• Keine Ergebnisse gefunden

Innersprachlicher Einflussfaktor: Verbart des Folgeverbs

4.2  Vorfeld-Ellipsen: Empirische Befunde im Korpus

4.2.1.2  Innersprachlicher Einflussfaktor: Verbart des Folgeverbs

Ein Einflussfaktor, der sich aus der Positionierung des Subjektpronomens im Vorfeld ergibt, ist die Art des Folgeverbes in der linken Satzklammer. Darauf ist auch in anderen Studien immer wieder verwiesen worden. So haben etwa And-routsopoulos/Schmidt (2002: 68) festgestellt, dass das Pronomen am häufigsten vor Modalverben getilgt wird (in über 70 % der Fälle), gefolgt von sein und haben.

Vorfeld-Ellipsen: Empirische Befunde im Korpus  93

Auch Zifonun et al. (vgl. 1997: 415) weisen darauf hin, dass sich insbesondere vor Kopula- und Hilfsverben (haben und sein) sowie vor Modalverben kein Sub-jektpronomen findet. Zifonun et al. (vgl. ebd.: 417) führen weiter aus, dass eine Pronomen-Ellipse vor einem finiten Vollverb in der gesprochenen Sprache stärker markiert sei als im textuellen Zusammenhang.

Abbildung 10: Verbart des nachfolgenden Verbs bei realisierten und elliptischen Subjektprono-men aller grammatischen Personen

Dies bestätigt sich in der Grafik in Abbildung 10, die aufzeigt, welche Verbarten in welcher Häufigkeit auf die realisierten und elliptischen Subjektpronomen folgen.

Dabei wird deutlich, dass sowohl realisierte als auch elliptische Subjektprono-men aller grammatischen Personen am häufigsten mit Vollverben auftreten und nicht auftreten. Zwar ist der Unterschied zwischen realisierten und elliptischen Pronomen in diesem Fall sehr gering, dennoch zeigt sich eine leichte Mehrheit zugunsten der realisierten Subjektpronomen. Vor Vollverben werden die Sub-jektpronomen im Vorfeld demnach, so der daraus zu ziehende Schluss, etwas häufiger realisiert als ausgelassen. Anders gestaltet sich die Situation bei den Kopula- und Modalverben: Hier ist die Anzahl elliptischer Subjektpronomen deutlich höher als die der realisierten.108 Dies entspricht den Beobachtungen von Androutsopoulos/Schmidt (2002) und Zifonun et al. (1997). Am deutlichsten zeigt

108 Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Anzahl an elliptischen Subjektpronomen die-jenige der realisierten aufgrund der starken Auslassungstendenz bei der ersten Person um 258 Vorkommen überschreitet; das spielt natürlich in die höhere Anzahl bei den Verbarten mit hi-nein.

sich die Tendenz zur Nichtrealisierung schliesslich vor reflexiven Verben. Diesbe-züglich muss im Rahmen eines kurzen Exkurses allerdings festgehalten werden, dass der überwiegende Teil der Fälle mit dem Verb (sich) freuen vorkommt, wie in folgenden Beispielen:

(7) Hei min Liäbling scho gli bin ich wieder bi dir und i dine Arme. Ø Freu mi uf dich und dini Eltere. […] (5257)

‚Hei mein Liebling schon gleich bin ich wieder bei dir und in deinen Armen. Freue mich auf dich und deine Eltern.‘

(8) Mir händr gest u än gmüetliche und schöne abig gfunde. Ø Freued üs scho uf nögst mal.=)baci hedi (446)

‚Wir haben es gestern sehr einen gemütlichen und schönen abend gefunden. Freuen uns schon auf nächstes mal.=)baci hedi‘

Angesichts dieses Befundes ist die Frage aufzuwerfen, ob es sich hierbei nicht um eine der von Imo (2014: 155) als „fixed formulae“ bezeichneten Konstruktio-nen handelt, die mittlerweile in der elliptischen Form so routinisiert und geläufig sind, dass sie den Charakter von festen Ausdrücken und damit einen gewissen Lexikalisierungsgrad aufweisen.109 Allerdings ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um einen Prozess handelt, der (noch) nicht abgeschlossen ist. Das ist auch daran erkennbar, dass die Realisierung eines Subjektpronomens vor sich freuen zusätzliche Funktionen übernehmen kann – dies aber nicht muss. Dazu einige Beispiele aus dem schweizerdeutschen Subkorpus:

(9) Kalbsbratwurscht würd ich sage! Ich freu mi au. Griessli (7489)

‚Kalbsbratwurst würde ich sagen! Ich freue mich auch. Grüsslein‘

(10) […] Han be de postfinance es berotigsgschpräch gha :) han jetzt de es 3a Konto :)) Ich freu mi dich bald wieder in arm z‘schliesse:)))) […] (5512)

‚Habe bei der postfinance ein beratungsgespräch gehabt :) habe jetzt dann ein 3a Konto :)) Ich freue mich dich bald wieder in den arm zu schliessen :))))‘

