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3.3 Open Access und Wissenschaftliche Bibliotheken

3.3.1 Umsetzungsmöglichkeiten und -praxis

3.3.3.1 Politische Rahmenbedingungen

Politische Programme und gesetzliche Regelungen haben in verschiedenen Staaten die OA-Initiative bereits unterstützt oder sollen dies in Zukunft tun. Im Folgenden werden die wich-tigsten Eckpunkte der Umsetzungsinitiativen in Deutschland erläutert. Generelle Empfehlun-gen wie sie z. B. durch die Europäische Union ausgesprochen wurden (siehe dazu: European Commission DG Research & Innovation, 2017), werden nicht berücksichtigt.

Deutschland wird in der Zeitleiste zur Entwicklung der OA-Initiative des OA-Befürworters Peter Suber erstmals im Jahr 2006 erwähnt. (Suber, 2009, o. S.) Zu diesem Zeitpunkt ver-knüpfte die DFG in ihren Richtlinien die Zuteilung von Forschungsgeldern mit der Forderung einer frei zugänglichen Publikation.

Neben der Erstellung von OA-Richtlinien in verschiedenen deutschen universitären und au-ßeruniversitären Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen, wurde in den folgenden Jahren vor allem eine Anpassung des Urheberrechts diskutiert. Im Jahr 2009 wurde von dem Literaturwissenschaftler Roland Reuß, ausgelöst durch die Etablierung der Google Buchsu-che, der sog. Heidelberger Appell zum Schutz des Urhebers initiiert. Darin wird OA als weit-reichender Eingriff in die Presse- und Publikationsfreiheit bezeichnet.44 (Reuß, 2009, o. S.) Seit dem 1. Januar 2014 ist der, zunächst im Rahmen des sog. „2. Korbs“45, abgelehnte, Zu-satz zum §38 des Urheberechtsgesetzes (AbZu-satz 4) gültig. Damit hat der Urheber eines wis-senschaftlichen Beitrages das Recht, auch entgegen anderslautender Verträge, seine Publikati-on innerhalb vPublikati-on 12 MPublikati-onaten frei zugänglich als Zweitveröffentlichung bereit zu stellen. Vo-raussetzung ist, dass mind. die Hälfte der Arbeit mit öffentlicher Förderung entstanden und das Werk in einem periodisch mindestens zweimal jährlichen Werk erschienen ist.

Bereits im Jahr 2013 sprach sich eine von der Bundesregierung einberufene Expertenkommis-sion für Forschung und Innovation für die Förderung von OA aus und begründete dies mit der innovationssteigernder Wirkung. (Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), 2013, o. S.) In der Folge ist die OA-Strategie auch Teil des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD. (CDU Deutschland et al., 2013, o. S.)Diese Absichtserklärungen waren schließlich die Grundlage für die „Digitale Agenda 2014 – 2017“ (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie et al., 2014, o. S.)mit den Handlungsfeldern Bildung, Forschung, Wissenschaft,

44 Nachdem der Suchmaschinenanbieter Google im Jahr 2009 europäische urheberrechtlich geschützte Titel ausschloss, wurde der Appell mit seinen ca. 2600 Unterstützer nicht weiter verfolgt.

45 Im Rahmen des „Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesell-schaft“ (sog. „2. Korb“) im Jahr 2007 wurde eine Reform zugunsten des Zweitveröffentlichungsrechts des wis-senschaftlichen Urhebers vorgeschlagen, jedoch von der Bundesregierung wegen Bedenken bezüglich der Effek-tivität vorerst abgelehnt. (Krujatz, 2012, S. 51f)

tur und Medien. In dieser Agenda wird in Aussicht gestellt, dass die Rahmenbedingungen für ungehinderten Informationsfluss, insbesondere in der Wissenschaft, verbessert werden. Auch wenn von dem Papier „Digitale Agenda 2014 – 2017“ keine direkten Maßnahmen ausgingen, entstanden in der Folge in den Bundesländern Baden-Württemberg (Ministerium für Wissen-schaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, 2014), Schleswig-Holstein (Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Schleswig-Holstein, 2014) und Berlin (Senat von Berlin, 2015)eigene OA-Strategien und –Richtlinien, welche die Förderung der OA-Initiative zum Ziel hatten. Im September 2016 wurde mit dem Papier „Open Access in Deutschland“ erstmals eine OA-Strategie mit bundesweitem Fokus vom Bundesministeri-um für Bildung und Forschung (BMBF) vorlegt. Darin wird erklärt, dass die Publikation mit freiem Zugang (Gold oder Green OA) für alle geförderten Projekte des BMBF ab sofort Stan-dard ist und mit Projektmitteln gefördert wird. Für Publikationen nach Ablauf der Projekte soll ein Post-Grant-Fund eingerichtet werden. Neben dieser konkreten Publikationsrichtlinie soll die A-Initiative in Deutschland auch durch indirekte bzw. infrastrukturelle Hilfsmitteln gefördert werden, wie der Einrichtung eines OA-Dialogforums für einen strukturierten Dis-kurs, einer allgemeinen Informationsoffensive, dem Aufbau einer nationalen Kompetenz- und Vernetzungsstelle und der Unterstützung von singulären OA-Initiativen und –Projekten z. B.

durch Ausschreibung eines Wettbewerbs. Durch die Einrichtung eines OA-Monitors soll zu-dem der quantitative Stand von OA-Publikationen in Deutschland verfolgt und evaluiert wer-den. (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), 2016, S. 9ff) Der bereits durch den Heidelberger Appell in Erscheinung getretene OA-Gegner Roland Reuß beschreibt diese Vorgehensweise in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) u. a. als „Staatsautoritaris-mus“ und „Blauäugigkeit 4.0“. Er wirft der verantwortlichen Ministerin Johanna Wanka vor, mit der Verpflichtung zu OA für geförderte Projekte die im Grundrecht verankerte Wissen-schaftsfreiheit zu untergraben. (Reuß, 30.09.2016, o. S.)

