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2.2 Markt der wissenschaftlichen Subskriptionszeitschriften: Angebotsmodelle und

2.2.2 Kosten und Preis

Für das Angebot von wissenschaftlichen Zeitschriften entstehen Kosten für zahlreiche Akteure und Aktivitäten. Der überwiegende Teil wird durch die Zeit, die der Wissenschaftler zum Verfassen der Publikation benötigt, verursacht. Die Kosten für das Schreiben eines Artikels werden im Durchschnitt auf über 6.000 Euro geschätzt und machen damit ca. 55 Prozent der Gesamtkosten eines Artikels und seiner Veröffentlichung aus. Die Erstellung eines Gutachtens (für Peer Review) verursachen einen Kostenaufwand von über 1.600 Euro (Houghten, 2009, u.a. S. XIV) Da diese Kosten jedoch nur indirekt, z. B. durch die Beschäftigung von Wissenschaftlern an Hochschulen und Forschungseinrichtung bezahlt werden, wird dieser Aspekt hier nicht näher beleuchtet. Es werden an dieser Stelle die Kosten erläutert, die auf der Angebotsseite bei den Verlagen entstehen und eine Grundlage für die Preisbildung bei wissenschaftlichen Subskriptionszeitschriften sind. Selbstverständlich entstehen auch auf der Nachfrageseite bei Wissenschaftlichen Bibliotheken Kosten, neben dem Preis für das erworbene Gut vor allem in Form von Gehältern für die beschäftigten Bibliothekare. (Walter, 2007, S. 149) Diese Kosten nehmen jedoch sowohl prozentual, als auch in den Marktmechanismen nur eine untergeordnete Rolle ein und werden daher nicht weiter berücksichtigt.

John Houghten et al haben im Rahmen eines Projektes der britischen Organisation zur Förderung digitaler Technologien in Forschung und Lehre (JISC – früher Joint Information Systems Committee) im Jahr 2009 die Kosten für verschiedene Publikationsmodelle ermittelt.

Ziel war es, die Kosten sowie Vor- und Nachteile der Modelle gegeneinander abzuwägen und die Möglichkeiten alternativer Publikationsmodelle zu beschreiben. Basierend auf zahlreichen Studien wurden die durchschnittlichen Kosten für die einzelnen Aktivitäten18 zur Erstellung und zum Vertrieb einer Subskriptionszeitschrift ermittelt und so die Gesamtkosten zunächst für einen Artikel und im nächsten Schritt für eine Zeitschrift bottom-up berechnet (siehe Abbildung 2). (Houghten, 2009, S. IX)

18 Die Kosten für die Artikelbearbeitung beinhaltet die Organisation von Peer Review, Redaktion, Gestaltung, Satz, Grafiken und Illustrationen und ggf. Qualitätsprüfung der Online-Version. Andere Kosten umfassen die Bearbeitung von Nicht-Artikel-Inhalten wie Cover oder Inhaltsverzeichnis, Rechteverwaltung, Vertrieb und Rechnungsstellung, Druck und Lieferung bzw. Hosting, Helpdesk sowie das Management der Online-Nutzer.

Abbildung 2: Verlagskosten pro Artikel nach Subskriptionsmodell. Eigene Darstellung in grober Anleh-nung an (van Noorden, 2013) nach Daten von (Houghten, 2009, S.153ff)

Für Management und Investment bzw. Profit wurde eine Marge von jeweils 20 Prozent ange-setzt. Bei der Berechnung von Print und Online wurden für diese Arbeit die Gestaltung bzw.

der Satz der Artikel, Grafiken und Nicht-Artikel-Inhalten nur der (höhere) Wert für die Print-Ausgabe berücksichtigt. Die Ergebnisse der Studie von Houghton bestätigten die Kosten, die im Jahr 2004 in einem Bericht im Auftrag der britischen Stiftung The Wellcome Trust ermit-telt wurden. (The Wellcome Trust, 2014, S. 14) Der dort mit max. 2.750 US-Dollar leicht niedrigere Wert ist durch die nicht berücksichtigte Gewinn- und Investitionsmarge zu erklä-ren.

