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4. INTERPRETATION DER INTERVIEWS

4.4 D EFINIERTE L ERNZIELE IN DER NLP

Interview 1

Auf die Frage hin, ob Stephen Molnar in seinen NLP Seminaren mit definierten Lernzielen arbeitet, antwortet dieser, dass er im Rahmen von Bandlers Seminaren nicht gelernt habe, Lernziele zu definieren. Stephen Molnar berichtet, dass Richard Bandler nämlich folgender Meinung war:

„wenn ein Trainer vor einer Gruppe steht der sollte schon wissen, was er tut und das nicht jedes Mal neu definieren müssen, ähm sondern vielmehr ok gut, ich habe meinen Stoff im Kopf und die Gruppe bestimmt wohin die Reise geht“ (Interview 1, Z. 488-491)

Laut Stephen Molnar sind vordefinierte Lernziele in der NLP also nicht notwendig. Indirekt kritisiert er damit die Verwendung von definierten Lernzielen in der Erwachsenenbildung.

Seiner Meinung nach bräuchten TrainerInnen mit fachlicher Kompetenz und didaktischem Können nämlich keine Lernziele zu definieren, um Wissen gezielt vermitteln zu können.

Demnach sieht er also keinen Sinn darin in der Erwachsenenbildung mit definierten Lernzie-len zu arbeiten. Ausgehend von seiner Aussage können Lernende ihre Lernziele selbst be-stimmen beziehungsweise festlegen. In diesem Kontext erwähnt er außerdem, dass die Grup-pe der Lernenden für die Lernziele verantwortlich ist. Demnach sollten also gemeinsame Lernziele gefunden und angesteuert werden, wobei in diesem Fall auch die Gruppendynamik als entscheidender Faktor mitberücksichtigt werden sollte. Lernende können sich je nach Per-sönlichkeit und Gruppenkonstellation unterschiedlich öffnen und der Gruppe mitteilen.

Dem-80 zufolge kann man annehmen, dass definierte Lernziele durch die Gruppe eher von den Ler-nenden bestimmt werden, die mehr Durchsetzungsvermögen und extravertierter als andere sind. In diesem Fall wären also Lernende mit eher introvertierten und zurückhaltenden Per-sönlichkeitsmerkmalen benachteiligt.

Vielmehr versteht Stephen Molnar Ziele und Definitionen als internen Bestandteil des NLPs.

In diesem Zusammenhang erwähnt er das Anti-Gregory-Bateson Konzept, wobei Gregory Bateson von Stephen Molnar als Richard Bandlers Pate bezeichnet wird. Dieser spielte öfters mit Richard Bandler Schach und habe ihm eines Tages erklärt:

„man kann nie, noch so sehr konzeptualisiert, das was man beibringt gleich vorma-chen, weil entweder man macht es oder man redet darüber, und darüber heißt ja schon wieder wo anders in der Ebene“ (Interview 1, Z. 506-508)

Daraufhin hat sich Richard Bandler, der gegenteiliger Meinung war, zum Ziel gesetzt, Praxis und Theorie zu vereinen. So lehrt er in seinen Ausbildungen den angehenden TrainerInnen:

„ihr müsst während ihr das macht erklären, also ihr macht das, ihr ankert mit Leuten und erklärt wie ein Anker funktioniert“ (Interview 1, Z. 513-515)

In diesem Fall benutzt Stephen Molnar wiederum das Beispiel des Ankerns, eine sehr bekann-te Methode des NLPs, die bereits in einem vorherigen Unbekann-terkapibekann-tel näher beschrieben wurde (siehe 5.2). Richard Bandler und Stephen Molnar meinen also, dass Lernende in der Lage sind, Methoden des NLPs zu lernen, indem man sie erklärt und gleichzeitig vorgemacht be-kommt. Demzufolge sollten Lernende die Methoden des NLPs also durch Zuhören und Be-obachten erwerben.

Stephen Molnar erklärt, dass er seine Seminare auf diese Art und Weise gestaltet und ist der Meinung, dass man es danach zwar nochmals für das Bewusstsein nachvollziehen könne, man es im Unterbewusstsein allerdings schon gelernt hätte. Demnach beschreibt er den Bandler-schen Ansatz, nach dem er sich orientiert als „intuitiver“ als den DiltsBandler-schen Ansatz und sagt über den Lernprozess seiner TeilnehmerInnen Folgendes:

„vielleicht können sie es nicht benennen, (…) aber sie können damit bereits umgehen, wobei sie dieses Umgehen, dieses Praktische während der Demonstration ja schon mitgekriegt haben und gelernt haben“ (Interview 1, Z. 530-535)

81 Stephen Molnar geht also davon aus, dass seine TeilnehmerInnen durch Beobachtung ganz unbewusst Kompetenzen erwerben, die sie ohne diese vorher geübt zu haben oder Genaueres darüber zu wissen in einem weiteren Schritt bereits anwenden können. Dabei erwähnt er auch, den intuitiven Charakter des Bandlerschen Ansatzes im Gegensatz zu den Grundsätzen von Robert Dilts, dem zweiten Mitbegründer des NLPs. Damit möchte er vermutlich sagen, dass seine TeilnehmerInnen lernen intuitiv zu handeln, also unbewusst das Richtige tun, da sie die Methoden des NLPs zuvor durch Beobachtungslernen bereits internalisiert haben.

