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Babbages Idee zum Difference Engine und Analytical Engine

Im Dokument Ideengeschichte der Computernutzung (Seite 72-78)

2.1 Kategorisierung von Visionen der Computernutzung

2.1.2 Historische Computer-Maschinen

2.1.2.1 Babbages Idee zum Difference Engine und Analytical Engine

Die Geschichte der Nutzung des Computers zurückzuverfolgen, gestaltet sich aufgrund der zahlreichen Artefakte, die zum Zweck des Rechnens im Verlauf der vergangenen Jahrhunder-te überall auf der Welt entwickelt wurden, als schwierig. In Anlehnung an Wiener (1966: 161) beginnt diese nicht nach Vollständigkeit strebende historische Betrachtung mit den von Charles Babbage und Augusta Ada Byron, Countess of Lovelace vorgestellten Ideen und Pro-totypen zum Difference Engine und Analytical Engine. Wahrscheinlich ließe sich zwar auch für Geräte wie Wilhelm Schickards Rechenuhr aus dem Jahr 1623, Blaise Pascales Pascaline aus dem Jahr 1642, die an Pascales Konstruktionsprinzipien orientierten Rechenmaschinen von Samuel Morland (1666) oder Grillet de Roven (1678), Gottfried Wilhelm Leibnitz Imstrumentum Arithmeticum (1675), die Sprossenradmaschine Polenis, den Arithmomètre Charles-Xavier Thomas und zahlreiche weitere Rechenautomaten aus der Zeit der Renais-sance zeigen, dass diese von ihren Entwicklern als Maschinen im Sinn von 2.1.1 gedacht wurden. Es ist über diese Artefakte, die zum Teil nur durch Erzählungen bekannt sind, und

die Beweggründe ihrer Entwickler allerdings zu wenig überliefert, um hier eine derartige Ka-tegorisierung vorzunehmen. Einige der genannten Artefakte lassen sich heute lediglich bezüg-lich ihrer technischen Eigenschaften beschreiben und vergleichen (Naumann 2001: 43ff). Die ihnen vorausgegangenen Ideen und Visionen ihrer Nutzung sind jedoch verblichen und nicht rekonstruierbar, anders bei den Rechenmotoren von Charles Babbage und Ada Byron, die heute als wichtigste Vorläufer des modernen Digitalrechners betrachtet werden, weil sie nicht auf Basis von Messungen, sondern von Zählungen funktionierten.

Wie auch andere der im folgenden vorzustellenden technischen Artefakte erblickte keine der über 30 Varianten der von Babbage43 und Byron entwickelten Engines zu Lebenszeiten ihrer Entwickler als vollständig funktionierendes Pilotsystem das Licht der Welt. Dennoch erlangte allein die Vision oder Idee vom Rechenmotor als einer Maschine zur Erweiterung intellektuel-ler Fähigkeiten des Menschen einige Bedeutung für die weitere Entwicklung von Computern.

Auf die Idee zur Entwicklung eines Rechenautomaten soll Babbage gestoßen sein, als er wie-der einmal vor einem Papierstapel verschiedener Tabellen und Berechnungen saß und sich darüber ärgerte, viel Zeit durch mühselige Rechenarbeiten und fehlerhafte Rechentafeln zu verlieren, anstatt seiner eigentlichen Tätigkeit nachgehen zu können:

„Eines Abends saß ich in den Räumen der Analytischen Gesellschaft in Cam-bridge, den Kopf in einer Art Wachtraum auf den Tisch gestützt und eine Loga-rithmentafel aufgeschlagen vor mir. Ein anderes Mitglied kam in den Raum, sah mich im Halbschlaf an und rief: ‚Babbage, wovon träumst Du?’, worauf ich erwi-derte: ’Ich denke daran, dass alle diese Tafeln (worauf ich auf die Logarithmen deutete) von einer Maschine berechnet werden könnten.’“ (zitiert nach Naumann 2001: 67)