Im Durchschnitt erscheinen 120 Artikel pro Jahr pro Zeitschrift, so dass für eine Zeitschrift im Jahr z. B. E-only im Verlag Kosten von 297.360 Euro inklusive Profit und Investment entste-hen. Houghton überprüft dieses Ergebnis top-down indem er den Umsatz von Verlagen durch die Anzahl von erschienenen Artikel teilte und findet seine Berechnung bestätigt. (Houghten, 2009, S. 159) Der international anerkannte Empiriker Donald W. King berechnet Kosten in ähnlicher Höhe. Einschränkend betont er, dass die Berechnung der Publikationskosten immer nur mit relativen Näherungswerten angegeben werden kann, da es eine Vielzahl von Einfluss-faktoren gibt, die die Kosten mehr oder weniger verändern können. Daher kann die

Berech-nung von Durchschnittwerten nie mehr als eine ungefähre GrößenordBerech-nung sein. (King, 2007, S. 104)

Unabhängig von den Publikationskosten existieren unterschiedliche Preismodelle einer Sub-skriptionszeitschrift bestimmt von Angebot und Nachfrage. So ist eine Printzeitschrift meist günstiger, wenn auch das Online-Format subskribiert wird. Das Online-Format kostet meist im Paket und / oder im Konsortium weniger. Es existiert eine Vielzahl von Varianten von Preismodellen. Eine ausführliche Darstellung ist in einer Zusammenfassung von King und Alvarado-Albertorio zu finden (King et al., 2008), in dieser Arbeit werden nur die am meisten verbreiteten Varianten vorgestellt.

Der Wissenschaftsverlag Elsevier gibt die folgenden Kriterien für die Kalkulation eines Prei-ses an:

• Anzahl der Artikel

• Journal-Impact-Factor (JIF);

• Zeitschriftennutzung;

• Editionsaufwand;

• Konkurrenz;

• Sonstiges wie Werbeinnahmen oder Supplemente. (Elsevier B.V., 2017)

Hinzu kommt eine Gewinnmarge. Üblicherweise wird der so festgelegte Listenpreis für eine Zeitschrift je nach Einrichtung entsprechend der Anzahl von potentiellen Nutzern d. h. FTE (full-time eqivalent; Deutsch: Vollzeitäquivalent (VZÄ) d. h. die Anzahl der Vollzeitstellen) und / oder Studenten und / oder Professoren im Fachbereich und / oder Standorten angepasst.

(Schader, 2004, 146f) Weiter können die Preise variieren durch getrennte Bepreisung von permanenten Archivrechten und jährlichen Gebühren für laufende Jahrgänge, Berechnung für einzelne Zugriffe (Pay per view, Pay per Use), Mietkauf, Dauer des Vertrages oder Sonder-konditionen für Konsortien oder Paketen. (Johanson et al., 2012, S. 13)

Keines dieser Preismodelle wird den Ansprüchen der Bibliotheken an Transparenz, Verständ-lichkeit und Planbarkeit gerecht. So benachteiligt eine Berechnung nach FTE große Einrich-tungen, in denen ggf. eine kleine Teilgruppe von Mitarbeitern exklusiv einen spezialisierten Bedarf äußert. Aus diesem Grund wird im Jahr 2008 in Großbritannien in einer Studie von JISC ein nutzungsbasiertes Preismodell mit verschiedenen Verlagen und Bibliotheken getes-tet. Es zeigt sich, dass diese Preisbildungsvariante u. a. wegen der schweren Vorhersagbarkeit

der zu zahlenden Endsumme problematisch ist. Kritisch wird angemerkt, dass dieses Modell dazu führen könnte, dass Einrichtungen den Zugang zu den Publikationen künstlich erschwe-ren, um Kosten zu senken. (Harwood et al., 2008, S. 139) Andere Vorschläge für Preismodelle wie z. B. die Kopplung des Preises an die Förderungssumme der Geldgeber an die Bibliothek, konnten sich bislang nicht durchsetzen. (Cox, 2014, S. 79)