In Großbritannien und den USA unterscheiden sich Vorgehen und Umsetzung teilweise stark.

In Großbritannien ist seit der Veröffentlichung des von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen sog. Finch-Reports (Finch, 2012) im Jahr 2012, der eine klare Empfehlung für OA beinhaltet, ein substanzieller Fortschritt bei der Erreichbarkeit von Publikationen durch OA erkennbar. Bereits im April 2017 war der Großteil aller Zeitschriftenartikel, die von Angehö-rigen der britischen Universitäten geschrieben wurden, entweder über Gold oder Green OA erreichbar. Davon sollen 20 Prozent direkt ab dem Moment der Veröffentlichung frei zugäng-lich sein. (Tickell, 2016, S. 3) Adam Tickell, der Leiter der „Universities UK Open Access coordination Group” kam in einem ersten Fazit dieser Maßnahmen im Auftrag der Regierung

zu dem Schluss, dass der Weg zu Open Access, trotz der messbaren Erfolge, noch nicht sein Ziel erreicht hat. Denn derzeit steigen die Ausgaben für Publikationsgebühren, ohne dass die-se für Subskriptionszeitschriften sinken würden. (Tickell, 2016, S. 9ff) Bibliotheken erhalten derzeit also nicht die finanzielle Entlastung, die bei der Konzeption von OA impliziert worden war. Ein Umstand, den auch die Gemeinschaft der Forschungsuniversitäten in ihrer Stellung-nahme zur Förderung von OA kritisiert. (LERU Office, 2015, S. 1f) In einem gemeinsamen Diskussionspapier der großen bibliothekarischen und wissenschaftlichen Organisationen in Großbritannien wird die Unzufriedenheit über die Umsetzung von OA wenig zurückhaltend formuliert: „[...] the current transition to OA is both too slow and too expensive, and further-more that the transition on its current path risks replication unsatisfactory aspects of the sub-scription journal market.“ (JISC, 2016, S. 1)

Im Jahr 2013 verabschiedete der damals amtierende Präsident der USA Barack Obama ein Memorandum, wonach alle Einrichtungen mit einem Forschungsbudget von über 100 Millio-nen US-Dollar innerhalb der nächsten sechs Monate OA-Richtlinien erarbeiten und vorlegen mussten. (Executive Office of the President, 22.02.2013, o. S.)Diese Resolution galt als Re-aktion auf die Petition „access2research“ mit mehr als 65.000 Unterschriften, in der ein freier Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln gefordert wurde. (www.open-access.net, 2012, o. S.) Im Vorfeld dieser Beschlüsse wurde in den USA durchaus kontrovers über die Verankerung von Pflichten zur OA-Publikation von geförderten Inhalten debattiert46.

Nach mehreren erfolglosen Versuchen47 wurde im Jahr 2013 der „Fair Access to Science and Technology Research Act” als modifizierter Vorschlag im U.S. Senat diskutiert und nach einer erneuten Eingabe im Jahr 2015 beschlossen. Demnach müssen alle öffentlichen Anstalten mit über 100 Millionen US-Dollar Ausgaben für Forschung Publikationen spätestens innerhalb von 12 Monaten frei verfügbar in Repositorien zugänglich machen. (114th US-Congress (2015-2016), 8.3.2016, o. S.)

Gemeinsam ist allen Maßnahmen, dass sie zu keinem Zeitpunkt der Umsetzung widerspruch-frei etabliert wurden und sind. Weitere Informationen zu nationalen Forschungspolitiken sind

46 Ende 2011 (davor auch 2008 und 2009) wurde mit der Einbringungen des „Research Works Act“ in den Senat vergeblich der Versuch unternommen, OA-Mandaten in den USA ein Ende zu bereiten. Diese Eingabe wurde u.

a. unterstützt von der Association of American Publishers (AAP). Im Jahr 2012 zog der größte Wissenschaftsver-lag Elsevier seine Unterstützung der Initiative zurück. (Elsevier B.V., 2012) In Konsequenz wurde der Geset-zesentwurf fallengelassen.

47 Der „Federal Research Public Access Act“ (109th US-Congress (2005-2006), 26.05.2006) im Jahr 2006 wurde von demokratischen wie republikanischen Vertretern unterstützt. Laut dieser Eingabe sollten öffentliche For-schungsorganisationen mit über 100 Millionen US-Dollar Forschungsbudget dazu verpflichtet werden eine OA-Richtlinie zu verfassen. Nach Ablehnung durch den Senat, wurde dieser Vorschlag 2010 und 2012 wiederholt eingebracht und abschlägig entschieden.

zu finden unter Krujatz (Krujatz, 2012, S. 47ff). Im Rahmen von den Kapiteln 4 und 5 wird, bezugnehmend auf die Unterschiede in der politischen Umsetzung der OA-Initiative in den verschiedenen Staaten, geprüft, ob diese auch die Berücksichtigung von OA-Publikationen im Angebot des Zeitschriftenmanagement der jeweiligen Wissenschaftlichen Bibliotheken prä-gen.