• Keine Ergebnisse gefunden

Luthers Berufung und Erleuchtung

Im Dokument Luther-Rezeption bei Gottfried Arnold (Seite 84-87)

III. Lutherbild in der Unparteiische Kirchen- und Ketzer-Historie

2. Die Lutherdarstellung Arnolds in der UKKH

2.3 Das Bild des frühen Luthers

2.3.1 Luthers Berufung und Erleuchtung

Das Verständnis Arnolds von der unmittelbaren Berufung Luthers zur Reformation durch die göttliche Eingebung (vocatio interna) aber steht im Widerspruch zur Auffassung der damaligen lutherischen Orthodoxie. Die orthodoxen Lutheraner des 17.

Jahrhunderts gehen durchweg von einer vocatio externa Luthers aus. Die ordentliche Vokation und Ordination zum Priester (1507) Luthers, seine Berufung als Professor und Stadtpfarrer nach Wittenberg (1508) und die Übernahme der dortigen Bibelprofessur nach vorausgegangener Promotion und Ablegung des Doktorseides (1512) sind den Lutheranern ein Beweis, dass Luther von Gott mittelbar und ordentlich zur Reformation als ein Werkzeug Gottes berufen ist508. Somit war seine Berufung rechtmäßig.

Hingegen dachte Arnold, dass Luthers Berufung „ein unmittelbares eingeben“509 war.

Arnold lehnt die Auffassung der lutherischen Orthodoxie des 17. Jahrhunderts ab. Er behauptet, Luther habe „das geschriebene wort Gottes zwar hoch geachtet und gebrauchet“510, aber er habe auch die „krafft des Geistes und erleuchtung genossen und gerühmet“511. Diese „krafft des Geistes und erleuchtung“ seien bei Luther „eine regel und gewißheit“512. Nach der unmittelbaren Berufung durch die göttliche Erleuchtung des Heiligen Geistes gelangte Luther stufenweise zur Erkenntnis der päpstlichen Irrtümer. Danach beschäftigte sich Luther erst mit der Bibel. Auf diese Weise hat er sein Verständnis der ‚Gerechtigkeit Gottes‘ entwickelt513. Für Arnold tritt das geschriebene Wort Gottes selbst hinter den Geist und die Erleuchtung zurück.

Auch in der Art der Vermittlung von Gottes Gnade unterscheidet sich Arnold von der Lutherischen Orthodoxie. Bei Martin Luther und der lutherischen Orthodoxie wird Gottes Gnade durch das äußerliche Wort vermittelt514. Die Offenbarung Gottes durch den Heiligen Geist ist dem Menschen durch das Wort vermittelt. Für Luther ist Christus das Wort Gottes. In seiner Menschwerdung offenbart sich Gott in der Welt. Christus ist Gottes Wort: „Denn keiner bringt dis liecht mit sich, wenn er geboren wird in die Welt, auch findet ers auff erden nicht, sol ers aber erlangen, so mus er es von Christo

508 Diese Stellung der lutherischen Orthodoxie des 17. Jahrhunderts wurde schon im zweiten Kapitel der vorliegenden Arbeit ausführlich behandelt. Sieht ‚Luthers rechtmäßige Berufung‘ im zweiten Kapitel.

509 UKKH, II, 16, 5, §11, S. 496.

510 UKKH, II, 16, 5, §11, S. 496.

511 UKKH, II, 16, 5, §11, S. 496.

512 UKKH, II, 16, 5, §11, S. 496.

513 UKKH, II, 16, 5, §11, S. 496.

514 Vgl. FALKWAGNER, [Art.] „Erleuchtung“, in: TRE 10 (1982), S. 167.

empfahen, welcher allein all Menschen erleuchtet, die in diese Welt komen.“515 Bei Luther wird Christus als Wort Gottes den Menschen in der Heiligen Schrift offenbart und durch den Heiligen Geist vermittelt. Daher hat die Heilige Schrift für Luther die zentrale Bedeutung.

