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Aufklären über die Rechtslage

Im Dokument Das anwaltliche (Seite 146-150)

Phasen, Ablauf, Typen

5 Ablauf und Typen anwaltlicher ErstgesprächeErstgespräche

5.4 Gesprächsphasen im anwaltlichen Erstgespräch

5.4.3 Aufklären über die Rechtslage

Auf die Themenexploration und -zuspitzung folgt nun im anwaltlichen Mandantengespräch das Besprechen der Lage, in der der Mandant sich aus rechtlicher Sicht befindet. Dazu klärt der Anwalt den Mandanten über seine rechtliche Bewertung des Sachverhalts auf.

Das Aufklären über die Rechtslage ist gekennzeichnet durch die Einordnung des Gehörten in juristische Kategorien und ein Einfügen des Sachverhaltes in die juristische Welt und geht mit einer rechtlichen Bewertung einher (vgl. Kapitel 8).

Diese muss nicht immer verbalisiert werden, eine rechtliche Begutachtung kann ausschließlich mental vorgenommen werden und nicht einmal das Ergebnis wird dem Mandanten in allen Gesprächen explizit mitgeteilt werden. Dennoch finden sich in allen Gesprächen zumindest Hinweise auf eine vorangegangene Begutachtung, sei es durch die Vermittlung von Fachwissen, die sich auf eine vorangegangene (nicht verbalisierte) Begutachtung bezieht oder durch Handlungspläne, die eine Begutachtung voraussetzen und implizieren.

Diese Phase ist typisch und konstitutiv für das anwaltliche Mandantengespräch.

Hier wird eine der anwaltlichen Kernaufgaben manifest: Die rechtliche Begutachtung eines lebensweltlichen Sachverhaltes und das damit einhergehende Prüfen von Ansprüchen des Mandanten, um den Weg für eine weitere Bearbeitung zu ebnen (vgl. Kapitel 8). Obwohl in dieser Phase die wichtigsten Weichen für die Beratung gestellt werden, findet sie sich nicht in den oben angeführten linguisti-schen Phasenmodellen (Schank oder Boettcher nennen ausschließlich die Handlungsplanung, Wunderlich den Ratschlag). Die Sachverhaltsbegutachtung hingegen besteht nicht oder nicht überwiegend aus einem Ratschlag und ist nicht zu verwechseln mit der Handlungsplanung, die daran anschließt, sondern beinhaltet eine Bewertung des Sachverhalts vor dem Hintergrund der juristischen Bewertungskategorien und Handlungsmöglichkeiten.

Da diese Phase ein wichtiger Kern des Mandantengesprächs ist sowie für die Klassifikation der verschiedenen Typen eine Rolle spielt, wird sie hier als eigene Phase behandelt. Auch in den juristischen Phasengliederungen spielt diese Phase im Gegensatz zu den linguistischen Modellen eine Rolle. König/Weth (König/

Weth 2004b: 25f.) nennen ausdrücklich die „Klärung der rechtlichen Lage“ als Bestandteil des Mandantengesprächs: „In der Regel werden hier auch Fragen zu erörtern sein, von denen der Mandant (von sich aus) nicht weiß, dass sie wichtig sind.“ Auch Kilian nennt unter der Phase „Antworten“ die rechtliche Bewertung:

„In der Phase 3 ist es an dem Rechtsanwalt, dass sich diese Gedanken kristalli-sieren und in einer dem Mandanten kommunizierten vorläufigen Bewertung niederschlagen“ (Kilian 2008: 34).

Beispiele Aufklären über die Rechtslage Sachverhaltsbegutachtende Rechtsberatung

In diesem Ausschnitt ist der Beginn der Aufklärung über die Rechtslage, hier deutlich durch die Pause und das Gliederungssignal abgetrennt („((2s)) Gut“ Fl. 235). Der Anwalt leitet eine Bewertung aus seiner Sicht mit „Also ich würd auch sagen“ (Fl. 235) ein und gibt zunächst eine Zusammenfassung seines Ergebnisses („das reicht • • • so nicht aus“ , Fl 235f.). Mit dem „auch“ zeigt er an, dass er sich grundsätzlich der Auffassung des Mandanten anschließt, dieser also mit einer möglichen weiteren rechtlichen Bearbeitung rechnen kann, was ein Merkmal der sachverhaltsbegutachtenden Beratung ist. Hier zeigt sich auch, dass das Aufklären über die Rechtslage sehr knapp ausfallen kann, denn auch wenn der Anwalt die Stellungnahme der Gegenseite inhaltlich wiederholt, so besteht die Verbalisierung seiner Bewertung lediglich darin, diese als problematisch einzustufen (Fl. 238f.). Damit vermittelt er dem Mandanten zwar, dass sein Sachverhalt erfolgreich bearbeitbar ist, begründet dies aber kaum und vermittelt dem Mandanten auch das entsprechende Wissen dazu nur implizit über die Kontrastierung seiner Einschätzung mit der Sicht der Gegenseite.

