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Mathematisch-naturwissenschaftliche Fähigkeiten und nicht-kognitive

2. THEORETISCHER HINTERGRUND

2.3 M ATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTLICHE B EGABUNG

2.3.2 Mathematisch-naturwissenschaftliche Fähigkeiten: Einflussfaktoren, Korrelate, empirische

2.3.2.3 Mathematisch-naturwissenschaftliche Fähigkeiten und nicht-kognitive

Wenn bei mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten von genereller Intelligenz als Grundlage ausgegangen wird, sind nach POLLMER (1992) an dem Zustandekommen von Leis-tung in diesem Bereich Interessens-, Einstellungs-, Motivations- und andere Persönlichkeits-variablen beteiligt. Die Autorin nimmt an, dass zu Beginn der Beschäftigung mit einem Auf-gabengebiet (z.B. Mathematik) allgemeine intellektuelle Fähigkeiten eine wichtige Rolle spie-len. Mit zunehmendem Alter und Leistungsvermögen erfolgt sukzessive eine Spezialisierung dieser Fähigkeiten, wobei in diesem Prozess persönlichkeitsbedingte Interessen und Einstel-lungen maßgeblich sind. Es handelt sich dabei um Variablen, die GAGNÉ (1985/2004) in sei-nem Begabungsmodell als Katalysatoren für herausragende Leistungen in verschiedenen Be-reichen bezeichnet (s. Kap. 2.1.3). Folgt man dem Standpunkt GAGNÉs, ist mathematisch-naturwissenschaftliche Begabung ebenfalls lediglich als eine mögliche Manifestation generel-ler intellektuelgenerel-ler Begabung anzusehen.

VAN DER MEER (1985) betont die Rolle motivationaler Faktoren bei der Ausprägung mathe-matisch-naturwissenschaftlicher Leistung. Auch RAHN (1985) berichtet über eine besondere Motivationskonstanz mathematisch Hochleistender. Nach seiner Ansicht kommt es durch die intensive Beschäftigung mit diesem Bereich sowie eine ausgeprägte Arbeitsdisziplin zu einem sich selbst erhaltenden System. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass frühe Erfolgs- und Misserfolgerlebnisse das Interesse für Mathematik zusätzlich prägen (KRUTEZKI, 1966;

POLLMER, 1992). POLLMER (1992) betont besonders das Interessenprofil mathematisch hoch-leistender Schüler. Der Unterschied zu anderen Schülern besteht nach Meinung der Autorin in einem besonders starken, besonders früh ausgeprägten Interesse für diesen Bereich.

Andere Autoren weisen auch auf die Bedeutung weniger leistungsnaher nicht-kognitiver Persönlichkeitsmerkmale hin. Nach BENBOW und ARJMAND (1990) spielen Interessensviel-falt, eine Affinität für komplexe Probleme, Autonomie, Selbstvertrauen, Konfliktfähigkeit und eine kreatives Selbstbild bei der Ausprägung naturwissenschaftlicher Leistung eine entschei-dende Rolle. Auch HELLER (1993) nimmt an, dass für naturwissenschaftliche Leistungen Fak-toren wie Neugier, Wissensdurst, klare Interessen, intrinsische Leistungsmotivation, Ziel-orientierung, Ambiguitätstoleranz, Komplexität und Non-Konformität von Relevanz sind.

