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4.  Studentinnen in ingenieurwissenschaftlichen Fächern – Beiträge zur

4.2  Kindheit und elterliche Prägung

In den gängigen Untersuchungen tauchen insbesondere zwei Aspekte immer wieder  auf, die für die frühe Ausbildung von Interessen späterer Studentinnen verantwort‐

lich gemacht werden: das Spielverhalten und die elterliche Prägung, bei der Mutter  und Vater Vorbildfunktionen innehaben. Janshen und Rudolph (1987; 1988) haben  erste und weithin richtungsweisende Untersuchungen zu diesem Themenfeld vorge‐

legt. Sie verknüpfen die oben genannten Aspekte in ihrer Studie noch explizit und  zeichnen einen Studentinnentypus im Stil von „Mannweibern“. Dieser Typus wird  bestimmt durch die Orientierung der Tochter am Vater, bei der dieser auch berufli‐

ches Vorbild wird, und durch Spielverhalten, Kleidungswünsche und den Wunsch,  lieber ein Junge sein zu wollen. Er ist mittlerweile jedoch nicht mehr derart idealty‐

pisch zu finden (Gilbert 3/2004). Dennoch sind die Vorbildfunktion der Eltern und  ein Freiraum für das Entwickeln technischer Interessen im Elternhaus nach wie vor  relevant  für  eine  ingenieurwissenschaftliche  Studienwahl  (Wolffram  &  Winker  2005).  

Von besonderer Bedeutung ist demnach auch die Vorbildfunktion der Eltern in Be‐

zug auf häusliche und außerhäusliche Arbeit. 

„Das Modell der häuslichen Arbeitsteilung und das Modell der Erwerbsbeteiligung der El‐

tern sind die beiden Faktoren, die am ehesten für geschlechtsspezifische Verhaltenswei‐

sen im Hinblick auf Bildung und Ausbildung verantwortlich gemacht werden (vgl. u.a. 

Alfermann 1990; Becker‐Schmidt 1995; Blättel‐Mink, Kramer & Mischau 1997). Mädchen,  die in Familien groß werden, in denen die Mutter das Modell ‚Hausfrau und Mutter’ leben,  die in der Kinderphase nicht oder nur in Teilzeit erwerbstätig sind, und Väter als ‚Haupter‐

nährer’ fungieren, werden eher eine Lebens‐ und Berufsorientierung aufweisen, die eben  diesem mütterlichen Vorbild entspricht.“ (Blättel‐Mink 2002, S. 6)72  

Spielverhalten 

In Bezug auf das Spielverhalten nennen Engler und Faulstich‐Wieland in ihrer Unter‐

suchung konkrete Beispiele für geschlechtsspezifische Spiele (Engler & Faulstich‐

Wieland 1995, S. 41ff):  

      

72  Für einen aktuellen Überblick über die Bedeutung der sozialen Herkunft (vgl. Bargel, Ramm & 

Multrus 2008, S. 13ff) 

 Mädchen: Puppe, Strickliesel, Puppenhaus, Lesen, Musikinstrument, Ma‐

len, Familie spielen, Theater, Schule spielen, Reiten, Haushalt spielen, Ge‐

sellschaftsspiele. 

 Jungen: Modellbau, Fußball, Chemie‐,Physik‐ oder Elektrotechnikkasten,  Krieg/Cowboy spielen, Elektr. Eisenbahn, Schach, Klettern, Kräfte messen,  Musik hören, Karten spielen.  

„Technik zeichnet sich durch eine besondere Form der Handhabung aus, nämlich durch 

‚Know How‘. Man lernt mit technischen Artefakten umzugehen, indem man sie benutzt. 

Dadurch lernt man auch, wie sie funktionieren und mit dem entsprechenden Interesse  auch, wie sie sich zusammensetzen. Da Mädchen immer noch äußerst selten technisches  Spielzeug zur Verfügung haben und auch immer noch nicht dafür belohnt (‚positiv ver‐

stärkt‘) werden, wenn sie Autos auseinandernehmen, verwundert es nicht weiter, dass sie  bereits in der frühen Kindheit eine Technikdistanz aufbauen (…)“. (Blättel‐Mink 2002, S. 6). 

