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Einseitige Auslegung des Usability-Konzepts bei Apple

Im Dokument Ideengeschichte der Computernutzung (Seite 187-191)

2.2 Computermetaphern und korrespondierende Qualitätssicherungsstrategien

2.2.3 Qualitätssicherung bei Computer-Werkzeugen

2.2.3.5 Einseitige Auslegung des Usability-Konzepts bei Apple

Es kann für die am PARC entwickelten Computer Star und Alto also formuliert werden, dass diese iterativ unter Einbeziehung echter Nutzer entwickelt und einer formativen empirischen Evaluation unterzogen wurden. Die hierzu unternommenen Bemühungen können als Strategie zur Sicherung der für Computer-Werkzeuge neuartigen Qualitäten der Benutzbarkeit (Usabili-ty) und Gebrauchstauglichkeit (Usability in Context of Use) verstanden werden. Bezogen auf die verwendeten Methoden, die vielfach noch rudimentär waren, ist zumindest für die Qualität der Benutzbarkeit eine Systematisierung und Standardisierung zu erkennen; der erste nen-nenswerte und bis heute verbreitete Ansatz zur Messung der Benutzbarkeit eines Artefakts wurde mit der GOMS-Analyse im AIP des PARC entwickelt.

auf den Entwicklungsprozess bei Apple nieder. Dort betrieb man ein Trainingszentrum (Apple Training Department), in dem die entstehende LISA wiederholt systematisch von unterschied-lichen Nutzern getestet wurde.

Wie schon im PARC handelte es sich bei solchen Tests ausschließlich um Merkmalstests, in denen die Benutzbarkeit des Artefakts, also dessen Anpassung an die motorischen und kogni-tiven Fähigkeiten des Nutzers, untersucht wurde. Verantwortlich für diese Tests bei Apple war Larry Tesler, der den Nutzertests deshalb so große Bedeutung beimaß, weil die Apple LISA vor allem von Computernovizen genutzt und gekauft werden sollte. Bei der Akquisition dieser Testnutzer kam Tesler die Tatsache entgegen, dass Apple stark expandierte und viele neue Angestellte einstellte, die mit Computertechnik bisher nicht in Berührung gekommen waren (Levy 2000: 92). Die Ergebnisse dieser Tests flossen direkt in den weiteren Entwick-lungsprozess ein, womit auch für die LISA eine iterative Entwicklung konstatiert werden kann.

Eine der ersten Ergebnisse dieser Tests war der oben bereits erwähnte Verzicht auf die im Xerox Star verwendeten Pop-Up-Menus und die Verlagerung der Menüleiste an den oberen Bildrand mit Hilfe von Pull-Down-Menüs, wo sie für den Nutzer besser vorherzusagen war.

Auch setzte man wie schon bei Xerox auf generische Kommandos, um die Benutzung ver-schiedener Anwendungen zu vereinheitlichen und somit die Lernförderlichkeit und die Erwar-tungskonformität zu verbessern, die beide heute zu den sieben in der ISO 9241-10 (1996) formulierten Dimensionen der Qualität Gebrauchstauglichkeit zählen. Ein anderes Ergebnis dieser Tests, das in Apple-Rechnern bis heute Niederschlag findet, ist die Ausstattung der Mouse mit nur einer Taste. Diese, so Teslers im Apple Training Department empirisch beleg-te Rechtfertigung, verursache bei Nutzern weniger Fehler, weil die Benutzung der Mouse mit nur einer Taste dem Zeigen von Objekten näher käme, bei dem man auch nur einen Finger verwende (Levy 2000: 91).

Jedoch wurde mit der Konzentration auf derartige Merkmalstests bei Apple und den Verzicht auf die Bootstrapping-Methode auch ein bis heute in der Computerentwicklung (vor allem der Softwareproduktion) beobachtbarer Prozess eingeleitet, der das Konzept der Usability auf jene Dimension begrenzt, die im deutschen mit Benutzbarkeit am besten übersetzt ist. Auch heute werden neue Produkte häufig allein danach bewertet, ob sie unabhängig von der Ar-beitsumgebung (Nutzungskontext) und den Kenntnissen und Voraussetzungen des Nutzers, seinen Aufgaben und Gewohnheiten, schnell erlernbar, leicht verständlich und effektiv be-nutzbar sind. Hierzu führte man wie bereits am PARC auch bei Apple Nutzertests ein, die mit einem stark verfeinerten Methodenrepertoire bis heute weit verbreitet sind. Als Ergebnis die-ser vielfach wiederholten Tests wurden zahlreiche Style Guides verfasst, in denen die

Merk-male einer idealtypischen, d.h. optimal auf die motorischen und kognitiven Fähigkeiten des Menschen zugeschnittenen Benutzungsschnittstelle beschrieben wurden. Bei der LISA wurde die grafische Benutzungsschnittstelle erstmals in der Geschichte des Computers auf der Grundlage eines sogenannten Style Guide (LISA User Interface Standards) entwickelt, ein weiterer Indikator für die zunehmende Beachtung der Qualität Benutzbarkeit im Entwick-lungsprozess und der Standardisierung und Systematisierung ihrer Überprüfung bei Apple. Es ist nicht verwunderlich, dass derartige Style Guides sich bis heute nur geringfügig voneinan-der unterscheiden. Heute kann die Frage nach voneinan-der menschlichen Verarbeitung voneinan-der auf dem Bildschirm dargebotenen Information als weitgehend erforscht gelten. Die Ergebnisse derarti-ger Forschung haben Niederschlag in internationalen Standards zur Gestaltung von Bild-schirmarbeitsplätzen gefunden, von denen einige bereits auszugsweise in 1.4.3 erwähnt wur-den. So legen etwa die 17 Teile der ISO 9241 detailliert fest, wie technische Artefakte be-schaffen sein müssen, damit sie als an den Menschen angepasst angesehen werden können.

