• Keine Ergebnisse gefunden

Der Rechtsanwalt

Im Dokument Das anwaltliche (Seite 29-36)

B Theoretischer Überblick

2.1 Beteiligte und Rahmenbedingungen

2.1.1 Der Rechtsanwalt

Rechtsanwälte1 unterscheiden sich innerhalb ihrer Berufsgruppe in ver-schiedenen Dimensionen (Kilger 2009: 336; Römermann 2003: 387f.) und bilden historisch betrachtet eine sehr alte Berufsgruppe (Prütting 2012;

Deutscher Anwaltverein 2011; Busse 2010; Wesel 2010). (Fast) jeder hat eine Vorstellung davon, was ein Anwalt ist. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Beruf des Rechtsanwalts rechtlich klar umrissen und geregelt ist. So besteht

1 Eine genderneutrale Schreibweise gestaltet sich aufgrund der A-Umlautung (Anwalt – Anwältin) sehr unübersichtlich und die Lesbarkeit leidet. Daher habe ich mich trotz besseren Wissens (vgl. Khosroshahi 1989) gegen einen geschlechtsneu-tralen Sprachgebrauch entschieden und verwende in dieser Arbeit das generische Maskulin. In den diskutierten Fallbeispielen hingegen verwende ich das Genus ent-sprechend des Geschlechts der in den Gesprächen handelnden Personen, ebenso bei der Beschreibung des Projekts und den konkret Beteiligten.

ein beschränkter Zugang zu diesem Beruf, die Bezeichnung darf nur tragen, wer ordnungsgemäß zugelassen ist. Auch das Tätigkeitsfeld mit allen Rechten und Pflichten ist eng umsteckt und mit höchstrichterlichen Entscheidungen gefestigt. „Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Ver-treter in allen Rechtsangelegenheiten“ (§ 3 Abs. 1 BRAO), so definiert die Bundesrechtsanwaltsordnung die anwaltliche Tätigkeit. „Sie [Anwälte, I.P.]

durchlaufen die gleiche Ausbildung wie die primären Adressaten2 und gelten entsprechend ebenso hinreichend qualifiziert, Gesetzestexte zu verstehen und auf Einzelfälle anzuwenden“ (Hesse 2004: 98). Diese Ausbildung qualifiziert sie dazu, Rechtsdienstleistungen anzubieten, zu denen sich ebenfalls gesetzli-che Regelungen finden. „Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert“ (§ 2 Abs. 1 RDG). Mit einer Vertretung kann ein Tätigwerden vor Gericht ebenso wie ein Rechtsrat verbunden sein. Dabei ist der Anwalt vor allem ausschließlich im Interesse seines Mandanten tätig (Heussen 1999: 3).

Auch bei Rechtsanwälten ist der Beruf, ähnlich wie bei Theologen oder Ärzten „Berufung“ (Jungk 2012: 376); Ewer (2009: 662) spricht gar von einem

„Anwaltsethos“.

Unterscheidet man die Rollen des Anwalts, ist die prominenteste wohl jene des Anwalts als Rechtsexperte. Seine Expertise erwirbt er vor allem im Rahmen seiner universitären Ausbildung. Egal für welchen juristischen Beruf (Rechtsanwalt, Richter, Staatsanwalt Notar usw.) sie sich im Anschluss entscheiden, durchlaufen alle angehenden Juristen die gleiche Ausbildung (Schmidt-Räntsch 2009: 110). Auch die Zulassung zum Rechtsanwalt erfor-dert nach § 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die „Befähigung zum Richteramt“. „Damit war die bis heute noch in Deutschland geltende Juristenausbildung ihrer Grundstruktur nach bereits im 17 Jahrhundert ange-legt“ (Hommelhoff 2000: 467). Wie diese Befähigung zum Richteramt erwor-ben werden kann, ist im Deutschen Richtergesetz (DRiG) festgelegt, in dem sich alle Bestimmungen zur juristischen Ausbildung und entsprechend auch jene zum Werdegang zum Anwalt finden. In § 5 Abs. 2 DRiG heißt es:

Die Befähigung zum Richteramt erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt; die erste Prüfung besteht aus einer universitä-ren Schwerpunktbereichsprüfung und einer staatlichen Pflichtfachprüfung.