Interview 2

Thomas Jaklitsch beschreibt je nach Ausbildung - NLP Practitioner, Master Practitioner oder NLP Coach - unterschiedliche Lernziele. Über die Ausbildung zum NLP Practitioner sagt er Folgendes:

„den macht man grundsätzlich für sich selber, also lerne dich selber kennen und ein ganz ein wesentlicher Satz, mache selbst zuerst“(Interview 2, Z. 166-167)

Außerdem meint Thomas Jaklitsch, dass es darum gehe, durch Selbsterfahrung die Wirksam-keit verschiedener Interventionstechniken kennen zu lernen.

„im Sinne von wesentliche Formate zu kennen und diese auch wirklich erfahrbar ma-chen zu können, im Unterschied zu Vorstellungen von 5, 6, 7, 8 Veränderungstechni-ken pro Tag und keine einzige davon wirklich erfahren zu haben“ (Interview 2, Z. 177-180)

In der Ausbildung zum NLP Practitioner steht laut Thomas Jaklitsch also der/die Lernende selbst im Vordergrund. Bevor der/die Lernende sich mit der Materie oder mit anderen Men-schen befasst, sollte er/sie sich mit sich selbst beschäftigen und durch Selbsterfahrung das Vertrauen in seine/ihre eigenen Fähigkeiten aufbauen beziehungsweise stärken. Demnach bildet diese Selbsterfahrung in der NLP den Grundstein für jede weitere Lernerfahrung. Wei-ters kann man aus seinen Aussagen ableiten, dass er die Selbsterfahrung als eine Vorausset-zung für den Umgang mit Methoden des NLPs ansieht. Denn nur wenn man eine Methode an sich selbst ausprobiert hat und sich somit in die Lage der Lernenden hineinversetzen kann, hat man eine Ahnung von der Wirkungsweise der Methode und welchen Effekt diese haben kann.

Die Ausbildung zum NLP Master Practitioner hingegen zielt laut Thomas Jaklitsch vielmehr darauf ab, Fähigkeiten auf zwischenmenschlicher Basis zu entwickeln.

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„dort sollte man bereits bestimmte Fähigkeiten so für sich internalisiert haben oder auch erweitert haben, dass man auch mehr und mehr die Fähigkeit bekommt mit ande-ren gut arbeiten zu können“ (Interview 2, Z. 184-186)

Beim NLP Coach spielt der fachliche Input beziehungsweise die Vermittlung von Know-How für das individuelle Berufsfeld eine entscheidende Rolle.

„um (…) mit dem Individuum auf einer professionellen Basis arbeiten zu können“ (In-terview 2, Z. 190-191)

Vergleicht man die unterschiedlichen Lernziele je nach Ausbildung, kann man zusammenge-fasst sagen, dass Selbsterfahrung die Grundvoraussetzung für den zwischenmenschlichen Umgang darstellt. In der Phase des NLP Master Practitioners meint Thomas Jaklitsch, dass die Lernenden ihre Kompetenzen bereits soweit gefestigt haben sollten, sodass sie sich ganz auf ihr Gegenüber konzentrieren können. Auf der Ebene des NLP Coachs geht es schließlich darum, dass die Lernenden Wissen über ihren spezifischen Bereich erhalten. Betracht man nun die einzelnen Etappen zum NLP-Trainer fällt auf, dass vor der Wissensvermittlung selbst das Stärken der eigenen Fähigkeiten, die Selbsterfahrung und der Umgang mit anderen ent-scheidend sind.

Fazit

In Bezug auf definierte Lernziele meint Stephen Molnar, dass die Expertise und didaktischen Fertigkeiten eines Trainers/einer Trainerin ausreichen, um ein Seminar zielführend zu gestal-ten. Definierte Lernziele sind seiner Meinung nach in diesem Fall überflüssig. Außerdem sieht er es als Aufgabe der Lernenden Lernziele für sich zu definieren. Laut Stephen Molnar ist es Entscheidung der Gruppe in welche Richtung sich die Ziele des Seminars schlussendlich richten. Darüber hinaus erwähnt er, dass Lernziele vielmehr interner Bestandteil des NLPs sind. In diesem Zusammenhang setzte sich Richard Bandler bereits in frühen Jahren das Ziel, Wissen an Lernende weiterzugeben, indem er den Lerninhalt erklärt und zur selben Zeit auch gleich vorzeigt. Stephen Molnar versucht in seinen Seminaren diese didaktische Vorgehens-weise von Richard Bandler anzuwenden. Er ist davon überzeugt, dass damit ein unbewusster Lernprozess bei den Lernenden ausgelöst wird und dass sie durch reine Beobachtung auch schon über diese Kompetenz verfügen. Laut Stephen Molnar haben seine TeilnehmerInnen - ohne es zu wissen - die erworbene Kompetenz schon soweit internalisiert, dass sie intuitiv bereits richtig handeln würden. Im Gegensatz zu Stephen Molnar, definiert Thomas Jaklitsch

83 sehr wohl Lernziele in seinen Seminaren. Je nach Ausbildungsgrad fokussiert er ein bestimm-tes Lernziel. In den ersten Seminaren, die man als angehender NLP Trainer absolviert, geht es um Selbsterfahrung. Der Fokus richtet sich zu Beginn also auf den Lernenden selbst. Das Vertrauen in sich selbst und seine Fähigkeiten bildet das Fundament für die weitere Ausbil-dung. Erst wenn die Phase der Selbsterfahrung abgeschlossen ist, kann man sich zwischen-menschlichen Beziehungen und der Arbeit mit anderen widmen. Schlussendlich gilt es als Ziel, sich spezifisches Fachwissen anzueignen, um über eine Expertise in seinem Gebiet zu verfügen.