In seiner Autobiografie aus dem Jahr 1834 berichtet Babbage ferner von einem Versuch. Mit einem Kollegen der Astronomischen Gesellschaft hatte er zwei Wissenschaftler beauftragt, Rechentafeln zu vervollständigen. Beim späteren Vergleich der vervollständigten Tafeln stell-ten sie dann starke Abweichungen fest, was sie in dem Glauben bestärkte, man müsse

43 Charles Babbage (1791-1871) ging nicht nur wegen seiner Arbeit am Analytical Engine in die Geschichte und Wissenschaftsgeschichte ein. Vielmehr setzte er in zahlreichen Gebieten Meilensteine (Naumann 2001: 68). So erfand er den Cowcatcher, jenes dreieckige Gebilde, das vorn an Lokomotiven montiert wird, um auf den Glei-sen stehende Rinder so sanft wie möglich aus dem Weg zu räumen. Ferner gilt er als einer der Begründer der Organisations- und Arbeitswissenschaft. Babbage kollidierte wiederholt mit etablierten Ansichten und Autoritä-ten, möglicherweise ein Grund dafür, dass zahlreiche seiner Publikationen sehr polemisch wirken.

ge Rechenarbeiten mechanisieren und automatisieren, um erstens menschliche Arbeit einzu-sparen und zweitens zuverlässigere Ergebnisse zu erzielen.

Bereits 1819 hatte Babbage auf einem Besuch in Paris Baron Gaspard de Prony kennen ge-lernt, der ein großes französisches Projekt zur Berechnung von Tabellen und der Vermessung von Frankreich leitete44. Babbage orientierte sich an dem arbeitsteiligen Ansatz de Pronys und begann mit der Entwicklung eines Artefakts, das ebenfalls durch eine gute Organisation der durchzuführenden Rechenschritte allein durch Verwendung der Rechenarten Addition und Subtraktion die Erstellung verschiedener Tabellen ermöglichen sollte.

Babbage hatte folglich die Vision, der Wissenschaftler könne eine Maschine benutzen, um bestimmte langwierige Arbeitsschritte einzusparen und zuverlässigere Rechentafeln zu erstel-len. Er hatte den Traum vom „mechanisierten Rechnen“ (Naumann 2001: 70) und dachte da-bei an die Neuberechnung von mathematischen und ozeanologischen Tabellen, die Überarda-bei- Überarbei-tung von Logarithmentafeln und astronomischen Daten sowie statistischen Erhebungen.

1823 erhielt er von der britischen Regierung eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 1.500 englischen Pfund zur Erstellung seines Difference Engine. Durch diese Unterstützung konnte Babbage mit professionellen Maschinenbauern zusammenarbeiten. Dennoch scheiterte sein Projekt des Difference Engine, und die Unterstützung der britischen Regierung versiegte. Die Maschinenbaukunst war noch nicht so weit gereift, um Babbages Visionen in technische Ar-tefakte umzusetzen (Rheingold 2000: 28). Trotz seines Scheiterns beim Bau des Difference Engine, das Babbage lediglich zu einer polemischen Auseinandersetzung mit der britischen Regierung45 veranlasste, schmiedete er in den folgenden Jahren weitere Pläne und stellte 1833 das Konzept für den Analytical Engine vor.

Dass mit Maschinen Berechnungen durchgeführt werden können, hatte er gut eine Dekade früher bereits an polynomischen Gleichungen gezeigt. Wenn es möglich sei, eine Maschine

