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4. METHODE

4.3 M ESSMETHODEN

4.3.3 Nicht-kognitives Persönlichkeitsprofil

Für die Erstellung des nicht-kognitiven Persönlichkeitsprofils wird der HSPQ (High School Personality Questionnaire) von SCHUMACHER und CATTELL (1977) herangezogen. Es handelt sich zwar um ein älteres Verfahren, welches bislang – im Gegensatz zu der Form für Erwach-sene – leider noch nicht wieder neu aufgelegt wurde, ermöglicht aufgrund der zahlreichen Untersuchungen an Musikern und Wissenschaftlern mittels dieses Verfahrens (z.B. KEMP,

1981, 1982; LOREK, 2000; CATTELL & DREVDAHL, 1955; CATTELL, 1964) aber eine verglei-chende Einordnung der Untersuchung. Der Test ist eine deutsche Version des HSPQ von CATTELL und CATTELL (1975) und basiert daher auf dem Persönlichkeitskonzept CATTELLS

(z.B. 1957). Als Persönlichkeit definiert CATTELL (1973a) die Gesamtheit nichtsituativer Ver-haltensbedingungen einer Person, die es so ermöglichen, Vorhersagen über das Verhalten einer Person in einer bestimmten Situation zu treffen. Nach diesem Persönlichkeitskonzept lassen sich im Jugendalter faktorenanalytisch 14 Primärpersönlichkeitsfaktoren nachweisen, die die hauptsächliche Interpretationsbasis darstellen. SCHUMACHER und CATTELL (1977) zufolge bieten Testverfahren, die nur auf ein oder zwei Dimensionen basieren, nicht genügend Möglichkeiten, die komplexe Persönlichkeitsstruktur einer Person vollständig zu erfassen.

Es besteht die Möglichkeit, Sekundärfaktoren aus den Primärfaktoren zu extrahieren, de-ren Interpretation je nach Fragestellung den Autode-ren ebenfalls sinnvoll erscheint. Die Benen-nung der Primärfaktoren erfolgte in erster Linie aus Gründen der besseren EinordBenen-nung anhand von Begriffen aus bekannten Persönlichkeitslehren (s. SCHUMACHER & CATTELL, 1977, S.8).

Da die Autoren jedoch vermeiden wollten, dass es bei Begriffen mit kontroversen Bedeutun-gen zu Missverständnissen kommt, wurden für weniger klar einzuordnende Faktoren Begriffe mit Hilfe von Sprachwissenschaftlern neu konstruiert. Dieses Vorgehen verhindert zwar missverständliche Auslegungen, beinhaltet aber die Schwierigkeit, dass nur Experten aus dem Arbeitskreis CATTELLS diese Begriffe einordnen können. In dieser Untersuchung wird deshalb hauptsächlich mit den von den Autoren ebenfalls angegebenen allgemeinverständlichen Um-schreibungen gearbeitet.

Alle 14 Primärfaktoren werden jeweils als Dimensionen angesehen, in welchen eine Per-son entweder hohe oder niedrige Ausprägungen haben kann. Für jeden Primärfaktor gibt es eine Buchstabenkennzeichnung sowie eine fachliche und eine allgemeinverständliche Be-schreibung.

Tabelle 1: Die 14 Primärfaktoren des HSPQ von SCHUMACHER und CATTELL (1977):

Hohe Ausprägung Faktor Niedrige Ausprägung

A- Schizothymie

reserviert, einzelgängerisch, kritisch

A Affektothymie/

Warmherzigkeit

teilnahmsvoll, aus sich herausgehend

A+

B- Niedrige Intelligenz (kristallisierte Intelligenz)

B Hohe Intelligenz

(kristallisierte Intelligenz)

