6. Auswertung
6.3 Dimension der Arbeitsteilung und des Sozialklimas
Eine Analyse dieser Dimension führt am deutlichsten zu einem Bild des wissen‐
schaftlichen Habitus in den Ingenieurwissenschaften. Die fachlichen Kommuni‐
kationsstrukturen und ‐stile, die Mittel, durch die wissenschaftliche Reputati‐
on109 (Publikationen, Forschungsaufträge,…)erlangt werden kann, sowie die Ar‐
beitsteilung und die Leistungsbeurteilung geben Aufschluss über die hierarchi‐
schen Verhältnisse und die Beteiligung der Geschlechter. Ich habe die techni‐
sche von der sozial induzierten Arbeitsteilung unterschieden, in die die Studie‐
renden in Gruppen‐ und Projektarbeiten eingeführt werden. Die Leistungsattribution seitens des Lehrkörpers, aber auch der Kommilitonen gibt Aufschluss über die Zuschreibung von Kompetenzen und Fähigkeiten, aus de‐
nen sich das Selbstkonzept der Studentinnen speist (vgl. Kapitel 3.3 und 4). Ins‐
besondere letzteres führt zu Aussagen über die Studienmotivation der Studen‐
tinnen. Hierzu werden auch strukturelle Merkmale herangezogen, die das Ver‐
hältnis zwischen Professor/innen und Studierenden mitbestimmen (vgl. Kapitel 3.2 Sitzordnungen, Vorlesungssäle u.ä.).
Zunächst werden allerdings die allgemeinen Eindrücke der Studentinnen im Hinblick auf das soziale Klima wiedergegeben.
Allgemeines Sozialklima
Allgemein werden das Studienklima und der soziale Umgang der Studierenden untereinander, aber auch mit dem Lehrkörper als angenehm und positiv be‐
schrieben. Die Studentinnen nehmen einen freundlichen Umgangston wahr, Kommilitonen kennen sich untereinander und sind für fachliche Fragen an‐
sprechbar. Auch freundschaftliche Kontakte bestehen wie es Mara und Tita be‐
schreiben.
109 Aufgrund fehlender Erfahrungen der Studentinnen wird der Bereich Reputation hier nicht weiter erörtert.
Mara: „Also man kann auch zu jedem hingehen. Es gibt halt irgendwie‐ also, doch eigentlich wirklich sehr freundschaftlich. Also, es gibt nicht irgendwelche Ge‐
schichten, die‐ . also so Anzickereien gibt´s gar nicht bei uns. Also das‐, oder Konkurrenz gibt´s auch irgendwie nicht, finde ich.“ (Maschinenbau)
Tita: „(...) Aber im Hauptstudium schon, da spreche ich einfach jemanden an: ‚Weißt du wie das geht?“. Und die [Kommilitonen, Anm. der Autorin] sind immer sehr engagiert eigentlich. Die beantworten, wenn sie es beantworten können, wenn nicht, dann sagen sie: „Tja, tut mir leid, ich kann leider nicht. Ich würde dir hel‐
fen, aber ich kenn die Antwort auch nicht“. Also die sind immer sehr hilfsbereit.
(Elektrotechnik)
Die Darstellungen sind vor dem Hintergrund zu interpretieren, dass sich die Studentinnen bereits im Hauptstudium befinden. Sie haben sich sowohl auf fachlicher als auch auf sozialer Ebene mit den Gegebenheiten des Studienfachs (Zeitstrukturen, Räume, Ansprechpartner,…) vertraut machen können. Auf‐
grund ihrer Erfahrungen zeigen sie keine Scheu bzw. haben diese erfolgreich überwunden, mit dem Lehrkörper und den Kommilitonen in Kontakt zu treten.
Auffällig an Maras Aussage ist ihr Rekurs auf geschlechtskonnotierte Erfah‐
rungswelten. Sie nennt auf der einen Seite das weiblich konnotierte Phänomen der „Anzickereien“ und auf der anderen Seite die männlich konnotierte „Kon‐
kurrenz“. Beides unverkennbar als negative Einflussfaktoren für das Sozialklima beurteilt, bleibt die Gegenüberstellung vorerst unklar. Ist der Verweis auf je ein Kommunikationsphänomen aus beiden geschlechtlichen Sphären ein Ausdruck, dass beide Geschlechter negative Kommunikationseigenschaften zu Eigen sind und je nach Kontext ungünstig für die jeweils andere Partei wirken könnten?