44 Angelehnt an die damals weit verbreiteten Überlegungen des Nationalökonomen Adam Smith zur Arbeitstei-lung aus dessen 1779 erschienenen Werk „Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen“ (Smith 1988), hatte de Prony sein Projekt wie eine Fabrik organisiert. Während eine Abteilung ausschließlich mit der Erstellung und Auswahl von mathematischen Formeln beschäftigt war, konzentrierte sich eine zweite Abteilung auf die Organisation der Berechnung und eine dritte, die größte Abteilung auf die tatsäch-liche Ausführung der Berechnungen, wobei ausschließlich die Rechenarten Subtraktion und Addition verwendet wurden. Eine gute Zerlegung der zu erfüllenden Rechenschritte in einfache Operationen und eine gute Organisa-tion dieser OperaOrganisa-tionen ermöglichte einerseits die Beschäftigung zahlreicher mathematisch nur mäßig ausgebil-deter Angestellter und andererseits eine enorme Erhöhung der Rechengeschwindigkeit durch den Einsatz sehr vieler „human computers“ (Campbell-Kelly & Aspray 1996: 11ff).

45 Der damalige britische Schatzkanzler und Mathematik-Verächter Benjamin Disraeli soll über Babbages Diffe-rence Engine gesagt haben, er könne „[...] die einzige Verwendung der Maschine nur darin sehen, die ungeheu-ren Summen zu errechnen, die dafür verschwendet worden sind.“ (Naumann 2001: 72).

für eine Art von Berechnungen zu konstruieren, dann müsse es möglich sein, eine Maschine für alle Arten von Berechnungen zu entwickeln, so die Vorstellung Babbages, die ihn bei der Planung des Analytical Engine anleitete. Dabei dachte er nicht an eine Maschine für jede Art von Berechnung, sondern an eine Universalrechenmaschine, deren Bestandteile, je nachdem, welche Art von Berechnung es auszuführen galt, unterschiedlich zusammenwirken sollten.

Dennoch kann beim Analytical Engine noch nicht von einer Universalmaschine gesprochen werden, wie Turing sie später vorschlug, denn Babbage war einzig und allein an einer Ma-schine zum Rechnen interessiert, die er deshalb als universal bezeichnete, weil sie die ver-schiedenen Rechenarten (Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division, Wurzelziehen und die Behandlung von Vorzeichen) in „Personalunion“ durchführen sollte (Naumann 2001: 71).

Obwohl ihm eine erfolgreiche Konstruktion nie gelang, waren die vielen gescheiterten Versu-che Babbages und die unzähligen von ihm entwickelten Pilotsysteme für spätere Computer-bauer lehrreich, gaben sie doch einige Anleitungen, aus welche technischen Komponenten ein Rechenautomat bestehen müsse46.

Unterstützung wurde Babbage trotz seiner vielen Fehlversuche beim Bau des Analytical En-gine von einer jungen Engländerin namens Augusta Ada Byron, Countess of Lovelace, zuteil.

Byron hatte Unterricht von den besten Mathematikern und Logikern des Viktorianischen Eng-lands erhalten und dementsprechend fortgeschrittene Kenntnisse der Mathematik und Logik erworben. Obwohl Demonstrationen von Maschinen, die die eine oder andere Alltagsarbeit mechanisch auszuführen vermochten, zu Zeiten der industriellen Revolution in der englischen Oberschicht en vogue waren und auch kleine Spielereien große Begeisterung hervorriefen47, erkannte Ada Byron bei einer Demonstration eines Prototypen von Babbages Difference En-gine sofort die Bedeutung und das Potential einer derartigen Maschine. Byron konnte mit ih-rem ausgebildeten mathematischen und logischen Verständnis zahlreiche Beiträge zur Steue-rung des Analytical Engine liefern: Sie experimentierte mit Techniken und Tricks, wie etwa Subroutinen, libraries von Routinen, loops und jumps, die auch heute noch von Programmie-rern angewendet werden. Auf diese Weise wurde mit Ada Byron eine Frau zur ersten

46 Bereits Babbages Modelle bestanden aus einer Mühle (Mill) als einer Art Central Processing Unit (CPU), einem Speicher (Store) und einem automatischen Schriftsetzer als Ausgabevorrichtung, der heutigen Druckern nahe kommt. Als Eingabevorrichtung hatte Babbage mit lesbaren Lochkarten experimentiert, wie sie in der Tex-tilindustrie bei automatischen Webstühlen eingesetzt wurden, eine Idee, die einem Amerikaner namens Hellmuth Hollerith einige Jahrzehnte später zu großem wirtschaftlichen Erfolg verhalf.

