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2.2 Markt der wissenschaftlichen Subskriptionszeitschriften: Angebotsmodelle und

2.2.5 Bezugsweg

Obwohl Bibliotheken die Hauptabnehmer von Zeitschriften sind, unterschreibt nur ein Bruch-teil von ihnen in direkter Verhandlung mit den Verlagen einen Subskriptionsvertrag. Vielmehr kommen häufig Vermittler in Form von Zeitschriftenagenturen oder Konsortien zum Einsatz.

Zeitschriftenagenturen verstehen sich als Bindeglied zwischen Verlagen bzw. Fachgesell-schaften und Bibliotheken, spezialisiert auf den Bereich Zeitschriften. Ihre Aufgabe besteht seit der Gründung der ersten Agentur 1793 (Ware et al., 2015, S. 20) zunächst in der Bünde-lung und Optimierung von Arbeitsprozessen für die Beschaffung von Zeitschriften. (Bein et al., 2014, S. 85) Bei der Print- wie bei der Online-Form ist das Ziel jedoch, die Bibliotheken durch das Angebot von Mehrwertdiensten wie der Vereinbarung von späteren Bezahlmöglich-keiten (Huff, 1976, S. 692) oder der Entwicklung von Produkten für das Management von elektronischen Medien (sog. Electronic-Resource-Management(ERM)-Systeme) zu binden.

Es wird geschätzt, dass weltweit zwischen 80 (Ware et al., 2015, S. 20) und 90 Prozent (Bein et al., 2014, S. 90) aller wissenschaftlichen Bibliotheken mindestens eine Dienstleistung bei einer Zeitschriftenagentur wahrnehmen. Die Agenturen erhalten von den Verlagen einen Ein-kaufsrabatt, der es ihnen ermöglicht, trotz eines Serviceentgeltes, die Zeitschriften zu einem günstigen Preis anzubieten. Jedoch werden diese Rabatte vor allem für das Onlineformat zu-nehmend geringer. (Bein et al., 2014, S. 87) Unabhängig vom Preis argumentieren Zeitschrif-tenagenturen mit einer Stärkung der Verhandlungsposition oder Vereinfachung der Administ-ration für die Nutzung eines solchen Vermittlers (siehe dazu ausführlich Loghry, 2004). Den-noch ist in den letzten Jahren die Zahl von Zeitschriftenagenturen ständig zurückgegangen.

Bisheriger Höhe- oder auch Tiefpunkt dieser Entwicklung war die Insolvenz der

Traditions-agentur Swets im Jahr 2014. Die Gründe dafür basieren auf einer Vielzahl von Problemen, jedoch konnten die Preissteigerung bzw. die geringeren Rabatte der Verlage, die veränderten Arbeitsweisen durch das elektronische Format und die Bildung von Konsortien als Hauptfak-toren identifiziert werden. (Göttker, 2015, S. 257) Aus diesem Grund verändern die verbliebe-nen Agenturen ihr Profil und versuchen neue Aufgabenfelder z. B. als inhaltliche Aggregato-ren oder Vermittler für neue Zugangsformen wie Open Access (siehe Kapitel 3.2.3) zu finden.

(Bein et al., 2014, S. 93f) Die Brokerfirma BernsteinResearch kommt in ihrer Marktanalyse im Jahr 2014 zu dem Schluss, dass die schwindende Bedeutung von Zeitschriftenagenturen dazu führt, dass große Verlage gegenüber kleinen Anbietern begünstigt werden, da durch z. B.

die Masse an Paketverkäufen, einzelne Zeitschriften kleiner Anbieter aus dem Fokus geraten.

In Folge dessen könnte die bereits bestehende Oligopolisierung des Verlagsmarktes weiter befördert werden. (Aspesi et al., 2014, S. 14)

Der in der Literatur am häufigsten genannte Grund für den Rückgang des Bedarfes an Zeit-schriftenagenturen, ist jedoch die zunehmende Anzahl an Konsortien. (Ware et al., 2015, S.

16; Bein et al., 2014, S. 88f; Turner, 2002, S. 102) Kooperationen zwischen Bibliotheken sind kein neues Phänomen. Bereits 1879 wurde davon von meist regional geprägten Verbünden berichtet. Diese organisierten eine gemeinschaftliche Katalogisierung oder eine Art Fernleihe.