Vermutet werden könnte auch, dass der Verweis auf Konkurrenz sich spezifisch auf Maras Erfahrungswelt bezieht. Danach ist Konkurrenz für sie ein Phäno‐
men, das nur eine Rolle spielt, wenn sich gleichwertige Mitstreiterinnen in ih‐
rem Umfeld befinden. Sie geht davon aus, dass Konkurrenz zwischen ihr und den Studenten gewissermaßen nicht bestehen kann.
Mara: „Das ist natürlich schwer zu sagen, aber, ich glaube‐, also ich würde vermu‐
ten, dass die Konkurrenz zwischen Frauen sogar stärker ist als zwischen Män‐
nern untereinander.
Viola: Woran machst Du das fest?
Mara: Also ich kann das jetzt im Studium nicht bestätigen. Wie gesagt, Studium oder Uni ist ja was ganz anderes. Na, vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht. Also, ich kam nur auf die Idee, weil‐ ja, ich glaube, dass Männer immer‐, also Frauen sel‐
ber‐ oder ich habe manchmal irgendwie das Gefühl, ich habe keine Konkurrenz zwischen mir und Männern, so gesehen. Aber, wenn da eine andere Frau ist, dann vergleicht man sich, glaube ich, viel eher mit ihr, ob sie besser ist oder nicht. Also bei Männern, ich weiß nicht. Ich komm gar nicht da auf die Idee. Al‐
so, die können halt manche Sachen besser, manche Sachen kann ich besser. So.
Und bei einer Frau, die hat halt meistens die gleichen Qualitäten wie ich. Des‐
wegen würde ich mich viel eher mit ihr vergleichen. Weißt du wie ich das mei‐
ne?“
Demnach sind in Bezug auf die eigene Leistungsbeurteilung für Mara nicht Männer die Bezugsgruppe, sondern andere Frauen, von denen bekannterma‐
ßen kaum welche anzutreffen sind (deshalb bezieht sich ihr Beispiel auch auf eine Mitarbeiterin in ihrem Praktikumsunternehmen). Die Konkurrenz unter Männern ist für ihr Fortkommen weniger bedeutsam. Der Aspekt der Leis‐
tungsattributionen und Selbstkonzepte wird weiter unten ausführlicher argu‐
mentiert (vgl. S. 148)
Um auf das soziale Klima zurückzukommen, ist Titas Beschreibung eines kom‐
munikationsarmen und auf Small Talk beschränkten Umgangs anzuführen.
Ebenso herrscht eine große Anonymität, in die sie sich allerdings gerne zurück‐
zieht. Diese Eigenschaften des sozialen Klimas verbindet sie eindeutig mit der Fachkultur; eine Beschreibung, in der der allein arbeitende, tüftelnde ‚Compu‐
terfreak‘ wiederzuerkennen ist.
Tita: Also, das ist sehr angenehm [das Sozialklima, Anm. der Autorin]. Natürlich sprechen die Leute nicht so viel. Ich denke mal einfach so klischeehaft, dass Studenten, die vielleicht Jura oder Wirtschaft studieren, dass sie mehr unter sich und mehr miteinander reden und sozialer sind als wir im Fachbereich Elektrotechnik. Also es wird nicht viel über E‐Technik geredet. Wenn geredet wird, und bei mir ist das so, vielleicht habe ich nicht soviel Umgang mit den an‐
deren, aber bei mir ist das so, wenn ich den anderen aus dem Studiengang (et‐
was erzähle), dann Small Talk und fertig. Dann geht man wieder weiter. (Elekt‐
rotechnik)
Auch für die anderen untersuchten Fächer wird das Klischee des geringen sozia‐
len Austauschs benannt. Die Gruppen‐ und Teamarbeiten bilden sich allein auf‐
grund der Vorgabe und zur Ableistung von den obligatorischen Hausarbeiten.
Für die Studentinnen bedeutet das vorerst wenig sozialen Anschluss und Kom‐
munikationspartnerinnen. In Bezug auf die wissenschaftliche Performanz ist davon auszugehen, dass das Bild des allein arbeitenden und auf die Wissen‐
schaft konzentrieren Wissenschaftlers Präferenz genießt (Beaufaÿs 2003). Be‐
trachtet man in diesem Zusammenhang die Teamarbeit, die im folgenden Ab‐
schnitt näher beleuchtet wird, kann dieser Befund auch als Hinweis darauf ge‐
deutet werden, dass Diversität und der soziale Austausch keine Ressource der Wissensgenese sind.
