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PCDD/F-Quellen und -Eintrag und Belastung von Böden und Sedimenten

Im Dokument 114/2015 (Seite 65-70)

Ehemalige Militärstandorte

6) Klärschlämme und Komposte

4.3 PCDD/F-Quellen und -Eintrag und Belastung von Böden und Sedimenten

4.3.1 Historisch emittierte PCDD/F-Mengen und aktuelle PCDD/F-Emissionen

Datierte Sedimentkerne aus mitteleuropäischen Seen zeigen, dass die größten Mengen an PCDD/F in den 1960er und 1970er Jahren in die Umwelt eingetragen wurden (Hagenmaier et al. 1986, Czuczwa et al. 1985, Kjeller und Rappe 1995, Zennegg et al. 2007) (Abbildung 4-3).

Auch die einzige deutsche Bodenstudie, die über einen Zeitraum von 42 Jahren die PCDD/F- und PCB-Gehalte auf Test-Feldern bei Bonn untersucht hat, die kontinuierlich mit Klärschlamm oder Mineraldünger beaufschlagt wurden, bestätigen diesen Zeitverlauf (Umlauf et al. 2004;

Abb. 2-5). In den 1960er, 1970er und bis in die frühen 1980er Jahre nahmen die PCDD/F-Ge-halte im Boden von dem mit Klärschlamm oder Mineraldüngerbeaufschlagten Boden konti-nuierlich zu und bleiben seit Anfang der 80er Jahre auf etwa demselben Belastungsniveau (Abbildung 4-5).

Das PCDD/F-Belastungsniveau des kontinuierlich mit Klärschlamm beaufschlagten Bodens liegt dabei etwa das 10- bis 20-Fache über den Hintergrundgehalten von Ackerböden (Abbildung 4-5 und Tabelle 4-4).

Die PCDD/F-Belastung von Böden steigt mit der Siedlungsdichte (Tabelle 4-5). Die Gehalte in den Böden lagen hier in Parkflächen und Gärten in stark besiedelten Gebieten und Industrie-gebieten etwa 10- bis 20-fach über den Hintergrundgehalten bzw. statistischen Kenngrößen für Grünland und Acker aus der UBA-Studie (vgl. Tabelle 4-4 mit Tabelle 4-5). Die Anzahl der be-probten Gärten in stark besiedelten Gebieten und Industriegebieten in Baden-Württemberg war allerdings gering (12). Auch waren wahrscheinlich in diesen Messungen Gartenböden mit spezifischem Einfluss von industriellen Emissionen enthalten. Der hohe PCDD/F-Wert des 75.

Percentils von 74 ng I-TEQ/kg TM legt diese Vermutung nahe.

Zeitlicher Verlauf der Dioxin-Gehalte in einem deutschen Boden der seit Anfang der 1960er Jahre mit Klärschlamm beaufschlagt wurde (rote Quadrate) im Vergleich zu einem Boden, der in diesem Zeitraum mit Mineraldünger behandelt wurde (blaue Rauten).

Quelle: Umlauf et al. (2004)

Abbildung 4-5: Vergleich des zeitlicher Verlaufs der Dioxin-Gehalte von Böden, die mit Klärschlamm bzw. Mineraldünger behandelt wurden

Tabelle 4-4: Vorläufige statistische Kenngrößen für PCDD/F, dl-PCB und PCB6 von Oberböden und Wald (Oberboden/Auflage) in Deutschland

Quelle: Bussian et al. (2013)

Tabelle 4-5: PCDD/F-Konzentrationen in Böden in verschiedenen Gebietstypen Baden-Württembergs

Angaben in ng I-TEQ/kg TM. Quelle: LfU Baden-Württemberg (1995)

Wie oben erwähnt wird in Industrieländern erst seit den 1990er Jahren wegen der LRTAP Kon-vention nur die atmosphärsche Emission inventarisiert31 (Abbildung 4-7). Somit beginnt das Inventar nach der Zeit der hohen PCDD/F-Emissionen, die primär zu der Umweltbelastung von Böden, Sedimenten und anderen Reservoiren geführt hat (Abbildung 4-3; Abbildung 4-5).