(11) Isch guet wenn ich am 7ni am berner hb bin? ps. ich freu mich scho..:-) (5877)

‚Ist gut wenn ich um 7 Uhr am berner hauptbahnhof bin? ps. ich freue mich schon..:-)‘

(12) Hey cool, ich freu mi uf de fritig abig :-)! Glichi ziit, gliche ort. Grüessli

‚Hey cool, ich freue mich auf den freitagabend :-)! Gleiche zeit, gleicher ort. Grüss-lein‘

109 Auf solch fixe Konstruktionen gehen auch Morel et al. (vgl. 2012: 280 f.) im Zusammenhang mit Code-Switching-Sequenzen im Schweizer SMS-Korpus ein. Als Merkmale derselben nennen sie in Anlehnung an Backus (vgl. 2003: 90 f.) Nicht-Kompositionalität, Rekurrenz, irreguläre Morphosyntax, pragmatische Funktion und phonologische Reduktion.

Vorfeld-Ellipsen: Empirische Befunde im Korpus  95

Bei der Betrachtung der Beispiele (9) und (10) wird deutlich, dass der Realisie-rung des Subjektpronomens eine spezifische Funktion zugeschrieben werden kann: So wird beispielsweise in (9) Übereinstimmung mit dem Gegenüber mar-kiert. Aufgrund der Verwendung des Adverbs auch ist davon auszugehen, dass der/die Interaktionspartner_in zuvor seine Freude über das in der SMS behan-delte Thema zum Ausdruck gebracht hat und der SMS-Sender diese Freude nun erwidert bzw. seinerseits bestätigt – er zeigt damit eine gemeinsam hergestellte Übereinstimmung an. In Beispiel (10) markiert der Sender durch das Setzen des Subjektpronomens seine Prioritäten: Er berichtet in einem ersten Teil von seinem neuen Konto (nota bene ohne Verwendung eines Subjektpronomens vor dem Verb haben) und teilt der empfangenden Person anschliessend seine Freude über das bevorstehende Wiedersehen mit. Indem er in diesem Teil das Subjektpro-nomen ich vor dem sich freuen verwendet, zeigt er, dass er diesem spezifischen Inhalt mehr Wert beimisst. In den Beispielen (11) und (12) hingegen ist auf den ersten Blick keine besondere Funktion der Pronomenrealisierung erkennbar. Als Ergebnis aus diesem kurzen Exkurs zur VfE vor reflexiven Verben kann festgehal-ten werden: Die subjektlose Konstruktion Ø freu mi ist in der schweizerdeutschen schriftlichen Privatkommunikation auf dem Weg, sich zu einer fixen Routine-formel zu entwickeln.110 Dies ist sicherlich auch auf deren häufiges Vorkommen zurückzuführen. Wie in Kapitel 2.1 ausgeführt, sind private Verabredungen ein häufiges Thema in SMS-Nachrichten und offenbar gehört es dabei dazu, dass man seine Freude über diese Verabredungen – oder beliebige andere Dinge – mit auszudrückt.

Ich komme zurück zur Frage nach weiteren Einflussfaktoren des Folgeverbs auf die Auslassbarkeit des Subjektpronomens. Abbildung 10 hat gezeigt, welche Verbarten in welcher Häufigkeit mit elliptischen oder realisierten Pronomen auf-treten. Möchte man sich das Ganze nun für jede grammatische Person einzeln anschauen, ergibt sich folgendes Bild:

110 Von einer konstruktionsgrammatischen Perspektive her betrachtet, wäre zu fragen, ob es sich bei Ø freu mi um eine Konstruktion handelt. Um diese Frage beantworten zu können, müsste man allerdings grössere Korpora beiziehen.

Abbildung 11: Verbart des nachfolgendes Verbs bei realisierten und elliptischen Subjektprono-men im Vorfeld, aufgegliedert nach grammatischen Personen

Abbildung 11 macht deutlich, dass die grammatischen Personen offenbar unter-schiedliche Tendenzen aufweisen, was die (Nicht)Realisierung vor bestimmten Verbkategorien anbelangt. So zeigt beispielsweise die 2g eine eindeutige (und im Plural sogar ausschliessliche) Ausfallpräferenz vor Modalverben, wohingegen bei der dritten Person Singular vor Modalverben kaum elidiert wird. Aufgrund dieses Befundes sowie des weiter oben (vgl. Fussnote 102) bereits erwähnten sig-nifikant abweichenden Verhaltens von einer zuvor anhand aller Realisierungen und Ellipsen errechneten Grundtendenz, wird daher im Folgenden auf die zelnen grammatischen Personen und deren Auslassungsverhalten gesondert ein-gegangen. Die Plural-Personen fasse ich dabei aufgrund ihres nicht signifikant voneinander abweichenden Verhaltens sowie aufgrund ihrer ohnehin geringen Vorkommenshäufigkeit in einem Abschnitt zusammen.

4.2.1.3  Die erste Person Singular: Nichtrealisierung als struktureller Normalfall