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2. Rechtliche und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

2.2 Das System der sozialistischen Marktwirtschaft und Auswirkungen des Beitritts zur WTO

2.3.1 Grundmerkmale der „Go-West“-Strategie

Gemäß der zentralen Politik haben von 1978 bis 2000 vor allem die Ostküstenprovinzen von dem eingesetzten Wirtschaftswachstum Chinas profitiert. Erst seitdem diese Wohlstandskluft die politische Stabilität in China ernsthaft bedroht, realisierte die chinesische Regierung ihren Handlungsbedarf. So arbeitete sie eine Strategie aus, welche auf die Entwicklung der 12 rückständigen Provinzen im Westen abzielte (ASIAN DEVELOPMENT BANK 2002).

Demzufolge wurde im Februar 2000 eine Langzeitstrategie (auch „Western Region

Development“ oder „Go-West“-Strategie genannt) gestartet, um die Entwicklung im Westen zu fördern. Die Ankündigung dieser Strategie markiert den Start einer neuen Ära in der Entwicklung Westchinas. Mitte des 21. Jahrhunderts soll sich ein vollkommen „neuer Westen“ mit einer florierenden Wirtschaft und einem angemessenen Lebensstandard entwickelt haben. Um diese Ziele zu erreichen, hat die Zentralregierung Kapitalinvestitionen erhöht und Vorzugsmaßnahmen für Westchina eingeführt. So hat der Staat im Jahr 2000 mehr als 70 Millionen RMB aus Binnendarlehen und dem nationalen Budget für den Infrastrukturaufbau in Westchina bereitgestellt, ein dramatischer Anstieg im Vergleich zu den Jahren bevor. 200 Millionen RMB Darlehen werden für Aufforstung und ökologische Rekonstruktionsprogramme bis 2010 geplant (YEUNG & SHEN 2004). Gemäß offiziellen Dokumenten sollen mithilfe dieser Strategie Maßnahmen mit einer breiten Reichweite durchgeführt werden: interregionale Finanztransfers, Landesentwicklung und Aufforstungsprogramme, Steuerreformen, Ressourcenerschließung, ausländische Investitionen und Handels- sowie Entwicklungs-, Technologie- und Ausbildungsprojekte.

Im Gegensatz zu den bisherigen Versuchen, Westchina wirtschaftlich zu entwickeln, hat sich Grundlegendes geändert. Erstens hat die Fähigkeit der Regierung, sich in die Wirtschaft einzumischen, nachgelassen (FULIN 2004). Dazu trugen die Aktzeptanz der Marktwirtschaft, die Schwächung der Budgetkontrollen und die Dezentralisierung der Entscheidungsgewalt entscheidend bei. Auf der anderen Seite haben auch WTO-Prinzipien die Möglichkeiten, mit denen die Regierung direkt in die Wirtschaft eingreifen kann, geschwächt. Daher ist nicht nur das Ausmaß der Staatsinvestitionen beschränkt, sondern auch die Rücklaufrate, insbesondere für Binnendarlehen. Zweitens sieht sich der Staat einer multidimensionalen Aufgabe gegenüber. Die Regierung muss Wirtschaftswachstum und verbesserten Lebensstandard mit Umweltschutz und nachhaltiger Ressourcennutzung in Einklang bringen (CHENGZONG &

ZERUI 2004). Drittens hat die Zentralregierung einige Gegenden ausgewählt, welche als Wachstumspole agieren sollen. Aus diesen Punkten ergibt sich, dass es sich bezüglich der

„Go-West“-Strategie um eine Langzeitstrategie handelt und diese nur über einen langen Zeitraum erfolgreich sein kann (YEUNG & SHEN 2004).

Die Strategie der „Go-West“-Politik beruht auf zwei Schlüsselelementen:

1. Erhöhte Investitionen in Infrastrukturprojekte

Vier Gebiete in Westchina haben Priorität: erstens der Wirtschaftskorridor entlang der Xi’an-Lanzhou-Xinjiang-Eisenbahn, zweitens der Wirtschaftsgürtel entlang des Oberlaufs des Yangtse-Flusses, drittens die Wirtschaftsregion, welche sich entlang Nanning-Guiyang-Kuming erstreckt und viertens Gegenden mit großen Anteilen an Minderheiten (Xinjiang).

Abgesehen vom zuletzt genannten Gebiet haben die ersten drei Hauptzielgebiete eine dichtere Bevölkerung und eine bessere Infrastruktur, welche ihnen Transportvorteile ermöglicht – eine Voraussetzung für Entwicklung und Zugang zu Arbeitskräften und Märkten. Gebiete mit Minderheiten sollen aus sicherheitspolitischen Gründen gefördert werden.

