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Literaturüberblick zum anwaltlichen Mandantengespräch

Im Dokument Das anwaltliche (Seite 49-63)

B Theoretischer Überblick

2.2 Literaturüberblick: Sprache und Recht mit Schwerpunkt MandantengesprächeSchwerpunkt Mandantengespräche

2.2.3 Literaturüberblick zum anwaltlichen Mandantengespräch

Dem Mandantengespräch ist im Gegensatz zu dem oben skizzierten reichhalti-gen Forschungsfokus Sprache und Recht, insbesondere der Kommunikation vor Gericht, bislang kaum Interesse zuteil geworden, was zunächst erstaunt, da es viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens betrifft, relativ bekannt und wichtig ist, weil hier oftmals über den Zugang zum Recht(ssystem) für den Einzelnen entschieden wird. Gründe, weshalb es bislang wenige Untersuchungen gibt, nennen Dannet et al. (1980), die ihren vergeblichen Versuch der Datenerhebung schildern.

Dennoch gibt es einzelne Untersuchungen, die sich aus verschiedenen For-schungsrichtungen und mit verschiedenen Motivationen und Zielsetzungen mit dem Mandantengespräch befassen (einen kritischen Überblick über Ergeb-nisse und deren Aussagekraft gibt Felstiner 2001). Entsprechend sind nicht alle Arbeiten zum Mandantengespräch auf der Basis authentischer Gesprächsdaten entstanden. Da sich aufgrund verschiedenen Materials verschiedene Perspek-tiven und Fragestellungen ergeben, werden die Arbeiten nach dem Kriterium der Datengrundlage dargestellt. Eine weitere Gruppe stellen die wenigen aus Anwaltssicht existierenden Ratgeber zum Mandantengespräch dar. Sie beruhen zwar allesamt nicht auf authentischem Material oder Forschungsergebnissen, greifen aber auf Praxiserfahrung zurück. Daher und weil hier die ‚Beforschten‘

selbst zu Wort kommen, kommt diesen Publikationen ein besonderer Stellen-wert zu, weswegen sie ebenfall gesondert behandelt werden.

2.2.3.1 Ergebnisse ohne authentisches Gesprächsmaterial

Arbeiten, die nicht mit authentischem Material arbeiten, beruhen in aller Regel auf Befragungen der Beteiligten. In vielen Arbeiten stehen die Rolle des Anwalts und die Beziehung zum Mandanten im Vordergrund, die in ver-schiedenen Dimensionen beleuchtet wird. Mather et al. (2001) untersuchen aus einer soziologischen Perspektive auf der Basis von halbstrukturierten Interviews mit Scheidungsanwälten in Maine und New Hampshire die Kontrolle über Klienten und deren Entscheidungen aus Sicht der Anwälte. Sie untersu-chen u. a., inwiefern Klienten zur eigenen Entscheidungsfindung befähigt wer-den sollen bzw. inwiefern Anwälte als „Waffen“ der Klienten auftreten (vgl. das Kapitel 2.1.1 zur Diskussion in Deutschland). Ergebnis ist, dass es letztlich die Anwälte sind, die aufgrund ihres professionellen Wissens die stärkere Position gegenüber ihren Klienten haben und diese entsprechend nutzen (Mather et al.

2001: 88, 99, 107, 108; vgl. auch Mattel-Pegam 1985: 309f.; Schumann 1982:

282; Hosticka 1979: 607). Als Strategien, mittels derer Anwälte versuchen, die Klienten zu beeinflussen, nennen die Autoren eine Spanne zwischen verbalem Überzeugen und Erwartungsmanagement bis hin zur Prozessverzögerung und einer angedrohten Mandatsniederlegung (Mather et al. 2001: 87ff.).

