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5. ERGEBNISSE

5.6 I NTELLIGENZ , RÄUMLICHE B EGABUNG UND G EDÄCHTNIS

5.6.2 Räumliche Begabung

5.6.2.1 Der Faktor Visualisierung

In diesem Kapitel werden folgende Hypothesen und Vermutungen zum räumlichen Bega-bungsfaktor Visualisierung, gemessen mit dem Untertest Figurenauswahl des IST 2000-R, untersucht:

Jugend forscht:

H0-2a: Es gibt keinen Mittelwertsunterschied zwischen der Stichprobe JF und der Ver-gleichsgruppe im Untertest Figurenauswahl.

H1-2a: In der Stichprobe JF liegt im Untertest Figurenauswahl ein höherer Mittelwert vor als in der Vergleichsgruppe.

Jugend musiziert:

V-5a: Die Stichprobe JM verfügt im Untertest Figurenauswahl über einen höheren Mittelwert als die Vergleichsgruppe.

Jugend forscht und Jugend musiziert im Vergleich:

V-11a: Die Mittelwerte der beiden Versuchsgruppen unterscheiden sich im Untertest Figurenauswahl von dem der Vergleichsgruppe, nicht aber untereinander.

Auch hier habe ich zunächst wieder den Einfluss potentieller Störvariablen, wie Geschlecht, Alter und sozioökonomischer Status untersucht. Beim Faktor Visualisierung fand sich ein leicht positiver Zusammenhang zwischen Leistung im Untertest Figurenauswahl und dem sozioökonomischen Status der Probanden (r = .119; p < .005). Der Einfluss des sozioökono-mischen Status wird in der Auswertung kontrolliert, indem zusätzlich eine Kovarianzanalyse mit dieser Variablen als Kovariate gerechnet wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hier nur eine fünffach gestufte Variable mit Ordinalskalenniveau vorliegt. Es ist also nur eine grobe Absicherung möglich. Insgesamt zeigt das Geschlecht keinen Zusammenhang mit der Leis-tung in diesem Untertest, obwohl aufgrund von theoretischen Überlegungen ein Zusammen-hang erwartet werden könnte. Um Ergebnisverzerrungen durch nicht erkannte Interaktionsef-fekte zwischen den Gruppen und dem Geschlecht entgegenzuwirken, habe ich die Mittelwerte und Standardabweichungen in Tabelle 34 nach Geschlecht aufgeschlüsselt.

Tabelle 34: Mittelwerte und Standardabweichungen in Figurenauswahl

Jugend forscht Jugend musiziert Vergleichsgruppe

Ges Ju Ges Ju Ges Ju

N 137 102 34 79 38 41 439 170 269

M 11.91 12.39 10.47 10.61 10.08 11.10 9.59 9.28 9.79 SD 3.91 3.88 3.69 3.70 3.89 3.48 3.69 3.55 3.76

Anmerkungen. „Ges“ bedeutet Häufigkeit (N), Mittelwert (M) und Standardabweichung (SD) insgesamt, „Ju“ steht für Jungen, „Mä“ für Mädchen. Abweichungen im N kommen durch Ausreißer zustande (s. Kap. 5.1.2).

Bei der Betrachtung der nach Geschlecht aufgeteilten Mittelwerte muss ein Interaktionseffekt in Betracht gezogen werden, da in der Gruppe Jugend forscht die Jungen besser abschneiden als die Mädchen, während in den beiden anderen Gruppen das Gegenteil der Fall ist. Aus die-sem Grund erfolgt zunächst eine Überprüfung des Gruppen und Geschlechtseffekts sowie eines möglichen Interaktionseffekts anhand einer zweifaktoriellen Varianzanalyse mit den Faktoren Gruppe und Geschlecht. Hierbei zeigt sich ein statistisch signifikanter Gruppen- sowie Interaktionseffekt von kleiner Größe (F(Gruppe)2;649 = 11.844; p < .000; η2 = .04;

F(Interaktion)2;649 = 5.005; p < .007; η2 = .02). Hinweise auf Varianzinhomogenität finden sich nicht. Bei dieser Analyse ändert die Hinzunahme der Kovariate sozioökonomischer Status nichts am Gesamtergebnis. Sie erweist sich nicht als statistisch signifikant auf einem α-Niveau von .05 und hat auch keine praktische Bedeutsamkeit. In Abbildung 9 ist der Interak-tionseffekt dargestellt.

Abbildung 9: Interaktionseffekt zwischen Gruppe und Geschlecht in Figurenauswahl

Abbildung 9 veranschaulicht den bereits aus den Mittelwerten zu erwartenden Interaktionsef-fekt. Es wird deutlich, dass dieser auf die Gruppe Jugend forscht im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen zurückzuführen ist. Während in der Gruppe Jugend musiziert und in der Vergleichsgruppe ein vergleichbarer Trend hinsichtlich des Faktors Geschlecht vorliegt, be-steht in der Gruppe Jugend forscht eine disordinale Interaktion mit den beiden anderen Grup-pen. Eine disordinale Interaktion liegt auch bei einem alleinigen Vergleich der Gruppe Jugend forscht mit der Vergleichsgruppe vor (F(Interaktion)1;576 = 8.792; p < .003; η2 = .02). Dies bedeutet, dass nur beim Vergleich der Gruppe Jugend musiziert mit der Vergleichsgruppe die gesamten Gruppen einander gegenübergestellt werden können. Beim Vergleich der Gruppe Jugend forscht mit den anderen Gruppen müssen Mädchen und Jungen getrennt betrachtet werden.