2 Hesse unterscheidet primäre und sekundäre Adressaten des Rechts. Unter erstere fallen die „Stabsangehörigen“, zweitere sind das „Volk“ Hesse (2004: 97).

Die kommunikative Ausbildung ist im Jurastudium stark vernachlässigt und erst seit kurzem überhaupt vorgesehen. Viele werdende Juristen gehen davon aus, sich das nötige kommunikative Können im Beruf anzueignen (Riemann/

Marotzki 2000: 218; zur sprachlichen Sozialisation im Studium vgl. Struck 2002;

Philips 1982, zur beruflichen und sprachlichen Sozialisation am Beispiel des Arztberufs vgl. Lalouschek 2002a/1995: 24ff.).

Seit 1. Juli 2003 sieht das Deutsche Richtergesetz (§ 5a Abs. 3) eine kommu-nikative Ausbildung vor, indem es für das Studium verpflichtend die Lehre sog.

Schlüsselqualifikationen festgelegt.

Die Inhalte des Studiums berücksichtigen die rechtsprechende, verwaltende und rechts-beratende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen wie Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit (§ 5a Abs. 3 DRiG).

Die Regelstudienzeit in Deutschland beträgt vier Jahre (Schmidt-Räntsch 2009: 137), erst nach abgelegtem zweitem Staatsexamen, das auch das Referendariat einschließt (§ 5b Abs. 1 DRiG; Ströbel 2005: 11), darf man die Bezeichnung „Volljurist“ tragen. Seit der Reform wurde der Anteil der staat-lichen Prüfung auf 70% reduziert, zuvor war die Prüfung eine ausschließlich staatliche (Mager 2008: 321).

Kritik an der Reform des DRiG 2003 kommt aber nach wie vor aus der Anwaltschaft: „Der Gesetzgeber hat die Ausbildung der sieben Schlüsselqualifi-kationen allein in den Aufgabenbereich des Studiums gelegt; bei der gleichfalls neu geordneten Referendarszeit, § 5b DRiG, sucht man vergebens nach ihnen“

(Paulus 2003: 22). Zwar dauert die Anwaltsstation nun etwas länger, doch ändert dies nichts an der nach wie vor bestehenden Ausrichtung am Richteramt. Diese Entwicklung bleibt erstaunlich, da rund 75% bis 80% der JuraabsolventInnen in den Anwaltsberuf gehen (Busse 2010: 563; Kilger 2007: 2; Hommerich/Kilian 2006a: 11).

Betrachtet man die Studieninhalte, bestehen die Aufgabenstellungen häufig in der Falllösung auf der Basis des erworbenen Rechtswissens. Dem Studierenden wird ein Sachverhalt präsentiert, zu dem er die Aufgabe hat, ein juristisches Gutachten zu erstellen. „Anders als in der Praxis kann im Studium der in der Klausur/Hausarbeit gestellte Sachverhalt als ‚unstreitig‘ bzw. ‚ausermittelt‘ gelten“

(Kühl et al. 2011: 41). In aller Regel entspricht weder die Form der Darstellung noch die Wahl der Begrifflichkeiten einer authentischen Darstellung, wie sie ein Mandant in einem authentischen Fall vornehmen würde, denn die Darstellungen sind juristisch so präzise, dass sie für eine Falllösung ohne weitere Angaben auskommend und meist sehr knapp auf wesentliche Kerninhalte beschränkt sind.

