• Keine Ergebnisse gefunden

2. THEORETISCHER HINTERGRUND

2.2 K REATIVITÄT

2.2.5 Empirische Studien

Empirische Studien zu Kreativität, auch im Zusammenhang mit anderen Merkmalen, sind zahlreich. Bei der Betrachtung der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, ob Kreativität anhand eines Testverfahrens oder biographisch erfasst wurde und welche Art Testverfahren verwendet wurde. Da zudem auch zwischen den hinzugezogenen Stichproben große Unter-schiede auftreten und manche Untersuchungen schon mehr als zwanzig Jahre zurückliegen, ist nicht mit einheitlichen Ergebnissen zu rechnen. Deshalb ist es schwierig, klare Aussagen über alle Studien hinweg zu treffen, so dass einige exemplarische Untersuchungen sowie die we-sentlichsten Ergebnisse kurz dargestellt werden.

2.2.5.1 Zum Zusammenhang von Kreativität, Intelligenz und Leistung

Eine frühe Studie über den Zusammenhang von Kreativität, Intelligenz und Leistung ist die schon erwähnte Untersuchung von GETZELS und JACKSON (1964). Grundlage dieser Studie ist die Korrelation von Testwerten aus dem Intelligenz- und Kreativitätsbereich. Die Autoren

untersuchten über 400 Schüler einer Schule für besonders Begabte und bildeten anhand von Intelligenz- und Kreativitätstestwerten sich gegenseitig ausschließende Extremgruppen, wobei eine Gruppe die 20% der Schüler enthielt, die die höchsten Werte im Intelligenztest hatten und die andere die 20% mit den höchsten Werten im Kreativitätstest. Als Kreativitätstestver-fahren wurden Teile aus dem von GUILFORD für Erwachsene konzipierten Verfahren herange-zogen, wobei die Autoren einige Teile neu entwickelten, damit das Verfahren auch bei Schü-lern der sechsten Klasse anwendbar war. Der Vergleich der Schulnoten beider Gruppen er-brachte keine Unterschiede, obwohl die Differenz zwischen den gemittelten IQ-Werten 23 IQ-Punkte betrug. Daraus schlossen die Autoren, dass hohe Kreativität ebenso wie hohe Intel-ligenz zu herausragenden Leistungen führen kann und möglicherweise mangelnde IntelIntel-ligenz durch Kreativität auszugleichen ist.

Die Studie weist jedoch schwere methodische Mängel auf. So betrug der mittlere IQ-Wert in der hochkreativen, nach Definition der Autoren als niedrigintelligent eingestuften Gruppe immer noch 127 Punkte, sie bestand also trotzdem aus intellektuell hochbegabten Schülern. Darüber hinaus ergab sich eine dritte Gruppe, die in der Untersuchung keine weitere Berücksichtigung gefunden hat, welche sowohl hohe Intelligenz- als auch hohe Kreativitäts-testswerte erzielt hatte. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass Kreativität von Intelligenz unabhängig ist. Vielmehr konnte von anderen Autoren in vergleichbaren Studien ein mittlerer Zusammenhang nachgewiesen werden. In der schon erwähnten Untersuchung von PRECKEL, HOLLING und WIESE (2006) fand sich bei 14-17 jährigen Jugendlichen ein Zu-sammenhang von r = .54 zwischen allgemeiner Kreativität und Intelligenz, was einer großen praktischen Bedeutsamkeit entspricht. Selbst nach Herauspartialisierung der kognitiven Ver-arbeitungsgeschwindigkeit blieb ein Zusammenhang von r = .20 bestehen. Den höchsten Zu-sammenhang zu Intelligenz wies verbale Kreativität auf (r = .51), gefolgt von numerischer (r

= .38) und figuraler Kreativität (r = .36).

HELLER (1990, 2001) erfasste in der schon beschriebenen Längsschnittstudie zu Hochbe-gabung wie erwähnt auch die Kreativität seiner Stichprobe. Er verwendete hierfür eine Test-batterie, die sich aus verschiedene Verfahren zusammensetzte, unter anderem den Untertest

