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3 Internationale Migration nach Deutschland

3.1 Demografische Auswirkungen

3.1.3 Aussiedler und Spätaussiedler

Als eine weitere große Einwanderungsgruppe kamen Aussiedler und kommen Spätaussiedler nach Deutschland. Die Abgrenzung zwischen beiden Bezeichnungen erfolgt durch das „Ge-setz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge“ (Bundesvertriebenenge„Ge-setz), das genaue Definitionen enthält und die Aufnahme der „... wegen ihrer deutschen Volkszuge-hörigkeit auch heute noch von den Folgen des Zweiten Weltkriegs und seinen Nachwirkungen ... “128 betroffenen Personen regelt.

Als Aussiedler werden Vertriebene mit deutscher Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörig-keit angesehen, die ihren Wohnsitz vor dem 08.05.1945 in den ehemals unter fremder Ver-waltung stehenden deutschen Ostgebieten sowie Danzig, Estland, Lettland, Litauen, in der ehemaligen Sowjetunion, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugosla-wien, Albanien oder China hatten und diese Gebiete bis zum 31.12.1992 verließen.129 Spät-aussiedler sind deutsche Volkszugehörige, welche die oben genannten Gebiete seit dem 31.12.1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen.130 Sie gelten nicht mehr als Vertrie-bene.

Das Kriterium der deutschen Volkszugehörigkeit ist für diejenigen erfüllt, die sich in ihrer

tzes und „... haben bei rer Einreise in Deutschland Anspruch auf einen deutschen Pass ... .“132 Diese Regelung be-ruht auf dem „... ius-sanguinis-Prinzip der Staatsbürgerschaft, demzufolge auch jene Personen als Deutsche gelten, die seit Generationen außerhalb des Landes leben und zu Deutschland in vielen Fällen keine substantiellen Beziehungen mehr unterhalten.“133

Als Folge von teilweise Jahrhunderte zurückliegenden Auswanderungen von Deutschland in Richtung Ost- und Südosteuropa – daher die Bezeichnung „Deutsche Ostsiedlung“ – wies bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben den größeren deutschen Sprach- und Siedlungsgebieten

Heimat zum deutschen Volkstum bekannt haben, „... sofern dieses Bekenntnis durch be-stimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.“131 Sie gel-ten nach Artikel 116 Grundgesetz als Deutsche im Sinne des Grundgese

ih

128 Bundesverwaltungsamt, 2003a, nach Internet.

129 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Bundesvertriebenengesetz.

130 Vgl. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz.

131 § 6 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetz; in § 6 Abs. 2 heißt es: „Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden berufli-chen oder wirtschaftliberufli-chen Nachteilen verbunden war, jedoch aufgrund der Gesamtumstände der Wille un-zweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören.“

132 Müller, 2002, S. 25.

133 Santel, 1995, S. 17.

wie Siebenbürgen, Banat (Rumänien) oder an der Wolga jedes Land in ganz Ost- und Südost-europa eine gewisse Zahl an deutschen Streusiedlungen auf. Vor dem Zweiten Weltkrieg leb-ten jenseits der östlichen Reichsgrenzen schätzungsweise rund acht Millionen Deutsche oder Personen deutscher Abstammung.134 Nach Zwangsumsiedlungen während und im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg lebten 1950 jenseits der deutschen Ostgrenzen noch ca. vier Milli-onen Deutsche, deren Leben in der Regel von „... unterschiedlich stark ausgeprägte[r] Unter-drückung, .. Einengung bzw. Nichtakzeptanz ethnischer, religiöser und sprachlich-kultureller Minderheiten ... “ gekennzeichnet war.135 Aufgrund dieser mangelnden sozialen Integration bis hin zur Isolation sowie anhaltenden Anfeindungen hegten viele deutsche Staatsangehörige und Volkszugehörige den Wunsch, die fremd gewordene Umgebung zu verlassen und nach Deutschland zurückzukehren. „Allerdings spielte diese ethnisch privilegierte Einwanderung bis Mitte der 80er Jahre quantitativ eine geringere Rolle, weil der Eiserne Vorhang und diver-se administrative Hindernisdiver-se eine Ausreidiver-se aus der östlichen Hälfte Europas im Regelf l

unmöglich mach mmunistischen

Ländern ermöglichte die „Ab ’ zu leben“137, so dass allein on 1986 bis 1990 insgesamt 1.098.102 Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland kamen

al ten.“136 Doch der einsetzende politische Umbruch in den ko

sicht, als ‚Deutsche unter Deutschen v

– übrigens nicht in die Deutsche Demokratische Republik, zumal neben materiellen Überle-gungen das dortige politische System des Kommunismus zu sehr der bisher erlebten Unter-drückung und Unfreiheit entsprach. „Es waren zum geringeren Teil aus dem ehemaligen Reichsgebiet deportierte ‚Reichsdeutsche’ und zum größten Teil ‚Volksdeutsche’ ausländi-scher Staatsangehörigkeit, deren Vorfahren vor Generationen, zum Teil auch schon vor Jahr-hunderten den deutschsprachigen Raum verlassen hatten.“138

Abbildung 3.3 zeigt die Entwicklung der Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern seit 1985. Sie verdeutlicht, dass 1990 mit 397.073 Aussiedlern der größte Zustrom erfolgte;

seitdem verringerte sich ihre Zahl kontinuierlich.

134 Vgl. Bade, 2000, S. 412.

135 Bade, 1992b, S. 407.

136 Münz, 2001, S. 177f.

137 Bade, 1992b, S. 408.

138 Bade, 2000, S. 412.

104.916

1985 1986 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

Abbildung 3.3: Anzahl der Aussiedler bzw. Spätaussiedler seit 1985 Daten: Bundesverwaltungsamt, 2004, S. 4.