Dieses Vorgehen, Studierende Fälle bearbeiten zu lassen, zielt zwar theoretisch auf die Anwendung, den „zielgerichteten Einsatz“ rechtlichen Wissens, ab (Kühl et al. 2011: 39), hat allerdings mit der Realität einer Fallschilderung im Mandantengespräch wenig gemein.

Der Zugang zum Anwaltsberuf steht (im Gegensatz zu Beamtenlaufbah-nen des Richters oder Staatsanwalts) jedem Volljuristen offen, soweit nicht die Ausschlussgründe nach § 7 (BRAO) greifen. So werden also viele Juristen Anwälte, wenn ihnen keine alternative Berufslaufbahn aufgrund eines schlechten Abschneidens im Studium in Aussicht zu stehen scheint. Ein teilnehmender Anwalt formuliert dies wie folgt: „Anwälte werden die Besten oder die Schlechtesten“ (Interview mit einem teilnehmenden Anwalt, Februar 2010; vgl. auch Machura/Kammertöns 2009: 249; Streck 2004: 30;

Römermann 2003: 398).

Seine in der Ausbildung gewonnene Expertise setzt der Anwalt in seiner Rolle als Interessenvertreter seiner Mandanten um (Hommelhoff 2000: 471;

Vossebürger 2012: 50; kritisch hierzu Soeffner 1983: 92f.). Als Vertreter ist der Anwalt ausschließlich im Interesse seiner Klienten tätig. Auch im Begriff

„Mandant“3 steckt diese Auffassung (Rittershaus 1999: 10). Hierbei ist es die Aufgabe des Rechtsanwalts, die Rechtslage unter Berücksichtigung „der Tatsachen, der Beweislage, des möglichen Verhaltens der Gegenseite, der möglichen Wege zur Zielerreichung“ zu bewerten (Kilian 2008: 9). In dieser Rolle wird der Anwalt bisweilen auch als „Mietmaul“ bezeichnet, wenngleich der Begriff innerhalb der Anwaltschaft nicht von allen unkritisch betrachtet wird. Diese Rolle als Mietmaul bestätigt ein teilnehmender Anwalt im Interview mit einer Anekdote aus einem seiner Mandantengespräche: „Ich zog der Mandantin so das Material für den drohenden Prozess aus der Nase. Und dann sagte sie: ‚Ach, das haben Sie jetzt so schön formuliert, ich möchte Sie direkt mieten.‘ Sag ich: ‚Das tun sie bereits‘“

(Interview mit einem teilnehmenden Anwalt, November 2011, 2:55:21).

Eine Selbstdarstellung der Anwaltschaft, vertreten durch die Bundesrechts-anwaltskammer, bezeichnet die vier „Kernqualitäten“ Unabhängigkeit, Ver-schwiegenheit, Kompetenz und Loyalität (Bundesrechtsanwaltskammer 2012), die im Grunde allesamt auf die Rolle des Interessenvertreters bezogen sind. Die Unabhängigkeit bezieht sich auf die Unabhängigkeit vom Staat und staatlichen Weisungen und macht damit eine Interessenvertretung des Einzelnen erst möglich 3 „Mandant: ‚Klient eines Rechtsanwalts‘. Eigentlich ‚der Anvertrauende‘ zu lat. mandare

‚anvertrauen, beauftragen‘“ Kluge (2002: 594); „Mandat: ‚Auftrag, Amt‘. Entlehnt aus lat. mandatum ‚Auftrag, Befehl‘, dem substantivierten PPP von lat. mandare

‚übergeben, anvertrauen‘ zu lat. manus ‚Hand‘ und dare ‚geben, reichen‘“ (ebd.).