„Bilder ergänzen“ des TKT (Torrance Kreativitätstest), einer deutschen Version der TTCT (Torrance Tests of Creative Thinking, TORRANCE, 1974, s.o.), sowie Testverfahren zum di-vergenten Denken, zur verbalen Kreativität und Produktivität. In allen Testverfahren ließen sich keine Unterschiede zwischen den hochbegabten Schülern und der Vergleichsgruppe nachweisen, wobei noch einmal auf die eingeschränkte Interpretierbarkeit aufgrund der Stich-probenselektion hingewiesen sei. Insbesondere bei dieser Fragestellung muss berücksichtigt

werden, dass die von den Lehrern ausgewählten Schüler sich in irgendeiner Form von ihren Mitschülern abhoben, was sich möglicherweise in Form von überdurchschnittlichen Kreativi-tätstestwerten niederschlug. Hinzu kommt, dass HELLER für die von ihm verwendeten Kreati-vitätstests nur eine geringe Reliabilität (r = -.36) und Stabilität (r = .37 – r = .41) nachweisen konnte, was auch für eine Gruppendiagnostik als nicht ausreichend anzusehen ist. Zu einer groben Absicherung der Stabilität bildete der Autor anhand der Kreativitätstestwerte drei Gruppen von Schülern und überprüfte, ob nach einer wiederholten Testung ausreichend viele Schüler anhand ihres Testwertes zumindest wieder in dieselbe Gruppe eingeteilt wurden. Dies war nur in dem Untertest „Verwendungstest“ (VWT, s. HELLER, 2001, S. 59), einem auf di-vergenten Denkprozessen basierenden, neu entwickelten Test im Sinne GUILFORDS zur Erfas-sung der Ideenflüssigkeit, Originalität und Produktivität der Fall. Anhand dieses Verfahrens führte HELLER Analysen zur Prognose von Schulleistung durch. Hierbei zeigte sich, dass in der Grundschule zwar Intelligenz, nicht aber Kreativität zur Erklärung gezeigter Schulleistun-gen beitrug. Insgesamt sind die Ergebnisse schwer zu interpretieren, da nach den Modellvor-stellungen HELLERs sowohl hochintelligente als auch hochkreative Personen als hochbegabt anzusehen sind und beide Bereiche als Auswahlkriterien herangezogen werden, was Konfun-dierungen zwischen beiden Merkmalsbereichen mit einschließt.

ROST (1993a, 2000) verwendete in der Marburger Längsschnittstudie ein zeichnerisches Verfahren, welches dem damals noch nicht veröffentlichten TSD-Z (Test zum Schöpferischen Denken – Zeichnerisch, URBAN & JELLEN, 1993b, s.u.) sehr ähnlich ist. WAGNER (1998) konnte bei diesen Daten zeigen, dass insbesondere jüngere, aufgrund ihrer Intelligenz als hochbegabt eingestufte Kinder eindeutig höhere Werte in dem Kreativitätstestverfahren er-langten als durchschnittlich begabte. Bei Jugendlichen war dieser Unterschied weniger deut-lich. Die Untersuchungsstichproben beider Längsschnittstudien wurden anhand besonderer Intelligenz, nicht besonderer Kreativität ausgewählt.

MACKINNON (1962) erfasste die Intelligenz von Experten aus den Bereichen Schriftstel-lerei, Architektur, Mathematik, Physik und Ingenieurwesen, die sich in ihrer Arbeit durch besondere Kreativität ausgezeichnet hatten und fand keine Korrelation zwischen Intelligenz und Kreativität. Die besondere Kreativität der Experten wurde anhand von Experten- und Selbstratings erfasst. Der Autor sieht das Ergebnis als einen Hinweis auf das Schwellenmodell und weist auf die allgemein hohe Intelligenz der untersuchten Personen hin. Aus diesem Grund muss aufgrund mangelnder Variation der Intelligenz für den fehlenden Zusammenhang jedoch ein methodisches Artefakt in Betracht gezogen werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen KARLINS, SCHUERKOFF und KAPLAN (1969). Sie fanden bei einer kleinen Stichprobe

von Architekturstudenten einen durchschnittlichen IQ von 128, aber keinen Zusammenhang zwischen Intelligenz und von Experten eingeschätzter Kreativität der Studenten. Dafür konn-ten sie aber einen deutlichen Zusammenhang zwischen eingeschätzter Kreativität und räumli-cher Begabung nachweisen.

Zusammengenommen sind die Ergebnisse uneindeutig, jedoch scheint für kreatives Ver-halten eine gewisse Intelligenz notwendig zu sein. Hohe Intelligenz allein scheint jedoch noch kein Garant für ebenfalls hoch ausgeprägte Kreativität zu sein. Möglicherweise weist räumli-che Begabung einen engeren Zusammenhang mit Kreativität auf als generelle Intelligenz.

2.2.5.2 Zum Zusammenhang von Kreativität und nicht-kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen BARRON (1957) bildete anhand von Skalen des TTCT eine hoch- und eine niedrigkreative Gruppe von amerikanischen Offizieren, die sich vorher nicht durch besonderes kreatives Ver-halten hervorgetan hatten. Bei der Erfassung von nicht-kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen wurden vornehmlich Ratingverfahren anhand von Verhaltensbeobachtungen durchgeführt.