In der schon erwähnten Metaanalyse von FUNKE ET AL. (1987) wiesen Persönlichkeits-tests allgemein einen Vorhersagewert von .30 für wissenschaftlich-technische Leistungen auf und lagen damit in vergleichbarer Höhe mit Kreativität. TROST und SIEGLEN (1992) konnten im Rahmen ihrer prospektiven Untersuchung an Schulabgängern nachweisen, dass sich Per-sonen, die spätere Erfolge im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich zu verzeichnen hatten, bereits im Schulalter in motivationalen Faktoren sowie anderen nicht-kognitiven Merkmalen von ihren Schulkameraden abhoben. Besondere Merkmale waren dabei früh aus-geprägte Führungsqualitäten, Wissensdurst, häusliche Unabhängigkeit sowie ein auf Aktivitä-ten ausgerichtetes Handeln. Diese Ergebnisse bestätigen frühere Untersuchungen, in denen insbesondere die Wissenschaftler in ihrem Beruf erfolgreich waren, welche sich durch hohe Motivation und ein ausgeprägtes Selbstvertrauen auszeichneten sowie eine einflussreiche Po-sition in ihrem Berufsbereich bekleideten (ANDREWS, 1965). Unklar bleibt dabei, ob die ge-schilderten Besonderheiten zum beruflichen Erfolg geführt hatten oder eine Folge dieses Er-folgs darstellten.

DAHME und RATHJE (1988) untersuchten motivationale Aspekte, die bei Jugendlichen zu einer Teilnahme am Schülerwettbewerb Jugend forscht führten und fanden heraus, dass die Teilnehmer eine ausgeprägte Leistungsmotivation gepaart mit klaren beruflichen Zielvorstel-lungen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich aufwiesen. Die Autoren halten ins-besondere diese Merkmale für eine Voraussetzung, um wissenschaftlich arbeiten zu können.

Diese Annahmen decken sich mit denen von RAHN (1986), der nach einer Befragung von 781 Landes– und Bundessiegern des Wettbewerbs Jugend forscht aus den Jahren 1966-1984 eben-falls die Ansicht vertritt, dass nicht-kognitive Merkmale wie Interessensbildung und Selbstbe-stimmung herausragende wissenschaftliche Leistungen determinieren. Auch in dieser Hinsicht kann es sich vor dem Hintergrund der durchgeführten Untersuchungen jedoch nur um Mut-maßungen handeln, da der Autor weder ein standardisiertes Verfahren zur Erfassung von Mo-tivation und Interessen eingesetzt hat, noch eine geeignete Vergleichsgruppe mit einbezog.

Hinzu kommt, dass es sich bei einer Stichprobe, die sich aus Preisträgern des Wettbewerbs

Jugend forscht zusammensetzt, um eine hochselektierte, hochmotivierte Stichprobe handelt.

Da die Teilnahme am Wettbewerb freiwillig ist, liegt es in dessen Konzeption, dass Jugendli-che mit ausgeprägtem naturwissenschaftliJugendli-chen Interesse sowie überdurchschnittliJugendli-cher Motiva-tion teilnehmen. Interessant wäre es gewesen zu klären, ob auch mathematisch-naturwissenschaftlich hochleistende Jugendliche, die nicht am Wettbewerb teilgenommen haben, sich durch besondere Interessen und Leistungsmotivation von ihren Mitschülern abhe-ben. Dass sich Teilnehmer an mathematisch-naturwissenschaftlichen Schülerwettbewerben durch starke intrinsische Motivation sowie breit gestreute Interessen auszeichnen, zeigt auch die Untersuchung von HEILMANN (1999, s.o.).Wie bereits dargestellt, wird auch von anderen Autoren ein stark ausgeprägtes, frühes Interesse am mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich berichtet. POLLMER (1992) fand bei 500 Schülern einer Spezialschule für mathema-tisch-naturwissenschaftlich Begabte sowie einer Vergleichsgruppe von 200 Gymnasiasten mit ebenfalls guten Leistungen in diesem Bereich einen deutlichen Unterschied hinsichtlich der Interessenausprägung zwischen beiden Gruppen. Alle Schüler der Spezialschule gaben da-rüber hinaus an, dass ihr Interesse schon vor dem 12. Lebensjahr oder sogar noch deutlich früher entstanden war.