Ein weiterer Aspekt, der die Rolle des Anwalts sowie seine Beziehung zum Mandaten prägt, ist das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in einem Mandat. Schumann bezeichnet es als eine „Schwachstelle“ (Schumann 1982: 277), dass die loyale Interessenvertretung und die dafür in Aussicht stehende Entlohnung in einem Widerspruch für den Anwalt stehen können (Schumann 1982: 275ff.). Wenn auch bei der Entstehung des Aufsatzes im

Gegensatz zu der aktuellen Situation nur eine Abrechnung nach Streitwert möglich war, scheint das Spannungsverhältnis ansonsten nach wie vor aktuell (vgl. Kapitel 11). Auch Elbers et al. (2012: 92) zitieren Mandanten, die kritisier-ten, dass ihre Anwälte lediglich in Bezug auf die Rechnungen und Bezahlung Bestimmtheit oder Entscheidungsfreude zeigten. Dies deckt sich mit den Ergebnissen zu den Eigenschaften von Anwälten aus Mandantensicht (vgl.

Kapitel 2.1.2).

Daneben ist aber auch der Anwalt in seiner professionellen Rolle erforscht worden. Als Merkmale professionalisierten anwaltlichen Handelns zeigen Eidmann/Roethe eine Orientierung an einer Konsensbeschaffung sowie eine Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft (1991: 34f.), hier zwar auf der Basis authentischen Materials, aber ohne das Augenmerk auf sprachli-che Formen und Strukturen zu legen. Auf der Basis von Interviews (hier mit Strafverteidigern) geht Wernet (1997) aus einer soziologischen Perspektive der Frage nach, inwiefern Ärzte und Anwälte im Hinblick auf professionstheoreti-sche Überlegungen vergleichbar sind, und verortet beide Gruppen anhand von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Oevermannschen Professionalisie-rungstheorie, die er damit bezogen auf die Rolle der Strafverteidiger weiterent-wickelt. Scheid (2008) untersucht professionssoziologisch mit dem Verfahren der objektiven Hermeneutik den Einfluss der Biographie des Professionellen auf eine gelungene professionelle Leistung ebenfalls auf der Basis von Inter-views (hier mit einem Familienrechtler). Sie arbeitet heraus, dass das besonders Gelungene an der vom Anwalt dargestellten Interaktion mit einer seiner Man-dantinnen darin besteht, dass er in der Lage war, Verständnis für die Situation und Wünsche der Mandantin aufzubringen (Scheid 2008: 8). Das dies sich aus Mandantensicht positiv auswirkt, zeigen Elbers et al. (2012). Sie untersuchen mit halbstrukturierten Interviews (im Verkehrsrecht) mit Mandanten die fünf von ihnen gewünschten Eigenschaften von Rechtsanwälten. Diese sind: „(a) com-munication, (b) empathy, (c) decisiveness, (d) independence, and (e) expertise“

(Elbers et al. 2012: 91). Betrachten wir vor allem die Ergebnisse zur Kommu-nikation (a) genauer, so zeigt sich, dass Klienten wünschen, dass Anwälte ihre

‚Geschichte‘ und ihre Meinung anhören und darauf reagieren; dass sie ange-messen informiert werden möchten; und dass Mandanten mehr face-to-face- Kontakt wünschen, was ihnen das Gefühl gibt, ernst genommen zu werden (Elbers et al. 2012: 91f.).

Auch zur Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant, vor allem im Hinblick auf die Verständlichkeit, wird ohne authentisches Material geforscht. Hier steht nicht immer das Mandantengespräch im Zentrum, sondern auch darüber hinaus der Schriftverkehr mit dem Mandanten. So untersucht Gelleszun-Koschke

(2011) „schriftbasierte Kommunikation juristischer Inhalte“, die sich an Rechts-laien richten (Gelleszun-Koschke 2011: 3; zu anwaltlichem Schriftverkehr mit der Gegenseite vgl. Kurzon 1985). Gelleszun-Koschke kommt zu dem Schluss, dass vor allem Mittel verständlicher Formulierung (Kürze, leserfreundliche Satz-bildung, Personalisierung, konkrete Beispiele) als hilfreich empfunden werden.

Dagegen können aber vor allem zentrale Fachbegriffe Verstehenshürden bilden, ebenso wie die „Reduktion und Abstraktion der Wirklichkeit im Rahmen der rechtlichen Prüfung“, also die rechtsweltliche Perspektivierung des Sachverhalts, wenn der Empfänger diese nicht nachvollziehen kann (Gelleszun-Koschke 2011:

119). Die subjektive Einschätzung von Kommunikationsstörungen im Mandan-tengespräch erfragt Eckardt (2000: 105ff.) von 15 Anwälten mittels Fragebögen.