Der Einfachheit wegen erfolgt zunächst die Gegenüberstellung der Gruppe Jugend musi-ziert und der Vergleichsgruppe in Form einer einfaktoriellen Varianzanalyse. Hierbei zeigt sich ein statistisch signifikanter Gruppeneffekt von jedoch nur sehr geringer Größe (F1;516 = 5.007; p < .025; η2 = .01). Hinweise auf ungleiche Varianzen finden sich nicht. Der sozioöko-nomische Status erweist sich bei der zur Kontrolle durchgeführten Kovarianzanalyse als sta-tistisch bedeutsam und wirkt sich zu Lasten des Gruppeneffekts aus, der nicht mehr stasta-tistisch signifikant ist (F(Status)1;433 = 5.922; p < .015; η2 = .01). Die gefundenen Unterschiede zwischen der Vergleichsgruppe und der Gruppe Jugend musiziert gehen wahrscheinlich vornehmlich auf die Unterschiede hinsichtlich des soziökonomischen Status zwischen beiden Gruppen zurück.

Beim Vergleich der Jungen der Gruppe Jugend forscht mit den Jungen der beiden ande-ren Gruppen findet sich im einfaktoriellen varianzanalytischen Design ein statistisch signifi-kanter Gruppeneffekt mittlerer Größe (F2;308 = 22.806; p < .000; η2 = .13). Varianzinhomoge-nität liegt nicht vor. Tukey-Tests zur Spezifizierung des Gruppeneffekts zeigen statistisch bedeutsame Mittelwertsunterschiede zwischen der Gruppe Jugend forscht und der Ver-gleichsgruppe sowie zwischen den beiden Versuchsgruppen (MDVG-JF = -3.11; p < .000; MD JF-JM = 2.31; p < .003). Beim Vergleich der Jungen von Jugend forscht mit denen der Ver-gleichsgruppe liegt ein großer, zwischen den Jungen der beiden Versuchsgruppen ein mittle-rer Effekt vor (dVG-JF = -.84; dJF-JM = .59). Zwischen den Jungen der Vergleichsgruppe und de-nen von Jugend musiziert besteht kein bedeutsamer Unterschied. Die Aufnahme des sozio-ökonomischen Status als Kovariate hatte in diesem Fall keinen Einfluss auf das Ergebnis.

Beim Vergleich der Mädchen der verschiedenen Gruppen anhand einer einfaktoriellen Varianzanalyse konnte kein auf einem α-Niveau von .05 statistisch signifikanter Gruppenef-fekt nachgewiesen werden (F2;349 = 2.472; p < .086). Da dies Ergebnis jedoch auf der geringe-ren Teststärke beruhen könnte, habe ich zur Kontrolle die Effektstärke berechnet. Der Effekt war nur sehr gering (η2 = .01) und verringert sich bei Hinzunahme der Kovariate sozioöko-nomischer Status noch weiter, so dass auch die praktische Bedeutsamkeit des Ergebnisses in Frage gestellt werden muss. Auf post-hoc-Tests habe ich daher verzichtet.

Abschließend habe ich zur Kontrolle unerwünschter Effekte aufgrund unvollständiger Selektion in den zwei Schulen der Vergleichsgruppe sämtliche Analysen noch einmal mit der auf die vollständig erhobenen Schulen reduzierten Vergleichsgruppe gerechnet. Am Ergeb-nismuster änderte sich nichts, so dass unerwünschte Selektionseffekte bei der Ergebnisinter-pretation ausgeschlossen werden können.

Nach Abschluss der Analysen lässt sich festhalten, dass insbesondere Unterschiede zwi-schen den Jungen der Gruppe Jugend forscht und denen der beiden anderen Gruppen auftre-ten. Die männlichen Jugend-forscht-Teilnehmer schneiden eindeutig besser ab als die Jungen der Vergleichsgruppe. Für die Mädchen gilt dies nicht. Damit kann die Alternativhypothese H1-2a, dass die Stichprobe Jugend forscht insgesamt besser abschneidet als die Vergleichs-gruppe nicht angenommen werden. Die Nullhypothese erweist sich jedoch ebenfalls nicht als zutreffend. Es ist erforderlich, als weiteren Faktor das Geschlecht mit aufzunehmen. Zwi-schen der Gruppe Jugend musiziert und der Vergleichsgruppe konnten keine Unterschiede festgestellt werden, die nicht mit dem unterschiedlichen sozioökonomischen Status beider Gruppen erklärt werden können. Die aufgestellte Vermutung trifft demnach nicht zu. Die

Vermutung, dass zwischen den beiden Wettbewerbsgruppen keine Unterschiede in der Leis-tung in diesem Untertest bestehen, trifft in dieser Untersuchung nur auf die Mädchen zu. Die Jungen der Gruppe Jugend forscht schneiden hier besser ab als die der Gruppe Jugend musi-ziert.