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3 Internationale Migration nach Deutschland

3.2 Arbeitsmarktauswirkungen

3.2.1 Auswirkungen auf die Beschäftigung

3.2.1.2 Kritik am Konzept der Gastarbeiter

n

markt, im Rahmen des Familiennachzugs kamen nichterwerbstätige Personen. Aussagen über Aussiedler bzw. Spätaussiedler erweisen sich als schwierig, insbesondere bei der Einteilung in qualifizierte bzw. geringqualifizierte Arbeitskräfte.

Die Zuwanderung von IT-Spezialisten im Rahmen der Green Card-Regelung bestätigt die theoretischen Ergebnisse, dass Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräfte zu einer Zu-nahme der Beschäftigung in beiden Sektoren führt.

3.2.1.2 Kritik am Konzept der Gastarbeiter

An der umfangreichen Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte gab es nur vereinzelt Kritik.

Damals wurde unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten argumentiert, dass die Ausländer-beschäftigung unrentable Arbeitsplätze konservierte, technischen Fortschritt verzögerte und deshalb die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verschlechterte. Ob Investitionen in Rationalisierungen und Mechanisierungen das Problem gelöst hätten, wird unterschiedlich bewertet. Münz (2000) vertritt die Ansicht, dass auf diese Weise der Arbeitskräfteman k

reich, vorübergehend ausländische Arbeiter zu ‚importieren’ als kostenträchtige Investitionen vor dem Hintergrund eines noch unsicheren Aufschwungs zu tätigen. Pagenstecher (1995) allerdings meint, dass ein solches Vorgehen aufgrund des Kapitalmangels der Wirtschaft nicht möglich gewesen wäre.233

Am Konzept der Gastarbeiteranwerbung kann kritisiert werden, dass das ursprünglich

geplan-232 Vgl. Zuwanderungsrat, 2004, S. 133f. Die entsprechende Regelung findet sich in Sozialgesetzbuch III, § 285 Abs. 1 Nr. 2; demnach kann eine Arbeitserlaubnis erteilt werden, wenn „... für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, nicht zur Verfügung stehen ... .“

233 Vgl. Münz, 2000, S. 61; vgl. Werner, 2001a, S. 4; vgl. Pagenstecher, 1995, S. 6.

kein Rotationszwang.234 Im Laufe der späten sechziger Jahre mehrten sich kritische Stimmen an den befristeten Arbeits- und Aufenthaltserlaubnissen, „zum einen, weil die Arbeitgeber wegen zu hoher Kosten kein Interesse an Rotationsmodellen hatten, zum anderen, weil die Migranten wegen schlechter Rückkehrperspektiven im Land bleiben wollten.“235 Nach Kritik von Seiten der Arbeitgeber, der Gastarbeiter und sogar der Gewerkschaften sowie einiger Herkunftsländer erleichterte die Bundesregierung im April 1971 die Verlängerung von Ar-beits- und Aufenthaltsgenehmigungen; demnach wurde die Geltungsdauer einer Arbeitser-laubnis bei erstmaliger Erteilung auf zwei Jahre verdoppelt und konnten diejenigen Ausländer eine Genehmigung für weitere fünf Jahre beantragen, die bereits fünf Jahre beschäftigt wa-ren.236 Um zusätzlich Fluktuation in den Betrieben entgegenzuwirken bzw. die Eingliederung

ort zu erleichtern, wurden gezielt Ehepaare vermittelt oder ließen sich Unternehmen von

lung differenzierter analysiert, so ass sich eine andere Einschätzung ergibt. Zentrale Aussage dieses Kritikpunktes ist das Missverhältnis in der Entwicklung von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage.238

rbstätigen nur von 26,3 Millionen auf 26,7 Millionen stieg.239 Der

d

bewährten ausländischen Mitarbeitern Verwandte empfehlen, die sie dann beim Arbeitsamt namentlich anforderten.237 Infolge dieser Entscheidungen bzw. Maßnahmen verstetigte sich der Aufenthalt der Zuwanderer. Die anfangs als vorübergehend geplante Anwerbung von Gastarbeitern entwickelte daher im Laufe der Jahre eine politisch kaum noch kontrollierbare Eigendynamik, die sich später im Familiennachzug fortsetzte.

