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1 Einleitung

1.2 Migration

1.2.3 Auswirkungen auf das Aufnahmeland

In den letzten Jahrhunderten prägten Migrationsströme entscheidend das Weltbild, wenn man nur an die Besiedelung des nord- und südamerikanischen Kontinents oder Australiens sowie die Entstehung der dortigen Staaten denkt. Die millionenfache transkontinentale Wanderung aus Europa nach Übersee kann „... als die größte grenzüberschreitende Bevölkerungsver-schiebung aller Zeiten bezeichnet werden. Ihr quantitativer Umfang und ihre besondere Dy-namik prägten die Entwicklungsgeschichte nahezu sämtlicher europäischer Staaten.“39 Insbe-sondere die umfangreiche Zuwanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika wirkte sich nachhaltig auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes aus und bildete die Grundlage für den Status quo: „Ohne die millionenfache Einwanderung wäre es den Vereinigten Staaten nicht gelungen, innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne zur ökonomisch führenden Macht der Welt aufzusteigen.“40

Doch schon früher war man sich der Bedeutung von Zuwanderung bewusst. So hatte Zarin Katharina II. im Juli 1763 ein „Einladungsmanifest“ erlassen, um das russische Territorium durch europäische Zuwanderung im Süden und Westen ausreichend zu besiedeln und wirt-schaftlich zu erschließen; Privilegien – wie Religionsfreiheit, bis zu 30 Jahre Steuerfreiheit,

39 Santel, 1995, S. 42.

40 Santel, 1995, S. 38.

Befreiung von Militär- und Zivildienst, staatliche Unterstützung bei der Umsiedlung – wurden in Aussicht gestellt. Diese Bemühungen folgten der Argumentation der „Populationstheorie“:

Eine durch Einwanderung zunehmende Bevölkerung führt über mehr Arbeitskräfte zu einem wirtschaftlichem Aufschwung und zu einer stärkeren Wirtschaftskraft.41

Die folgenden Ausführungen lösen sich von konkreten Beispielen und skizzieren die Auswir-kungen auf die Volkwirtschaft des Aufnahmelandes. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wer-den sie sowohl aus theoretischer als auch praktischer Sicht betrachtet.

Demografische Auswirkungen

Das natürliche Wachstum einer Bevölkerung ergibt sich aus der Differenz zwischen Anzahl aller Geburten und Sterbefälle. Addiert man dazu die Nettozuwanderung (als der Differenz aus Zu- und Abwanderung), erhält man das gesamte Bevölkerungswachstum.

Das Sterbealter konnte durch medizinische Errungenschaften in den letzten Jahrzehnten fort-laufend erhöht werden, wohingegen die Geburtenrate im gleichen Zeitraum in den Industrie-staaten mitunter deutlich zurückging. Während ersteres zu begrüßen ist, so ist die zweite Ent-wicklung Anlass zur Sorge – insbesondere dann, wenn langfristig die Anzahl der Geburten die Sterbefälle unterschreitet. Die Geburtenrate selbst scheint nicht durch ökonomische An-reize langfristig signifikant zu beeinflussen sein: „Bislang ist es aber noch keinem Land ge-lungen, eine nachhaltige und erfolgreiche pronatalistische Bevölkerungspolitik im Sinne einer Steuerung der Geburtenraten zu betreiben. Was durch staatliche Steuer- und Transferpolitik möglich zu sein scheint, ist den Zeitpunkt bzw. die zeitliche Abfolge von ohnehin geplanten Geburten zu beeinflussen, kaum aber die Zahl.“42

Kurzfristig veränderbar sind hingegen alle nationalen Regelungen, die den Wanderungssaldo – und hier insbesondere die Immigration – betreffen. Über expansive oder restriktive Handha-bung der allgemeinen Duldung von Einwanderung, der AnwerHandha-bung von Gast- oder Facharbei-tern, der Erlaubnis des Familiennachzugs und der Ausgestaltung der Integrationspolitik kann eine Regierung den Zuzug steuern. Zuwanderungsregelungen beeinflussen nicht nur die ge-samte Bevölkerungszahl, sondern wirken sich auch auf die demografische Struktur, Wachs-tumsrate und das Erwerbspersonenpotenzial aus. Mit der Beeinflussung der Bevölkerungszahl werden weitere Effekte verbunden: „Das Ergebnis der entsprechenden Untersuchungen [u.a.

