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3.  Die disziplinären Kulturen der Ingenieurwissenschaften

3.3  Ebene der Arbeitsteilung und des Sozialklimas

tung,…) betrachten, dies bei den Frauen aber tendenziell etwas stärker ausgeprägt  ist und umgekehrt Männer die technische Seite tendenziell stärker betonen (Kleinn 

& Schinzel 2001). 

Aus den Beispielen lässt sich folgern, dass die fehlende Einsicht in die Diversity der  Studierendenschaft und das fortwährende Beziehen auf markierbare Differenzen  zwischen Individuen, zwischen Männern und Frauen in Bezug auf ihr Lernverhalten  und ihre kognitiven Fähigkeiten zu Antizipationen schon bei Schüler/innen führt, die  die Schülerinnen sich selbst als Studienanwärterinnen ingenieurwissenschaftlicher  Fachbereiche ausschließen lässt. 

halten weniger zugänglich sind. Zusätzlich ist zu vermuten, dass die Studentinnen  die Sitzpläne außerhalb des Blickfeldes des Dozenten wählen, um ihre Beteiligung  bewusst einzuschränken. Frauen äußern sich in Lehrveranstaltungen nur, wenn sie  sich ihrer Antwort sehr sicher sind (Engler & Faulstich‐Wieland 1995, S. 118). Dieses  Kommunikationsverhalten ist ein bereits in der Schule trainiertes und begründet  sich vor allem auch durch die geringere Selbstwirksamkeitsüberzeugung (Bandura,  1997; vgl. auch Walter 1998; Gisbert 2001) bzw. Leistungseinschätzung von Mäd‐

chen und jungen Frauen. Darüber hinaus wird immer wieder darauf hingewiesen,  dass das Setting (Sitzordnung, Vorlesungssäale; vgl. Abbildung 566) in Lehrveranstal‐

tungen der Ingenieurwissenschaften Dominanz und Hierarchie ausdrückt (vgl. Münst  2002). 

Leistungsattribution 

In der Kommunikationsstruktur deutlich ist auch die unterschiedliche Leistungsbeur‐

teilung von Studenten und Studentinnen. So wird Studenten gegenüber relativ un‐

abhängig von der inhaltlichen Qualität Lob und Feedback ausgedrückt, was für Stu‐

dentinnen nicht gilt. Abhängig zu sein scheint dies aber auch vom Geschlecht der  Lehrperson, denn Frauen würden häufiger die Leistung der Studierenden beurteilen  (Viebahn 2007, S. 21). Auch innerhalb von Arbeitsgruppen zeigt sich, dass die Ar‐

beitsaufteilung je nach geschlechtlicher Konstellation unterschiedlich ist. In homo‐

gen weiblichen Arbeitsgruppen zum Beispiel sind Redeanteile ebenso wie organisa‐

torische Aufgaben oder Hilfsarbeiten (Beamer aufbauen, Folien wechseln,…) gleich‐

mäßig aufgeteilt. In gemischtgeschlechtlichen Gruppen hingegen verschiebt sich der  Redeanteil zu den Studenten, während Studentinnen die Rolle der „Assistentin“ 

wahrnehmen (Münst 2002, S. 95ff). Eine solche Kommunikationsstruktur hat deut‐

lich diskriminierenden Charakter und widerspricht der Idee der Gruppenarbeiten, in  denen Teamarbeit mit gleichberechtigter Teilhabe und gegenseitigem Lernen erfah‐

ren werden soll. In den Beispielen geklärt ist allerdings nicht, wie aktiv die Studen‐

tinnen solche Interaktionsmuster mitkonstruieren, sprich aktiv mittragen oder un‐

      

66  Quelle: Studierende im "Audimax" (Auditorium maximum) der TU Berlin. TU Berlin/Weiß in: 

http://www.pressestelle.tu‐berlin.de/fileadmin/a70100710/Fotos/  Pressestellenar‐

chiv/Audimax_ElkeWeiss.jpg (21.09.2010). 

bewusst „manipuliert“ werden. Ihre Kritik oder das Empfinden, diskriminiert zu wer‐

den, bleibt meist verhalten, so dass letzteres wahrscheinlicher scheint.  

Ohnehin spielen persönliche Sympathien in der sozial induzierten Arbeitsteilung  (Team‐ oder Gruppenarbeit) eine Rolle (Heintz et al. 2004). Es ergeben sich je nach  Geschlechterdominanz Ausschlussmechanismen für das „andere“ Geschlecht. Die  männliche Sozialgruppe wird vor allem auch auf informeller Ebene durch gemein‐

sames „Geschichtenerzählen“, Verabredungen, Späße u. ä. aufrechterhalten, z.B. 

auch durch aktives Nicht‐Einladen des anderen Geschlechts (Sagebiel 2005)67. Auf  der anderen Seite können im Setting technisch induzierter Arbeitsteilung andere  Mechanismen als das Geschlecht wirken. Geht es darum, technische Hilfsmittel z.B. 

für Messungen zu bedienen, sind Aspekte der fachlichen Kompetenz und Genauig‐

keit bedeutungsvoller als das Geschlecht (Heintz et al. 2004). Zwar würden hier Ste‐

reotype, die im Kontext von Distanzhypothesen argumentieren, aufgelöst; Problem  bleibt aber, dass der Pool an männlichen Kandidaten höher ist und Momente der 

„Verbrüderung“ als zusätzliches Kriterium ihre Wirkung entfalten.  