Hingegen behauptet Arnold, dass das Herz des Menschen unmittelbar durch den Heiligen Geist erleuchtet wird. Schon in der ersten Liebe (1696)516 hatte Arnold die innere Erleuchtung dem äußeren Wort vorgeordnet. Zunächst erscheint es so, als sei er einer Meinung mit Luther, dass nämlich Christus Vermittler zwischen Gott und Menschen ist517. Aber Arnold versteht hier das Wort als innerliches Wort: „innerlich wird es [das Wort] ihnen of=fenbart: wann sie es auch von Menschen hören / so giebt ers ihnen doch innwendig / was sie hören“518. Gott spricht „inwendig“ im Herzen des Menschen und gibt „durch seine Gnade inwendig in der Seelen ihm, was gut ist“519. Hier zeigt sich deutlich, dass die innerliche Erleuchtung durch den Heiligen Geist dem äußerlichen Wort als Gnadenmittel vorgeordnet wird. Dieser Gedanke entspricht nicht Luthers Verständnis vom Wort Gottes. Arnold ist der Ansicht, dass Gott zuerst innerlich dem Menschen die Offenbarung direkt eingibt, nicht durch das äußerliche Wort der Heiligen Schrift, sondern allein durch den Heiligen Geist. Er ist fest davon überzeugt, dass Luther das innerliche und göttliche Wort zuerst durch den Geist zuteil geworden ist520. Demnach war der frühe Luther für Arnold der vom Geist Gottes erleuchtete Mensch.

Eine solche Erleuchtung und Berufung wurde nicht nur für Luther zentral in derUKKH.

Wie Luther durch „eine sonderbare art der erleuchtung“521 berufen wurde, so wurden in der Kirchengeschichte auch andere Leute durch die Erleuchtung Gottes

„ausserordentlich in solcher veränderung gerühret“522 . Die ersten Christen der Urgemeinde hatten Arnold zufolge „einen warhafftig=göttlichen beruf, wie es die grosse lauterkeit selbiger zeiten von selbsten weiset“523. Aber auch bei den Enthusiasten des 16.

515 WA 46, 549, 19ff.

516 JÜRGENBÜCHSEL, Gottfried Arnold. Sein Verständnis von Kirche und Wiedergeburt, Witten 1970, S.

47-49.

517 GOTTFRIEDARNOLD, Die erste Liebe der Gemeinde Jesu Christi, das ist Wahre Abbildung […], Franckfurt a. M. 1696, 6. Aufl., Leipzig 1740, I, 3, 2, S. 18. „Hier erinnerten sie sich billich der lehre ihres HErrn Jesu / daß niemand den Vater kenne / denn nur durch christum.“

518 Die erste Liebe, I, 3, 7, S. 21.

519 Die erste Liebe, I, 3, 1, S. 18.

520 Vgl. UKKH, II, 16, 5, §11, S. 496.

521 UKKH, 16, 6, 18, S. 517.

522 UKKH, 16, 6, 18, S. 517.

523 UKKH, 1, 2, 4, S. 34. „Die 7 Diaconi aus Ap. Gesch. VI. waren um zeitlicher bedienung willen verordnet, ob sie gleich hiernächst auch ausser dem lehreten, wie Philippus und Stephanus that. Gleichwie die Diaconissen und Dienerinnen vornemlich zu dergleichen nothdurfft bestimmet, und doch dabey auch

Jahrhunderts fand Arnold diese unmittelbare Berufung durch Gott. Sie wurden auch

„aus einfältigem hertzen und ohne bedencken auf den Geist und dessen eingeben, trieb und licht beruffen“524. Sie bekamen diese Gnade vom Geist Gottes. Nach Arnolds Meinung standen die Enthusiasten in einer besonderen Beziehung zum Heiligen Geist, auch wenn sie später mit anderen Leuten zu streiten angefangen haben. Arnold sah im frühen Luther ebenfalls einen Enthusiasten. Er hat „in seinen ersten schrifften von dieser gnade sehr frey, und offtmals viel anstößiger als immer mehr die vermeynten Enthusiasten geschrieben, auch sich allein auf den geist bezogen“525. Im diesem Satz ist angedeutet, dass Arnold Luther für einen Erleuchteten und Enthusiasten hielt.