CATTELL (1964) betont ebenfalls die Bedeutung nicht-kognitiver Persönlichkeitsmerkma-le. CATTELL und DREVDAHL (1955) erstellten Persönlichkeitsprofile berühmter Naturwissen-schaftler (N ≈ 150) anhand des Sixteen Personality Factors Inventory (16 PF) (z.B. CATTELL, EBER & TATSUOKA, 1970) und stellten Vergleiche zur Norm und zu nicht berühmten nen (N ≈ 150) an, die ebenfalls im naturwissenschaftlichen Bereich tätig waren. Alle Perso-nen, die im naturwissenschaftlichen Bereich tätig waren, erwiesen sich als reservierter, intel-ligenter, emotional stabiler, dominanter, nüchterner, unmoralischer, sozial initiativer, sensib-ler, lebenslustiger, selbstzufriedener und kontrollierter als die Norm. Beim Vergleich zwi-schen berühmten Wissenschaftlern und im Verwaltungswesen tätigen Naturwissenschaftlern waren die Wissenschaftler noch einmal reservierter, dafür aber impulsiver, schüchterner, un-konventioneller, radikaler, selbstgenügsamer und unkontrollierter. Im Rahmen einer weiteren Analyse der erhobenen Daten führte CATTELL (1964) eine Berechnung von Faktoren höherer Ordnung durch und fand heraus, dass sich in der Forschung erfolgreich tätige Naturwissen-schaftler insbesondere durch eine gesteigerte Introversion von der Vergleichsgruppe abhoben.

CATTELL erachtet Introversion als ein maßgebliches Merkmal für Kreativität und vertritt auf der Grundlage der in seinen Untersuchungen aufgetretenen Ähnlichkeiten zwischen Künstlern und Naturwissenschaftlern die Meinung, dass es sich bei dem gefundenen Profil um ein

all-gemein für Kreativität typisches Persönlichkeitsprofil handelt. Auch MACKINNON (1962) un-tersuchte Persönlichkeitsmerkmale kreativer Personen, unter anderem auch kreativer Physi-ker, Mathematiker und Ingenieure. Er kommt zu dem Schluss, dass kreative Personen unter-schiedlicher Tätigkeitsbereiche sich durch eine große Offenheit hinsichtlich eigener Gefühle, Sensitivität, hohe Selbstbewusstheit sowie weit gestreute Interessen auszeichnen. Darüber hinaus beobachtete er, dass die untersuchten, überwiegend männlichen Personen eine deutli-chere Neigung zu eher weiblichen Interessen und Attributen aufwiesen als es weniger kreative Personen tun, also androgyner waren (S. 488). HELSON (1971) untersuchte Persönlichkeitsei-genschaften kreativer Mathematiker im Vergleich zu weniger kreativen und berichtet eben-falls, dass diese reservierter, sensitiver, gewissenhafter und intellektuell flexibel waren. Dar-über hinaus verfügten sie Dar-über einen individualistischen Denkstil, waren in ihrem Verhalten aber eher konventionell. Über eine ausgeprägte Dominanz und intellektuelle Leistungsmotiva-tion berühmter Naturwissenschaftler im Vergleich zu nicht berühmten berichtet CHAMBERS

(1964).

PARLOFF, DATTA, KLEMAN und HANDLON (1968) untersuchten Persönlichkeitseigen-schaften kreativer Erwachsener aus den Bereichen Naturwissenschaft, Mathematik, Inge-nieurwesen, Architektur und Schriftstellerei sowie Persönlichkeitseigenschaften kreativer Jugendlicher, die an einem naturwissenschaftlichen Wettbewerb erfolgreich teilgenommen hatten. Dabei verglichen sie jeweils als besonders kreativ eingeschätzte mit als weniger krea-tiv beurteilten Personen. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich in jedem Tätigkeitsfeld und Altersbereich kreative Personen anhand der gemessenen Persönlichkeitseigenschaften von weniger kreativen unterscheiden ließen. Darüber hinaus konnten die Autoren zeigen, dass zwei der drei erhobenen Persönlichkeitsfaktoren, Selbstbewusstsein und Autonomie, bereits bei kreativen Jugendlichen vergleichbar zu kreativen Erwachsenen auftraten. In Bezug auf disziplinierte Leistungsfähigkeit wiesen kreative Jugendliche höhere Werte als nicht-kreative auf, während sich bei Erwachsenen ein umgekehrter Zusammenhang beobachten ließ.

