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2.2 Markt der wissenschaftlichen Subskriptionszeitschriften: Angebotsmodelle und

2.2.4 Bündelung

Traditionell wurden Zeitschriften an Bibliotheken in Form von Subskriptionen für einzelne Titel vertrieben. Im Zuge der zunehmenden Verbreitung des elektronischen Formats wurde das Angebot von mehreren Titeln als Paket oder sogar des gesamten Titelspektrums des Ver-lags möglich und populär. (Ware et al., 2015, S. 19) Auch wenn die Idee der Titel- und damit Preisbündelung bei Zeitschriften nicht neu ist, hat dieses Modell erst im elektronischen Um-feld an Bedeutung gewonnen. (Keller, 2005, S. 219) Der sogenannte „Big Deal“, d. h. das Angebot einer gebündelten Subskription von einer Vielzahl von elektronischen Zeitschriften, wurde in dieser Form erstmals 1996 von dem Verlag „Academic Press“ angeboten. Durch diese Maßnahmen sollten Abbestellungen aufgrund von sinkenden Budgets bei der gleichzei-tigen Erhöhung des Angebots durch elektronische Formate verhindert werden. (Poynder, 2011) Die Vorteile von Zeitschriftenpaketen liegen für die Verlage in den garantierten Ein-künften dieser meist mehrjährig laufenden Verträge, in der Verhinderung von Abbestellungen und einer Vereinfachung und damit Vergünstigung der Administration. Auch in Bibliotheken wird die Bearbeitung von Paketsubskriptionen als einfacher in der Administration wahrge-nommen. (Taylor-Roe, 2009, S. 117) Ebenfalls sind für wissenschaftliche Bibliotheken die finanziellen Ausgaben für eine Vielzahl von Titeln besser planbar. (Regazzi, 2015, S. 169) Zudem können die Bibliotheken Zugang zu einer größeren Anzahl von Zeitschriftentiteln bie-ten und sehen sich aufgrund des erhöhbie-ten Volumens in ihrer Verhandlungsposition gestärkt.

Weiterhin wurde der Service einer großen und breiten Anzahl von angebotenen Titeln von Wissenschaftlern als Leser wie auch als Autoren schnell angenommen. Als Leser genießen sie den schnellen Zugang zu einer großen Anzahl von hochqualitativen Publikationen. Dem Autor bietet die potentiell größere Leserschaft die Möglichkeit für eine höhere Anzahl von Zitaten und damit größerer Reputation. (Poynder, 2011, o. S.)

Der Abschluss eines „Big Deals“ beginnt meist mit einem Einstiegsangebot der Verlage, in dem für fünf bis fünfzehn Prozent zusätzlich zu den Kosten für aktuell (in Print) subskribierte

Titel der Zugriff auf ein größeres Angebot des Verlages erfolgen kann. Nach und nach werden diese Kosten dann zunächst meist um sechs, später um zehn bis 15 Prozent erhöht. (Berg-strom et al., 2014, S. 9426) Jedoch fallen diese Preissteigerungen, nach Verlagsangabe, bei Paketen geringer aus als bei Einzelsubskriptionen. (Henderson et al., 2014, S. 50) Durch diese Form der Preisfindung ist der „Big Deal“ für kleinere Einrichtung mit wenigen Printabonne-ments meist deutlich attraktiver als für große Einrichtungen mit vielen Subskriptionen. (Lem-ley et al., 2015, S. 4) Dennoch ist das Ergebnis einer Studie an 38 großen Universitätsbiblio-theken in Großbritannien im Jahr 2009, dass die Kosten für den „Big Deal“ bei knapp 40 Pro-zent der Bibliotheken über 50 ProPro-zent des Bibliotheksbudgets beanspruchen. (Taylor-Roe, 2009, S. 116) Trotz der genannten Vorteile und der Erfolge des Modells wird dieser Subskrip-tionsweg kritisch diskutiert. Walt Crawford prognostiziert in seinem Buch „The Big Deal and the Damage Done“ gar den totalen Bedeutungsverlust von Bibliotheken. (Crawford, 2013, S.

119) Sein größter Kritikpunkt ist die fehlende Nachhaltigkeit dieser Vorgehensweise. Auch wenn die Effektivpreise geringer steigen, als die von einzelnen Titeln, so wird durch die Höhe des Gesamtvolumens auf absehbare Zeit ein Wert erreicht, der eine Abbestellung des gesam-tes Pakegesam-tes notwendig macht und dann die wissenschaftliche Informationsversorgung massiv einschränkt. Die Beschaffung neuer Inhalte oder auch anderer Medientypen wird zudem durch die Bindung von großen Teilen des Budgets stark limitiert. Als problematisch wird auch wahrgenommen, dass keine Auswahl und damit keine Qualitätskontrolle durch Bibliotheken erfolgt. (Pedersen et al., 2015, S. 250) Abgesehen davon, dass Bibliotheken damit einen gro-ßen Teil ihrer traditionellen Rolle abgeben, wird nicht genau kontrolliert, ob und welche Titel im Paket ggf. von minderer Qualität sind und damit Einfluss auf die Güte der Forschung nehmen könnten. (Lemley et al., 2015, S. 3f) Die Analyse der Download-Statistiken zeigt zu-dem, dass nur auf max. 20 Prozent der Titel eines Paketes zugegriffen wird. (Brennan et al., 2013, S. 555) Verlage planen lediglich als Kompromiss auch kleinere Pakete zu ermöglichen.