Aufgrund der Relevanz der historischen Belastung von Böden, Sedimenten und anderen Reser-voiren enthält der UNEP Toolkit „Toolkit for Identification and Quantification of Releases of Dioxins, Furans and Other Unintentional POPs under Article 5 of the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants“ (UNEP 2013; http://toolkit.pops.int/) ein Kapitel für die

31 Für das europäische POPs-Inventar wurden auch die PCDD/F in den Abfällen abgeschätzt (BiPRO 2005).

tarisierung von potenziell PCDD/F-belasteten Arealen. Auch fordert die Stockholm Konvention in Artikel 6, dass die Mitgliedstaaten ein Inventar von potenziell mit POPs-belasteten Gebieten erstellen. Dies wurde für Deutschland im nationalen Umsetzungsplan noch nicht thematisiert.

Die Erstellung eines Inventars von potenziell mit PCDD/F belasteten Flächen ist somit sowohl aus der Verpflichtung zur Umsetzung der Stockholm Konvention wie auch für die Lebensmittel-sicherheit in Bezug auf die extensive Nutztierhaltung geboten (regulatorischer Handlungs-bedarf; Anhang 2).

Die größte Menge der in den 1950er bis 1980er Jahren emittierten Dioxine stammt aus der Produktion von chlororganischen Verbindungen wie Pentachlorphenol (PCP), anderen Pesti-ziden und PCB (Weber et al. 2008; Basler 2009, Lahl 2005). Die PCDD/F-Profile in der deutschen Bodenstudie stammten zum Großteil von PCP (Umlauf et al. 2004).

Ein PCDD/F-Inventar, das die historischen PCDD/F-Emissionen in die Umwelt quantifiziert, wurde bisher nur für Japan erstellt (Abbildung 4-6; Masunaga et al. 1999; Weber & Masunaga 2005). Der bei weitem größte Eintrag stammt mit etwa 460 kg TEQ von PCP, Chlornitrophen (CNP) und anderen Pestiziden, die zwischen 1950 und 1980 primär auf japanischen Agrar-flächen ausgebracht wurden (Abbildung 4-6). Dabei hatten die PCP- und CNP-Pestizidformu-lierungen aus den 1960er und 1970er bedeutend höhere Gehalte an PCDD/F als die Formulie-rungen aus den 1980er (Masunaga et al. 2001). Zum Vergleich: Es wurden von den etwa 6.000 japanischen Müllverbrennungsanlagen und 200.000 Kleinverbrennungsanlagen historisch

“nur“ etwa 100 kg TEQ direkt in die Umwelt emittiert (Abbildung 4-6).

0

1958 1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994

g TEQ/Jahr

1958 1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994

g TEQ/Jahr

Quelle: Masunaga 1999; Weber & Masunaga (2005)

Abbildung 4-6: Inventar der historischen Dioxin-Emission für Japan

In Europa hat nur Schweden ein historisches Dioxininventar für PCP erstellt und abgeschätzt, dass etwa 200 kg TEQ in behandeltes Holz eingebracht wurden und bei der Holzbehandlung etwa 50 kg TEQ im Boden verblieben (Swedish EPA 2005).

Die frühesten Dioxininventardaten aus Deutschland von Anfang der 1980er Jahre zeigen, dass in Deutschland auch noch zu dieser Zeit PCP mit 1,35 kg TEQ/Jahr und PCB mit 4,5 kg

PCB-TEQ/Jahr32 den größten Anteil an der jährlichen PCDD/F-TEQ-Emission ausmachten (Basler 2009; Lahl 2005; Tabelle 4-6). Diese Mengen sind vergleichbar mit den japanischen Inventar-daten, die Anfang der 1980er Jahre die TEQ-Emission durch dl-PCB auf etwa 3 kg PCB-TEQ/Jahr und für PCP auf 0,5 bis 2 kg PCDD/F-TEQ/Jahr abschätzen (Abbildung 4-6).

Das historische japanische Emissionsinventar von etwa 120 kg TEQ durch die technischen PCB-Gemische zeigt dabei, welche TEQ-Relevanz historische PCB-Emissionen besitzen (Abbildung 4-6; Masunaga 1999).