Nachdem ein Preis für eine Zeitschrift einmal verhandelt ist, wird dieser in den meisten Fällen nicht gesenkt, sondern langsam gesteigert. In einer Studie aus dem Jahr 2008 zu den Kosten von Wissenschaftskommunikation führt die seit 2015 nicht mehr aktive großbritannische Inte-ressengemeinschaft Research Information Network (RIN) als Grund dafür die indirekte An-bieter-Kunden-Beziehung an. Denn der Leser erfährt in der Regel nicht, welcher Preis für eine Zeitschrift bezahlt werden muss. Signale, die sonst durch Preisänderungen (-senkungen) transportiert werden, erreichen nicht den Konsumenten, der den Bedarf äußert, sondern der Preis wird mit dem Mittler Bibliothek verhandelt. (Research Information Network, 2008, S.

16)

Meist von Verlagsvertretern veröffentlichte Studien (siehe z. B. (EBSCO, 2015), Bosch et al., 2016) zur Entwicklung der Zeitschriftenpreise bestätigen übereinstimmend eine kontinuierli-che, jährliche Preissteigerung bei Zeitschriften, meist zwischen vier und sechs Prozent. Diese liegt damit deutlich über der aktuellen Inflationsrate. Bei nicht-kommerziellen Anbietern fällt die Steigerung etwas geringer aus. (Phillips, 2014, S. 144) Verleger von besonders hochpreisi-gen Zeitschriften erklären die Preiserhöhunhochpreisi-gen damit, dass sie immer selektiver auswählen und mehr Aufwand in die Inhalte investieren. (van Noorden, 2013, S. 428) Diese Argumenta-tion wird dadurch abgeschwächt, dass in den Kosten für SubskripArgumenta-tionszeitschriften die Ar-beitszeit der externen Gutachter mit einem Wert von durchschnittlich ca. 1.612 Euro pro Arti-kel nicht mitkalkuliert werden, da die Gutachter in der Regel nicht vom Verlag entlohnt wer-den. (Houghten, 2009, S. 153)

Die seit den 1970er Jahren ständig und übermäßig steigenden Zeitschriftenpreise werden in der Regel als Hauptursache für die sog. „Zeitschriftenkrise“ angeführt (Keller, 2005, S. 187) und häufig als Beweis für einen nicht vollkommenden Markt missinterpretiert. Denn die Preisentwicklung scheint eher das Ergebnis langjähriger regulierender Fehlimpulse (z. B. in Publikations- und Preismodellen) bei gleichzeitiger Schwächung der Akteure auf der Nach-frageseite (z. B. Bibliotheken, die nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind) zu sein.

Der Begriff der „Zeitschriftenkrise“ bezeichnet die Problematik von Preissteigerungen in Kombination mit dem wachsenden Umfang an wissenschaftlicher Literatur sowie stagnieren-den Bibliotheksbudgets. (Seistagnieren-denfastagnieren-den, 2007, S. 22) Die Soziologen Witke und Hanekop sehen

die Zeitschriftenkrise als logische Konsequenz des Widerspruchs zwischen dem gesellschaft-lichen Anspruch von Wissen als freies und öffentliches Gut und der wissenschaftgesellschaft-lichen Publi-kation als Ware im PubliPubli-kationsprozess. (Hanekop et al., 2006, S. 216) Die Gründe für die

„Zeitschriftenkrise“ wurden in der Literatur vielfältig (siehe (Tenopir et al., 2000, o. S.); Kel-ler, 2005, S. 5ff) und mit dem unbefriedigenden Fazit diskutiert, dass insbesondere Verant-wortliche, aber auch Lösungsansätze für diese Situation nur schwer zu identifizieren seien.