47 Solche Demonstrationen mechanischer Spielereien waren auch in anderen Ländern im 18. und 19. Jahrhundert sehr beliebt, wie Coy (1985: 15) für Frankreich zu berichten weiß.

terprogrammiererin der ansonsten von Männern dominierten Geschichte der Computerent-wicklung (Rheingold 2000: 32).

Des weiteren hatte Ada Byron ein besonderes Talent, Außenstehenden Babbages Ideen und die Bedeutung derselben zu erklären. Sie transkribierte zahlreiche Vorträge Babbages, der um 1840 das europäische Festland bereiste, um seinen Analytical Engine bekannt zu machen und Geldgeber zu gewinnen48.

Byron erkannte auch die allgemeinen Auswirkungen einer solchen Universalrechenmaschine auf die Beziehung zwischen Mensch und Technik. Als erste spekulierte sie darüber, ob derar-tige Maschinen über Intelligenz verfügen könnten. Ihr Argument gegen diese Vermutung wurde noch Jahrzehnte später etwa von Weizenbaum oder Dreyfus im Feld der Künstlichen-Intelligenz-Forschung (KI-Forschung) zitiert49. Sie schrieb, der Analytical Engine habe „[…]

48 Der von Ada Byron verfasste Artikel „Sketch of the Analytical Engine“ war die einzige detaillierte Beschrei-bung des Analytical Engine, die zu Lebzeiten Babbages veröffentlicht wurde (Campbell-Kelly & Aspray 1996:

56).

49 Es soll in dieser Arbeit bewusst auf eine ausführliche Diskussion der verschiedenen, häufig stark gegeneinan-der polemisierenden Positionen gegeneinan-der KI-Forschung verzichtet werden. Es seien lediglich einige gegeneinan-der schillerndsten Akteure aus zwei unterschiedlichen Lagern genannt: Auf der einen Seite stehen hier Marvin Minsky vom MIT, Hans Moravec von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh oder Herbert A. Simon. Die Anhänger dieses Lagers betrachten, wie Simon einst formulierte, den Menschen als ein „sich verhaltendes System“ (Simon 1969:

24), das eine so geringe Komplexität aufwiese, dass es von Computern imitiert werden könne. In dieser Tradition stehend, formulierte Moravec, dass jede Funktion des Menschen irgendwann ein künstliches Gegenstück haben und die Robotik früher oder später eine Maschine bauen werde, die denkt und handelt wie ein Mensch. Eine solche Maschine werde nicht nur für unterschiedliche Anwendungen nützlich sein, sondern unsere zivilisatori-sche Evolution vorantreiben und die post-biologizivilisatori-sche Phase einleiten, in denen sich in Form von Robotern der menschliche Geist gegenüber seinem Körper emanzipiere und von diesem trenne (Moravec 1988: 5). Er be-zeichnete Roboter als „our artificial offspring“ (Moravec 1988: 1). Minsky machte diese technik-optimistische Sichtweise mit der provozierenden These, Gott sei bei der Erschaffung des Menschen ein schlechter Ingenieur gewesen und heute könne man das besser, in der Öffentlichkeit bekannt und bezeichnete das menschliche Gehirn einst als bloße „meat machine“. Er arbeitet bis heute an einer Theorie der Intelligenz, denn nur das Fehlen einer solchen adäquaten Theorie sei der Grund, warum Computer gegenwärtig noch kein Gewissen, Neid, Ehrgeiz oder Humor ausbilden könnten (Minsky 1990: 18ff).