Rückblickend wird teilweise die wirtschaftliche Entwick d

Von 1950 bis 1955 stieg die Arbeitsnachfrage überproportional an, so dass sich die Arbeitslo-senzahlen fast halbierten und Erwerbspersonenzahl sowie -quote erhöhten. Ab 1955 begann ein überproportionaler Rückgang des Arbeitsangebots von Seiten der deutschen Erwerbsbe-völkerung, der ununterbrochen bis Anfang der siebziger Jahre andauerte. Dieser Zustand der langjährigen Arbeitsübernachfrage führte dazu, dass bis 1960 die Arbeitslosigkeit abgebaut war, von da an – ohne die Rezession 1966/67 – für die nächsten Jahre Vollbeschäftigung herrschte und die Vakanzen stiegen. Er zeigt sich außerdem in der Tatsache, dass im Laufe der sechziger Jahre trotz einer Zuwanderung von zwei Millionen ausländischen Arbeitskräften die Gesamtzahl der Erwe

234 Lediglich mit der Türkei gab es von 1961 bis 1964 eine Rotationsklausel; vgl. Bade, 2000, S. 335.

235 Angenendt, 1997, S. 36.

236 Vgl. Münz et al., 1997, S. 40 und 52f; vgl. Bauer, 1998, S. 11.

237 Vgl. Pagenstecher, 1995, S. 8; bis 1971 stieg die namentliche Anwerbung auf über ein Drittel. Die Gebühr für die Vermittlung ausländischer Arbeitskräfte erhöhte sich im Laufe der Zeit von 61 Euro auf 511 Euro;

vgl. Bauer, 1998, S. 19f.

238 Vgl. für die Ausführung Miegel, 1984, S. 95-124.

239 Vgl. Bade, 2000, S. 318.

anhaltende Rückgang der in dem Zeitraum von 1961 bis 1973 von Deutschen effektiv er-brachten Arbeitsmenge belief sich auf knapp ein Fünftel und ging auf Verkürzung der

Wo-hr deren substitutive Eigenschaften.244 Seiner Meinung nach bestünde zwischen rbeitslosen Deutschen und beschäftigten Ausländern ein ausgeprägtes Konkurrenzverhältnis.

chenarbeitszeit (50 Prozent), Rückgang der Erwerbsquote (vor allem durch Verkürzung der Lebensarbeitszeit; 22 Prozent), Verlängerung des Urlaubs (15 Prozent) und Verringerung des erwerbsfähigen Bevölkerungsteils (13 Prozent) zurück. Allein der Abbau der Jahresarbeitszeit entsprach einer Verringerung der Arbeitsmenge von etwa 260.000 Arbeitskräften pro Jahr.

Insgesamt hätte die Lücke zwischen tatsächlicher und hypothetisch erforderlicher Arbeitszeit von 1960 bis 1974 rein rechnerisch dadurch geschlossen werden können, wenn die deutsche Erwerbsbevölkerung pro Arbeitswoche eine halbe Stunde mehr gearbeitet hätte.240 Stattdessen entschieden sich die offiziellen Entscheidungsträger für Anwerbevereinbarungen mit anderen Ländern. Miegel (1984) urteilt darüber: „Doch Tarifparteien wie Politiker nahmen immer wieder Weichenstellungen vor, die von einer sachgerechten Problemlösung weit entfernt wa-ren. Dabei ist die Anwerbung eines Heeres von Arbeitskräften außerhalb der Europäischen Gemeinschaft nur eines von vielen Beispielen für die unzureichende Lösung zentraler ar-beitsmarktpolitischer Aufgaben.“241

In diesem Zusammenhang muss man auch die Kritik von Schmidt am Begriff „Wirtschafts-wunder“ sehen: „Dass das ‚Wunder’ auch seine Grenzen hatte, weil es eben kein ‚Wunder’, sondern nur eine auf günstige interne und externe Bedingungen gegründete, langwährende Prosperitätsphase war, sahen die wenigsten.“242 Eine der günstigen Bedingungen war die Un-terbewertung der Deutschen Mark.243 Dadurch blieb die ausländische Nachfrage nach deut-schen Exportgütern auf hohem Niveau und gleichzeitig die inländische Nachfrage nach Im-portgütern gering, so dass der Arbeitskräftebedarf in Deutschland nicht abriss.