PARLOFF ET AL. schließen daraus, dass Selbstbewusstsein und Autonomie eine Prädisposition zu kreativen Leistungen beinhalten. Niedrige disziplinierte Leistungsfähigkeit, von den Auto-ren als unkonventionelles, radikales und ungehemmtes Verhalten beschrieben, scheint sich im Jugendalter, im Gegensatz zum Erwachsenenalter, ungünstig auf kreative Leistungen auszu-wirken. Bei einer Untersuchung akademisch erfolgreicher Frauen konnten BACHTHOLD und WERNER (1970) anhand des 16 PF ein Persönlichkeitsprofil aufzeigen, welches große Ähn-lichkeiten zu dem von CATTELL und DREVDAHL (1955) für Männer gefundenen aufweist.

Darüber hinaus berichten die Autorinnen, dass ein ähnliches Profil auch schon bei besonders

leistungsstarken männlichen Jugendlichen gefunden werden konnte, während das Persönlich-keitsprofil begabter Mädchen weniger eindeutig war und geringere Ähnlichkeiten aufwies. In einer späteren Untersuchung konnten BACHTHOLD und WERNER (1973) auch für als kreativ eingeschätzte Frauen ein vergleichbares Persönlichkeitsprofil aufzeigen.

KRAWIETZ (1995) erfasste in der schon mehrfach erwähnten Untersuchung an Lehramts-studenten die Persönlichkeit der Studenten anhand des Freiburger Persönlichkeitsinventars (FPI-R, FAHRENBERG, HAMPEL & SELG, 1984). Sie berichtet von überwiegend durchschnittli-chen Werten der Naturwissenschaftler, lediglich in den Skalen Lebenszufriedenheit, Leis-tungsorientierung und Gesundheitssorgen wiesen diese höhere Werte als die Sprachwissen-schaftler auf. Unterschiede zwischen Frauen und Männern traten nur in der Skala Leistungs-orientierung auf, wo Frauen höhere Werte erzielten. Bei einer Kovarianzanalyse mit allge-meiner Intelligenz als Kovariate, bei der leider nur die Frauen in den beiden Fachrichtungen untersucht wurden, verschwanden jedoch alle Persönlichkeitsunterschiede mit Ausnahme der bei den Naturwissenschaftlerinnen stärker ausgeprägten Gesundheitssorgen. KRAWIETZ

schlussfolgert daraus, dass die gefundenen Besonderheiten eher aus der höheren Intelligenz dieser Gruppe resultieren und nicht fachspezifisch sind. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass insbesondere die weniger leistungsnahen, dem Persönlichkeitskonzept CATTELLS entsprechenden Persönlichkeitsmerkmale stark an die im Rahmen der Kreativitäts-forschung berichteten nicht-kognitiven Persönlichkeitsmerkmale erinnern.

2.3.3 Geschlechtsunterschiede im Bereich mathematisch-naturwissenschaftlicher Fähig-keiten

Unter erfolgreichen Naturwissenschaftlern und Mathematikern finden sich in der Regel deut-lich mehr Männer als Frauen. Hierbei handelt es sich um ein Phänomen, dass nicht erst bei der Erlangung einer gewissen Berühmtheit auftritt, sondern bereits bei Untersuchungen zu Interessen bei Schulkindern zu beobachten ist, nach denen sich deutlich mehr Jungen für die-sen Bereich interessieren als Mädchen. So konnte BIRX (1988) beispielsweise feststellen, dass die Teilnehmer an Talentsuchen im mathematischen Bereich zu zwei Drittel bis drei Viertel Jungen sind. Darüber hinaus schnitten die weiblichen Bewerberinnen, die sich gemeldet hat-ten, auch in den eingesetzten Mathematiktests schlechter ab als die männlichen. Als Begrün-dung für das geringere Interesse der Mädchen führt BIRX (1988) an, dass mathematische Fä-higkeiten eher mit maskulinen Rollenerwartungen in der Gesellschaft einhergehen, Mathema-tik also als unweiblich gelte. Im Bereich mathematisch-naturwissenschaftlich ausgerichteter