[235]

A (m) V*XW$OVRLFKZ¾UGHDXFKVDJHQGDVUHLFKWವವವVR

M (m) YRUVWHOOHQ [236]

A (m) QLFKWDXVHD:HLOವವ$OVRGLHKDEHQMD]ZHLLL*U¾QGHJHQDQQWGDV [237]

A (m) HLQHEHLP%'LHQVWGDIRGHUGUHL*U¾QGHZRKO(UVWHQVEHLP%'LHQVW [238]

A (m) VZLUGQHEHVRQGHUHN¸USHUOLFKHವ)¦KLJNHLWYHUODQJWವವ6FKRQ [239]

A (m) GLHVH*UXQGDQQDKPHLVWSUREOHPDWLVFKV'DQQKHL¡WHV6LH PC_CS_1

Rechtsgestaltende Rechtsberatung [569]

A (m) $OVR†¦KDXFKGDZ¦UHPDQQDW¾UOLFKವವZ¾UGVDJHQIUHLLQLQ

M (m) ODFKW

[570]

A (m) LQLQHLQHU)HVWOHJXQJ :DVPDQK¦XILJWXWLQGLHVHQ)¦OOHQLVWವ

M (m) +K

[571]

A (m) ವ¦KGDVVPDQVDJW¦KPVZHQQGLH%HWHLOLJWHQVLFKQLFKWHLQLJHQ [572]

A (m) DXIವGHQ:HUW8QGDXV]XJHKHQLVWQDW¾UOLFKವವDEHUGDVLVWOHW]WHQ GS_KB_1

Beispiele Aufklären über die Rechtslage Sachverhaltsbegutachtende Rechtsberatung

In diesem Beispiel aus dem Erbrecht zeigt sich, dass in gestaltenden Beratungen hypothetische Sachverhalte in der Zukunft begutachtet werden. Hier geht es um die Festlegung des Wertes eines Hauses im Erbfall, der zum Zeitpunkt des Gesprächs noch in der Zukunft liegt. Der Anwalt klärt hier zunächst über die Rechtslage auf, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt gilt („da wäre man natürlich • • würd ich sagen frei“…

Fl. 569f.) und geht dann dazu über, den zukünftigen Sachverhalt zu benennen, „wenn die Beteiligten sich nicht einigen“… Fl. 570ff.). Auch hier zeigt sich der schnelle Übergang in die nächste Phase und damit die kurze Begutachtung, denn der Anwalt beginnt, direkt Handlungspläne für den genannten hypothetischen Sachverhalt zu formulieren („Was man häufig tut“… Fl. 570f.). Diese Handlungsplanung unterbricht er in der Folge dann allerdings doch zugunsten einer erneuten Benennung der Rechtslage („auszugehen ist natürlich“…, Fl. 572ff.).

Bearbeitungsverwerfende Rechtsberatung [455]

M (m) Gemeinschaft geführt, dann, dann kann des ned sein, dass i heit äh mit null [456]

A (w) ((1,7s)) Hmhm̄ Aber den Re/ den Rechtsgrundsatz gibt s nicht.

M (m) rausgeh. So is ja a ned, oder?

[457]

A (w) Nein, so ist es nicht. Nein, so ist es nicht.

A (w) [k] lachend

M (m) So ist es ja nicht? Sagen Sie des. Also Sie

M (m) [k] staccato [458]

A (w) Doch äh, das g… Das muss nicht so

M (m) geben mir Recht. So ist es nicht.

[459]

A (w) sein, dass Sie aus ner nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit was [460]

A (w) rausgehen. Sie können auch mit null rausgehen.((1,6s)) Das kann auch

M (m) Dann

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In diesem Beispiel wird die Phase der Aufklärung über die Rechtslage durch eine Pause sowie ein Prädivergenz signalisierendes Hörersignal der Anwältin (Fl. 456) markiert.