Dazu nutzt sie das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun (2010/1981) und lässt die Anwälte Probleme entlang der vier Ebenen sowie bezogen auf die Art der Scheidung differenzieren (Eckardt 2000: 110). Sie kommt in ihrer Auswertung zu dem Schluss, dass aufgrund terminologischer Unsicherheit Verständigungs-probleme vor allem auf der Sachverhaltsebene auftreten, dass aber Probleme auf der Beziehungsebene den Kommunikationsprozess dennoch stärker behindern (Eckardt 2000: 125). Die Ermittlung der Ergebnisse erscheint zwar methodisch etwas fragwürdig, nichtsdestotrotz ist die Idee, Anwälte nach ihrer Bewertung zu befragen, sinnvoll (vgl. Kapitel 4.3.4). Hier wäre allerdings (auch in Verbindung mit Transkriptanalysen) interessant, diese (und weitere) Befragungsdimensionen im authentischen Material gemeinsam mit Anwälten zu verfolgen und auf diese Weise Einschätzungen zu Kommunikationsproblemen zu erfragen.

2.2.3.2 Ergebnisse aus Anwaltssicht auf der Basis von Gesprächserfahrung Ergebnisse ebenfalls ohne die Grundlage authentischer Daten liefern Anwälte auf der Basis ihrer Gesprächserfahrungen.

Ein (allerdings älterer) Ratgeber für Mandanten zum Umgang mit Anwäl-ten ist Heussen (1995). Hier werden verschiedene Aspekte rund um das Mandat beleuchtet, das Mandantengespräch ist aber kein Thema des Bandes. Auch dies ist eine aufschlussreiche Auslassung – aus Anwaltssicht scheint es hier für Mandanten kein Informationsbedürfnis zu geben. Ebenfalls aufschlussreich ist es, in den Praxisratgebern zu verfolgen, wie und wo das Mandantengespräch bzw. allgemeiner die juristische Gesprächsführung aus Sicht der Praxis zu verorten ist. Bei der Auseinandersetzung mit den neu eingeführten Schlüssel-qualifikationen zählt Paulus (2003: 5ff.) neben den im Gesetz benannten Schlüs-selqualifikationen weitere auf. Dabei nennt er auch das Mandantengespräch und die Kommunikation (hier vor allem in Bezug auf Verwaltungsjuristen), verortet

diese aber unter der sozialen Kompetenz (Paulus 2003: 6f.) und damit gleichzei-tig als psychologisch. Auf „soziologische Grundlagen“ verweisen im Zusammen-hang mit der juristischen Gesprächeführung Brinktrine/Schneider (2008: 48f).

Die Linguistik als Disziplin hingegen findet in keinem anwaltlichen Ratgeber Beachtung. Auch Sprache, dem laut Paulus (Paulus 2003: 11) „gewissermaßen ureigenen Handwerkszeug des Juristen“, wird als eine weitere Schlüsselqualifi-kation benannt (Paulus 2003: 11f.), hier unter dem Titel „Sprache, Schreiben“

(Paulus 2003: 11). Obgleich er darauf hinweist, dass Sprache in geschriebener und gesprochener Form existiert, geht er allerdings nicht etwa auf die juristische Gesprächsführung ein, sondern bemängelt schlampigen und unpräzisen Um-gang mit der Sprache (Paulus 2003: 11; vgl. auch Cunningham 2006: 1f.), wirft also einen normativen Blick darauf. ‚Sprache‘ bzw. die „sprachliche Ebene“ wird in einem anderen Beitrag kontrastiert mit der „inhaltlichen Ebene“ (Kasparek 1996: 72). „Die Sprache und sprachliche Kommunikation mit dem Mandan-ten ist kein Hauptanliegen anwaltlicher Tätigkeit […]. Dies gilt umso mehr, als Mißverständnisse fast nie auf sprachlicher, sondern fast immer auf inhaltlicher Ebene entstehen (z.B. deswegen, weil der Anwalt den Sachverhalt nicht genü-gend nachfragt und der Mandant von sich aus nicht darauf kommt, daß irgenü-gend- irgend-eine Information wichtig ist)“ (Kasparek 1996: 72). Hier liegt irgend-eine merkwürdige Unterscheidung von inhaltlicher und sprachlicher Ebene vor, denn wenn das Nichtklären von Sachverhalt oder Ziel kein Problem auf sprachlicher Ebene ist, das sich mit einer guten Gesprächsführung vermeiden ließe, wäre interessant zu erfahren, was die Autorin unter einem Problem auf sprachlicher Ebene versteht.

