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Interdependenz zwischen Steuerbelastung in einem Kanton und seinem Immobilienmarkt

Jährliche Veränderung SSE in Franken pro Einwohner,

5.4.4 Interdependenz zwischen Steuerbelastung in einem Kanton und seinem Immobilienmarkt

Seit einigen Jahren steigen die Immobilienpreise in der Schweiz. So erhöhten sich die Transak-tionspreise für Einfamilienhäuser seit 2000 gesamtschweizerisch durchschnittlich um 49 Pro-zent, die Preise für Eigentumswohnungen gar um 77 Prozent. Ebenso hält das Wachstum der Mietpreise seit über 10 Jahren an. Seit 2000 sind die Angebotsmieten gemäss der Immobili-enberatungsfirma Wüest & Partner gesamtschweizerisch um über 40 Prozent gestiegen. Von der Immobilienpreissteigerung in den vergangenen Jahren waren sämtliche Schweizer Kan-tone betroffen. Trotzdem verläuft die Preisentwicklung für Wohneigentum in den regionalen Teilmärkten sehr unterschiedlich. Dies spiegelt sich auch bei einer Betrachtung der Immobili-enpreisentwicklung ausgewählter Kantone wider.

Abbildung 5.18 Immobilienpreisentwicklung in ausgewählten Kantonen und im Landesdurchschnitt

Abbildung 5.18 Immobilienpreisenentwicklung in den Kantone

80 100 120 140 160 180 200 220 240 260

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

Tansaktionspreisindex Einfamilienhäuser (2000 = 100)

ZH BE SZ ZG SO BS VD GE CH

GE

VD

SO ZG SZ

BE ZH BS CH Transaktionspreisindex hedonisch, Einfamilienhäuser (2000 Q.1 = 100)

Quelle: Wüest & Partner

In den vergangenen drei Jahren sind die Transaktionspreise für Einfamilienhäuser insbe-sondere in Genf, Waadt, Schwyz, Zürich und Zug überdurchschnittlich stark gestiegen, Nur geringe Anstiege der Transaktionspreise fanden in Kantonen wie Bern und Solothurn statt. Eine Vielzahl von Faktoren wie insbesondere eine unterschiedliche Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung, aber möglicherweise auch die Steuerpolitik der einzelnen Gebiets-körperschaften sind verantwortlich für diese Differenzen in der Preisentwicklung. Für den

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vorliegenden Wirksamkeitsbericht interessiert in erster Linie der Zusammenhang zwischen dem Immobilienmarkt und der Steuerbelastung in den Kantonen. Die folgenden Ausfüh-rungen beruhen auf einem Bericht der EFV (2013b). Der Steuerwettbewerb in der Schweiz lässt vermuten, dass die unterschiedliche Dynamik der Immobilienpreise in den Kantonen mitunter auf deren Steuerpolitik zurückgeführt werden kann, d.h. dass Kantone, welche die Steuerbelastung in den vergangenen Jahren stark gesenkt haben, ein entsprechend ausgeprägtes Preiswachstum bei den Immobilien erfahren haben. Wenn Steuerbelastungs-unterschiede zwischen Gebietskörperschaften – oder eine Veränderung der Steuerbelastung im Zeitverlauf – zu einer Veränderung des Immobilienpreises führen, spricht man von einer

«Kapitalisierung» der Steuerbelastungsunterschiede im Marktwert von Immobilien. Eine Rei-he empiriscRei-her Studien weist nach, dass sich Unterschiede in der steuerlicRei-hen Belastung von Einkommen in den Immobilienpreisen niederschlagen. Bezüglich dem Ausmass der Kapita-lisierung von Steuerbelastungsunterschieden in der Schweiz (d.h. wie hoch die sogenannte Kapitalisierungsrate ist) variieren die Forschungsergebnisse stark. Neuere Studien finden bei Eigenheimen Kapitalisierungsraten um 100 Prozent, was einer vollständigen Kapitalisierung entspricht. Eine vollständige Kapitalisierung impliziert, dass sich der Wert einer Immobile – d.h. die gesamten abdiskontierten zukünftigen Erträge daraus – um den gesamten Betrag der Steuerersparnis in diesem Zeitraum erhöht.1 Bei Mietwohnungen liegen die geschätzten Werte teilweise deutlich darunter und weisen eine hohe Varianz auf. Die Ergebnisse betragen je nach Studie 18 bis 36 Prozent2, 42 Prozent3 oder bis zu 72 Prozent4. Hier verändert sich der Immobilienpreis entsprechend nur um einen Teil (bspw. 42 oder 72 %) der aufgrund der Steuerersparnis erwarteten Marktwertveränderung.

Ein möglicher Grund für die substanziell höheren Kapitalisierungsraten für Eigentumswoh-nungen gegenüber MietwohEigentumswoh-nungen besteht darin, dass Wohneigentümer sensitiver auf Steuerbelastungsveränderungen reagieren, weil sie auch die zukünftige (erwartete) Steuerbe-lastungsentwicklung bei der Kaufentscheidung mitberücksichtigen.