B+

C- Ichschwäche/

Emotionale Instabilität affektbetont, wechselhaft, flexibel

C Ichstärke/

Emotionale Stabilität ausgeglichen, realitätsbezogen, ruhig

C+

D- Phlegmatisches Temperament zurückhaltend, bedächtig, inaktiv

D Erregbarkeit

reizbar, ungeduldig, ungehemmt

D+

E- Unterordnung

gehorsam, bescheiden, gefällig

E Dominanz

eigensinnig, wetteifernd, aggressiv

E+

F- Gefühlshemmung/

Nüchternheit nüchtern, schweigsam, ernst

F Gefühlsüberschwänglichkeit enthusiastisch, unbekümmert, leichtherzig

F+

G- Überich-Schwäche/

Unmoral berechnend, eigennützig

G Überich-Stärke/

Gewissenhaftigkeit gewissenhaft, beharrlich, sittlich

G+

H- Threctia/

Schüchternheit

sozial zurückhaltend, furchtsam, scheu

H Parmia/

Soziale Initiative verwegen, dickhäutig

H+

I- Harria/

Robustheit hartherzig, unsensibel

I Premsia/

Feinfühligkeit

weichherzig, sensibel, überbehütet

I+

J- Zeppia/

Kontaktfreude lebenslustig

J Coasthenia/

Individualismus

innerlich zurückhaltend, nachdenklich

J+

O- Selbstzufriedenheit

gleichmütig, zuversichtlich, selbstsicher

O Besorgtheit

unsicher, furchtsam, Schuldgefühle

O+

Q2- Gruppenabhängigkeit gruppenverbunden, „Mitmacher“

Q2 Eigenständigkeit

selbstgenügsam

Q2+

Q3- Niedrige Selbstkontrolle unkontrolliert, sozial desintegriert

Q3 Starke Selbstkontrolle beherrscht, zwanghaft, regelkonform

Q3+

Q4- Niedrige Antriebsspannung entspannt, ruhig, gelassen

Q4 Hohe Antriebsspannung nervös, frustriert, überreizt

Q4+

Anhand dieser Persönlichkeitsdimensionen bietet der HSPQ die Möglichkeit zur Erstellung eines Persönlichkeitsprofils. Die Extrahierung von Faktoren höherer Ordnung brachte in der Vergangenheit nicht immer eindeutige Ergebnisse. SCHUMACHER und CATTELL (1977) geben als mögliche zu extrahierende Faktoren Extraversion, Kreativität, überdurchschnittliche Ängstlichkeit und Neurotizismus an. AMELANG und BARTUSSEK (1997) berichten nach einer Zusammenschau verschiedener Untersuchungen über die Faktoren Extraversion, Neurotizis-mus bzw. erhöhte Ängstlichkeit, Unabhängigkeit der Meinungsbildung sowie Premsia (Ge-fühlsbetontheit) und Charakterstärke (S. 314-318). Kritiker der Persönlichkeitsfragebogen von CATTELL führen an, dass trotz mehrerer Replikationsstudien die Benennung der einzelnen Skalen willkürlich und subjektiv bleibt, zumal nicht in allen Untersuchungen sämtliche von CATTELL prognostizierten Faktoren wieder gefunden werden konnten und teilweise Interkor-relationen zwischen verschiedenen Skalen auftraten (s. AMELANG & BARTUSSEK, 1997, S.

313, 319)

Der deutsche HSPQ besteht in seiner überarbeiteten Version aus 140 Fragen, von denen jeweils zehn eine Skala bilden und richtet sich an Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Die Durchführung des Tests erfolgt in Fragebogenform. Hierfür liegen zwei verschiedene Test-formen A und B vor, wobei von den Autoren empfohlen wird, für maximalen Informations-gewinn beide Formen durchzuführen. Dem Probanden werden nach ausführlicher Instruktion Fragen in einem Testheft vorgegeben, für die jeweils drei Antwortmöglichkeiten auf einem gesonderten Antwortformular zur Verfügung stehen. Mehrfachantworten sind nicht möglich.

Wenn Du einen Streit hast, verträgst Du dich hinterher schnell wieder?

a) ja

b) zwischen a und c c) nein

Abbildung 7: Beispiel für ein Fragebogen-Item des HSPQ (SCHUMACHER ET AL., 1977)

Die mittlere Antwortmöglichkeit enthält dabei stets eine Form von Kompromiss zwischen den Antworten a) und c). Die Probanden werden in der Instruktion jedoch dazu aufgefordert, diese Antwortmöglichkeit nur dann zu wählen, wenn wirklich keine der beiden anderen Möglich-keiten möglich ist.