Interessanterweise scheinen sich Anwälte häufig nicht verantwortlich für die Gesprächsführung zu fühlen. So nennt Borutta (1996: 32) drei Faktoren, von denen „die Art und Weise der Gesprächsführung“ abhänge: Die Verfassung des Mandanten, der Problembereich sowie der zeitliche Rahmen. Erstaunlich ist, dass hier tatsächlich der Anwalt keine Einflussgröße darstellt.

Betrachtungen zur mündlichen Kommunikation scheinen generell noch immer maßgeblich der mündlichen (Gerichts-)Rede vorbehalten zu sein und sind somit im Gebiet der Rhetorik zu verorten (Engelken 2010; Haft/Eisele 2003: 351f.). Die Verständlichkeit von Fachsprache im Mandantengespräch, die ansonsten eher nicht als problematisch eingeschätzt wird, behandeln u. a. Ewer (2010); Creutz (2006).

Auch bekannte Kommunikationsmodelle finden Eingang in die anwaltli-che Literatur. Betrachtet man ein Kapitel zur Gesprächsführung (Neumann/von Rosenstiel 2003) in einem Sammelband zu den Schlüsselqualifikationen, so findet man eine sehr eindimensionale Darstellung. Es wird maßgeblich auf ein Sender-Empfängermodell aufgebaut, das an jenes von Shannon/Weaver (1998: 33ff.)

erinnert (Neumann/von Rosenstiel 2003: 151) und durch das Vier-Seiten- Modell von Schulz von Thun (2010/1981) ergänzt wird (Neumann/von Rosenstiel 2003: 154ff.). Modelle wie diese greifen zu kurz, da der interaktive Charakter von Gesprächen und die gemeinsame Herstellung von Verständigung zu wenig oder keine Beachtung findet. Daneben werden von Neumann/von Rosenstiel verschiedene Modelle von Gesprächsstilen gegeben, gespickt mit

„konkreten Beispielen“, die allerdings in Form einer Interviewabschrift dar-geboten werden und jegliche Authentizität vermissen lassen (Neumann/von Rosenstiel 2003: 177ff.) und damit in ihrem Anschauungswert fraglich werden.

Ebenfalls auf erfundenen Dialogen basiert ein Beitrag von Schweizer (2008), der mittels einer fiktiven Fallgeschichte vor allem das Handeln des ebenfalls fiktiven Anwalts beschreibt. Es wird der Fall, angereichert u. a. durch Erkenntnisse aus NLP (Bandler/Grinder 2007/1981) und der Harvard Verhandlungsschule (Fisher et al. 2009/1984) in seinem Verlauf dargestellt und eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Da der Autor bewusst keine Theorie vorstellt, sondern diese in die Lerngeschichte einflicht, die er mit Verständnisfragen am Ende des Kapitels absichert, bleibt es offen, inwiefern die Ergebnisse verallgemeinerbar sind.

Betrachtet man die Aussagen aus Anwaltssicht zum Mandantengespräch und seinem Verlauf selbst, sind teilweise die Gespräche in ihren Phasen beschrie-ben worden (vgl. die Ausführungen dazu in Kapitel 5). Lochmann (2008) betont u. a. die Wichtigkeit des Gesprächsbeginns (der ersten zehn Sekunden) und empfiehlt, den Mandanten bei seiner Selbstdarstellung abzuholen (Lochmann 2008: 118). Damit bezieht er sich allerdings nicht auf die verbale Selbstdarstel-lung, sondern geht vor allem auf eine Synchronisation körperlicher Merkmale, es gehe darum, „ihn zu spüren“ (ebd.). Kommt es daraufhin zum Fragen durch den Anwalt, differenziert Lochmann zwar zwischen offenen und geschlossenen Fragen, die Wahl der richtigen Frageform macht er aber von der Einschätzung des Gegenübers (Lochmann 2008: 123) und nicht etwa anhand von verschiede-nen Funktioverschiede-nen abhängig.