Die stark variierenden Resultate zur Kapitalisierung in der Schweiz hängen einerseits mit me-thodischen Schwierigkeiten und mangelnder Datenqualität zusammen. Andererseits weisen die aktuellen Forschungsarbeiten darauf hin, dass die Kapitalisierungsrate nicht existiert. Viel-mehr variiert das Ausmass, in dem sich Steuerbelastungsdifferenzen in Immobilienpreisen nie-derschlagen je nach Lage, Mobilität der Individuen – welche wiederum von deren Einkommen abhängig ist – und der betroffenen Staatsebene. Studien, welche durchschnittliche Steuerka-pitalisierungsraten für die Schweiz schätzen, kommen zum Schluss, dass innerkantonale und innerregionale Steuerbelastungsdifferenzen erheblich bedeutender sind als interkantonale oder interregionale Unterschiede. Weiter ist die Kapitalisierungsrate umso niedriger, je höher die Steuerbemessungsgrundlage (Haushaltseinkommen) ist, da wohlhabendere Haushalte mobiler sind. Die Steuerersparnis bei einem Umzug in eine steuergünstigere Gemeinde ist für solche Haushalte höher als die Differenz bei den Immobilienpreisen zwischen den beiden Gemeinden. Für Haushalte mit tiefem Einkommen überwiegen hingegen bei Steuersenkun-gen in der Regel die damit verbundenen ImmobilienpreiserhöhunSteuersenkun-gen, die Kapitalisierungsrate kann in diesem Fall höher als 100 Prozent sein. Schliesslich ist die Kapitalisierung in urbanen Gebieten stärker ausgeprägt als in den peripheren Regionen. In ruralen Gegenden schlagen sich Steuerbelastungsunterschiede kaum in den Immobilienpreisen nieder.

1 vgl. Salvi et al. (2004), Stadelmann (2010) und Morger (2012).

2 Feld und Kirchgässner 1997 3 Morger 2012

4 Hilber 1997

Als Annäherung für die Kapitalisierung von interkantonalen Steuerbelastungsunterschieden kann am ehesten die Kapitalisierung der Einkommenssteuern auf nationaler Ebene herange-zogen werden. Diese ist mit 7 bis 44 Prozent relativ tief. Es ist jedoch zu beachten, dass es sich um die durchschnittliche Kapitalisierung über die gesamte Schweiz handelt. Dies schliesst nicht aus, dass bei einer differenzierten Betrachtung von Wirtschafts- und Wohnräumen – etwa Zürich, Zug, Schwyz, Nidwalden, Luzern – höhere Kapitalisierungsraten beobachtet werden könnten.

Abbildung 5.19 zeigt die durchschnittliche Steuerbelastung und das Immobilienpreisniveau in sämtlichen Kantonen im Jahr 2011 für die Einkommenskategorie von 200 000 Franken.5 Der Zusammenhang erscheint eher schwach. Bei höheren Einkommen wird er noch schwächer.

Dies unterstützt die Hypothese, dass durchschnittliche Steuerbelastungsunterschiede zwi-schen Kantonen eher weniger relevant für die Immobilienpreise sind als auf Stufe Gemeinden und Kleinregionen.

Abbildung 5.19 Zusammenhang zwischen Immobilienpreisniveau und Steuerbelastung im Jahr 2011

Abbildung 5.19 Zusammenhang zwischen Immobilienpreisniveau und Steuerbelastung

ZH

0.00 2.00 4.00 6.00 8.00 10.00 12.00 14.00 16.00 18.00 20.00

Preisniveau Eigentumswohnungen in CHF

Durchschnittliche Steuerbelastung in % Einkommen 200'000 CHF

Quelle: Wüest & Partner, ESTV

5 Als Indikator für die kantonale Steuerbelastung wurde jeweils die durchschnittliche kantonale Steuerbelastung (ge-wichtete Belastung durch Kantons-, Gemeinde- und Kirchensteuer) auf dem Bruttoarbeitseinkommen natürlicher Personen verwendet. Die Berechnungen erfolgten durch die ESTV. Als Indikator für die Immobilienpreise in den Kantonen wurden hedonisch ermittelte Preisdaten von Wüest & Partner verwendet, die sich auf ein mittleres stan-dardisiertes Objekt (durchschnittliche Grösse, Ausbaustandard und Lagequalität) beziehen.

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Die nicht eindeutigen Resultate hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Steuer-belastung und den Immobilienpreisen verdeutlichen, dass regionale Miet- und Immobilien-preise das Ergebnis einer ganzen Reihe von Faktoren sind, von welchen einige mindestens ebenso bedeutend wenn nicht bedeutender sind als steuerliche Anreize. Neben den bisher erwähnten Einflussgrössen sind dies insbesondere die Charakteristika eines Objekts, wie Grö-sse und Ausbaustandard, die Lage des Objekts innerhalb der Gemeinde (z.B. Hangneigung, Erreichbarkeit lokaler Infrastruktur), die Makrolage (Erreichbarkeit von Zentren, öffentliche Ausgaben der Gemeinde, Steuerkraft) und demografische und sozioökonomische Variablen der Gemeinde wie die Bevölkerungsdichte, oder der Anteil Pendler. Eine wichtige Rolle für die Preisentwicklung spielt auch die Verfügbarkeit von zusätzlichem Bauland.