Den komplementären Charakter der ausländischen Arbeitskräfte bestreitet Wehrmann und betont vielme

a

Zwischen 530.000 und 950.000 arbeitslose Deutsche könnten die Arbeitsplätze von

240 Es muss bei dieser Rechnung berücksichtigt werden, dass sich die Gastarbeiter nicht gleichmäßig über die Volkswirtschaft verteilten, sondern sich in Branchen mit erschwerten Arbeitsbedingungen konzentrierten.

Gerade dort war die angebotene Arbeitsmenge stark und schnell zurückgegangen, so dass ein umso größerer Bedarf an ausländischen Arbeitnehmern herrschte; eine halbe Stunde Mehrarbeit in diesen Sektoren hätte das Problem der Arbeitsübernachfrage nicht gelöst.

241 Miegel, 1984, S. 27. Straubhaar, 2000, S. 9, formuliert es anders: „When German officials realized the inefficiency of the guest worker system they closed the front door in 1973.“

242 Schmidt, 1983, S. 136.

243 Vgl. Miegel, 1984, S. 189, Fußnote 46.

244 Vgl. Wehrmann, 1989, S. 146-148.

dern übernehmen, da sie sich in Tätigkeits-, Geschlechts- und Altersstruktur decken würden.

Dies gilt für ihn als Beweis seiner „... These, dass .. gerade ein rückläufiges Ausländerkontin-gent die inländische Erwerbsbevölkerung auf den Vollbeschäftigungspfad zurückführt.“245 Die Länder, mit denen Anwerbeabkommen getroffen worden waren, hofften ihrerseits, von den Vereinbarungen zu profitieren. Denn dort stieg zu der betreffenden Zeit die Zahl der Ar-beitssuchenden beständig, so dass auf diese Weise deren Überschuss an Arbeitskräften ver-ringert und damit auch ihre staatlichen Unterstützungsleistungen gesenkt werden sollten; zu-sätzlich erwartete man durch Lohngeldtransfers der Gastarbeiter Devisenzuflüsse, und dass nach einer gewissen Zeit die Gastarbeiter mit ihrem erworbenem Wissen sowie Ersparnissen ins Heimatland zurückkehren würden. Inwieweit diese Hoffnungen erfüllt wurden, bleibt fraglich. Denn die deutschen Anwerbekommissionen nahmen durch ein Auswahlverfahren gezielt Einfluss auf die potenziellen Gastarbeiter: „In fact the procedure led to the selection of

the healthiest and most able workers, in opposition to the interests of the sending countries, which had hoped for a reduction of their labour market problems, not an exodus of their best workers.“246 Zur Deckung des deutschen Arbeitskräftebedarfs wurden den Herkunftsländern also vorsätzlich junge, qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte genommen, so dass es dort zu einem nicht unerheblichen brain drain kam. Ferner konnten Gastarbeiter ihre in den Auf-nahmeländern erworbenen neuen Qualifikationen in ihren Herkunftsländern kaum oder gar nicht einsetzen.247

Der Zuwanderungsrat urteilte, dass aus heutiger Perspektive die zahlreiche Anwerbung ge-ringqualifizierter ausländischer Arbeitskräfte unter den damaligen Gesichtspunkten „mithin sinnvoll“ war. Denn der Mangel an Arbeitskräften bremste die wirtschaftliche Entwicklung;

gleichzeitig bewertete er allerdings die Anwerbung einer zu hohen Zahl von Geringqualifi-zierten als „... Fehlsteuerungen mit – teilweise unbeabsichtigten – Langzeitwirkungen ... .“248 Wie erfolgreich die ausländischen Arbeitskräfte und ihre Nachkommen auf dem Arbeitsmarkt waren bzw. sind, wird im folgenden Abschnitt untersucht.

245 Wehrmann, 1989, S. 148, Hervorhebung durch Wehrmann.

246 Werner, 2001a, S. 7.

247 Vgl. Bade, 2000, S. 320. Eine allgemeine Diskussion der Frage „Does Emigration stimulate Development?“

mit besonderem Schwerpunkt auf Süd-Nord-Migration findet sich in Hermele, 1997, S. 136-140.

248 Zuwanderungsrat, 2004, S. 192 und 3f.