Sozial und technisch induzierte Arbeitsteilung
Bereits im Grundstudium zählt Gruppen‐ und Teamarbeit zur fest in der Lehr‐
struktur verankerten Arbeitsstruktur. Die Trennung sozial und technisch indu‐
zierter Arbeitsteilung macht es möglich, soziale Faktoren (durch die gesell‐
schaftliche Kultur und voruniversitäre Sozialisation geprägt) von den wissen‐
schaftlichen Arbeitstechniken und Fachwissen zu unterscheiden, das man be‐
herrschen muss, um ein z. B. technisches Gerät bedienen zu können. Es können bei der technisch induzierten Arbeitsteilung stärker personenunabhängige Merkmale eine Rolle spielen als soziale Fähigkeiten‐ und Kompetenzzuschrei‐
bungen. Die Beschreibungen der Studentinnen weisen darauf hin, dass Frauen weniger fach‐ oder objektbezogene Tätigkeiten übernehmen, sondern ihre so‐
zial zugeschriebenen Kommunikations‐ und Organisationsfähigkeiten in der Gruppenarbeit einbringen. Geschürt wird diese Aufgabentrennung durch eine deutliche Abwertung der fachlichen Fähigkeiten von Frauen aus dem Kommilitonenkreis, wie es in Casjas Beschreibung veranschaulicht ist.
Casja: „Also, ich würde jetzt sagen, wie man an das Problem rangeht ist kein Unter‐
schied, das würde ich nicht sehen. Ist natürlich, dass man als Frau sozusagen, ja, nicht so ernst genommen wird, ja, es ist schon so. Wenn man (…) halt einem Problem mit einer Aufgabe hatte, konnte man immer zu seinen Freunden ge‐
hen, die haben einem das gerne erklärt. Aber dann im umgekehrten Fall, wenn man ihnen was erklärt hat, hat man oft gemerkt, dass dann so‐, na ja, dass sie es noch nicht so richtig geglaubt hat, was ich ihnen erzählt habe, und dass dann
meistens, weiß ich nicht, wenn mein Freund, der auch Elektrotechnik studiert, drei Minuten (später) das gleiche gesagt hat: ‚Ach ja klar!‘. Also das merkt man einfach halt unterbewusst, aber es ist nicht‐, ich glaube nicht, dass es was Be‐
wusstes ist ‐ eher unterbewusst. Und, na ja, natürlich dadurch, in so in einer Gruppe, würde ich schon sagen, dass ich eher die sozialen Geschichten mache.
Also, so Einteilung, wer macht was, oder weiß ich nicht, wann treffen wir uns wieder? So ein bisschen mehr das Organisatorische. Ich glaube, das liegt auch sehr an meinen‐, also, dass ich für die Zukunft nicht in die Wissenschaft gehen möchte und so das Organisatorische bin. Von daher‐, ja keine Ahnung ist halt eine schwere Frage?! Aber ich will es jetzt nicht pauschalisieren auf Frau oder Mann, ich weiß nicht.“ (Elektrotechnik)
Es wird sehr deutlich, dass Casja, die ihr als Frau zugeschriebenen Aufgaben übernimmt, weil sie dies bereits so kennt. Der soziale Druck verstärkt die spezi‐
fische Rollenzuweisung. Interessant ist, dass sie auch bereits ihre berufliche Perspektive in diesem Rahmen antizipiert. Darüber hinaus wählt sie einen Er‐
klärungsmodus, der durch das Wort „natürlich“ auf eine biologistische Perspek‐
tive verweist. Die geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung verliert dadurch den Boden zur Kritik und ist gleichzeitig aber auch Ausdruck ihrer Anpassungs‐
leistung (Zunke 2007). Unsicherheit über diese geschlechtsstereotype Aufga‐
benverteilung bleibt aber bestehen.
Eine andere Studentin beschreibt, wie sie die koordinativen Aufgaben über‐
nimmt, weil Studenten eine laxe Arbeitshaltung zeigen.