Im Zusammenhang mit der Immobilienpreisentwicklung in den Kantonen wurden im Bericht der EFV auch diejenigen Steuerarten betrachtet, deren Aufkommen vom Immobilienmarkt beeinflusst wird. Dies sind die Grundsteuer, Vermögensgewinnsteuer und die Vermögensver-kehrsteuer. Im Ressourcenpotenzial sind diese Steuern nicht berücksichtigt. Die Höhe der Ein-nahmen aus diesen Steuerarten, deren Entwicklung im Zeitverlauf und die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt sind in den einzelnen Kantonen sehr unterschiedlich. Verglichen mit anderen Steuerarten sind Immobiliensteuereinnahmen ausserdem von relativ geringer Rele-vanz. Ein Querschnitt über alle Kantone im Jahr 2010 weist auf einen leicht positiven Zusam-menhang zwischen dem Steueraufkommen und dem Immobilienpreisniveau hin; das heisst, diejenigen Kantone mit tiefen Einnahmen aus Immobiliensteuern weisen tendenziell niedrige-re Pniedrige-reisindizes für Wohneigentum auf als Kantone mit höheniedrige-ren Immobiliensteueniedrige-reinnahmen (pro Kopf). Dies deutet darauf hin, dass die Steuererträge wegen der höheren Marktwerte von Wohneigentum in diesen Kantonen höher sind. Eine Reihe von Kantonen entspricht jedoch diesem Muster nicht, in Zug und Zürich beispielsweise gehen tiefe Steuererträge mit hohen Immobilienpreisen einher. Eine Studie von Wüest & Partner (2013) beschreibt den Zu-sammenhang zwischen der Zunahme des Handelsvolumens bei Wohneigentumsobjekten und der Entwicklung der Einnahmen bei den Handänderungssteuern, die in 18 Kantonen erhoben werden. Das Handelsvolumen nahm zwischen 2002 und 2010 um 34 Prozent zu und die daraus generierten Handänderungssteuern stiegen um knapp 40 Prozent (auf gut 1 Mrd. Fr.).

Sehr hohe Zuwächse verzeichneten dabei Freiburg, Neuenburg, Graubünden, Obwalden und Waadt. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Einnahmen aus Grundstückgewinnsteuern, die um 42 Prozent auf rund 1,5 Milliarden zulegten. Besonders hohe Einnahmensteigerungen verzeichneten dabei Wallis, Tessin, Genf und Waadt. Der Immobilienboom hat sich auch in den Staatseinnahmen der betroffnene Kantone niedergeschlagen. Deutlich weniger stark ge-stiegen sind demgegenüber die Einnahmen aus Grundsteuern (Liegenschaftssteuern), dessen Volumen 2010 knapp 1 Milliarde erreichte. Gemäss Wüest & Partner (2013) konnten bisher nur wenige Kantone wie beispielsweise Basel-Landschaft und Solothurn vom Immobilien-boom nicht profitieren.

Fazit

Zwischen der Steuerbelastung in einem Kanton und seinem Immobilienmarkt besteht ein komplexer Zusammenhang, der keine eindeutigen Aussagen erlaubt. Die Steuerbelastung ist bloss ein Faktor unter einer Vielzahl von Einflussgrössen, welche sich auf den Immobilienmarkt auswirken. In Bezug auf den Steuerwettbewerb kann festgehalten werden, dass sich Steuer-belastungsunterschiede teilweise in den Immobilienpreisen kapitalisieren. Allerdings sind inner-kantonale und innerregionale Kapitalisierungseffekte bedeutender als interinner-kantonale. Zudem hängen die Kapitalisierungsraten von anderen Faktoren wie insbesondere den Einkommen der Individuen ab. Das mit dem Immobilienmarkt verbundene Aufkommen insbesondere bei den Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuern hat mit dem Immobilienboom in manchen

Kantonen deutlich zugelegt. Im Ressourcenpotenzial sind diese Steuern jedoch nicht berück-sichtigt. So wäre es schwierig, eine Potenzialgrösse für die Besteuerungsbasis zu finden, die mit den Elementen des Ressourcenpotenzials vergleichbar wäre und dem Gesamtressourcenpoten-zial zugerechnet werden könnte. Im Weiteren ist die quantitative Bedeutung dieser Steuern im Vergleich zu den Einkommens- und Gewinnsteuern eher gering. Gesamtschweizerisch beträgt der Anteil dieser Steuern rund 6 Prozent der Fiskaleinnahmen. Die Bedeutung ist dabei von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich; so beträgt dieser Anteil in Glarus bloss 0,4 Prozent, während er in Graubünden 13 Prozent ausmacht. Eine Studie der BAKBasel (2010) kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. Aufgrund der geringen Masse dieser Steuern dürfte deren Ein-fluss auf das Ressourcenpotenzial marginal sein; zudem sei die Datenlage sehr unübersichtlich, was die Definition einer allgemein akzeptierten Bemessungsgrundlage erschweren würde.

5.4.5 Steuererleichterungen im Rahmen der Regionalpolitik

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