Einige wichtige Kontrahenten dieser technik-optimistischen Ansicht sind die Brüder Hubert und Stuart Dreyfus und der in dieser Arbeit wiederholt zitierte Joseph Weizenbaum. Letzterer vertrat vehement die Auffassung, dass a) der Mensch keine Maschine sei und b) der Computer hingegen nie etwas anderes als eine Maschine sein kön-ne. Ferner vertrat Weizenbaum die Ansicht, dass es zahlreiche Aufgaben gebe, zu deren Lösung Computer nicht eingesetzt werden sollten, ungeachtet der Frage, ob sie zu deren Lösung eingesetzt werden können. Statt zu über-legen, wie man mit dem Computer den Menschen oder dessen Gehirn nachbauen und Geist oder Intelligenz simulieren könne, solle man lieber nach dem angemessenen Platz des Computers innerhalb unserer sozialen Ordnung suchen (Weizenbaum 1978: 10 & 25ff). Den Ideologen und Optimisten der KI-Forschung warf er eine

„Tendenz der Verachtung des Lebens“ (Weizenbaum 2001: 51) vor. Die Dreyfus-Brüder behaupteten, dass nicht das von Computern so vortrefflich simulierbare logische Denken, sondern die Intuition, nicht das in Regeln und Grundsätzen explizierbare Know-That, sondern das internalisierte Know-How der Kern menschlicher Intelligenz sei. In „Mentopolis“ stellt Minsky diesem Argument mit seiner Theorie der Gesellschaft der Agenten eine Theo-rie vom Geist gegenüber, die dem Know-How, das er praktische Vernunft nennt, besondere Bedeutung schenkt (Minsky 1990: 71).

Die zwischen den beiden Lagern sehr emotional geführten Diskussionen, ob der Mensch eine Maschine und der Computer intelligent sei, lassen sich, wie die Autoren selbst bemerken, auf die Frage reduzieren, wie solche Begriffe wie Intelligenz, Geist oder Maschine definiert werden (Minsky 1990: 30). Darüber hinaus müssen die Diskussionen, wie vor allem durch die leidenschaftlichen Schriften und Reden Weizenbaums deutlich wird, als

no pretensions whatever to originate anything. It can do whatever we know how to perform.”

(zitiert nach Morrison & Morrison 1961: 284).

Trotz ihrer bahnbrechenden Ideen, die retrospektiv als sehr treffende Antizipation der späte-ren Computespäte-rentwicklung erscheinen, wurden Babbage und Byron von den folgenden Com-puterbauern nie explizit erwähnt. Die beiden Entwickler kamen erst sehr spät zu Ehren, als in den 1970er Jahren das US-Verteidigungsministerium eine seiner Programmiersprachen nach Ada Byron ADA benannte.

Warum sind Babbages Ideen zum Analytical Engine Ausdruck der Maschinen-Metapher?

Der Analytical Engine wurde von Babbage als ein Sammelsurium von Zahnrädern, Ketten und anderen mechanischen Teilchen konzipiert, das durch menschliche Eingaben in Bewe-gung gesetzt, also von außen initialisiert werden musste. Es sollte, so Babbages Bestreben, das von ihm selbst häufig erlebte Ärgernis beseitigen, Zeit mit der Durchführung manueller Berechnungen zu verschwenden, die dann auch noch fehlerbehaftet waren. Babbage und By-ron verfolgten das Ziel, menschliche Arbeit mechanisch zu unterstützen, indem sie Rechnen zu automatisieren versuchten. Nach dem Vorbild der Arbeitsteilung körperlicher Arbeit in Fabriken sollte nun auch intellektuelle menschliche Arbeit mechanisiert werden. Babbages Vision vom Analytical Engine und seiner Nutzung erfüllt alle oben genannten notwendigen Bedingungen, um als Vision eines technischen Artefakts betrachtet zu werden.

Für verschiedene Rechenarten entwickelte Babbage verschiedene Geräte. Der Analytical En-gine sollte diese verschiedenen Geräte vereinen, aber keinen größeren oder erweiterbaren Funktionsumfang bieten als die Summe der einzelnen Engines. Die Anzahl der von Babbage angestrebten Operationen und Nutzungsmöglichkeiten war folglich diskret und überschaubar.