Offiziere mit hohen Kreativitätswerten erwiesen sich unter anderem als intelligent, dominant, verbal flüssig, initiativ, phantasievoll, sozial effektiv und sensibel für Problemkonstellationen, Personen mit niedrigen Werten hingegen als konform, rigide, stereotyp, gewöhnlich und we-nig introspektiv. BARRON weist darauf hin, dass diese Persönlichkeitsmerkmale eine enge Verwandtschaft zu Merkmalen aufweisen, die üblicherweise mit Originalität in Verbindung gebracht werden.

HELLER (2001) verglich in der schon erwähnten Längsschnittuntersuchung Personen, die in dem von ihm verwendeten Kreativitätstest hohe Werte erzielt hatten, mit Personen, die niedrige Werte erzielt hatten, hinsichtlich ausgewählter Persönlichkeitsvariablen, konnte aber keine Unterschiede nachweisen. Bei den von ihm verwendeten Persönlichkeitsvariablen han-delt es sich jedoch ausschließlich um äußerst leistungsnahe Variablen wie z.B. das akademi-sche Selbstkonzept, deren Messverfahren sich auf Leistungs-, nicht aber kreative Situationen beziehen. BEHREND (1998) konnte in einer Untersuchung von Kindern und Jugendlichen mit Hilfe des TSD-Z zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit höheren Werten in diesem Testver-fahren über weniger maskuline Geschlechtsstereotype verfügten.

Zahlreiche Untersuchungen aus der Expertiseforschung im Bereich der Kreativität kamen zu Ergebnissen, die an die Ergebnisse von BARRON (1957) erinnern. Insbesondere Künstler wurden häufig untersucht. GÖTZ und GÖTZ (1979) fanden bei der Untersuchung von über 300 Malern erhöhte Introversions- und Neurotizismuswerte im Sinne des Persönlichkeitskonzep-tes von EYSENCK (s.o.). Insbesondere erfolgreiche Künstler wiesen auch erhöhte

Psychotizis-muswerte auf. CROSS, CATTELL und BUTCHER (1955) konnten bei 63 erfolgreichen Künstlern im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ein deutlich abweichendes Persönlichkeitsprofil in den 16 Persönlichkeitsfaktoren nach CATTELL (1957) nachweisen. Die Künstler erwiesen sich als reservierter, emotional instabiler, dominanter, nonkonformer, furchtsamer, selbstgenügsa-mer, unkontrollierter, angespannter, misstrauischer und unkonventioneller als eine gleich große, hinsichtlich des Geschlechts parallelisierte Kontrollgruppe von Studenten, die keine praktische Kunst ausübten. Die Berechnung von Faktoren zweiter Ordnung weist Ähnlichkei-ten zu den Ergebnissen von GÖTZ und GÖTZ (1979) auf. So wiesen die Künstler ebenfalls höhere Introversionswerte, eine ausgeprägte Ängstlichkeit, deren Konzept mit Neurotizismus in Verbindung gebracht wird (s. AMELANG & BARTUSSEK, 1997, S. 314), höhere Sensitivität, Experimentierfreude sowie einen Hang zu nach gesellschaftlichem Standard unmoralischen Einstellungen auf.

CSIKSZENTMIHALYI und GETZELS (1973) kamen bei einer Untersuchung von über 200 Kunststudenten zu ähnlichen Ergebnissen. Bei einer näheren Betrachtung getrennt nach Ge-schlecht ließen sich darüber hinaus Unterschiede zwischen Männern und Frauen vermerken.

Frauen erwiesen sich als dominanter, misstrauischer und intelligenter als die weibliche Norm während bei Männern in diesen Faktoren keine Normabweichungen auftraten. Männer zeich-neten sich dagegen durch höhere emotionale Instabilität, Furchtsamkeit, Unsicherheit und Sensibilität aus, wo bei Frauen keine Normunterschiede gefunden werden konnten. Die Auto-ren sehen hier eine Abweichung von kulturellen Geschlechtsstereotypen und beschreiben künstlerisch begabte Frauen als maskuliner, Männer dagegen als femininer. HALL und MACKINNON (1969) konnten bei besonders kreativen Architekten eine erhöhte Neigung zu Aggressivität, Autonomie, emotionaler Labilität, Exhibition und Introversion feststellen. Auch REES and GOLDMANN (1961) konnten bei einem Vergleich der jeweils kreativsten und am wenigsten kreativen Studenten von insgesamt 200 Studenten aus Kunst und Wissenschaft ähnliche Persönlichkeitsmerkmale bei Hoch-Kreativen nachweisen. Insgesamt decken sich also gefundene nicht-kognitive Persönlichkeitsmerkmale von nachweislich kreativen Perso-nen dieser Untersuchungen mit den von AMABILE (1983) angenommenen Besonderheiten.

Auch zwischen verschiedenen Persönlichkeitskonzepten zeichnen sich in dieser Hinsicht Pa-rallelen ab.