Dennoch existieren auch wenige Werke, die sich aus Anwaltssicht differenziert mit dem Mandantengespräch beschäftigen. Hier wird aber weder mit authen-tischem Material gearbeitet noch werden Gespräche systematisch untersucht.

Häufig gehen die Publikationen auch über eine ausschließliche Auseinandersetzung mit dem Gespräch hinaus und behandeln weitere Fragen der Mandatsbearbeitung (Kilian 2008; Greiter 2008; Ponschab/Schweizer 2008; Römermann/Paulus 2003;

Klinge/Klinge 1998; Borutta 1996; Kasparek 1996) oder beinhalten Ausführun-gen über das Rechtssystem und den Anwalt im Markt (Heussen 1999). Zu einer Diskussion der Ratgeberliteratur im Vergleich zu den Ergebnissen der vorliegen-den Arbeit siehe jeweils die entsprechenvorliegen-den Kapitel im Teil C.

In der Folge soll auf die wenigen Monographien von Seiten der Praxis, die sich ausschließlich mit dem anwaltlichen Mandantengespräch beschäftigen, eingegangen werden.

Klinge/Klinge (Klinge/Klinge 1998) sehen das Mandantengespräch in Verbindung mit der Konfliktbewältigung, also verschiedenen Möglichkeiten rechtlicher Bearbeitung und deren Aushandlung mit dem Mandanten. Sie gehen bei ihrem Verständnis von Kommunikation davon aus, dass es eine Sach- und eine Beziehungsebene gibt, die es jeweils zu berücksichtigen gibt. Neben Hinwei-sen zum aktiven Zuhören und der Unterscheidung verschiedener Frageformen geben sie auch ein Beispiel für ein komplettes Mandantengespräch, das allerdings ein erfundener Beispieldialog ist und in keiner Hinsicht kommentiert wird (Klinge/Klinge 1998: 32ff.).

Eine neuere Monographie zum Mandantengespräch stammt von König/

Weth (2004a). König/Weth (2004b) beschreiben zunächst in einem ausführ-lichen Beitrag die Beratung des Mandanten. Dabei führen sie zunächst ihren Beratungsbegriff ein, indem sie „gute Rechtsberatung“ (König/Weth 2004b: 4) als „sowohl Experten- als auch Personale Beratung“ definieren. Unter Exper-tenberatung fassen König/Weth das Geben von Anregungen und Informationen (König/Weth 2004b: 3), personale Beratung zeichnet sich dadurch aus, dass kei-ne Ratschläge gegeben werden, sondern Hilfe zur Selbsthilfe durch Fragen und Zuhören angeregt wird (ebd.). Dieses Beratungsverständnis beziehen die Autoren in der Folge auf das anwaltliche Mandantengespräch. Anhand eines erfundenen Beispielfalles werden viele Tipps gegeben, sowohl die Herleitung als auch die Umsetzung bleibt aber offen (z. B. „Entweder kommt diese erste freie Erzähl-phase des Mandanten von selbst zu einem Ende, oder man muss ihn anhalten“

(König/Weth 2004b: 15)). Hier bleibt sowohl offen, in welchen Fällen Mandan-ten zu einem Ende kommen, als auch wie und wann ein „AnhalMandan-ten“ stattfindet).

Eine konkretere Ebene wird auch beim Bezug auf die beiden Beratungstypen nicht erreicht, sodass offen bleiben muss, durch welche sprachlichen Mittel sich diese genau unterscheiden, wie diese im Gespräch manifestiert werden und vor allem, wie der Wechsel vollzogen werden kann. Ebenfalls bleibt offen, wie Expertenberatung und personale Beratung zueinander stehen, denn einerseits ist von „unterschiedlichen Formen von Beratung“ (König/Weth 2004b: 3) die Rede, andererseits von „Ebenen“ (König/Weth 2004b: 28), drittens ist es der Experte zu sein eine „Aufgabe des Beraters“ (König/Weth 2004b: 30). Grund-sätzlich bleibt zu fragen, inwiefern es überhaupt möglich ist, zwei Bera-tungsformen oder -ebenen (oder Typen?), die sich durch unterschiedliche Zwecksetzung, unterschiedlichen Aufbau und unterschiedlichen Einsatz sprach-licher Mittel auszeichnen, zu verbinden. Das Mandantengespräch als personale