PCDD/F-Emission aus thermischen Prozessen wie Müllverbrennungsanlagen (MVA) oder der Metallindustrie werden im deutschen PCDD/F-Inventar als kleiner eingeschätzt: in den 1980er Jahren betrug das PCDD/F-Emissionsinventar von MVA und Metallindustrie etwa 1 kg pro Jahr (Tabelle 4-6). Diese Emission nahm in den 1990er Jahren aufgrund von umfassenden Maß-nahmen zur Emissionsreduktion stark ab (Abbildung 4-7; BMU 2013).

Für Deutschland existieren darüber hinaus vereinzelte Dioxininventardaten von Organochlor- und Chlorproduktionen, die die hohe Gesamtemissionsfracht dieser Industrien vor 1980 bele-gen: So enthält der von 1950er bis 1980er Jahren deponierte Chemiemüll einer Hamburger Pestizidfabrik 333 bis 854 kg TEQ (Götz et al. 2013). In Deutschland haben viele Chemieindus-trien in den 1970er und manche schon in den 1960er Jahren die PCDD/F-belasteten Chemieabfälle in Sondermüllverbrennungsanlagen zerstört. Bei anderen Industrien wie z.B. der PCP -Produktion in Rheinfelden wurden aber auch noch in den 1980er Jahren hoch PCDD/F-belas-tete Chemikalienabfälle im kg TEQ Bereich deponiert. Das Dioxininventar aus der Chloralkali-elektrolyse (Rheinfelden) in Deponien und Böden in Rheinfelden wird mit 8,5 kg TEQ und der in eine Sondermülldeponie verbrachte Abfall der PCP-Produktion derselben Anlage wird mit 7,7 kg TEQ abgeschätzt (Otto et al. 2006).

Falls solche Emissionen nicht deponiert, sondern als Schlämme ausgebracht oder in einen Fluss geleitet wurden, können, wie im Fall Bitterfeld-Mulde/Elbe, das Flussbett und Flussauen über hunderte von Kilometern stark mit PCDD/F kontaminiert worden sein (siehe Abschnitt 4.3.3.1;

Götz et al. 2007; Förstner 2011).

Zusammenfassend kann man feststellen, dass in Deutschland durch Produktionsprozesse und Chemikalien (wie PCP und PCB) mehrere 100 kg bis einige Tonnen PCDD/F-TEQ in die Umwelt/

Deponien eingebracht wurden. Auch die Größenordnung des Dioxininventars deutscher Böden ohne Altlasten kann grob abgeschätzt werden: pro 1 ng TEQ/kg Boden errechnet sich für die Fläche Deutschlands bei durchschnittlich etwa 15 cm betroffener Bodenmächtigkeit33 ein Wert von 70 kg TEQ. Da die durchschnittliche Dioxin-Belastung von Böden mehrere ng TEQ/kg beträgt (z.B. in Waldbodenauflage im Median 17 ng TEQ/kg 88% TM und das 90. Percentil 42 ng TEQ/kg 88% TM), kann damit abgeschätzt werden, dass die Größenordnung des Dioxin-inventars deutscher Böden im 100 kg TEQ-Bereich liegt34.

Gegenüber dieser Abschätzung der Größenordnung des deutschen Dioxinbodeninventars wird auch die geringe Relevanz der aktuellen Dioxin-Luftemission deutlich: Das aktuelle Inventar

32 Die TEQ-Werte von Basler beziehen sich hier auf die dl-PCB und nicht auf die in den technischen PCB vorhandenen PCDF. Diese machen jedoch nur etwa 5% des TEQ in technischen PCB aus (Behnisch 1997).

33 Ackerböden (ca. 50% des deutschen Bodens ist Landwirtschaftsfläche; Werner 2006) haben durch Umpflügen etwa 30 cm durchmischte Bodenschicht (Umlauf 2012). Waldböden (ca. 30% des deutschen Bodens; Werner 2006) und Wiesen sind primär in dem obersten Bodenhorizont von 5 bis 10 cm belastet.