(Childs et al., 2004, S.93) Seit Mitte der 1990er Jahre bilden sich mehr und mehr Kooperatio-nen für den gemeinschaftlichen Erwerb von Lizenzrechten an elektronischen Medien wie elektronischen Zeitschriften, Datenbanken und E-Books. Diese bibliothekarischen Konsortien sind häufig keine formalrechtlichen Konsortien, wie sie in der Industrie zu finden sind, son-dern Zweckverbände, die durch eine Bündelung der Nachfrage vorteilhaftere Konditionen zu verhandeln versuchen. Ziel einer solchen Einkaufsgemeinschaft ist es, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis zu erhalten, als dies der einzelnen Einrichtung möglich wäre. Dies soll über eine Reduzierung des Preises und der administrativen Aufwände bei gleichzeitig mehr Inhalten erreicht werden. Eine Erweiterung des Titelangebotes wird in der Regel über „cross access“ d. h. Zugang für alle teilnehmenden Einrichtungen zu Titeln, die von mind. einer be-teiligten Einrichtung subskribiert wird oder „additional access“ d. h. Zugang zu mehr Titeln als subskribiert werden, erreicht. (Johannsen, 2014, S. 169f)

Parallel zur vermehrten Subskription von Zeitschriftenpaketen wird die zunehmende Anzahl von Konsortien als wichtigste Veränderung in der Erwerbung von Zeitschriften bewertet. Das Ringgold Consortia Directory Online weist über 400 Konsortien in über 100 Staaten mit ca.

26.500 beteiligten Bibliotheken nach. (Ware et al., 2015, S. 21f) Die GASCO (German, Aus-trian and Swiss Consortia Organisation) - Arbeitsgemeinschaft Deutscher, Österreichischer

und Schweizer Konsortien listet Konsortien zu über 500 Produkten auf (Hochschulbiblio-thekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), 2017, o. S.). Eine Studie der Primary Research Group im Jahr 2012 zeigte, dass über 40 Prozent aller Lizenzen für elektronische Inhalte in den USA über Konsortien verhandelt werden und jede Bibliothek durchschnittlich an 2,1 Konsortien teilnimmt. (Johnson, 2014, S. 373f)}

Auch wenn die Zielstellung aller Konsortien gleich ist, unterscheiden sie sich stark in ihren Organisationsstrukturen. So können sie durch öffentliche Hand gefördert oder auf Eigeninitia-tive gegründet werden. Es kann es eine hauptamtliche Geschäftsstelle geben oder eine der beteiligten Bibliothek übernimmt die zentralen Aufgaben. Selten erfolgen die Kooperationen auf Basis von fachlichen Aspekten (Keller, 2005, S. 169), häufiger institutionellen (For-schungsorganisationen) oder, vor allem in Deutschland aufgrund der föderalen Finanzierungs-strukturen, in regionalen (Hochschulen) Grenzen. (Johannsen, 2014, S. 171) Eine Sonderform der regionalen Konsortien sind die nationalen Kooperationen, die nicht durch Aufruf von ein-zelnen Bibliotheken, sondern als strategisches Mittel zur Förderung nationaler Wissenschafts-strukturen von staatlicher Seite aus initiiert worden sind.

Im Jahr 1999 wurde in Großbritannien NESLi (National Electronic Site License Initiative), ab 2003 NESLi2 als nationale Initiative für die Lizenzierung von elektronischen Zeitschriften für Hochschulen und Forschungseinrichtungen gegründet. (Kidd et al., 2014, o. S.; Ball et al., 2001, S. 101f) In Deutschland folgten von 2004 bis 2010 die von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG) geförderten Nationallizenzen, heute die sog. Classics. Hier wurden aus-schließlich abgeschlossene Inhalte z. B. Zeitschriftenarchive oder später auch E-Book-Kollektionen gegen eine Einmalzahlung permanent freigeschaltet und können auch von re-gistrierten Privatpersonen genutzt werden. Schon kurz nach Beginn des Programms wurde der Wunsch nach nationalen Verträgen auch für laufenden Jahrgänge von Zeitschriften auf Seiten der Nutzer wie Anbieter geäußert. Hierzu wurde im Jahr 2008 das Pilotprojekt „Nationalli-zenzen für laufende Zeitschriften (NLZ)“ initiiert. Seit 2009 werden im Rahmen der sog. Alli-anz-Lizenzen in einer Kombination von laufenden Nationallizenzen und Classic-Lizenzen primär dynamische Produkte lizenziert. Zudem förderte die DFG als Teil des Kompetenz-netzwerks „Knowledge Exchange“ gemeinsam mit drei europäischen Fördereinrichtungen (aus Großbritannien, Dänemark, Niederlande) länderübergreifende Rahmenverträge. (Blümm, 2012, S. 32ff) Auf Grundlage der großen Teilnehmeranzahl und Nutzung der nationalen Vträge wurden in den letzten Jahren zwei neue Konsortial-Konzepte entwickelt: Seit 2013 er-folgt die Umstellung der DFG-geförderten Sondersammelgebiete zu einem System der

„Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID). Es soll so eine neue

Versorgungs-struktur in Deutschland etabliert werden. Teil dieses Programms sollen überregionale Lizen-zen sein. (Hillenkötter, 29.04.2016, o. S.) Am 04.08.2016 verkündete die Hochschulrektoren-konferenz (HRK) in einer Pressemitteilung, dass die Verhandlungen mit dem Großverlag Elsevier zum Abschluss eines bundesweiten Lizenzvertrages angelaufen sind. (Hochschulrek-torenkonferenz, 2016, o. S.) Im Rahmen des Projektes „DEAL“, das die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen auf Anregung der HRK gestartet hat, soll die Lizenzierung von Angeboten großer Wissenschaftsverlage in einem deutschlandweiten Konsortium gebündelt werden. Derzeit beteiligen sich ca. 700 Einrichtungen an diesem Projekt. Durch eine Trans-formationsfinanzierung wird es zwar nicht für alle teilnehmenden Einrichtungen günstiger, jedoch soll die Versorgungssituation an kleinen Hochschulen deutlich vorangetrieben und so die wissenschaftliche Informationsversorgung in Deutschland insgesamt verbessert werden.

Für die Verhandlungen maßgeblich ist die Durchsetzung eines bestandsunabhängigen Li-zenzmodells unter dem Leitsatz „Wir kaufen alles, bezahlen aber nur soviel, wie wir brau-chen“. (Kellersohn, 2016, S.4ff) Ebenfalls soll die direkte Freischaltung der Artikel aller Au-toren deutscher Einrichtungen ermöglicht werden. (Projekt DEAL, 2017) Im persönlichen Gespräch äußerten die Verhandlungsführer, dass eine Umstellung der Bepreisung von Lizenz-gebühren auf sog. PublikationsLizenz-gebühren im Sinne von Open-Access-Publikationen (siehe ausführlich Kapitel 3.2.3.2) mittlerweile das Hauptziel von Projekt „DEAL“ geworden ist.

Die Vielzahl an Konsortien hat für Verlage wie Bibliotheken zu einer großen Konsolidierung der administrativen Tätigkeiten geführt. Für Bibliotheken ist damit die Beschaffung von Zeit-schriften kein Prozess mehr, der auf die eigene Einrichtung beschränkt ist bzw. für Teilneh-merbibliotheken von Konsortien in einigen Teilen „outgesourct“ wurde. Veränderungen durch neue Zugangsmodelle wie OA müssen also auf verschiedenen Ebenen der Bibliotheksland-schaft stattfinden und tun dies bereits, wie das Beispiel von Projekt „DEAL“ zeigt.

Die Angebotsmodelle des Marktes der wissenschaftlichen Subskriptionszeitschriften haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte also stark verändert: von ursprünglich Print-Abonnements individueller Titel-Listen einzelner Einrichtungen, meist über Zeitschrif-tenagenturen hin zur Online-Lizenzierung von Paketen über Konsortien. Trotz dieses extre-men Wandels ist es den Anbietern nach wie vor weitgehend möglich, den Umfang und in gro-ßen Teilen auch den Preis des Angebotes vornehmlich nach wirtschaftlichen Interessen zu konzipieren. Die Reaktion der Nachfrageseite durch Aggregation in Form von Konsortien, bringt nur in Teilen einen messbaren Ausgleich durch Preisnachlässe oder geringeren Admi-nistrationsaufwand. Die vermehrte Bündelung von Zeitschriftentiteln führt zwar zu einer

ge-ringeren Preissteigerung einzelner Titel, geht für Bibliotheken jedoch auch mit einer steigen-den Abhängigkeit von steigen-den Anbietern und Bindung des Budgets in wenigen Verträgen einher.

Die grundsätzliche „Schieflage“ in Angebot und Nachfrage bleibt bestehen, auch dadurch, dass Bibliotheken weiter nur die abgeleitete Nachfrage aus dem Bedarf der wissenschaftlichen Leser vertreten. Gängige marktwirtschaftliche Praktiken wie z. B. Kaufanreize durch Preis-nachlässe oder ähnliches verfehlen ihre Wirkung.

Die Vielzahl an Veränderungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten zeigen jedoch, dass eine Beeinflussung der Marktstrukturen möglich ist. Besonders technische Neuerungen, staatliche Investitionen in Wissenschaftsförderung, aber auch rechtliche Vorgaben können zu den neuen Varianten der Angebotsmodelle wirksam sein. Dem Bedarf ihrer Leser im Blick, agieren Wis-senschaftliche Bibliotheken und ihr Management von Zeitschriften damit in einem komplexen Umfeld, was auf den folgenden Seiten verdeutlicht wird.