Schülerwettbewerbe wird meist von etwa 20 Prozent weiblichen Teilnehmern berichtet (MACCURDY, 1956; RAHN, 1986). Der Mädchenanteil beim Bundeswettbewerb Mathematik war in der Untersuchung von HEILMANN (1999) sogar noch deutlich geringer. Verschiedene Autoren sind der Frage nachgegangen, ob die unterschiedlichen Häufigkeiten von Frauen und Männern in den Naturwissenschaften in unterschiedlichen mathematisch-naturwissenschaftli-chen Fähigkeiten begründet sind. Wie in Kapitel 2.1.5 beschrieben, weisen Männer in ver-schiedenen Untersuchungen häufig höhere mathematische und visuell-räumliche Fähigkeiten auf als Frauen. Diese Beobachtung gilt als weitgehend belegt, auch wenn z.B. die Ergebnisse der Metaanalyse zu mathematischen Fähigkeiten von HYDE, FENNEMA und LAMON (1990) keinen eindeutigen Effekt zugunsten der Männer innerhalb einer angehend normalen Popula-tion aufzeigen (d = -.05 zugunsten der Frauen). Bedeutsame Unterschiede zwischen Frauen und Männern traten nach dieser Analyse lediglich in einer Stichprobe von intellektuell Hoch-begabten auf. Lediglich im Bereich des Problemlösens waren mit zunehmendem Alter größe-re Effekte zugunsten der Männer zu beobachten (d = .29 im High-School bis d = .59 im Er-wachsenenalter), was die Autorinnen aber auf Trainingseffekte aufgrund geschlechtstypischer Studienwahl zurückführen. Demnach nehmen die Geschlechtsunterschiede ihren Anfang, wenn Schüler zunehmend Möglichkeiten zur freien Fächerwahl erhalten und Jungen bevor-zugt mathematische Kurse belegen. HYDE und Kollegen halten daher für die geringen Zahlen von Frauen in den Naturwissenschaften andere Faktoren als kognitive Fähigkeitsunterschiede für verantwortlich. Insgesamt sind die in dieser Metaanalyse berichteten Effektgrößen jedoch sehr uneinheitlich und reichen von einem Effekt von d = .92 zugunsten der Männer bis zu einem d = -.66 zugunsten der Frauen. Die abschließende Beurteilung der Autorinnen, dass insbesondere in neueren Untersuchungen kein oder bestenfalls ein moderater Effekt in ma-thematischen Fähigkeiten zugunsten von Jungen und Männern anzunehmen ist, muss daher mit Vorsicht betrachtet werden. Ergebnisse einer regressionsanalytischen Analyse deuten dar-auf hin, dass die in den einzelnen Studien berichteten Effektgrößen stark vom Alter der Pro-banden, von der Selektion der Stichprobe sowie von dem Schwierigkeitsgrad des verwendeten Tests abhängen (HYDE ET AL., 1990).

Andere Untersuchungen hatten zum Ziel, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen etablierten weiblichen und männlichen Naturwissenschaftlern aufzudecken. BACHTHOLD und WERNER (1970) erfassten Persönlichkeitsmerkmale akademisch erfolgreicher Frauen anhand des 16PF. Die Unterschiede, die beim Vergleich zu akademisch erfolgreichen Männern auf-traten, waren unerwartet gering. Wie erwartet unterschieden sich beide Gruppen deutlich von der Norm, untereinander waren aber nur geringe Differenzen zu verzeichnen. Frauen waren

durchschnittlich intelligenter als vergleichbar erfolgreiche Männer und wiesen zudem einen deutlicheren Hang zu radikalen Einstellungen auf. Die Autorinnen führen als Grund gesell-schaftliche Faktoren an, da Frauen in Forschung und Wissenschaft um 1970 noch weitaus seltener vertreten waren als heute und daher für vergleichbaren Erfolg mehr investieren muss-ten als Männer.