Tabelle 5 zeigt, welcher Teil der Norm welche Anforderungen an das Artefakt und seine Nut-zung spezifiziert.

Neben der ISO 9241, von der vor allem die Teile 10 (1996) (Dialoggestaltung) und 11 (1998) (zur Gebrauchstauglichkeit allgemein) für diese Arbeit von Bedeutung sind, ist noch die ISO 13407 (1999) zu nennen, in der spezifiziert wird, wie die in z.B. der ISO 9241 enthaltenen Informationen, die häufig nur Experten bekannt sind, in alltägliche Entwicklungsprozesse von Hard- und Software eingebracht werden können und sollten. In diesem Sinn kann die ISO 13407 als idealtypisches Prozessmodell für die Softwareentwicklung verstanden werden. Ei-nige Teile der ISO 9241 sind, sofern sie explizit Merkmale einer Benutzungsschnittstelle de-finieren, direkt als Operationalisierungen des Konstrukts Benutzbarkeit zu verstehen. Die Tei-le 10, 11 und 12 hingegen definieren keine MerkmaTei-le einer BenutzungsschnittstelTei-le. Sie sind vielmehr als Spezifikationen des Konzepts Gebrauchstauglichkeit zu verstehen, die wiederum zur Operationalisierung dieses Konstruktes anleiten.

Die Konzentration auf die Benutzbarkeit bei Apple und vielen bis heute nach diesem Prinzip produzierenden Unternehmen muss als einseitige Auslegung der Qualität Usability beurteilt werden. Es ist um so erstaunlicher, dass die zweite Usability-Dimension, die Gebrauchstaug-lichkeit, bei Apple, aber auch anderen Unternehmen vernachlässigt wurde, da gerade diese Dimension bei Engelbart, Licklider und selbst im Xerox PARC mit der sogenannten Bootstrapping-Methode besondere Beachtung gefunden hatte. Die Frage nach der Anpassung des Computers nicht nur an die motorischen und kognitiven Fähigkeiten des Nutzers, sondern

darüber hinaus an dessen Arbeitsumfeld, also den Nutzungskontext, wurde bei Apple nicht mehr gestellt.

Teil der DIN EN ISO 9241

Spezifizierung der Qualität „Usability“ Dimension von Usability bezieht sich auf

3 Anforderungen an visuelle Anzeigen Benutzbarkeit Hardware

4 Anforderungen an Tastaturen Benutzbarkeit Hardware

5 Anforderungen an die Arbeitsplatzgestal-tung und KörperhalArbeitsplatzgestal-tung

Benutzbarkeit Arbeitsplatz

6 Anforderungen an die Arbeitsumgebung Benutzbarkeit Arbeitsplatz 7 Anforderungen an visuelle Anzeigen

bezüglich Reflexion

Benutzbarkeit Hardware

8 Anforderungen an die Farbdarstellungen Benutzbarkeit Hardware 9 Anforderungen an Eingabegeräte

(ausge-nommen Tastaturen)

Benutzbarkeit Hardware

10 Grundsätze der Dialoggestaltung Gebrauchstauglichkeit Software 11 Angaben zur Gebrauchstauglichkeit Gebrauchstauglichkeit Software im

Nutzungskontext

12 Informationsdarstellung Benutzbarkeit, teilweise

Gebrauchstauglichkeit

Software

13 Benutzerführung Benutzbarkeit Software

14 Dialogführung mittels Menüs Benutzbarkeit Software

15 Dialogführung mittels Kommando-sprachen

Benutzbarkeit Software

16 Dialogführung mittels „direkter Manipu-lation“

Benutzbarkeit Software

17 Dialogführung mittels Bildschirmformu-laren

Benutzbarkeit Software

Tabelle 5: Die 17 Teile der DIN EN ISO 9241

Ein Grund für diese einseitige Spezifizierung des Usability-Konzepts bei Apple mag die Tat-sache sein, dass die Entwickler selbst nur sehr vage Vorstellungen davon hatten, wofür priva-te Nutzer einen Compupriva-ter überhaupt sinnvoller Weise benutzen könnpriva-ten. Es kann vermupriva-tet werden, dass die LISA sich als Produkt deshalb nicht durchsetzte, weil die Erledigung der Aufgaben, die sie unterstützte, entweder von niemandem gefordert und benötigt wurden oder die LISA nicht in den Arbeitsalltag und zur Aufgabenstellung ihrer Zielgruppe passte. Die

Merkmale der Benutzungsschnittstelle der LISA waren zwar, besser noch als jene des Xerox Star, an die motorischen und kognitiven Fähigkeiten des Menschen im Sinn eines beliebigen Nutzers angepasst, nicht aber an die Nutzung im Aufgabenzusammenhang: Die LISA war be-nutzbar, jedoch nicht gebrauchstauglich. Man hatte sie partiell optimiert, ohne genau zu wis-sen, für wen und wofür man sie im Detail gebaut hatte.

2.2.3.6 Raskins Propagierung methodischer Systematisierungen von

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