(vgl. zum Spannungsfeld Unabhängigkeit – Loyalität in Bezug auf die Beziehung zum Mandanten aus amerikanischer Sicht Rosen 2010). Die Verschwiegenheit be-trifft das Mandat und schließt eine Verpflichtung und Berechtigung dazu vor allem gegenüber Gerichten und staatlichen Institutionen ein (Bundesrechtsanwaltskam-mer 2013d: 8). Die Kompetenz zielt auf die anwaltliche Ausbildung, die der des Richters gleichgestellt ist, sowie die Fortbildungspflicht (Bundesrechtsanwaltskam-mer 2012), ohne die eine Vertretung unmöglich wäre. Auch die Loyalität bezieht sich auf den Mandantenwillen, der die Arbeit des Anwalts maßgeblich bestimmt (Bundesrechtsanwaltskammer 2013d: 8).

Als Interessenvertreter bestehen allgemeine vertragliche Anwaltspflichten dem Mandanten gegenüber, für die der Anwalt auch haftbar zu machen ist.

Maßgeblich sind dies die Pflicht zur Aufklärung über den Sachverhalt, die Pflicht zur Prüfung der Rechtslage und die Pflicht zur umfassenden Beratung und Belehrung des Mandanten (Honisch 2011: 110ff.; Zugehör et al. 2006: 291ff.).

Der Anwalt kann dem Mandanten bei den Angaben zu seinem Sachverhalt vertrauen und ist „nicht dazu verpflichtet, die Angaben des Mandanten zu über-prüfen“ (Ganter 2010: 4). Das gilt allerdings nicht für Rechtstatsachen (Fristen, Bescheide etc.), diese ist der Anwalt verpflichtet, selbst zu prüfen (Zugehör et al. 2006: 302). Interessanterweise gehört zur Aufklärung des Sachverhalts ausdrücklich das Klären des Ziels des Mandanten (Honisch 2011: 111), was in der Praxis häufig nicht oder nur implizit kommunikativ erledigt wird (Pick 2010, 2009a, vgl. auch die Kapitel 6 und 7). Weiter gehört zu dieser Pflicht das Sammeln und Ordnen von Unterlagen und Beweisen. Die Prüfung der Rechtslage beinhaltet neben dem unbedingten Einhalten aller Fristen auch die Kenntnis der Rechtslage soweit aufzuarbeiten, wie es für die Bearbeitung nötig ist (Honisch 2011: 112; Zugehör et al. 2006: 313). Die Beratung und Belehrung des Mandanten, die persönlich zu erfolgen hat, umfasst nicht nur die anwalt-lichen Schlussfolgerungen aus Sachverhaltsaufklärung und Rechtsprüfung, sondern auch die Aufklärung über Risiken und Erfolgsaussichten. „Ihm [dem Mandanten, I.P.] ist es dadurch zu ermöglichen, eigenverantwortlich sach-gerechte Entscheidungen in der Rechtssache zu treffen“ (Honisch 2011: 114;

vgl. auch Zugehör et al. 2006: 320f.). Inwiefern dies vor dem Hintergrund des immer komplexer werdenden Rechtssystem allerdings praktisch möglich ist, dürfte fraglich sein, denn „[n]eben der zeitlichen Überforderung des Anwalts bei solchem Vorgehen wäre hier der Mandant sehr schnell zeitlich und auch strukturell überfordert“ (Bähring et al. 1989: 48).

Eng verbunden mit der Interessenvertretung ist die Rolle des Anwalts als Dienstleister, denn diese erfolgt nach Beauftragung und begründet Ansprüche auf Bezahlung. Betrachtet man dagegen die historische Entwicklung des

Berufsstandes war der Anwalt kein Ratgeber bei Problemen im täglichen Zusammenleben, sondern der Anwalt war in erster Linie Vertreter vor Gericht. „Von ihm wurde erwartet, dass er – durchaus unter Hintenanstellung der Optimierung seiner wirtschaftlichen Bedürfnisse – sich in erster Linie dem Recht und der staatlichen Rechtspflege verpflichtet fühlte“ (Busse 2010: 531).