Mara: „Männer denken: ‚Ach, das wird schon irgendwie!‘ Und bei Frauen, die ich jetzt so erlebt habe, da ist es, dass ich denke: ‚Ne, das wird nicht so, ich mach das so, wie ich das möchte und ich lass das nicht auf mich zukommen. So!‘. Bei Männern ist es eher so: ‚Das läuft schon‘. Oft. (...) Also, ich habe jetzt meine Projektarbeit mit einem Kommillitonen zusammen gemacht und ich musste to‐
tal oft hinter ihm her sein, dass er mal was macht. (...) Also, das hat mich total rasend gemacht, so ein bisschen. Also ich musste halt immer: ‚Komm wir tref‐
fen uns, komm!‘ Also, das kann aber‐, also, auch typabhängig sein. Vielleicht wär das mit jemand anderes anders gewesen. Aber ich hatte auch oft das Ge‐
fühl bei früheren Projekten im Grundstudium, dass Männer alles oft auf den letzten Drücker machen. Also, ich konnte mir das mit Kind irgendwie nie erlau‐
ben, alles auf´n letzten Drücker zu machen. Und ich wollt halt immer alles und dann kommts halt so: ‚Wir haben noch voll viel Zeit!‘ ‚Ja, ich weiß! Aber das ist ja gut, dann kann man jetzt schon damit anfangen‘!“ (Maschinenbau)
Der soziale Druck, dem Maras Leistungsbereitschaft unterliegt, ist hier aus zweierlei Perspektiven beschrieben. Erst einmal muss sie sich als Frau in den Ingenieurwissenschaften positionieren, indem sie besonders gute Leistungen zeigt. Dann bedingt ihre Rolle als Mutter zusätzliche Verpflichtungen, die im Lehralltag keine Berücksichtigung finden und die nach wie vor seltener von Männern übernommen werden.
Als Gegenbeispiel führt Tita einen Frauenprogrammierkurs an, in dem Studen‐
tinnen in einer homogenen Gruppe weder einer abwertenden Leistungszu‐
schreibung noch einem Profilierungsdruck ausgesetzt sind.
Tita: „(...) Ja und nur wir zwei sitzen an zwei Rechnern. Wir tauschen auch immer Er‐
fahrungen aus. Natürlich, das, was meine Nachbarin kann, kann ich vielleicht nicht und das, was ich kann, kann vielleicht meine Nachbarin nicht. Da ist halt dieser enge Kontakt, da man ja gezwungen ist, aus diesen beiden Studenten ei‐
ne Gruppe zu bilden, weil mehr sind ja nicht da. Das war, glaube ich, vier Wo‐
chen Intensivkurs und es hat sehr viel geholfen, diese enge Zusammenarbeit zwischen mir und meiner Nachbarin hat eigentlich sehr, sehr, sehr viel beige‐
tragen dazu, dass ich so viel Interesse habe für [das Programmieren, Anm. d.
Autorin] und das auch weiter fortgesetzt habe (…).“ (Elektrotechnik)
Zwar betont die Studentin, dass die Zusammenarbeit auch aufgrund der gerin‐
gen Teilnehmerinnenzahl unvermeidbar war, doch darüber hinaus ist unver‐
kennbar, dass sie in ihrem Lernprozess die Diversität schätzt. Sie betont die Möglichkeit, gegenseitig Wissenslücken auszugleichen und voneinander zu ler‐
nen. Dieses Verständnis widerspricht eindeutig der obigen Feststellung, dass Diversität aus dem ingenieurwissenschaftlichen Lehr‐ und Lernkonzept ausge‐
schlossen sein müsste (vgl. S. 141; vgl. auch Himmel, 2006). In Bezug auf die Arbeitsteilung (in Gruppenarbeiten) konnten sonst keine Hinweise gefunden werden, dass die Zusammenarbeit zu gegenseitigen Lerneffekten führt. Aller‐
dings hatte eine weitere Studentin sehr gute Erfahrungen in einem externen Projekt sammeln können, dass nicht nur den Ausbau ihrer fachlichen, sondern auch sozialen und interdisziplinären Kompetenzen sehr positiv beeinflusste.
Nele: „Also, bei mir, was mir auch weitergeholfen hat, ist noch eine andere Sache.