Bei der Realisierung der Strategie wird zunächst mit Projekten entlang der bedeutenden Verkehrswege wie der eurasischen Kontinentalbrücke, dem Yangtse sowie den wichtigen zum Meer führenden Verkehrswegen im Südwesten begonnen. Die großen Städte entlang dieser Verkehrswege sollen als Wirtschaftszentren dienen und eine Führungsrolle bei der Entwicklung der umliegenden Regionen spielen. Besondere Förderung sollen die Wirtschaftszonen entlang der Tongguang-Lanzhou-Urumqi-Eisenbahnstrecke, entlang des Yangtse-Oberlaufs sowie entlang der Nanning-Guiyang-Kunming-Eisenbahnstrecke erhalten (YEUNG & SHEN 2004). Die Regierung hofft, durch die Verbesserung der Infrastruktur das Wirtschaftswachstum in der Region und damit die gesamte Konjunktur weiter zu stärken. Die höhere Nachfrage nach industriellen Produkten und Dienstleistungen soll den Investitionsgütermarkt beleben, und durch neue Einkommensmöglichkeiten soll die Bevölkerung der Region zur Ausweitung der Inlandsnachfrage beitragen (SOCIAL SCIENCES ACADEMIC PRESS OF CHINA 2005).

Die dafür notwendigen Ressourcen sollen durch eine Vielzahl von Instrumenten gewonnen werden. Zum einen durch einen Anstieg der Finanzausgaben, durch Ermutigung von Handelsbankdarlehen, Darlehen von internationalen Finanzorganisationen (z. B. Weltbank, Asien-Entwicklungsbank) und das Ausstellen einer 30-jährigen Garantie durch die Staatliche Entwicklungsbank, um Langzeit-Bankdarlehen aufzustocken. Zusätzlich zur Finanzierung der Projekte durch die Staatliche Entwicklungsbank werden eine Reihe von Dienstleistungen von Filialen in den Regionen angeboten. Erstens die Bereitstellung von Darlehen zu Vorbereitung und zu Machbarkeitsstudien von Entwicklungsprojekten; zweitens die Projektüberwachung und die Einführung von Versicherungssystemen, um die Qualität und Fertigstellung der Projekte zu gewährleisten; drittens die Einrichtung von gemeinsamen Arbeitssitzungen zwischen Banken und verschiedenen Provinzregierungen, um Wissen auszutauschen (YEUNG & SHEN 2004).

Außerdem gibt es neue innovative Methoden, um den Kapitalzufluss zu erhöhen: den Build-Operate-Transfer (BOT), d. h. das Recht, die Infrastrukturausstattung für eine begrenzte Zeit zu errichten und zu betreiben, mit der Verpflichtung, sie später in die Hand des Staates zu übergeben; und den Transfer-Operate-Transfer (TOT), welcher den Transfer von Betreiberrechten von staatlich errichteter Infrastrukturausstattung für eine begrenzte Zeit an einen privaten Investor darstellt. Diese Instrumente sind sehr mächtig, da sie der Regierung erlauben, direkt über das Investitionsobjekt zu entscheiden und zur selben Zeit neue Fonds für die Finanzierung anderer Projekte zu bekommen (YEUNG & SHEN 2004)

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2. Investitionen in Humankapital

Im Rahmen der „Go-West“-Strategie strebt die Regierung auch die Förderung des Humankapitals in Westchina an (siehe auch 3.2.3). Erstens ist die Schaffung von mehr Humankapital grundsätzlich von Bedeutung, dies schließt den Start eines wissenschaftlichen und technologischen Trainingsprogramms und die Förderung der Errichtung von Schlüssel-Forschungseinrichtungen, Universitätswissenschaftsparks und nationalen Ingenieurs-Technologie-Forschungszentren ein (CHINA TODAY OCTOBER 2005). Zweitens kommt

dem Erhalt von geschaffenem Humankapital, d. h. der Nutzung des Vorteils einer verhältnismäßig hohen Dichte an Facharbeitern, zahlreichen Militärfirmen und Ressourcen in der Gegend Bedeutung zu. Es werden Schritte unternommen, um Hochtechnologie-Industrien wie Industrien neuer Materialien und von Biomedizin zu stärken. Drittens soll die Heranziehung ausländischer Fachkräfte beschleunigt werden. Technologische und personelle Kooperationen mit der Weltbank, den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen sollen gefördert werden (YEUNG & SHEN 2004).