Alice Keller zitiert in ihrer Überblicksstudie über elektronische Zeitschriften den damaligen Verkaufsleiter von Blackwell Science Ltd mit einer Aussage aus dem Jahr 1998, dass die elektronischen Formate für Zeitschriften eine Chance aus dem Teufelskreis „Zeitschriftenkri-se“ sein werden. Witke und Hanekop kommen acht Jahre später zum dem Schluss, dass der Einsatz der neuen IuK-Technologien ganz im Gegenteil zu einer Steigerung der Fixkosten führte, da der verlegerische Anteil durch steigendes Publikationsaufkommen immer aufwän-diger sei. (Hanekop et al., 2006, S. 217)

Mittlerweile herrscht zudem keine Einigkeit mehr darüber, ob steigenden Preise für die Be-schaffung wissenschaftlicher Zeitschriften tatsächlich das Kernproblem darstellen. Die Ver-lagsberaterin Paula Gantz zeigt in einer Analyse aus dem Jahr 2012 auf, dass die Studien zum Nachweis der Preissteigerung auf Listenpreisen für Print-Formate beruhen, da nur hier flä-chendeckend Preise veröffentlicht werden. Bei Berücksichtigung ausschließlich der Effektiv-preise, d. h. der tatsächlich bezahlten Summen im Verhältnis zur Anzahl von Zeitschriftenti-teln bzw. –artikeln, können, laut Gantz, seit dem Jahr 2000 keine Preissteigerung beobachtet werden. (Gantz, 2012, S.1f) Angus Phillips, der Leiter des Oxford International Centre for Publishing Studies, erläutert, dass die Bibliotheken in Großbritannien maximal ein Zehntel des Listenpreises zahlen und bestätigt damit das Ergebnis. (Phillips, 2014, S. 143) Gantz legt jedoch auch dar, dass die Ausgaben von Bibliotheken, ebenso wie die Anzahl der lizenzierten Titel, in der Summe stetig ansteigen. (Gantz, 2012, S. 2)

Die sich ständig ausdifferenzierende Wissenschaftslandschaft und die damit verbundenen, neuen Zeitschriftentitel führen in Kombination mit einem steigenden Publikationsaufkommen nach Angabe der Verlage zu steigenden Kosten in der Administration und hochspezialisierten Nischenprodukten mit wenigen Lizenznehmern, so dass in der Konsequenz wiederum eine Preissteigerung für die Zukunft wahrscheinlich wird. (Ware et al., 2015, S. 36; S. 68f; King et al., 2008, S. 267) Dieses immer größere und heterogenere Angebot trifft auf Leser, die sich zunehmend einen direkten Zugang zu einer möglichst breiten und vollständigen Sammlung an Artikeln wünschen (siehe ausführlich in Kapitel 2.4.3.1). Diese Entwicklungen könnten die neuen wesentlichen Treiber für die „Zeitschriftkrise“ sein.

Die Entwicklung von steigenden Ausgaben bei stagnierendem Bibliotheksbudget bleibt also eine wesentliche Problematik. Nur scheint sie weniger durch steigende Preise, als durch den höheren und veränderten Bedarf der Nutzer begründet zu sein. Aus diesem Grund sollte weni-ger von einer „Zeitschriftenkrise“ als vielmehr von einer „Bedarfsexpansion und Beschaf-fungskrise“ gesprochen werden.

Um den differenzierten Bedarfen der Nutzer gerecht zu werden, aber auch, um trotz der Mög-lichkeiten der digitalen Vervielfältigung auf Anbieterseite keine Gewinneinbußen zu ver-zeichnen, hat sich in den letzten Jahr ein vielfältiges Angebot an Bezugsformen, Bündelungen und Bezugswegen heraus gebildet, wie im Folgenden näher erläutert wird.