Ich habe einige Sachen neben dem Studium gemacht, und zwar dieses Studen‐
tenprojekt. (…) Das ist dieses Projekt, wo eine Gruppe von Studenten (…) sozu‐
sagen diese Rennbahn selbst konstruiert und an dem Konstruktionswettbe‐
werb teilnehmen(…). Und da war ich eben auch mehrere Jahre tätig und da ha‐
be ich auch viel mitbekommen. Also, das Projekt will ich auf jeden Fall nicht missen. Ich mache jetzt nicht mehr mit, weil ich war eben mehrere Jahre auch wirklich aktiv tätig und das hat natürlich viel Zeit in Anspruch genommen neben dem Studium, aber das‐, also, möchte ich nicht missen, weil da habe ich für mich auch viel, denke ich, viel mit rausgenommen. Auch gerade, ja, Menschen‐
kenntnis, einfach zu sehen‐. Ja, man muss einfach ein Auto bauen und es sind nur Studenten. Nicht jeder hat viel Ahnung. Man muss diese Bereiche einteilen, man muss gucken, wer nützt wo, wer kann mit wem zusammenarbeiten. Dann waren wir dafür verantwortlich, das Geld ran zu bekommen, z. B. ganz wichtige Sache, weil von der Uni anfänglich nicht so viel kam, weil wir waren nicht be‐
kannt, wir waren Nobodies. Und da war ich z. B. auch mit tätig, einfach Sponso‐
ren ran zu bekommen, mit Firmen Kontakt aufzunehmen und war für mich in‐
teressant, weil ich einfach gesehen habe auch‐, ja, das war eben auch so ein über den Tellerrand blicken einfach, weil man ja Kontakt aufbauen musste zu Firmen. Und das hatte ich vorher nicht gemacht. Also, da saß ich schon am Te‐
lefon und dachte mir: ‚Mensch, jetzt rufst du hier bei der Deutschen Bank oder bei Siemens an‘. Das war schon erst mal komisch. Und dann später war das mir total egal. Und das … doch, fand ich, ist, glaube ich, nicht schlecht. Also, das ist so eine kleine Entwicklung, die man dann macht. Oder auch dass man einfach stolz ist auf die Arbeit, die man gemacht hat. Wenn der Wagen läuft, wenn man in dem Konstruktionswettbewerb sieht, man ist erfolgreich. Das ist natür‐
lich toll, so ein Erfolgsgefühl zu haben. Dass man einfach sieht: Okay, man ar‐
beitet für was und das … das lohnt sich irgendwann und das zahlt sich aus. Also, einfach mal das Erlebnis gemacht zu haben.“ (Verkehrswesen)
Neben der Bedeutung des gemeinschaftlichen Arbeitens wird hier auch augen‐
scheinlich, dass in diesem Fall die ausgelagerte Projektarbeit einen großen Teil der praxisrelevanten Ausbildung übernimmt.
Auch am Beispiel des Programmierens in der Elektrotechnik und Informatik ist die Auslagerung von bestimmten zu erlernenden Wissensinhalten illustriert.
Nach wie vor scheitern zahlreiche Studierende an dieser Hürde, die eine be‐
sondere für Frauen darstellt. Die unterschiedliche Sozialisation mit technischen Artefakten und die fehlende Förderung und Motivation von jungen Frauen und Mädchen in Elternhaus und Schule wird hier zu einem erheblichen Problem.
Donata: „Na, (…) in Felsstadt hatten wir dann immer Pärchen, die ihre Hausaufgaben abgeben mussten. Na ja und, ob der Partner dann was gemacht hat, war auch
die Frage?! Aber gut, es waren auf jeden Fall nicht so große Gruppen. (…) Und mit dieser ersten Vierer‐Gruppe, die ich mal hatte, und auch mit dieser neuen Programmiersprache, die ich nicht beherrschte, da sind alle drei Gruppenmit‐
glieder abgesprungen und ja gut, und dann stand ich halt allein da und ich konnte halt die Aufgabe nicht lösen, weil ich noch nie in dieser Programmier‐
sprache gearbeitet habe, obwohl ich mich eigentlich gefreut hatte auf das Se‐
mester. Ich war richtig motiviert: ‚Ja, okay, gucken wir uns mal andere Pro‐
grammiersprachen an ‐ ein bisschen eine andere Denkweise‘. Weil das war funktionale Programmierung. Ja, das war aber halt nicht machbar.“ (Informa‐
tik)
Aus dieser Darstellung ist mehreres abzulesen. Wie oben, dienen die Gruppen‐
und Projektarbeiten dem Auslagern von Lehrstoff, der neben die mathema‐
tisch‐naturwissenschaftlichen Aspekte rückt. Die Verantwortung für den Lern‐
erfolg wird den Studierenden (meist ohne hinreichende Betreuung) übertra‐
gen. Es findet keine Reflektion über die Angemessenheit der Aufgabenstellung statt, ebenso wie der Kenntnisstand der Studierenden nicht berücksichtigt wird. Insofern offenbart die Analyse der Arbeitsteilung in der studentischen Gruppe ein weiteres Merkmal des epistemischen Selbstverständnisses der In‐
genieurwissenschaften. Es wird weniger Wert darauf gelegt, eine Vielzahl un‐
terschiedlicher Studierender in den Ingenieurwissenschaften auszubilden und ihre Diversität zur Ressource zu machen. Vielmehr werden nur jene Studieren‐
den angesprochen, die das Bild der ‚Besten‘ erfüllen und hinreichend Vor‐
kenntnisse in das Studium mit hineinbringen bzw. eigenverantwortlich sich an‐
eignen. Mit Bezug auf das Beispiel Programmieren ist die Problematik für die Studentinnen am größten, weil sie meist mit Anforderungen konfrontiert wer‐
den, mit denen sie zuvor kaum Kontakt hatten.
