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Arnolds Lob der pietistischen Ausdrücke in den Schriften Luthers

Im Dokument Luther-Rezeption bei Gottfried Arnold (Seite 133-136)

V. Lutherbild im Leben der Gläubigen

3. Die Lutherdarstellung im Leben der Gläubigen

3.3 Arnolds Lob der pietistischen Ausdrücke in den Schriften Luthers

Nach der Beschreibung von Luthers Leben fasst Arnold Luthers Theologie mit pietistisch-erbaulichen Begriffen zusammen899: ‚Die wahre Erkenntnis‘, ‚Betonung des Heiligen Geistes‘, ‚Teilnahme an der göttlichen Natur‘, ‚Die Gerechtmachung des Menschen‘ und ‚Verfolgung und Kreuz als Zeichen für die wahren Christen‘. Diese Überschriften zeigen den engen Zusammenhang mit Arnolds Anthropologie.

Zunächst geht es um die wahre Erkenntnis, die nur durch den Heiligen Geist gewirkt wird: „Wenn du alle Weißheit und Vernunfft hättest / so es nicht von GOtt komt und gesandt wird / ist es alles nichts. … Den Geist den ich euch senden werde / thut aber dazu der Vater; als wolt er sagen / die Gewalt ist nicht von mir sondern vom Vater“900. Arnolds Vorstellung entsprechend gibt Gott selbst dem Menschen die wahre Erkenntnis.

Gott öffnet die Herzen des Menschen für die Einwirkung seiner Gnade und beschenkt

897 VOLKERKEDING, Theologia experimentalis. Die Erfahrungstheologie beim späten Gottfried Arnold, Münster-Hamburg-Berlin-London 2001, S. 12, Anm. 106.

898 Nachdem Arnold im Jahr 1700 die Ketzerhistorie veröffentlicht hatte, folgten hauptsächlich persönliche und mystische Schriften bis zum Jahr 1702. Vgl. JÜRGENBÜCHSEL, Vom Wort zur Tat: Die Wandlungen des radikalen Arnold, in: Dietrich Blaufuß / Friedrich Niewöhner (Hgg.), Gottfried Arnold (1666-1714). Mit einer Bibliographie der Arnold-Literatur ab 1714 (Wolfenbütteler Forschungen, 61), Wiesbaden 1995, S. 153.

899 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 525-536.

900 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 525.

den Menschen mit dem göttlichen Wort. Wenn „das Wort von GOtt ausgesandt und kommen“901 ist, wird das Herz des Menschen geöffnet, erweckt; und dadurch beginnt der Mensch erst „mit Ernst darnach zu leben / und je mehr und mehr begehren es zu hören“902. Diese göttliche Erleuchtung ist in Arnolds pietistischer Anthropologie der Beginn der Wiedergeburt des Menschen.

Die göttliche Erleuchtung steht zweitens in enger Verbindung mit der Betonung des Heiligen Geistes. Ein entsprechendes Zitat aus den Schriften Luthers lautet: „Niemand kans aber von dem Heiligen Geist haben / er erfahre es / versuchs / und empfinde es dann: Und in der selbigen Erfahrung lehret der Heilige Geist / als in seiner eigenen Schule / ausser welcher wird nichts gelehret / denn nur Schein / Wort und Geschätz“903. Diese Betonung des Heiligen Geistes führt bei Arnold auch zur Ablehnung der sichtbaren organisierten Kirche, des kirchlichen Amtes, des Dogmen und Sakramente.

In diesem Sinn stellt Arnold fest, „der Geist inwendig treibet alles gewiß. Die Kirche Christi (das sind die gläubigen Christen) werden nicht von außen durch Menschen Lehre getrieben / sondern inwendig durch einerley Geist“904. Ohne den Heiligen Geist ist alles Predigen und Lehren vergeblich: „Es mag niemand GOtt noch Gottes Wort recht verstehen er habs denn ohne Mittel von den Heiligen Geist“905.

