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4. INTERPRETATION DER INTERVIEWS

4.1 L ERNBIOGRAFIE

4.1.2 Informelle Lernerfahrungen

Interview 1

Als Stephen Molnar 18 Jahre alt war, musste er schmerzhaft den Tod seiner Großmutter mit-erleben. Nach zahlreichen Krankheiten blieb ihr Herz eines Tages stehen. Am Tag ihres To-des war Stephen Molnar bei ihr und leistete erste Hilfe, aber nachdem seine Großmutter be-reits sehr krank war, konnte der Arzt schließlich nichts weitere mehr tun, als den Tod festzu-stellen. Aufgrund dieser Erfahrung, wollte Stephen Molnar damals Medizin studieren und begründet diese Entscheidung folgendermaßen:

„Also das war so diese relativ traurige Ecke wo ich dann aber in mich hineingehorcht, dann meine Formulierung gefunden habe, na, ich mag nicht mehr irgendwo hilflos rumhängen müssen wenn jemand da in Not ist, ich will was tun können“ (Interview 1, Z. 60-63)

Dieses emotionale Erlebnis löste in ihm also ein starkes Gefühl der Hilflosigkeit aus. Um die-sem Gefühl entgegenzuwirken und dem Wunsch nach Handlungskompetenz nachzukommen,

69 entschied er sich dazu Medizin zu studieren, um Menschen helfen und bereits im Vorhinein präventive Maßnahmen setzen zu können. Gewisse Lebensumstände führten dann allerdings dazu, dass er Psychologie studierte, was wiederum seine zweite Priorität war.

Im Laufe seiner Studienzeit lernte Stephen Molnar mit Leuten gekonnt zu verhandeln. Auf-grund seines Verhandlungsgeschicks, eröffneten sich viele Möglichkeiten für ihn. Auf diesem Wege konnte er beispielsweise im Rahmen seines Praktikums an unterschiedlichen Seminaren und Therapieausbildungen teilnehmen ohne dafür etwas bezahlen zu müssen und unter ande-rem sogar ein Klavier erwerben. Seinen Erfolg erklärt er sich wie folgt:

„weil ich habe den Leuten Deals vorgeschlagen, die für sie nicht weh taten und trotz-dem was abwarfen“ (Interview 1, Z. 191-193)

Diese Deals, wie er sie nannte, waren deshalb so erfolgreich, weil jede Partei einen Gewinn daraus schlagen konnte. Das was jede Partei gab war nicht so wichtig als das was sie dafür erhielt und daher war es gewinnbringend und ein guter Kompromiss für beide.

Interview 2

Auf die Frage nach der individuellen Lernbiografie, meint Thomas Jaklitsch, dass für ihn die persönliche Lernbiografie bereits bei seiner Geburt begann.

„der Beginn wird wahrscheinlich in dem Moment gewesen sein, wo ich auf die Welt kam“ (Interview 2, Z. 12-13)

Daraus kann man schließen, dass er unter Lernen nicht nur an das formale Lernen in Bil-dungseinrichtungen denkt, sondern auch das informelle Lernen miteinschließt. Thomas Jaklitsch zählt bereits seine ersten Sinneswahrnehmungen, die er als Baby hatte zu seiner Lernbiografie. Demnach kann man annehmen, dass seiner Meinung nach ein Mensch in jeder Lebenslage lernt.

Als wichtige Kompetenz der Menschen erwähnt Thomas Jaklitsch Multitasking. Seiner Mei-nung nach konnten Männer durch die Erziehung von Frauen üben, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Daher findet diese Überlegung auch Anwendung in seiner Tätigkeit als Lehrender.

„wenn ich ahm den Auftrag habe etwas zu lernen, ah zu lehren, um jemanden von A nach B zu führen, als Coach, als Trainer, als Lehrer, viele Dinge ineinander zu

ver-70 schachteln, also mich nicht unbedingt an sequenzielle ah klassische Lerntheorien hal-te, sondern viele Dinge gleichzeitig mache und oft Menschen tun, Menschen ah Dinge tun lasse, die sie offiziell noch gar nicht kennen noch können, um selber daraus zu ler-nen“ (Interview 2, Z. 39-44)