„Der Weg zum Anwalt, um einem Streit vorzubeugen, war keine geläufige Vorstellung“ (Busse 2010: 534). Dazu kommt, dass eine anwaltliche Spezia-lisierung erst wesentlich später Einzug in das Berufsfeld gehalten hat, sodass auch eine Differenzierung innerhalb des Marktes und damit das Herausbilden von Alleinstellungsmerkmalen erschwert war (vgl. die Entwicklung der Fach-anwaltschaften, Bundesrechtsanwaltskammer 2013a).

Inzwischen wird der Anwalt oft hauptsächlich als Dienstleister wahrge-nommen und tritt teils entsprechend auf. Damit einher geht die gesetzliche Entwicklung, die Möglichkeiten freierer Honorargestaltung und Werbemaß-nahmen fördert (Vossebürger 2012: 50; Busse 2010: 643). Gleichzeitig soll-te man aber bedenken, dass Anwälsoll-te nach wie vor in kleineren Strukturen arbeiten (Hommerich 2009b). Großkanzleien, die wie Konzerne arbeiten, sind nach wie vor die Ausnahme. „2008 arbeiteten in den 68 größten Sozietäten […]

5,8% aller zugelassenen Anwälte“ (Busse 2010: 632f.; zu der Entwicklung des Anwaltsmarkts in Amerika vgl. Henderson 2010).

Obwohl der Anwalt also ‚Mietmaul‘ und Interessenvertreter des Mandan-ten ist, ist dennoch „freilich penibel zu beachMandan-ten […], daß sich der Anwalt in keinerlei Abhängigkeit von seinem Mandanten begeben darf: Er ist und bleibt Organ der Rechtspflege (§1 BRAO)“ (Hommelhoff 2000: 471). Diese Rollenbe-zeichnung des Anwalts als Organ der Rechtspflege steht in der Bundesrechts-anwaltsordnung an allererster Stelle, §1 BRAO lautet: „Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.“ Dieser Bezeichnung wurden diachron vom Bundesverfassungsgerichte verschiedene Bedeutungen zugemessen. So war 1974 der Anwalt ein „staatlich gebundene[r] Vertrauensberuf“ und erst seit 1983 können „beamtenähnliche Treuepflichten […] von einem Rechtsanwalt nicht erwartet werden“ (Ganter 2010: 2). 1987 wurden dem Rechtsanwalt dann folgende Aufgaben zugeschrieben: „Beratung und Vertretung der Rechtssuchen-den, Unterstützung der Gerichte auf dem Weg einer sachgerechten, fehlerfreien Entscheidung, Wahrung und Verteidigung der Interessen des Mandanten, Schutz vor ungerechtfertigter staatlicher Machtausübung“ (Ganter 2010: 2). Kilian (Kilian 2005: 77) expliziert den Begriff des Organs der Rechtspflege wie folgt:

„Der Rechtsanwalt ist Werkzeug (griechisch: organon) der Rechtspflege und verrichtet als solches einen zweckbedingten Dienst im Sonderinteresse einer einzelnen Partei, dessen Reflex das Dienen für die Rechtspflege als solches ist.“

Dies kann mitunter im Widerspruch zum Verständnis des Berufsbildes als Dienstleister stehen, wie folgendes Zitat zeigt:

Es gibt Situationen, wo juristisch nichts dafür spricht, für oder gegen eine bestimmte Position zu streiten. Und trotzdem… Wenn ich dem Mandanten das so gesagt habe und der sagt mir, ich möchte aber trotzdem klagen, gibt’s zwei Herzen, die in meiner Brust schlagen. Das eine ist, zu sagen, ich bin Dienstleister, ich mach das, was der Kunde möchte. Und wenn er was Unsinniges möchte… Solang ich selber nicht Unsinnigkeiten damit begehe, mach ich das auch. Das andere ist natürlich dann zu sagen, was für ein Bild erweckt man dann auch bei den Gegnern? Wenn das Überhand nehmen würde, wäre man da sehr vorsichtig (Beginn des Mandantengesprächs IP_HS_4, vgl. auch Schumann 1982: 274).