Beratung ist sicherlich nicht nur den Anwälten selbst fremd, sondern entspricht m. E. ebenfalls nicht dem Zweck des Mandantengesprächs. Bei ihrem Ansatz wird von den Autoren verkannt, dass auch eine Expertenberatung durchaus Mittel wie (aktives) Zuhören, offene Fragen, das Besprechen einer konkreten Situation etc. (vgl. König/Weth 2004b: 18ff.) beinhalten kann, ohne dennoch grundsätzlich das Ziel einer Hilfe zur Selbsthilfe zu verfolgen, die im rechtlichen Kontext häufig gar nicht möglich ist oder vom Mandanten erwartet wird.

Eine weitere, weitaus ältere Monographie stammt von Bähring/Roschmann/

Schäffner (1989). Hier wird auf der Basis einer „Theorie der Kommunikation“

(Bähring et al. 1989: 9ff), die aus zeichentheoretisch-strukturalistischen Abhandlungen, Kanälen der Kommunikation, die an (Shannon/Weaver 1998/1969) erinnern, und Kommunikationsmodellen nach Watzlawick (2011/1967) gear-beitet. Das Mandantengespräch wird vor diesem Hintergrund hauptsächlich auf seine Sach- und Beziehungsebene reduziert. Auf der Sachebene identifizieren die Autoren die unterschiedliche „Relevanzstruktur beider Kommunikanten“

(Bähring et al. 1989: 32), die relevante Ausschnitte ihrer jeweiligen Wissensbe-stände gegenseitig transparent machen müssen. Unter der „kommunikativen Beziehung“ (ebenfalls unter dem Stichwort ‚Sachebene‘) führen Bähring et al.

(1989: 34f.) die Gesprächsphasen auf, die mit den jeweiligen kommunikativen und mentalen Tätigkeiten der Beteiligten verknüpft werden (z. B. „1. Phase:

Mandant informiert Anwalt“; „3. Phase: Anwalt subsumiert“). Dabei bleibt zum einen unklar, inwiefern diese Phasierung in Verbindung mit der „kom-munikativen Beziehung“ steht, darüber hinaus ist die Darstellung unvollständig (Zielsetzung fehlt völlig, Handlungsoptionen werden nicht eingeräumt – der Anwalt wird rein als Subsumtionsautomat dargestellt; eine etwas abgemilder-te Darsabgemilder-tellung findet sich allerdings auf Seiabgemilder-te 39ff.) und nicht empirisch oder theoretisch fundiert. Unter die Beziehungsebene summieren die Autoren vor allem den Ausdruck von Mitgefühl, Verständnis oder emotionale Unterstützung (Bähring et al. 1989: 37ff.). Für ihre Hinweise zur Verbesserung der Kommu-nikation beziehen die Autoren (Bähring et al. 1989: 67ff.) zuletzt dann auch das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun (1977, zit. n. Bähring et al.

1989) mit ein, indem sie entlang der vier Seiten einer Nachricht verschiedene Lesarten von erfundenen Beispielsätzen (aber nicht Gesprächen) illustrieren. Im Anschluss daran nennen sie Feedbackregeln für Anwälte (Bähring et al. 1989:

87ff.) und kommen damals schon zu der Empfehlung, kommunikative Fähig-keiten in Seminaren zu trainieren (Bähring et al. 1989: 96). Dieses Werk ist trotz der beschriebenen Mängel ein Vorreiter, da hier sehr früh bereits überhaupt das Mandantengespräch als eigenständiger Forschungs- und sogar Weiterbildungs-gegenstand erkannt wurde.

2.2.3.3 Ergebnisse auf der Basis authentischen Gesprächsmaterials

Untersuchungen, die authentische Mandantengespräche erheben, untersuchen naturgemäß stärker kommunikative Phänomene. Hier liegen einige Einzelunter-suchungen, meist als Aufsatzpublikationen, zu je einzelnen Handlungskompo-nenten des Mandantengesprächs oder Gesprächsmechanismen vor.