Auch FENNEMA und SHERMAN (1977) kommen nach ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass zwischen Frauen und Männern, die sich mit Mathematik beschäftigen, nur sehr wenige Unterschiede zu verzeichnen sind, dass Frauen sich aber deutlich seltener für diesen Bereich interessieren. Entgegen den Annahmen wiesen die von den Autorinnen untersuchten Frauen auch keine geringeren räumlichen Fähigkeiten auf. Dadurch sehen sie sich in ihrer Hypothese bestätigt, dass für das Zustandekommen außergewöhnlicher mathematischer Leistungen un-abhängig vom Geschlecht hohe räumliche Fähigkeiten vorliegen müssen. Die Ergebnisse der Untersuchung von KRAWIETZ (1995) stützen diese Sichtweise. Hier wurden zwischen Studen-tinnen und Studenten der Naturwissenschaften im kognitiven Bereich keine Unterschiede ge-funden. Auch die Unterschiede im Bereich nicht-kognitiver Persönlichkeitseigenschaften wa-ren äußerst gering. Andere Studien konnten dagegen eine Überlegenheit der Männer im räum-lichen Vorstellungsvermögen nachweisen. In einer Untersuchung von BENBOW und LUBINSKI

(1993) an Männern und Frauen mit außergewöhnlicher mathematischer Begabung konnte nachgewiesen werden, dass zwar beide Gruppen sich durch ungewöhnlich hohe räumliche Fähigkeiten auszeichneten, bei Männern diese Fähigkeit jedoch teilweise noch deutlich stär-ker ausgeprägt war als bei Frauen. Unterschiede konnten darüber hinaus im Bereich persönli-cher Interessen aufgezeigt werden. Während Männer sich eindeutig eher für den technischen Bereich interessierten, wiesen Frauen breiter gestreute Interessen, so beispielsweise auch im sozialen Bereich, auf. Als Erklärungsansatz für das Zustandekommen mathematischer Bega-bung führen die Autoren Hormoneinwirkungen in der pränatalen Phase an. Demnach konnten bei mathematisch extrem begabten Personen übereinstimmende physiologische Abweichun-gen beobachtet werden.

Offensichtlich sind also mathematisch-naturwissenschaftliche Fähigkeiten bei Männern häufiger zu finden als bei Frauen. Wenn solche Fähigkeiten vorliegen, scheinen Frauen und Männer dagegen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufzuweisen. In einem solchen Fall muss allerdings berücksichtigt werden, dass aufgrund der unterschiedlichen Häufigkeiten von Männern und Frauen die Stichprobe der Frauen sehr viel stärker selektiert ist als die der Män-ner, die Frauen sich also im Bereich ihres Geschlechts in einem Extrembereich

mathematisch-naturwissenschaftlicher Fähigkeiten befinden. Bei einer Selektion der Männer nach einem ähnlich strengen Kriterium könnten wieder andere Ergebnisse erzielt werden.