Auch die Tatsachen, dass Babbage seinen Analytical Engine nach einem Arbeitsschema ope-rieren ließ, das der Benutzer nach Initialisierung des Rechenprozesses nicht steuern konnte und dass keine Ambitionen Babbages überliefert sind, die Größe des Engine zu minimieren, legen nahe, dass die Integration des Artefakts in einen existierenden, menschlichen

ethische Debatten über die Verantwortung des Wissenschaftlers verstanden werden. Während die Technik-Optimisten um Minsky die technologischen Möglichkeiten mit Verweis auf die gesellschaftlich wünschbaren Anwendungsbereiche (z.B. Medizin) betonen, plädieren Weizenbaum und die Dreyfus-Brüder für eine Selbstbe-grenzung des Naturwissenschaftlers und Ingenieurs. Sie argumentieren, dass die meisten technologischen Ent-wicklungen letztendlich in militärischen und somit gesellschaftlich nicht wünschenswerten Bereichen Anwen-dung fänden. Sie kritisieren die KI-Forschung als „irrationales Wettrüsten“ und mahnen vor den „sozialen Fol-geproblemen der Automation“ (Dreyfus & Dreyfus 1987: 11).

prozess für Babbage keine Rolle spielte – womit eine hinreichende Bedingung erfüllt ist, um Babbages Idee der Maschinen-Metapher zuzuordnen.

Er konstruierte in erster Linie ein Artefakt zur Lösung der Probleme einer wissenschaftlichen Elite. Babbage intendierte mit der Entwicklung des Engine keine Erweiterung menschlichen Alltagshandelns, sondern sehr spezialisierter Tätigkeiten, nämlich der Berechnung mathema-tischer und ozeanologischer Tabellen und statismathema-tischer Analysen. Eine detaillierte Vorstellung des Ablaufs dieser Tätigkeiten und der jeweiligen Probleme waren im Entwicklungsprozess der Engines in Person Babbages stets vollständig repräsentiert. Entwickler und Nutzer des Artefakts waren identisch - ebenfalls ein Indikator, um Babbages Nutzungsvision der Maschi-nen-Metapher zu subsumieren. Auch wenn keine Beschreibungen der Bedienung des Analyti-cal Engine überliefert sind, zeigen Abbildungen und Nachbauten desselben, dass nicht jeder den Engine hätte bedienen können. Wer den Engine bedienen wollte, musste zumindest eine vage Ahnung von seiner technischen Funktionsweise besitzen oder sich diese aneignen.

Die von Marx und Illich aufgeworfene Frage, ob die Nutzung eines Artefakts zur Befriedi-gung des persönlichen Interesses des Nutzers oder einer Institution, bzw. eines Dritten führe, in dessen Diensten sich der Nutzer befinde, kann für den Analytical Engine zugunsten der Institution entschieden werden. Zwar sollte, so Babbages Vision, der einzelne Wissenschaftler mit dem Analytical Engine Arbeitszeit einsparen, es ging Babbage jedoch nicht um die private Zeit des Wissenschaftlers, sondern um jene, in der er für eine Institution seiner forschenden Aktivität nachging – womit auch die dritte hinreichende Bedingung erfüllt wäre, um Babbage Ideen zur Nutzung seines Artefakts der Maschinen-Metapher zuzuordnen. Auch Babbage selbst konnte seine Ambitionen zur Konstruktion des Analytical Engine nur durch die Mittel z.B. der Royal Astronomical Society fortsetzen.

Babbages Ideen der Benutzung des Analytical Engine erfüllen folglich alle drei in 2.1.1 defi-nierten hinreichenden Bedingungen, um der Maschinen-Metapher der Computernutzung zu-geordnet zu werden.

Im Dokument Ideengeschichte der Computernutzung (Seite 72-78)