So vergleicht Hosticka (1979) die Redeanteile und Möglichkeiten der Themensteuerung der Beteiligten auf der Basis von teilnehmender Beobachtung von Mandantengesprächen in einem „legal-services-for the-poor program“. Er kann zeigen, dass Anwälte wesentlich häufiger unterbrechen (Hosticka 1979: 604f.), dass Anwälte mit einem Anteil von einem Viertel der Fragen als Suggestivfragen den Klienten und das Thema steuern (Hosticka 1979: 605f.). Mandanten fragen hingegen kaum nach Handlungsmöglichkeiten oder Informationen, während Anwälte dazu tendieren, vor allem Handlungsoptionen zu entwickeln und Klienten über ihre Situation zu informieren (Hosticka 1979: 607). Zu diesen Befunden kommen ebenfalls Bogoch/Danet (1984). Sie untersuchen die Strate-gien, mit denen die beobachtete Anwältin im Gespräch ihre dominante Position etabliert und aufrechterhält. Neben den genannten ermitteln sie Strategien wie eine Themensteuerung, eine Herabstufung der Informationen des Klienten bei Hochstufen eigener Äußerungen sowie Wiederholungen oder Fragen, auf die die Antwort des Klienten nicht abgewartet wird. Entsprechend der Ergebnisse bescheinigen die Autoren dem untersuchten anwaltlichen Erstgespräch eine starke Ähnlichkeit zum Kreuzverhör vor Gericht (Bogoch/Danet 1984: 261, 270).

Den Gesprächsbeginn eines Erstgesprächs untersuchen Seyfarth et al. (1996).

Schon bei der Lektüre des kurzen Ausschnittes wird deutlich, dass sich in den letzten fast 20 Jahren wenig verändert zu haben scheint. Denn es zeigen sich in dem von ihnen untersuchten Gesprächsausschnitt Phänomene wie eine Engfüh-rung durch die Eröffnungsinitiative, frühes Unterbrechen, ein Fokus weg von den Relevanzen der Mandantin hin zu rechtlich relevanten Fakten, die auch im hier untersuchten Korpus zu beobachten sind (vgl. Kapitel 6) und das, obwohl diesem Vorgehen bereits damals negative Folgen bescheinigt wurden:

Wie immer das Gespräch sich weiter entwickeln kann, der Bruch an dieser Stelle bedeu-tet für die Mandantin objektiv eine Brüskierung. Ihr wird signalisiert, daß das Interesse an ihrer Sichtweise und den Hintergründen […] begrenzt ist. […] Der Frage-Antwort-Modus […] zerstört das Gespräch, kaum daß es beim zentralen Thema der Trennung angelangt war (Seyfarth et al. 1996: 41).

Inwiefern sich anwaltliche Beratung konfliktverstärkend auswirken, untersu-chen Sprondel et al. (1995; vgl. auch Sprondel et al. 1998). Ihre Ergebnisse sind, dass in der Erstberatung Gegnerschaft in Form von „juristische[r] Gegnerschaft“

(Sprondel et al. 1995: 70) erst geschaffen wird und sich auch auf private Geg-nerschaft übertragen kann, was konfliktverschärfend wirken kann. Als konflikt-entschärfend wiederum erweist sich, wenn Klienten eine vorgängige Autonomie im Hinblick auf Situationseinschätzung und Handlungsmöglichkeiten mitbrin-gen oder wenn Anwälte das Delegationsansinnen der Klienten zurückweisen (Sprondel et al. 1995: 71), dazu gehört aber auch, zunächst größeren Wert auf das Fallverstehen und die Ziele der Klienten zu legen (Sprondel et al. 1995: 93).

(Sprondel et al. 1995: 70) erst geschaffen wird und sich auch auf private Geg-nerschaft übertragen kann, was konfliktverschärfend wirken kann. Als konflikt-entschärfend wiederum erweist sich, wenn Klienten eine vorgängige Autonomie im Hinblick auf Situationseinschätzung und Handlungsmöglichkeiten mitbrin-gen oder wenn Anwälte das Delegationsansinnen der Klienten zurückweisen (Sprondel et al. 1995: 71), dazu gehört aber auch, zunächst größeren Wert auf das Fallverstehen und die Ziele der Klienten zu legen (Sprondel et al. 1995: 93).

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