Nach Blättel‐Mink wird das technische Interesse junger Mädchen nicht nachhaltig  gefördert, weil der immer noch wirkmächtige Mythos ihrer geringeren körperlichen  Kraft hier dem ebenso wirkmächtigen Mythos des „harten Maschinenarbeiters“ ent‐

gegensteht. Dass dieses Bild veraltet ist und in keinem Zusammenhang zu einem  möglichen technischem Interesse steht, belegt die Erkenntnis, dass Frauen tatsäch‐

lich die Fähigkeit besitzen, an der Technikgestaltung teilzuhaben. Engler und Fauls‐

tich‐Wieland betonen sogar, dass von ihnen untersuchte Studentinnen der Ingeni‐

eurswissenschaften ein weiblich konnotiertes Spielverhalten in der Kindheit gezeigt  haben, ohne dass sie dies in ihrer Studienwahl behindert hätte (Engler & Faulstich‐

Wieland 1995). D.h. die Spielpräferenzen sind offenbar nicht maßgebend für die  Studienfachwahl, sondern bedeuten, dass Studentinnen unter Umständen mit ge‐

ringerem Vorwissen in ein technisches Studium gehen als Jungen (Wolffram & Win‐

ker 2005). Inzwischen muss allerdings für beide Geschlechter festgestellt werden,  dass sich die oben angesprochenen traditionellen Spielbezüge stark verändert ha‐

ben. Durch kommunikative Technologien wie Computer und Spielkonsolen ist der  Umgang mit Technik weniger konstruktiv als konsumtiv. Welche Konsequenzen die  geringeren oder gänzlich fehlenden haptischen Erfahrungen mit Technik und ihren  Funktionsweisen haben, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Festzuhal‐

  ten bleibt jedoch, dass eine frühe Förderung technikbezogenen Spielverhaltens posi‐

tiv auf eine technikorientierte Studienfachwahl wirkt (acatech 2009, S. 25ff). 

Beziehung zur Technik 

Ein weiteres Vorurteil besagt, dass das Interesse von Studentinnen bzw. ihre Bezie‐

hung zur Technik weniger auf der intrinsisch‐ideellen Ebene verankert ist, als das  vermutlich für Jungen gilt. Deren Interesse wird drückt sich aus in der Faszination für  die Kontrollierbarkeit objektiver und maschinenhafter Abläufe sowie in der Orientie‐

rung auf konkreten Nutzen und Funktion (Janshen & Rudolph 1988, S. 26). Oft ge‐

nannt wird auch der Aspekt von Technik als Ersatz für soziale Beziehungen (Berg‐

Peter,  Krause  & Mandelartz, 1987, S. 170); ein  Hinweis auf den Stereotyp des 

„Nerds“, vor allem in der Informatik und Elektrotechnik. Geprägt ist diese Beschrei‐

bung jedoch durch ein männliches Stereotyp. Das lässt es besonders schwierig er‐

scheinen Studentinnen für ein technisches Studium interessieren und zu integrieren,  da im Studium ein Jungen orientiertes Interesse und Erfahrungswissen vorausge‐

setzt wird (Engler & Faulstich‐Wieland 1995).73 Allerdings kann nicht nachgewiesen  werden, dass Studentinnen ein wesentlich geringeres Interesse bzw. weniger inten‐

sive Beziehung zu Technik hätten (Engler & Faulstich‐Wieland 1995). Im Winterse‐

mester 2003/04 stellen auch Wolffram und Winker in ihrer Erstemesterbefragung  fest, dass sich die Technikbegeisterung der Studienanfänger/innen in den technik‐

zentrierten Studienfächern nicht nach Geschlecht unterscheidet (Wolffram & Win‐

ker 2005, S. 70f). Vielmehr ist festzustellen, dass die Förderung junger Mädchen und  Jungen geschlechtsstereotyp erfolgt, so dass bei Mädchen Bezugeher sprachliche  Fähigkeiten und Interessen, bei Jungen hingegen eher ihre praktische Fähigkeiten  unterstützt werden. Befunde von Schüller und Gisbert zeigen, dass die starken Aus‐

richtung auf sprachliche oder auch soziale Kompetenzen bei den Mädchen oft zu ei‐

ner „entsprechenden“ Studienlaufbahn führt (Schüller 1992; Vogel 2000; Gisbert  2001). 

      

73  Die Studie von acatech weist darauf hin, dass auch die Schule im Hinblick auf die technische  Vorbildung eine besondere Verantwortung trägt. Schüler/innen mit ausgewiesenem Technik‐

unterricht, dessen flächendeckende Einführung weiterhin in  Deutschland diskutiert wird,  wählen häufiger Ingenieurwissenschaften, als Schüler/innen ohne Technikunterricht (acatech,  2009, S. 29ff.).