34 Zurzeit werden in einem Bodenmonitoring-Projekt für 500 Waldböden und 450 Ackerböden Dioxin- und PCB-Konzentrationen gemessen (Giese 2012). Mit dieser Datenerhebung lässt sich voraussichtlich ein erstes Dioxin/PCB-Bodeninventar für die Hintergrundbelastung in Deutschland erstellen.

der Dioxin-Luftemissionen in Deutschland von etwa 68 g TEQ (für 2010; BMU 2013; Abbildung 4-10; Abschnitt 4.4.1) liegt im Promille-Bereich der Dioxin-Belastung des Bodens.

Bei der PCDD/F-Exposition von Nutztieren in Freilandhaltung kommt der Belastung der Böden durch die historische Emission eine zentrale Rolle zu. Dabei muss für die einzelnen belasteten Areale abgeklärt werden, wie hoch die jeweiligen Belastungen im Vergleich zu den für Nutz-tiere kritischen Bodengehalten sind, die zur Überschreitung von EU-Höchstgehalten in Fleisch oder Leber oder anderem tierischen Produkten wie Eier oder Milch führen (Abschnitte 5.2.5, 5.3.3 und 5.4.3).

Tabelle 4-6: Dioxineintrag in die Umwelt in den 1980er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland

Quelle g I-TEQ pro Jahr

Polychlorierte Biphenyle 4500

Pentachlorphenol 1350

Müllverbrennungsanlagen 400

Hausbrandfeuerung 20-45

Krematorien 4

Verkehr 50

Sinteranlagen 400-800

Kupfer 50

Zink 30

Zinn 1

Kraftwerke 5

Industrie- und Gewerbefeuerung 20

Quelle: Basler (2009); Lahl (2005)

Quelle: BMU (2013)

Abbildung 4-7: Dioxin-Inventar (Luftpfad) für Deutschland von 1990 bis 2010

4.3.2 PCDD/F-Quellen und Eintrag in die Umwelt

Im Folgenden wird ein Überblick über die wichtigsten PCDD/F-Emissionsquellen und damit Expositionsquellen gegeben. Die mögliche Relevanz für die Exposition von Nutztieren wird jeweils kurz benannt. Dabei werden die Quellen nach der Systematik des UNEP Toolkit „Toolkit for Identification and Quantification of Releases of Dioxins, Furans and Other Unintentional POPs under Article 5 of the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants“ gegliedert, angefangen von den wichtigsten Quellen für die historisch höchsten Belastungen, die vielfach zu PCDD/F-Altlasten geführt haben (UNEP 2013).

4.3.2.1 Chlor produzierende Industrien 1) Chloralkali-Prozess

Bei der Produktion von Chlor durch Chloralkali-Elektrolyse entstanden besonders bei Verwen-dung von Graphitelektroden hohe PCDD/F-Belastungen der Schlämme (Lutz et al. 1991; Otto et al. 2006; Rappe et al. 1990, 1991; UNEP 2013). Mit einem PCDD/F-Inventar in Deponien und Böden von 8,7 kg TEQ (Otto et al. 2006) ist in Deutschland die PCDD/F-Emission eines Chlor-alkali-Prozesses für zumindest einen Fall (Rheinfelden) sehr gut dokumentiert. Durch Verschlep-pung dieser Abfälle in Böden der Stadt Rheinfelden sowie der Erschließung von Baugebieten und somit der Remobilisierung von deponierten Chloralkali-Schlämmen wurde ein Teil des Ortes hoch mit PCDD/F kontaminiert (Otto et al. 2006). Grundstücke mussten detailliert unter-sucht und zum Teil saniert werden. Untersuchungen von Eiern in den 1990er Jahren ergaben hier die höchsten Belastungen, die jemals publiziert wurden (bis 514 pg I-TEQ/g Fett) (Malisch et. 1996). Die Eier lagen damit bis zum 200-Fachen über dem heutigen EU-Höchstgehalt.

Es gibt in Deutschland eine Reihe von Anlagen, die zum Teil seit mehr als 100 Jahren Chlor-alkali-Produktion betreiben. Untersuchungen der potenziellen PCDD/F-Belastung der Umwelt und speziell von Nutztieren sind für diese Produktionen nicht dokumentiert.

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