Der Rückgang ist im Wesentlichen auf administrative Beschränkungen zurückzuführen. Seit Juli 1990

377.055 400.000

muss im Herkunftsland ein Einreiseantrag gestellt werden, zuvor waren Einreise nd Einbürgerung bedeutend liberaler gehandhabt worden. Die deutsche Volkszugehörigkeit

397.073 450.000

u

wird anhand eines ungefähr 50 Seiten umfassenden Fragebogens ermittelt.139 Das Kriegsfol-genbereinigungsgesetz vom Dezember 1992 legte ein kontingentiertes Einwanderungsverfah-ren fest, wonach die Aufnahme pro Jahr auf 200.000 Personen mit plus/minus 10 Prozent Abweichung begrenzt wurde.140 Infolge des Haushaltssanierungsgesetzes 1999 darf der Vor-jahreswert, nämlich 103.080 Spätaussiedler, um nicht mehr als 10 Prozent überschritten wer-den.141 Außerdem muss seit 1996 jeder Spätaussiedler nach § 6 Bundesvertriebenengesetz in einem Sprachtest, der noch im jeweiligen Herkunftsland durchgeführt wird, nachweisen, dass er zum Zeitpunkt seiner Ausreise über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, um sich im Alltag zurechtzufinden und ein flüssiges, in ganzen Sätzen erfolgendes Gespräch über einfa-che Themen des alltäglieinfa-chen Lebens zu führen.142 Das neue Zuwanderungsgesetz schreibt seit

139 Vgl. Münz, 2000, S. 54.

140 Vgl. Weber, 1997, S. 2.

141 Vgl. Integrationsbeauftragte, 2004a, S. 27.

142 Vgl. Bundesverwaltungsamt, 2003b und 2003c, jeweils nach Internet. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und das Bundesverfassungsgericht präzisierten in Urteilen die an die Spätaussiedler gestellten Sprachanforderungen, die inzwischen lediglich von etwa der Hälfte der Antragsteller erfüllt werden; vgl. In-tegrationsbeauftragte, 2004a, S. 27-29.

Januar 2005 vor, dass auch Familienangehörige von Spätaussiedlern sprachliche Grundkennt-nisse nachweisen müssen, wenn sie in den Aufnahmebescheid einbezogen werden.143

ie Gesamtzahl der Aussiedler und Spätaussiedler von 1950 bis 2003 beträgt nach den statis-tischen Erfassungen des Bundesverwaltungsamtes 4.387.267 Personen; Anhang sechs gibt

ei nach der Herkunft der Aussiedler unterschieden wird. Aus dieser ufstellung geht hervor, dass noch gegen Ende der achtziger Jahre die Mehrheit aus

polni-maligen Sowjetunion

etreffenden östlichen Gebieten existieren nicht. Das Bundesministerium

n Auswanderungswilligen ewirkt haben.“148 Lediglich das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz begrenzt zeitlich den Zu-strom von Spätaussiedlern, denn „alle nach 1993 geborenen Angehörigen der deutschen

D

diese Statistik wider, wob A

schen Aussiedlern bestand, sich die Anträge aus Rumänien 1990 auf über 111.000 fast ver-fünffachten, aber seit Mitte der neunziger Jahre der Zustrom fast ausschließlich aus den Re-publiken der ehemaligen Sowjetunion kommt (96 bis 99 Prozent), hauptsächlich aus der Rus-sischen Föderation und aus Kasachstan.144 Die Verschiebung ergab sich aus den Regelungen des Bundesvertriebenengesetzes. Antragsteller aus anderen Staaten als der ehemaligen Sow-jetunion müssen seit Ende Dezember 1992 – trotz Normalisierung der Verhältnisse – ihre ak-tuelle ethnische Diskriminierung oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen im Her-kunftsland nachweisen.145 Spätaussiedler aus den Republiken der ehe

hingegen müssen diesen Nachweis nicht erbringen: „Bei Spätaussiedlern aus den Nachfolge-staaten der ehemaligen Sowjetunion wird ein Kriegsfolgenschicksal dagegen gesetzlich ver-mutet.“146

Aussagen über den zukünftigen Zustrom von Spätaussiedlern können nur schwer getroffen werden, denn verlässliche Statistiken über die Größenordnung deutschstämmiger Bevölke-rungsgruppen in den b

des Innern schätzte 1995, dass allein in den GUS-Staaten noch mindestens zwei Millionen Deutschstämmige lebten.147 Ihre Neigung, nach Deutschland zurückzukehren, kann nicht be-urteilt werden, zumal zusätzlich „... die bislang von deutscher Seite initiierten Aktivitäten hinsichtlich einer Wiederherstellung bzw. Neuausrichtung deutscher Siedlungsbezirke in Russland und der Ukraine keine relevante Umorientierung bei de

b

143 Vgl. Bundesministerium des Innern, 2004a, S. 6. Im Rahmen des Familiennachzugs benötigen Ehegatten und minderjährige Kinder keinerlei Sprachkenntnisse; vgl. Zuwanderungsrat, 2004, S. 249.

144 Vgl. Brucker et al., 2003, S. 69.

145 Vgl. Bundesverwaltungsamt, 2003c, nach Internet; vgl. § 4 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz.

146 Integrationsbeauftragte, 2004a, S. 27.

147 Vgl. Poschner, 1996, S. 7.

148 Mester, 2000, S. 72.

derheit in Osteuropa und der vormaligen Sowjetunion können demnach keinen Antrag auf die Anerkennung als Aussiedler mehr stellen.“149