Damit deutet sich bereits an, dass es für das Ziel des Mandanten keine rechtliche Grundlage gibt, was sie in der Folge expliziert („Aber den Re/den Rechtsgrundsatz gibt s nicht“ , Fl. 456). Damit wird gleichzeitig die Erfolglosigkeit der Zielerreichung durch eine rechtliche Bearbeitung deutlich. Dass damit die Erwartungen des Mandanten enttäuscht werden, zeigt sich daran, dass hier zunächst ein Missverständnis entsteht, da der Mandant

noch von seinen ursprünglichen Erwartungen (er habe Ansprüche und gehe nicht mit null raus, Fl. 455f.) ausgeht. Diese möchte er von der Anwältin explizit bestätigt bekommen („Sagen sie des. Also Sie geben mir Recht“ Fl. 457f.), was einerseits anzeigt, dass er selbst davon überzeugt ist, aber andererseits auch die besondere Wichtigkeit dieser Phase für das Mandantengespräch hervorhebt: Der Mandant geht zum Anwalt, um über die Rechtslage aufgeklärt zu werden. Dieses Beispiel rechtfertigt vor allem im Vergleich zu den beiden anderen auch besonders die Abgrenzung des Typs der verwerfenden Beratung als eigenen Typ des anwaltlichen Erstgesprächs, obwohl sich diese auf der Basis der Konstellation nur durch ihre weitere Bearbeitbarkeit unterscheiden. Da aber, wie hier deutlich wird, kommunikativ sehr unterschiedliche Anforderungen an die Beteiligten gestellt werden, sollten auch diese bei der Unterscheidung der Typen berücksichtigt werden.

Hier finden sich Besonderheiten und Unterscheidungsmerkmale für alle Typen, was sicherlich auch die besondere Bedeutung dieser Phase für das Mandantengespräch begründet. In der sachverhaltsbegutachtenden Beratung bestätigt das Ergebnis der Anspruchsprüfung und rechtlichen Begutachtung durch den Anwalt eine mögliche und erfolgversprechende rechtliche Bearbeitung des Problems. Hier wird der Fokus dann zügig auf die Handlungsplanung verlagert. In aller Regel wird die Phase der Aufklärung über die Rechtslage expandierter, je weniger sich das Ergebnis mit den Erwartungen des Mandanten deckt.

In der gestaltenden Beratung werden die Mandanten einerseits über ihre gegenwärtige Lage aufgeklärt, die z. B. im Fall eines Ehevertrages bereits bestimmte bestehende gesetzliche Vertragsfolgen betreffen würde. Weiter werden hier aber verstärkt hypothetische Sachverhalte in der Zukunft begut-achtet, für die Regelungen getroffen werden sollen. Dazu können Sachverhalte in der Zukunft nur unter dem Wissen und der Rechtslage der Gegenwart begut-achtet werden. Ebenfalls ist die Themenwahl der hypothetisch zu begutach-tenden Sachverhalte hier stärker vom Anwalt mitbestimmt, da die Sachverhalte im Vergleich zur begutachtenden Beratung breiter und weniger fallspezifisch sind.

In dieser Phase findet sich vor allem für den Typ verwerfend ein großer Unterschied zu den anderen Typen, denn hier wird das Ergebnis der Anspruch-sprüfung negativ ausfallen und die Erwartungen des Mandanten enttäuscht, der mit dem Besuch des Anwalts zunächst von einer Bearbeitungsmöglichkeit ausgeht. Damit kann eine intensivere Wissensvermittlung zur Begründung einhergehen. Darüber hinaus werden hier auch die Weichen für das weitere Gespräch gestellt, denn die Besprechung der rechtlichen Weiterbearbeitung des vom Mandanten angestrebten Ziels ist nun nicht mehr möglich.

Spezifika der Typen in der Gesprächsphase

Sachverhaltsbegutachtend Gestaltend Verwerfend Ergebnis der

Anspruchsprüfung positiv und Begutachtung des Sachverhalts = positiv, Ziele umsetzbar. Zukunft = positiv, Ziele umsetzbar, auch der der Ziele der Mandanten ist nicht mehr möglich. zur Begründung der nicht möglichen/nicht erfolgreichen Weiterbearbeitung erfolgen.

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