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Neuere Visionen als Ausdruck der Werkzeug-Metapher

Im Dokument Ideengeschichte der Computernutzung (Seite 148-151)

2.1 Kategorisierung von Visionen der Computernutzung

2.1.3 Historische Computer-Werkzeuge

2.1.3.9 Neuere Visionen als Ausdruck der Werkzeug-Metapher

Raskins Überlegungen und Forderungen zur flexiblen Einsetzbarkeit von Computern, zur Steuerbarkeit und Benutzbarkeit sowie zur Integration von Computern in menschliche Ar-beitsprozesse, sollen hinreichen, um ihn als Vertreter der Werkzeug-Metapher der Computer-nutzung einzuordnen.

dem Nutzer in einem privaten Nutzungskontext (auf dem Golfplatz) zu dienen. Während sich Roboter wie der Industrieroboter, um die herum eine auf sie abgestimmte technische Infra-struktur geschaffen wird, bereits bewährt haben, offenbaren alle nicht vollständig vorhersag-baren und formalisiervorhersag-baren Umgebungen (etwa der von Stadt zu Stadt unterschiedliche Golf-platz, der wiederum geographischen und jahreszeitlichen Veränderungen ausgesetzt ist) die derzeit noch stark eingeschränkten Fähigkeiten von Robotern (Dzida 1998: 2). Es kann kons-tatiert werden, dass Maschinen-Roboter den an sie gestellten Qualitätsvorstellungen bereits gerecht werden, Werkzeug-Roboter diesbezüglich hingegen noch große Mängel aufweisen.

Um welche Qualitätsvorstellungen es sich hier jeweils handelt, ist Inhalt des Kapitels 2.2.

Ferner seien die Visionen von Brenda Laurel, der ehemaligen Leiterin der Atari System Re-search Group, erwähnt, die jedoch in keinen nennenswerten technischen Artefakten ihre Rea-lisierung fanden. Laurel entwickelte bei Atari die Idee von den unsichtbaren, in die Umwelt eingebauten Computern der Zukunft, die wir nicht mehr als Fremdkörper verwenden, sondern die wir als Teil von uns akzeptieren. Sie schuf hierfür verschiedene Metaphern wie Computer ohne Benutzungsschnittstelle oder die Idee der First Person Interaction. Der Computer ist nach Laurel nicht nur in das Büro, sondern in verschiedene, alltägliche Gegenstände und Situ-ationen oder gar den menschlichen Körper selbst integrierbar. Dabei sollte er ohne Zwischen-schaltung einer Schnittstelle direkt vom menschlichen Willen gesteuert werden. Auf diese Weise verschmelzen Mensch und Computer zu einer einzigen ersten Person, zu einem einzi-gen Ich. Derartige Visionen erinnern an Science Fiction-Romane wie etwa William Gibsons

„Neuromancer“ (Gibson 1984). Auch Vannevar Bush entwickelte zum Ende seines Aufsatzes

„As we may think“ einige sehr futuristische Ideen zur Koppelung des menschlichen Nerven-systems mit der Computertechnologie (Bush 1945: 108). Obgleich derartige futuristische Vi-sionen häufig nicht mehr als fantastische Spielereien sind, wohnt ihnen doch eine bestimmte Idee der Computernutzung inne, die diese Spielereien nicht nur inspiriert, sondern sich über Schlagworte wie die First Person Interaction oder Bilder, wie sie in Science-Fiction-Romanen gezeichnet werden, sogar verbreitet.

Die Tendenz zur Miniaturisierung von Computern, der Versuch, Computer von ihrem Stell-platz auf dem Schreibtisch zu befreien und für den mobilen, sich durch verschiedene Umwel-ten bewegenden Menschen nutzbar zu machen, und die Ambition, Computer in zunächst menschliche Kleidung und später den menschlichen Körper selbst zu integrieren, wird häufig als „Tendenz der Verflüchtigung“ bezeichnet (Wurster 2002: 282). Mit dem in 1.4.3 bereits erläuterten IFIP-Modell (Dzida 1997) ließe sich diese Tendenz der Verflüchtigung als eine radikale Ausweitung der Nutzungskontexte beschreiben, in denen sich der menschliche

