aussagekräftig erwiesen: der Ausländeranteil bzw. Anteil von Menschen aus einem anderen Kulturkreis, der Jugendquotient (Verhältnis alte zu jungen Menschen in einem Quartier) und der soziale Rang (z.B. Sozialhilfedichte). Mittels dieser Kriterien wurden die Städte nach Sozialraumtypen klassifiziert. Dabei gingen die Forscher davon aus, dass jeder Stadtteil mit Hilfe einer spezifischen Wertekombination der drei

Indikatoren beschrieben werden kann. Beispielsweise hat eine Stadt mit der

Wertekombination 331 einen hohen Ausländeranteil, einen hohen Jugendquotienten und einen niedrigen sozialen Rang. Diese Wertekombination trifft z.B. in einem hohen Maße für die Stadtteile Duisburg- Bruckhausen oder auch Duisburg- Obermeiderich, Köln-Chorweiler oder Essen-Katernberg zu. Besonders in den Städten im Ballungskern gibt es

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hohe Anteile von ausländischen Kindern und Jugendlichen. Hier überwiegen Stadtteile mit einem niedrigen sozialen Rang. 63 Stadtteile fallen in diese Kategorie. Sie liegen in elf Städten, davon die meisten im Ruhrgebiet. Hierbei sind Duisburg (zehn Stadtteile) und Hamm mit acht Statteilen die Spitzenreiter. Auch in Essen gibt es Stadtteile, in denen der Ausländeranteil und der Jugendquotient hoch sind, der soziale Rang aber niedrig bleibt.

Essen ist aufgrund der sozioökonomischen, ethnischen und demografischen

Zusammensetzung mit Neukölln-Nord vergleichbar, wie im folgenden Kapitel gezeigt werden soll.

Segregationsmuster am Beispiel der Stadt Essen:

Essen ist ein typisches Beispiel für eine stark segregierte Stadt in NRW, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll.

Die Daten, die Strohmeier verwendet, basieren auf KOSTAT (Kommunalstatistik Deutscher Städtetag GmbH) und stammen meist aus dem Jahr 2001.

Was die ethnische Segregation betrifft, fällt als erstes der große Unterschied zwischen den nördlichen und den südlichen Stadtteilen auf.

Der Anteil der nichtdeutschen Bevölkerung3 an der Gesamtbevölkerung lag Ende des Jahres 2001 bei 9% (Strohmeier 2001: 60). Die höchsten Anteilswerte konzentrierten sich im nördlichen Stadtgebiet. Innerhalb des Nordens war eine besonders hohe Konzentration in den innenstadtnahen Stadtteilen auffällig. Insbesondere der Stadtkern und das

Westviertel hatten sehr hohe Ausländeranteile (zwischen 30 % und 40 %). Auch die Stadtteile Vogelheim, Altessen-Nord und Katernberg waren ebenfalls mittels eines sehr hohen Anteils von Familien nicht deutscher Herkunft gekennzeichnet. In den südlichen Stadtteilen lag der Anteil der ausländischen Bevölkerung dagegen lediglich zwischen drei und 10 %. Allein an dem Faktor Ausländeranteil bzw. ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind Ähnlichkeiten mit Neukölln zu erkennen. Die Anteile der ausländischen Bevölkerung sind im Norden von Essen ähnlich hoch im Neukölln-Nord.

Weitere Ähnlichkeiten zwischen Essen und Neukölln-Nord lassen sich auch anhand der Indikatoren für soziale Segregation feststellen. Der diesbezügliche Indikator ist der

3 Strohmeier verwendet als Indikator für die ethnische Segregation den Anteil der nichtdeutschen Bevölke-rung an der GesamtbevölkeBevölke-rung. Er benutzt ab und zu auch den Begriff „ Ausländer“. Ich werde daher den Begriff „Anteil nichtdeutscher an der Bevölkerung“ und „Ausländer“ synonym verwenden.