Letztlich wird auch hier auf struktureller Ebene ein Ritus eingeführt, der das Leis‐

tungsideal in den Ingenieurwissenschaften inszeniert. Mit der immer wieder be‐

mängelten hohen Stundenbelastung wird an ein männliches Stereotyp verwiesen: 

Das ingenieurwissenschaftliche Studium bewältigt nur, wer großes Durchhaltever‐

mögen und Härte zeigt – Eigenschaften, die Frauen nicht zugeschrieben werden, da  ihre körperliche und sozial‐emotionale Leistungsfähigkeit diesem Druck nicht stand‐

halten könne. Ihsen spricht von einem Sozialisationstypus, der sich durch Leistungs‐

vermögen, Anpassungsfähigkeit, (…) und Intelligenz definiert (Ihsen 1999, S. 40). 

Außerdem herrscht eine Atmosphäre, die die „Unwissenden“ diffamiert (Wolffram  et al. 2009). 

       

      

67  Das empirische Beispiel dort bezieht sich ausschließlich auf Frauen, die benachteiligt werden. 

Didaktik und persönliches Engagement des Lehrkörpers 

Neben diesen eher kritisch zu beurteilenden Beschreibungen des Studierklimas gibt  es auch positive Beispiele. Hier werden Profesor/innen genannt, die mit Engage‐

ment Inhalte fachlich kompetent, verstehbar, interessant und unterhaltsam vermit‐

teln, oder Übungen und Tutorien, in denen ohne Kommentare auf alle Fragen einge‐

gangen wird, wobei beides zu einer ruhigen und aufmerksamen Atmosphäre in den  Lehrveranstaltungen führt (Wolffram et al. 2009). Insgesamt haben Professor/innen  als höchste Autoritätspersonen und fachliche Stellvertreterinnen eine besondere  Bedeutung für die Bindung der Studierenden an das Fach.68 Ihre Person, didakti‐

sches Vermögen und Eingehen auf die Studierenden wirkt entscheidend auf deren  Motivation (Engler 1999; Wolffram et al. 2009). 

Wirkung von Stereotypen 

In Befragungen zur Situation von Studentinnen in den ingenieurwissenschaftlichen  Fächern und Mathematik treten nach wie vor viele Vorurteile und Stereotype zu Ta‐

ge. Zunächst einmal wird von befragten Studentinnen durchaus darauf hingewiesen,  dass sie sich in einer Minderheitenposition befinden und Fächer wie Mathematik als 

„männlich“ wahrgenommen werden. Die daraus resultierenden Konsequenzen wer‐

den aber meist nicht als Diskriminierung wahrgenommen, sie werden umgedeutet  (z.B. als Scherz) oder auch aktiv entlang der Klischees genutzt: „‚...wenn ich etwas  vermassle sage ich, entschuldigt ich bin ein Mädchen und dann lachen alle‘ (franz. 

Studentin) und wieder andere genießen ihren ‚Prinzessinnenstatus‘ (deutsche Stu‐

dentin)“ (Sagebiel & Dahmen 2008, S. 18). Antizipiert wird auch die vermeintlich  schwächere Leistungsfähigkeit von Frauen im Umgang mit Technik, um das „Helfer‐

syndrom“ von Männern zu erklären: „Vielleicht trauen manche Professoren Frauen  weniger zu und investieren deshalb mehr Zeit, um ihnen etwas zu erklären? Viel‐

leicht ist es nicht nur positiv bevorzugt behandelt zu werden?“ (Sagebiel & Dahmen  2008, S. 18). Den Eindruck, dass Frauen mehr Unterstützung erhalten, aber auch  besser beurteilt werden, haben Studenten dagegen häufiger als Studentinnen. Inte‐

      

68  Insofern ist die Forderung nach „Role‐Models“, der Präsenz von Wissenschaftlerinnen in Mar‐

ketingmaßnahmen und Projekten zur Frauenförderung zu verstehen und begründet. Sie ge‐

winnen hier als Identitifikationsfigur besondere Bedeutung. 

ressant sind Ergebnisse, die sich auf die Befähigung bzw. das Leistungspotential von  Frauen beziehen. Männer werden im Allgemeinen als begabter für Mathematik be‐

urteilt, Frauen liegt analytisches Denken weniger und sie interessieren sich stärker  für Sprachen. Daraus speist sich die Beobachtung, dass Frauen sich “unter Wert“ 

verkaufen, was der These der geringeren Selbstwirksamkeitsüberzeugung entspricht  (vgl. Kapitel 4?). Diese Beurteilung wird nach Einschätzung der Studierenden wohl  auch von den Lehrenden geteilt, so dass sie den Eindruck haben, Beiträge von Stu‐

dentinnen werden  weniger ernst genommen (Mischau 2007). Zusammengefasst  stellt sich die Kommunikationskultur in den Ingenieurwissenschaften als eine dar,  die stark vom männlichen Kommunikationsgebaren geprägt ist und in der Männer  die Beurteilungsmacht über die Fähigkeiten von Frauen und Männern innehaben. 

Studenten, Studentinnen und Lehrkräfte reproduzieren regelmäßig Stereotype und  Vorurteile in ihren sozialen Praktiken – selbst wenn sie sie, wie manche Studentin‐

nen ins Scherzhafte wenden – und ziehen biologistische Argumentationen für die  Begründung  von  Geschlechtsunterschieden  heran. Differenz‐  und Distanzthesen,  nach denen Mädchen und Frauen weniger Zugang zu Technik haben, die erforderli‐

chen Fähigkeiten und Interessen für Mathematik, Physik und ähnliches nicht ausrei‐

chend entwickelt haben und dem Konkurrenzdruck, der in diesen Fächern herrscht,  nicht gewachsen seien, sind hier besonders prominent und wirkmächtig.