Nut-zer eine Erweiterung seiner Fähigkeiten zumeist zu privaten oder Freizeit-Zwecken durch den Computer verspricht. Es geht bei der Tendenz der Verflüchtigung also vor allem darum die Erweiterung der eigenen menschlichen Fähigkeiten, wie man sie am Schreibtisch durch den Homecomputer oder PC kennen gelernt hat, auch abseits des Schreibtischs zu erlangen. All die Minicomputer, die in den vergangenen Jahrzehnten in Turnschuhe, Personal Digital As-sistants (PDAs), Mobiltelefone oder medizinische Geräte integriert wurden, stellen noch im-mer Realisierungen der Werkzeug-Metapher von der Computernutzung dar, da die meisten der angedeuteten Artefakte die Erweiterung des isolierten, individuellen Nutzers im Auge haben. Allerdings vermischen sich immer häufiger in den vielen Varianten der in Alltagsge-genstände integrierten Kleincomputer, aber auch in den Varianten ihrer noch immer auf dem Schreibtisch stehenden Vorgänger die Werkzeug-Metapher der Computernutzung und die Medium-Metapher, die in 2.1.4 vorgestellt wird. Das in 1.2 vorgestellte KI-SMILE-Projekt ist ein Beispiel einer solchen Vermischung.

Die Tendenz zur Miniaturisierung ist bei vielen der angesprochenen mobilen Computer zur Perfektion gebracht. Sie sind direkt integriert nicht nur in den Arbeitsprozess des Nutzers, sondern sogar in dessen Lebensprozess. Sie sind für eine breite Schicht an Nutzern konzipiert, weil sie nicht mehr elitäre Aufgaben oder Aufgaben bestimmter an ein Büro gebundener Be-rufsstände, sondern Aufgaben des alltäglichen Lebens unterstützen, wie etwa das Verwalten von Terminen, das Speichern von Memos oder das Messen des Pulses. Technik und Funktio-nalität sind strikt voneinander getrennt. Ein Nutzer muss über die technische Funktionsweise derartiger Artefakte nichts mehr wissen, um diese problemlos benutzen zu können. In diesem Sinn stellen die angesprochenen Artefakte eine Art Reinform oder idealtypische Verwirkli-chung der Werkzeug-Metapher dar.

Ferner lässt sich bei vielen dieser Artefakte eine Tendenz des Zusammenwachsens verschie-dener Technologien beobachten, die häufig als „Konvergenz“ (Wurster 2002: 278) bezeichnet wird. Doch darf das Zusammenwachsen verschiedener Werkzeuge, wie etwa dem Telefon mit dem Terminkalender und Adressbuch in einem modernen Mobiltelefon, nicht mit einem Zu-sammenwachsen der mit diesen zu erledigenden Aufgaben verwechselt werden. Die Aufga-ben, die ein Nutzer mit den Multi-Werkzeugen erledigt, sind genau dieselAufga-ben, die er vorher mit anderen Werkzeugen verrichtete117, er verwendet nun lediglich zum Telefonieren und Verwalten seiner Termine dasselbe technische Hilfsmittel. Das wichtigste Merkmal der

117 Die Konfiguration des Multi-Werkzeugs und das Erlernen und u.U. Personalisieren der Benutzungsschnitt-stelle sind die einzigen, leider oft sehr zeitaufwendigen neuartigen Aufgaben, die der Nutzer mit der neuen Technik ausführen kann.

rochipansammlungen in elektronischen Geräten des Alltags, das deren Nutzung zur Werk-zeugnutzung im oben definierten Sinn macht, ist jedoch, dass sie allesamt den einzelnen, iso-lierten Nutzer bei der Erledigung individueller, privater Aufgaben unterstützen und erweitern.

Anders als die im folgenden Unterkapitel vorzustellenden Nutzungsvisionen und Artefakte, wurden und werden PDAs, multifunktionale Mobiltelefone, Computer in Haushaltsgeräten etc.

nicht in erster Linie zur Verbesserung sozialer Interaktion und Kommunikation entwickelt.

Auch wenn sie in Gruppen sozialer Akteure Kommunikations- und Interaktionsprozesse be-einflussen und eine sozial-transformierende Wirkung haben, ist diese weder ein explizites Ziel des Entwicklungsprozesses, noch wird sie in diesem Entwicklungsprozess durch ein vernünf-tiges Qualitätssicherungsmanagement gezielt untersucht. Dass viele Artefakte nicht nur als individuelle Werkzeuge, sondern darüber hinaus medial, also zu kommunikativen, interakti-ven Zwecken sinnvoll gebraucht werden können, ist eher ein Zufall als das Resultat einer exp-lizierten Nutzungsidee oder eines gezielten Entwicklungsprozesses.

Im Dokument Ideengeschichte der Computernutzung (Seite 148-151)