Die Durchführung jeweils einer Testform erfordert den Autoren zufolge einen Zeitrah-men von etwa 45 Minuten. Die Auswertung erfolgt in Schablonenform. Anschließend werden

die Werte anhand von Tabellen in standardisierte Werte umgerechnet. Zudem bietet das Aus-wertungsformular die Möglichkeit zur Erstellung eines graphischen Profils.

Gütekriterien des HSPQ

Durch die Fragebogenform ist die Objektivität des HSPQ zufrieden stellend. Da die Rohwerte zur weiteren Verarbeitung zudem standardisiert werden, erhält man SCHUMACHER und CATTELL (1977) zufolge Werte von Intervallskalenqualität, die eine gute inter- und intraindi-viduelle Vergleichbarkeit gewährleisten (S. 12). Diese Aussage der Autoren muss zwar mit Vorsicht betrachtet werden, da eine Standardisierung nicht gleichzusetzen ist mit einer Trans-formation in Intervallskalenniveau, für mit einem derartigen Fragebogen erhobene Daten kann jedoch vermutlich zumindest ein Hyperordinalskalenniveau angenommen werden.

Die Retestreliabilität liegt bei der Anwendung beider Testformen zwischen .70 und .91, auch für die alleinige Durchführung der Form A werden bereits Werte zwischen .69 und .85 angegeben. Da die Belastung der Probanden in dieser Untersuchung möglichst gering gehal-ten werden soll, verzichte ich deshalb auf die Durchführung der Form B. Den Autoren zufolge ist auch die Validität des HSPQ zufrieden stellend. Diese Ansicht wird damit begründet, dass in Probeuntersuchungen Faktoren nachgewiesen werden konnten, die laut SCHUMACHER ET AL. gut mit dem Konzept CATTELLS übereinstimmen (S. 13). Zudem wird von engen Zusam-menhängen mit ähnlichen Tests in anderen Kulturkreisen berichtet. Untersuchungen zur Be-stimmung der kriterienbezogenen Validität anhand von Lehrerurteilen lieferten Zusammen-hänge zwischen .58 und .87.

Trotz der von einigen Autoren geübten Kritik wird die vorliegende, überarbeitete Version des HSPQ für die geplante Untersuchung als geeignet angesehen. Besonderer Vorteil dabei ist, dass eine Persönlichkeitstestung auf der Grundlage des Persönlichkeitskonzepts von CATTELL eine spätere Einordnung und einen Vergleich mit mehreren anderen Untersuchun-gen an musikalischen und naturwissenschaftlichen Experten ermöglicht. Hinzu kommt, dass schon die Gütekriterien für die Testform A allein zufrieden stellend sind, so dass auch anhand deren alleiniger Durchführung interpretierbare Ergebnisse zu erwarten sind. Dies bietet die Möglichkeit, die Untersuchung in einem Rahmen zu halten, der den Probanden bei freiwilli-ger Teilnahme zuzumuten ist.

Einige der Probanden der geplanten Untersuchung sind bereits Älter als 18 Jahre, jedoch nicht älter als 21. Da es sich bei Schülern über 19 Jahre um Ausnahmen handelt und in dem Jahr zwischen 18 und 19 keine allzu großen Veränderungen zu erwarten sind, setze ich das Testverfahren bei allen Schülern ein. Der mögliche Einsatz von für Erwachsene vorgesehenen

Testverfahren an Schülern, die jünger als 18 sind, wird als größeres Übel angesehen. Die Au-toren bieten in ihrer Testanweisung die Möglichkeit, eine Alterskorrektur an den einzelnen Datensätzen vorzunehmen. Sie weisen jedoch selbst darauf hin, dass die dadurch entstehenden Unterschiede zur unkorrigierten Form nur sehr gering sind und eine Korrektur nur bei sehr genauen Fragestellungen, die das Alter der Versuchspersonen mit einbeziehen, sinnvoll ist.

Der Auswertungsaufwand ist enorm, da die Korrektur für jeden Probanden individuell vorge-nommen werden müsste. Da zudem Gruppenunterschiede zu einer Vergleichsgruppe interes-sieren, erscheint ein solches Vorgehen nach Kosten-Nutzen-Erwägung nicht sinnvoll.