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Sozialhilfeanteil in den einzelnen Stadtteilen, im vorliegenden Fall der Stadt Essen. Ende des Jahres 2000 bezogen in der Stadt Essen knapp 36.000 Personen Sozialhilfe. Daraus ergab sich eine Sozialhilfedichte von 6%. Die Unterschiede zwischen den Stadtteilen waren allerdings groß. Das Spektrum reichte von 0,4 % im Stadtteil Byfang bis 18,1 % im Stadtkern. Es gab also bei der sozialen Zusammensetzung der Essener Bevölkerung ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle. Zweistellige Anteilswerte wurden im Stadtkern sowie in den aneinander grenzenden Stadtteilen Ostviertel, Nordviertel, Westviertel und Altendorf sowie Kartenberg, Altessen-Süd und Horst gemessen. Auch die Unterschiede in der Verteilung und im Ausmaß der von Sozialhilfe betroffenen Kinder sind groß. Im Westviertel sind über ein Drittel (36 %) aller Kinder im Alter unter 6 Jahren von

Sozialhilfe betroffen, in Byfang, einem Stadtteil mit 2000 Einwohnern, hingegen nicht ein einziges Kind.

Ebenso sind die demographischen Indikatoren der Stadt Essen mit denen von Neukölln-Nord vergleichbar. In Essen lebten die meisten Kinder und Jugendlichen im Alter

zwischen 0 bis unter 18 Jahren in den Stadtteilen des Essener Nordens, d.h. in Kartenberg, Vogelheim und Karnap. Diese Stadtteile hatten die höchsten Anteilswerte an Kindern und Jugendlichen. Sie lagen einheitlich über 20 %. Der Essener Süden dagegen war von unterdurchschnittlichen Anteilen junger Menschen geprägt. Die wenigsten Kinder und Jugendlichen lebten in den innerstädtischen Stadtteilen (Südviertel, Westviertel) sowie in den innenstadtnahen Stadtteilen Holsterhausen und Rüttenscheid. Dort waren nur rund 10% der Bevölkerung unter 18 Jahre alt.

Die meisten Personen über 60 Jahre lebten im Jahr 2001 in den südlichen Stadtteilen (Rellinhausen, Begerhausen) sowie in den westlichen Gebieten (Margaretenhöhe, Fulerum, Haarzopf). In den nördlichen Stadtteilen von Essen waren die Anteilswerte der älteren Menschen am geringsten. Erkennbar ist eine großflächige Konzentration von armen ausländischen Familien im Essener Norden. Zudem liegt eine ausgeprägte ethnische Segregation in fünf aneinander grenzenden Stadtteilen (Stadtkern, Ostviertel, Westviertel, Altendorf und Katernberg) vor. Die Merkmale Ausländeranteil und

Sozialhilfedichte korrelieren hoch miteinander. Der Anteil an Kindern und Jugendlichen ist ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Demnach gibt es zum einen im Essener Norden eine besondere Problemkonzentration sowie zum anderen eine ausgeprägte ethnische Segregation in mehreren angrenzenden Stadtteilen des Innenstadtbereichs. In einzelnen punktuellen Gebieten am nördlichen Stadtrand ist eine hohe ethnische Segregation

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insbesondere von türkischer Bevölkerung bei gleichzeitig hoher Armutssegregation festzustellen. Diese Gebiete sind stark von den Familienstrukturen geprägt. Es gibt einen Stadtteil am östlichen Rand, der durch hohe Armutssegregation deutscher Familien gekennzeichnet ist. Hier werden hohe Anteile sozialhilfebedürftiger Aussiedler vermutet.

Im Süden Essens ist eine Segregation deutscher Bevölkerung mit maximal

durchschnittlicher Familienprägung und teilweise eine „Überalterung“ der Gebiete festzustellen (Strohmeier, 2006: 62).