Diese Erleuchtung durch den Heiligen Geist hat daher drittens die menschliche Passivität im Blick auf die Erlösung zur Voraussetzung. Nach Arnolds Meinung hat der freie Wille des Menschen keinen Zugang zur Gnade Gottes. Denn ohne die Gnade tut der Mensch nicht Gottes Willen, sondern folgt nur seinem eigenen Willen. Der Mensch kann nicht aus sich selbst gerechtfertigt und fromm werden. Er muss an sich selbst verzweifeln, sich „als einen untüchtigen Menschen für GOttes Augen klagen / und von seiner Gnade alles erwarten“906. Somit ist Arnold davon fest überzeugt, „die Gnade GOttes machet ihn Gott=förmig / und vergöttert ihn“907.

Im einen vierten Abschnitt behandelt Arnold ‚die Teilnahme des Menschen an der göttlichen Natur‘. Nach seiner Meinung ist der Glaube, den Gott im Menschen schafft, Gottes großes Werk. Dadurch wird der Mensch eine neue Kreatur: „Wo GOtt den Glauben wirckt / da muß der Mensch anderweit gebohren / und eine neue Creatur werden / da müssen denn natürlich gute Werke aus dem Glauben folgen… denn die

901 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 525.

902 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 525-526.

903 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 536.

904 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 527.

905 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 535.

906 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 527.

907 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 527.

krafft GOttes / [die bey uns ist / und der wir voll sind] in uns wirckt / daß er uns einen richtigen klaren Verstand gibt von allen Dingen / die zu der Seligkeit gehören / daß wir alles können richten / was auf Erden ist / und sprechen / diese Lehre ist rechtschaffen / diese ist falsch / diß Leben ist recht / das nicht / dis Werck ist gut und wolgethan / das ist böß“908. Für Arnold bedeutet der Glaube auch die göttliche Kraft, die uns gibt, „was wir reden und wirken sollen“909. Durch die Kraft des Glaubens kann der Mensch

„teilhaftig der göttlichen Natur“910 sein: „Wer nun Gottes Natur teilhaftig wird, der kommt das alles über“911.

Das Verständnis des Glaubens als wirkliche Teilhabe an der göttlichen Natur steht auch im engen Zusammenhang mit Arnolds Verständnis der Rechtfertigungslehre. Für Arnold bedeutet die Rechtfertigung die Gerechtmachung des Menschen, „die uns GOtt gibt im Hertzen / also daß wir dadurch wahrhafftig und gerecht werden / damit er wahrhafftig und gerecht ist“912. So wird der Mensch wirklich gerecht: „Wie nun unser GOtt heilig ist / also ist sein Volck auch heilig / darum sind wir alle heilig / wenn wir im Glauben wandeln“913. Wenn man einen Christen nach dem Glauben ansieht, so ist er lauter und ganz rein, weil das Wort in sein Herz kommt und ihn rein macht914. Durch diesen Glauben kann der Mensch fromm, gerecht und heilig werden. Also kann er „seines Sohns Gerechtigkeit / Lebens und aller Güter geniessen und theilhafftig werden“915. Da Christi Gerechtigkeit unser ist, segnet und reinigt sie uns, bis wir auch rein und heilig werden.

Schließlich behandelt Arnold ‚Verfolgung und Kreuz als Zeichen für die wahren Christen‘. Arnolds Vorstellung entsprechend sind Verfolgung und Kreuz die Zeichen für die wahren Christen: „Wer nicht Hasser / Lästerer und Verfolger hat / der ist noch nicht ein Christ / oder hat ja noch nicht sein Christenthum beweiset mit äuserlichen That und bekänntniß. Denn so bald er will bekennen / so wird ihm die Welt feind / und wo sie kann / wird sie ihn auch gewisslich tödten“916. Der Weg des Kreuzes ist die wunderbare Führung Gottes917.

In Arnolds Augen war Luther ein echter Pietist. Arnold hat die Rechtfertigung als

908 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 529.

909 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 530.

910 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 530.

911 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 530.

912 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 530.

913 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 530.

914 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 530.

915 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 531.

916 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 533.

917 GOTTFRIEDARNOLD, Das Leben D. Martini Lutheri, in: Das Leben der Gläubigen, S. 533.

stufenweisen Prozess der Wiedergeburt interpretiert, an dessen Ende die Vollkommenheit und die Herwiederbringung der Gottesebebildlichkeit steht. Er hat seine radikal-pietistische Anthropologie in Luthers Theologie hinein interpretiert.

Im Dokument Luther-Rezeption bei Gottfried Arnold (Seite 133-136)