2.3.4 Sozioökonomische Faktoren und mathematisch-naturwissenschaftliche Fähigkei-ten

Die meisten Personen mit außergewöhnlichen mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähig-keiten stammen nach ROE (1953) aus gehobeneren sozioökonomischen Verhältnissen. Die Autorin berichtet, dass mehr als die Hälfte der von ihr befragten Personen Kinder von Profes-soren oder Geschäftsleuten waren, in deren Familie Lernen und Leistung einen hohen Stel-lenwert einnahmen. Diese Ergebnisse kann SIMONTON (1984) bestätigen, der nach einer Ana-lyse der von COX (1926) gesammelten Daten berichtet, dass fast alle untersuchten berühmten Personen (ca. 80 Prozent) aus intellektuell und kulturell stimulierenden Haushalten mit geho-benem sozioökonomischen Status kamen (S. 30). SOSNIAK, SLOANE und BLOOM (1985) kommen nach einer Analyse von Biographien erfolgreicher Personen zu dem Schluss, dass deren Eltern sich unabhängig vom Bereich, in welchem diese Personen erfolgreich waren, ihrem Kind gegenüber besonders aufmerksam und supportiv verhielten, Interesse an den Ak-tivitäten des Kindes zeigten und auch oft selbst in einem nicht unbedingt übereinstimmenden Bereich erfolgreich waren. Auch HELSON (1971) berichtet, dass die Mehrheit der von ihr un-tersuchten Mathematikerinnen akademisch tätige Väter hatten. In einer anderen Untersuchung an Mathematikern fanden HELSON und CRUTCHFIELD (1970) heraus, dass diese häufig das älteste Kind in einer Familie mit gehobenem Sozialstatus waren und ein respektvolles, war-mes Verhältnis zu ihrer Mutter hatten. MACCURDY (1956) kommt zu dem gleichen Schluss und fügt hinzu, dass sich in dem näheren Umkreis mathematisch-naturwissenschaftlich er-folgreicher Personen häufig eine Person befand, die das Interesse an diesem Bereich weckte und im weiteren Verlauf eine Mentorfunktion übernahm. Auch BENBOW und ARJMAND

(1990) fanden einen deutlichen Einfluss des familiären Hintergrundes auf den akademischen Erfolg, wobei insbesondere die Bildung der Eltern sowie deren Unterstützung für den Col-legebesuch und die Verfolgung beruflicher Ziele eine maßgebliche Rolle spielten.

Zusammenfassung

Da zwischen den der Mathematik sowie verschiedenen Naturwissenschaften zu Grunde lie-genden Begabungsstrukturen eine enge Verwandtschaft besteht, können die verschiedenen Bereiche gemeinsam betrachtet werden. Einige Autoren vertreten die Annahme einer

mathe-matischen Spezialbegabung, die jedoch wissenschaftlich bislang nicht zufrieden stellend nachzuweisen war. Auch die Identifikation qualitativer Besonderheiten in den Denkprozessen mathematisch hochleistender Personen erbrachte bislang keine überzeugenden Ergebnisse.

Vielmehr gilt als unbestritten, dass auf diesem Gebiet hochleistende Personen in der Regel über eine deutlich überdurchschnittliche allgemeine Intelligenz verfügen. Ein besonders enger Zusammenhang konnte dabei zwischen Problemlöse- sowie räumlichen Fähigkeiten und ma-thematisch-naturwissenschaftlicher Leistung nachgewiesen werden. Auch der Zusammenhang zwischen Leistungsexzellenz in diesem Bereich und Kreativität wird allgemein angenommen.

Aufgrund testgebundener Schwierigkeiten konnte dieser Zusammenhang empirisch bislang jedoch nicht einwandfrei dokumentiert werden. Viele Autoren berichten aus Untersuchungen an Experten, dass mit der Leistungsexzellenz oft ein spezifisches Persönlichkeitsprofil einher-geht, welches sich in leistungsnahen Persönlichkeitsmerkmalen, wie z.B. Leistungsmotiva-tion, aber auch in ferneren Bereichen, wie etwa einem ausgeprägten Selbstbewusstsein, Auto-nomie oder Introversion verdeutlicht. Geschlechtsunterschiede sind im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich nach wie vor stark vertreten, was sich in einer ausgeprägten Dominanz der Männer zeigt. In neueren Untersuchungen deutet sich möglicherweise eine Abnahme des Effekts an. Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Experten in die-sem Bereich scheinen eher gering zu sein, wobei aufgrund von Stichprobenselektionseffekten Fehlinterpretationen in Betracht gezogen werden müssen. Im Allgemeinen scheinen Experten eher aus höheren sozioökonomischen Schichten sowie einem anregenden Elternhaus zu stammen.