Ausgehend von der gegenwärtigen Situation kann prognostiziert werden, dass in den nächsten 20 Jahren der deutsche Bevölkerungsanteil rapide absinken, der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund jedoch erheblich steigen wird. In einigen Stadtteilen könnte diese Veränderung über 50 %. Betragen. In mehreren Stadtteilen ist diese

Entwicklung bereits früher zu erwarten wie z.B. in Essen-Katernberg. Die Stadt Essen befürchtet, dass aufgrund der fehlenden Integration von Menschen mit

Migrationshintergrund die demokratische Ordnung und der sozialen Frieden gefährdet sein könnten (Strohmeier 2001: 140).

Um diesen negativen Segregationsfolgen entgegen zu wirken, hat die Stadt Essen ein interkulturelles Handlungskonzept entwickelt, das kurz vorgestellt werden soll:

Die Ziele dieser „Interkulturellen Orientierung“ (Strohmeier 2001: 141) liegen unter anderem in der Herstellung der Chancengleichheit von Menschen mit

Migrationshintergrund. Des Weiteren sollen Potentiale der Minderheiten für die

Ökonomie, die Finanzkraft der Stadt und die Attraktivität der Stadt Essen besser genutzt werden. Ebenso wird die „Förderung des Miteinander und Überwindung von Misstrauen und Isolation durch eine Ermöglichung von gemeinsamem Leben und Lernen von

Deutschen und Nichtdeutschen“ verfolgt (Strohmeier 2001: 141) Hierzu zählt ebenso die

„Schaffung von Möglichkeiten und Räumen zur Entwicklung von kulturellen Systemen“

(Strohmeier 2001:.141). Hiernach sollen die negativen Segregationsfolgen abgefangen werden. Dazu wurde in Zusammenarbeit mit den ansässigen Wohlfahrtsverbänden ein integriertes Handlungskonzept mit 10 Bausteinen entwickelt (Elementarbereich, Schule, Kinder- und Jugendarbeit, Jugendkriminalität, soziale Beratung und Betreuung, soziale Beratung und Betreuung ausländischer Senior/innen, Arbeit, Beschäftigung und

Qualifizierung, Wohnen und interkulturelle Konflikte). Projekte und Maßnahmen sollen in ein gesamtstädtisches Kontext eingebracht werden. Eine Vielzahl von Projekten und

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Maßnahmen ist innerhalb der zehn Konzeptbausteine bereits umgesetzt worden (etwa 75%). Einzelne Erfolge dieses interkulturellen Handlungskonzeptes können bereits vorgewiesen werden. Dieses Konzept ist ein einmaliges Beispiel für einen

gesamtstädtischen Ansatz, der auch Vorbildcharakter für andere Kommunen haben kann (Strohmeier, 2001: 141). Die Gemeinsamkeiten zwischen Neukölln-Nord und Essen bestehen demnach in einer ungünstigen sozioökonomischen, demographischen und ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung, wodurch in einigen Gebieten eine Konzentration von benachteiligten Menschen entstanden ist. Die administrativ

Verantwortlichen der Stadt Essen sehen, ebenso wie die Verfasser der Jugendhilfeberichte von Neukölln, in dieser Konzentration von armen, ethnisch gemischten und sehr jungen Stadtteilen bzw. Quartieren eine Gefährdung der Demokratie und auch des sozialen Friedens. Ebenso wie in Neukölln wird von den Verantwortlichen in Essen versucht, diesen negativen Folgen der Segregation entgegen zu treten, teilweise mit Erfolg.

Derartige Bestrebungen kann man auch in den Jugendhilfeberichten des Jugendamtes Neuköllns nachlesen. Darauf soll in Kapitel sechs genauer eingegangen werden. Dieser Erörterung vorangestellt ist die Diskussion des Ansatzes des sozialen Kapitals nach Coleman (1991, 1992).

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4. Soziales Kapital in Familien und Gemeinden: Soziales Kapital nach