(Henderson et al., 2014, S. 53f)

Ungeachtet aller Kritik bleiben die Vertriebszahlen für dieses Geschäftsmodell hoch. Obwohl die Anzahl an lizenzierten Zeitschriftentiteln pro Einrichtung durch dieses Geschäftsmodell deutlich gestiegen ist, bleibt es trotzdem eine Herausforderung den Zugang zu allen potentiell gebrauchten Publikationen schnell und direkt zu gewährleisten. (Creaser, 2014, S. 319)

Es gibt jedoch auch eine andere Möglichkeit den Bedarf an Artikeln von nicht lizenzierten Zeitschriften zu erfüllen:

Der Zugang kann durch die Beschaffung von einzelnen Artikeln auf gezielte Nachfrage erfol-gen. Auch wenn diese Form des Bezugs, ausgehend von einem sehr geringen Level, stark

steigt, ist ihre Bedeutung vergleichsweise gering. (Ware et al., 2015, S. 20) Der Anstieg ist zum einen durch die bessere Auffindbarkeit von bibliographischen Daten in Suchmaschinen und Online-Datenbanken zu erklären. Zum anderen ist durch das elektronische Format auch eine differenzierte Messung der Zugriffe auf einzelne Artikel möglich, so dass Bibliotheken die Zeitschriften mit geringen Zugangsdaten zu Gunsten einer artikelbasierten Bereitstellung abbestellen könnten. Jedoch zeigt sich in der praktischen Umsetzung, dass Verlag Zeitschrif-ten vorzuweise als komplettes Titelabonnement vertreiben und aus diesem Grund kein leicht zu administrierendes Geschäftsmodell für den Vertrieb von einzelnen Artikeln entwickelt ha-ben, obwohl die elektronischen Formate hier eine Vielzahl von Möglichkeiten bieten würden.

(Kirchgäßner, 2008, S. 4) Es existieren, teilweise je nach Verlag oder rechtlichen Rahmenbe-dingungen des Staates, verschiedene Varianten für den Bezug eines Artikels. Artikel können für einen geringen Preis für einen bestimmten Zeitraum geliehen20 oder in Form von Paketen, d. h. gegen die Bezahlung eines bestimmten Betrages für eine festgelegte Anzahl von Arti-keln, egal von welchem Zeitschriftentitel des Verlages, erworben werden. Sie können unab-hängig von den Verlagen auch als Fernleihe von einer anderen Bibliothek bezogen oder aber einzeln direkt von der Verlagsseite gekauft werden (sog. Pay-per-view). Für den Versand über Fernleihe bzw. als Dokumentenlieferdienst existieren in jedem Land andere Rahmenbedin-gungen, Vereinbarungen und Kosten. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass die Prozesskosten für den bibliotheksinternen Leihverkehr in jedem Fall relativ hoch sind. (Chen, 1995, S. 124f), (Einax, 2015, S. 51ff) Insbesondere in Deutschland wird zudem der Leihverkehr durch das bestehende Urheberrecht (§53a UrhG) stark eingeschränkt und die Möglichkeiten des elektro-nischen Vertriebs stark limitiert. Die Kritik bezieht sich vor allem darauf, dass hier den wirt-schaftlichen Interessen der Verlage gegenüber wissenwirt-schaftlichen Bedarfen der Vorzug gege-ben wurde, da eine Bestellung Tage braucht statt der vom elektronischen Format gewohnten Sekunden. (Schwersky, 2008, o. S.)

Obwohl Pay-per-View als Möglichkeit häufig diskutiert wird, wird es in der Mehrzahl der Einrichtungen nicht angeboten und ist auch für Verlage kein strategisches Zukunftsthema.

(Henderson et al., 2014, S. 54f) Die Bezugswege für einzelne Artikel sind theoretisch auch direkt durch den Endnutzer möglich, jedoch hat sich gezeigt, dass die meisten Wissenschaftler zwar wissenschaftliche Bücher für den eigenen Gebrauch kaufen, Zeitschriftenartikel jedoch nur im Einzelfall. (Ware et al., 2015, S. 25)

20 Z. B. auch über Drittanbieter wie DeepDyve: (DeepDyve, 2017)

Jede der Bündelungsvarianten ist mit Vor- und Nachteilen verbunden. Während die einzelne und stark kontrollierte Subskription von Zeitschriftentiteln meist den breiten Bedarf der Wis-senschaftler an potentiell verfügbaren Inhalten nicht mehr abdecken kann, bedeuten die Li-zenzierung von Zeitschriftenpaketen eine hohe Bindung des Budgets. Der Bezug von einzel-nen Artikel ist zeitintensiv für Bibliotheken und Endnutzer. Durch die Bündelung kann dem Bedarf an unselbständiger Literatur vermutlich auf quantitativer Ebene besser begegnet wer-den, während die qualitative Entsprechung ggf. sogar schlechter wird.

Ein ergänzender freier Zugang über OA könnte, die Gründe für die Lizenzierung von Paketen aufheben, und so die Angebotsmodelle des Subskriptionsmarktes und damit das Zeitschrif-tenmanagement Wissenschaftlicher Bibliotheken nachhaltig verändern.