Wenn er Lernenden etwas vermitteln möchte, geht er also nicht den üblichen Weg der se-quenziellen Informations- und Wissensdarbietung, sondern bittet sie viele Dinge gleichzeitig zu machen. Außerdem glaubt er an einen Lernerfolg, wenn Menschen gleich Dinge tun, die sie eigentlich noch gar nicht kennen beziehungsweise können. Demnach vertraut er, wie es scheint, dem Lernrezept „learning by doing“ und bevorzugt es, Menschen etwas üben zu las-sen und Dinge auszuprobieren, anstatt einen Wislas-sensvortrag zu halten. In diesem Kontext kann man sehr gut erkennen, dass der Erwerb einer Handlungskompetenz, also die Fähigkeit etwas tun zu können, einen hohen Stellenwert für Thomas Jakltisch einnimmt. Um eine solche Kompetenz zu erwerben ist der Bezug zur Praxis, also das ständige Üben und Ausprobieren essentiell.

Weiters berichtet Thomas Jaklitsch von Lernerfahrungen in Bezug auf körperliche Grenzen:

„scheinbar unmögliche Dinge zu tun, ah ein bestimmtes Faszinosum auf mich haben und habe dann begonnen für mich selber diese Tools zu entwickeln und dann diese Tools bei anderen Menschen in unterschiedlichsten Arten und Weisen auszuprobie-ren“(Interview 2, Z. 110-113)

Diese scheinbar unmöglichen Dinge weckten also eine Neugier in ihm und motivierten ihn dazu, eigene Tools für sich selbst zu entwickeln, um diese anschließend mit anderen Men-schen zu testen. Mit Tools meint er Werkzeuge, also Strategien um solche körperlichen Gren-zen zu überwinden. Diese entwickelten Tools, wie er sie nennt, setzt er in seiner Arbeit mit Triathleten ein.

Fazit

Wenn man nun die informellen Lernerfahrungen von Thomas Jaklitsch mit denen von Ste-phen Molnar vergleicht, gibt es vor allem drei Dinge, die interessant erscheinen und im Fol-genden nun näher beschrieben sind.

Betrachtet man die Antworten auf die Frage nach der individuellen Lernbiografie, fällt auf, dass Stephen Molnar damit anfängt, dass er mit 5 Jahren eingeschult wurde, wohingegen

71 Thomas Jaklitsch seine Geburt als den Beginn seiner Lernbiografie sieht. Stephen Molnar schließt von dem Begriff Lernen gleich auf seinen formalen Bildungsweg. Im Gegensatz dazu denkt Thomas Jaklitsch vielmehr an informelle Lernprozesse und glaubt vom ersten Moment seines Lebens an zu lernen.

Außerdem kann man in den Ausführungen von beiden erkennen, dass ihre Lernerfahrungen Auswirkungen auf ihre Ausbildung beziehungsweise auf ihren Beruf hatten. Stephen Molnar erkannte aufgrund des Todes seiner Großmutter, dass es seine Berufung ist, Menschen zu hel-fen. Diese Einsicht beeinflusste seinen weiteren beruflichen Werdegang. Bei Thomas Jaklitsch seinen Erzählungen kann man sehen, dass seine persönlichen Lernerfahrungen An-wendung in seinem Beruf finden. Dabei versucht er seine selbst erworbenen Fähigkeiten, die seiner Meinung nach zielführend und hilfreich im Leben waren, an andere weiterzugeben.

Abschließend fällt auf, dass in beiden Erzählungen der Erwerb von Handlungskompetenzen, also die Fähigkeit etwas tun zu können beziehungsweise etwas zu beherrschen eine wichtige Rolle spielt. Dies wurde sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext angesprochen.

Stephen Molnar erwähnt im Zusammenhang mit dem Tod seiner Großmutter und dem Wunsch Medizin zu studieren, dass er die Fähigkeit erwerben möchte, etwas tun zu können, wenn Menschen Hilfe benötigen. Thomas Jaklitsch setzt sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit das Ziel, Menschen eine gewisse Handlungskompetenz zu vermitteln, die sie dazu befähigt Dinge zu tun, die sie zuvor noch nicht konnten. Um dies zu erreichen, gestaltet Thomas Jaklitsch seine Seminare sehr praxisbezogen. Dabei nehmen seine Lernenden eine sehr aktive und explorative Rolle ein.