Dennoch muss das Gewinnstreben des Anwalts „hinter dem Bestreben als

‚Organ der Rechtspflege‘ richtig zu handeln sowie seinen Mandanten richtig und angemessen zu beraten und zu vertreten“ (Blattner 2012: 20) zurücktreten.

Als Organe der Rechtspflege sind Anwälte unabhängig vom Staat, das heißt, sie sind unter keiner staatlichen Aufsicht, sondern sind in einem Kammer-system selbst organisiert und kontrollieren sich selbst (Bundesrechtsanwalts-kammer 2013d: 4; Dickert 2010: 39: ff.). Aufgrund dieser Unabhängigkeit und seiner Stellung als Organ der Rechtspflege steht der Rechtsanwalt gleich-berechtigt neben den Richtern und Staatsanwälten und gewährleistet einer-seits die adäquate rechtliche Bearbeitung des Anliegens seines Auftraggebers und schafft so gleichzeitig „Waffengleichheit“ vor Gericht (Bundesrechts-anwaltskammer 2013d: 8, vgl. auch Ganter 2010: 3f.). Andererseits trägt der Rechtsanwalt aber auch dazu bei, das Rechtssystem zu entlasten und die Konfliktbearbeitung zu steuern.

Zusammenfassend sind Anwälte also unabhängige Einzelkämpfer, die nicht in den Rechtsapparat eingebunden sind wie es Richter oder andere Angehörige der Justiz sind, sie sind frei in der Wahl ihrer Mandanten und Mandate.

Dennoch sind sie Teil des Rechtssystems und erfüllen hier besondere Aufgaben.

Sie sind Vermittler zwischen dem Recht und dem ‚Geschehen im tatsächlichen Leben‘. Diese Vermittlungsrolle besteht in zwei Richtungen: Als Interessenver-treter ihrer Mandanten verhelfen sie Rechtslaien zu einer professionellen recht-lichen Bearbeitung ihrer Konflikte, als Organe der Rechtspflege sind sie als Teil des Rechtssystems vorbereitend für die weitere juristische Bearbeitung tätig und agieren als Filter, indem sie sich bemühen nur jene Konflikte zur Bearbeitung in das Rechtssystem zu vermitteln, die hier entsprechend bearbeitet werden können.

Aktuell zeichnen sich verschiedene Trends in der Anwaltschaft ab. Zum einen steigt die Zahl der Zulassungen jährlich. Zurzeit gibt es in Deutschland

rund 162.000 Rechtsanwälte, die Tendenz ist steigend (Bundesrechtsanwalts-kammer 2014). Dazu kommt die steigende Zahl der Fachanwälte in Deutsch-land, einerseits wegen der „steigende[n] Komplexität juristischer Sachverhalte“

(Kühl et al. 2011: 13), andererseits als „Profilierungsinstrument in einem gesät-tigten Markt“ (Hommerich/Kilian 2011: 93). Diese Entwicklung wird durch die sukzessive weitere Einführung neuer Fachanwaltstitel, die in den letzten Jahren auf insgesamt 20 gestiegen sind, weiter gestärkt (Bundesrechtsanwaltskammer 2013b, 2013a). Neben der stärker werdenden Spezialisierung haben aber auch die Neuen Medien Einfluss auf das anwaltliche Berufsbild und den Anwalts-markt, was Folgen für das persönliche Erstgespräch mit dem Mandanten mit sich bringt. „Der früher selbstverständliche Kontakt zwischen Mandant und dem von ihm ausgewählten Anwalt von Auge zu Auge wird heute teilweise bereits durch Beratungshotlines und Online-Beratung ersetzt“ (Busse 2010: 642). Insge-samt scheint sich durch die Kombination all dieser Entwicklungen eine stärkere Konkurrenzsituation auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt abzuzeichnen.

Im Dokument Das anwaltliche (Seite 29-36)