Durch die göttliche Erleuchtung erlangt der Mensch Arnolds Auffassung nach die Erkenntnis von der Verderbtheit der eigenen Natur526. Diese Erkenntnis führt den Menschen zur Bekehrung und Buße527. Dadurch kehrt er zu Gott um und versucht, sich einem wirklichen heiligen Leben zuwenden528. In diesem Sinn kommt es Arnold auf eine tatsächliche Lebensänderung an.

Dieser Gedanke Arnolds lässt sich auch direkt auf den frühen Luther anwenden. Arnold zeigt sich fest davon überzeugt, dass die Reformation Luthers ein Verlangen der Verbesserung der Kirche, auch im Bereich des moralischen Lebenswandels war. Dies zeigt sich deutlich in seiner Darstellung von Luthers Ablassstreit. Aus Arnolds Sicht hat Luther dem Ablass-Handel Tetzels widersprochen, weil die Christen mit dem Erwerb des Ablassbriefes „keine lebensbesserung“529 versprechen wollten, habe Luther aus diesem Grund dem Ablass Tetzels widersprochen. Luthers Widerspruch aber rief den Ärger Tetzels und der Papisten hervor. Daraus ergab sich der Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517. In diesen Thesen verlangte Luther

zu geistlichen dingen gelassen wurden. Ein anders aber waren die diener, welche mit den Aposteln herum zogen und zugleich ihre mit arbeiter, mit=knechte, und mit=streiter am wort waren . . . Und diese alle nun hatten einen warhafftig=göttlichen beruf, wie es die grosse lauterkeit selbiger zeiten von selbsten weiset.“

524 UKKH, 16, 19, 6, S. 693.

525 UKKH, 16, 19, 6, S. 693.

526 JÜRGENBÜCHSEL, Gottfried Arnold. Sein Verständnis von Kirche und Wiedergeburt, Witten 1970, S.

47f.

527 Dieses Erleuchtungsverständnis steht in enger Verbindung mit Arndt und Spener des 17. Jahrhunderts.

Ihr Erleuchtungsverständnis stand auch im Zusammenhang mit der Bekehrung und der Buße. Für Johann Arndt lässt die Erleuchtung durch die in Bekehrung und Buße sich vollziehende Einkehr in sich selbst und Abkehr von der Welt bedingt sein. Dieses Verständnis wird in modifizierter Weise von Philipp Jakob Spener aufgenommen. Die Erleuchtung durch den Geist kann zwar nicht vom Wort als Gnadenmittel getrennt werden. Gleichwohl verbindet Spener wie Arndt die Erleuchtung so mit Bekehrung und Buße, dass die Erleuchtung durch den Geist nur zusammen mit der Abwendung von der Sünde und der Hinwendung zu Gott wirklich wirksam wird. Dieses mit Buße und Bekehrung zusammengezogene Erleuchtungsverständnis zeigt sich auch bei Arnold.

528 JÜRGENBÜCHSEL, Gottfried Arnold. Sein Verständnis von Kirche und Wiedergeburt, S. 48.

529 UKKH, II, 16, 5, §12, S. 496.

aufrichtig „information und besserung“530 der Kirche. Der vom Geist erleuchtete Luther habe daher anfänglich die Reformation als sittliche Lebensbesserung der Kirche verlangt. In diesem Sinn wird bei Arnold deutlich, dass sich Luther am Anfang die Betonung nicht auf die wahre Lehre, sondern auf den sittlichen Lebenswandel oder die Lebensbesserung gelegt habe. Dies steht im Zusammenhang mit dem Lutherbild als Reformator des Lebens, wie es für den Pietismus typisch ist.

Im Dokument Luther-Rezeption bei Gottfried Arnold (Seite 84-87)