41 Vgl. Eisfeld, 2000, S. 1.

42 Rürup, 2000, S. 529. Die bewusste Entscheidung eines Paares zugunsten eigener Kinder ist wesentlich kom-plexer als lediglich eine Frage finanzieller Anreize. Außerdem stellt sich in diesem Zusammenhang die Fra-ge, ob es die Aufgabe der Politik ist, die Geburtenrate zu steuern. Im Sinne einer familienfreundlichen Poli-tik sollten vielmehr die Voraussetzungen geschaffen werden, mit einer geeigneten Infrastruktur Karriere und Kinder miteinander vereinbaren zu können.

von John M. Keynes; Anm.] war die Hervorhebung der Bevölkerungsentwicklung als wichti-ge Determinante der wichti-gesamtwirtschaftlichen Nachfrawichti-ge und via vergrößerter Märkte, zuneh-mender Arbeitsteilung und economies of scale als notwendige Voraussetzung für Erhöhung der Produktivität und für wirtschaftliche Prosperität“.43

Arbeitsmarktauswirkungen

Sie umfassen Veränderungen der Beschäftigung und der Löhne. Grundsätzlich bewirkt Zu-wanderung, dass sich das Arbeitsangebot erhöht, wodurch sich das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt ändert und Mengen- sowie Preisanpassungen nach sich zieht. Dazu ist wichtig, wie aufnahmefähig der Arbeitsmarkt ist und ob irgendwelche Rigiditäten bestehen. Weiterhin muss berücksichtigt werden, über welche Qualifikationen die Zuwanderer verfügen und ob sie diese voll umsetzen können. In der Regel treten sie zu ähnlich qualifizierten einheimischen Arbeitskräften als Substitute auf, d.h. sie stehen in einer Konkurrenzsituation zueinander. Zu Andersqualifizierten besteht in der Regel eine ergänzende (komplementäre) Beziehung.

Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage

Grundsätzlich gilt die Aussage, dass jedes Individuum in einer Ökonomie mit seinen täglichen und außerordentlichen Konsumausgaben am wirtschaftlichen Kreislauf teilnimmt und auf diese Weise die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöht.

Fiskalische Auswirkungen

Die zahlenmäßige Entwicklung der Bevölkerung wirkt sich unmittelbar auf die Einnahmen und Ausgaben des Staates sowie der Sozialversicherungen aus. Zuwanderer leisten im Auf-nahmeland mit ihren Steuern und Beiträgen einen wichtigen Finanzierungsbeitrag, vor allem bei Generationenvertrag mit (über-)alternder Gesellschaft. Auch wenn die Ausbildung zu-wandernder Arbeitnehmer in der Regel abgeschlossen ist und somit für die Volkswirtschaft in diesem Bereich keine Aufwendungen anfallen, so entstehen den öffentlichen Haushalten Kos-ten für Integrationsmaßnahmen, zusätzliche Infrastruktur und für Zuwanderer als Sozialleis-tungsempfänger.

Soziale Auswirkungen

Für eine erfolgreiche Integration der Zuwanderer in die Gesellschaft des Aufnahmelandes sind sowohl Politik als auch die Bürger gefordert. Die Politik regelt die Rahmenbedingungen,

43 von Loeffelholz, Köpp, 1998, S. 127.

nämlich Einwanderung, Aufenthalt, Nachzug von Familienangehörigen, Arbeitserlaubnisse für Ehepartner und Erwerb der Staatsbürgerschaft (Einbürgerung). Die Bürger entscheiden im Alltag in ihrem Umgang mit den Zuwanderern, ob sie die Zuwanderer als vollwertige Mit-glieder der Gesellschaft sehen oder ob sich durch ihre ablehnende Haltung Parallelgesell-schaften entwickeln.

Die Integration verläuft in der Regel umso erfolgreicher, je größer die sprachlichen, kulturel-len und historischen Gemeinsamkeiten zwischen Abwanderungs- und Aufnahmeland sind.