Letztlich werden die Studierenden, trotz aller Bemühungen, eher an das Einzel‐
arbeiten herangeführt, als zu erlernen ihr Wissen gemeinsam zu erarbeiten und auszubauen. Insofern lässt sich auch hier ein Merkmal des ingenieurwis‐
senschaftlichen Selbstverständnisses von Arbeitsweisen ablesen.
Noch zu erwähnen sei, dass einige Studentinnen trotz geringer Erfahrungswer‐
te betonen, dass die Arbeitsatmosphäre in homogenen, also vorwiegend weib‐
lich besetzten Arbeitsgruppen besser sei. Casja beschreibt eine gelöste Stim‐
mung und auch den Zusammenhalt, der unter männlichem Druck kaum mög‐
lich wäre.
Casja: „Ja, das ist eben in der Hinsicht (…) einfach schon männlich, wenn eben nur Männer um dich herum sind. Und na ja, wie soll ich das sagen? Es ist einfach anders, wenn man mit Männern (arbeitet), man muss dann einmal derbe Witze aushalten können, man darf dann nicht anfangen zu weinen, wenn man ir‐
gendwie verletzt worden ist. Also wenn, dann ist man total unten durch, dass darf dir einfach nicht passieren, was ja in einer Frauengruppe, wenn da eine einmal weint, na ja ein bisschen in die Arme genommen und dann ist alles wie‐
der gut. Aber bei Männern da bist du unten durch, das kannst du dir einfach nicht erlauben.“ (Elektrotechnik)
Nicht nur, dass Männer den atmosphärischen Ton angeben und Frauen sich hier ganz offensichtlich anpassen müssen, auch stellt sich heraus, dass Emotio‐
nalität (auch wenn hier die persönliche Ebene gemeint ist), in der Zusammen‐
arbeit mit Männern nichts zu suchen hat.
Für die technisch induzierte Arbeitsteilung, wie sie nach Heintz et al. (2004) be‐
schrieben ist, konnten hier kaum Belege gefunden werden. Allerdings wird aus einer Beschreibung der Maschinenbaustudentin deutlich, dass die Arbeitstei‐
lung hierarchischen Mustern folgt. Sie beschreibt, wie im Projekt, die Objekte und die damit verbunden Arbeitsaufträge unterschiedlich verteilt werden. So gehört die Konstruktion von Versuchsständen in den Verantwortungsbereich der Studierenden, während die konkrete Arbeit am Objekt, das später ein ver‐
kaufsfähiges Produkt werden muss, den Doktorand/innen vorbehalten bleibt.
Mara: „Meistens sind Versuchsstände zu konstruieren. Also, es müssen irgendwel‐
che Versuche durchgeführt werden und man macht erst mal einen Versuchs‐
stand. Und das machen meistens die Studenten, Versuchsstand bauen (…).“
(Maschinenbau)
Mara: „Und zum Beispiel ein Endoskop besteht aus ganz verschiedenen Bauteilen.
Dann macht halt jeder eines, also auch die Doktoranden teilen sich ein Endo‐
skop und dann wird das Teil nochmal aufgeteilt auf verschiedene Arbeiten, weil dann überlegt man sich, was muss dazu (.) alles untersucht werden. Da muss ja Lebensdauer untersucht werden von so einem Bauteil, bevor es verkauft wer‐