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Funktionale Ausdifferenzierung und weltanschaulich-religiöse Heterogenität als Voraussetzung von Zivilreligion

Im Dokument Religionsunterricht im Kanton Zürich (Seite 177-183)

DIE DISKUSSION UM DEN SCHULISCHEN RELIGIONSUNTERRICHT UM 1872

7 Zivilreligiöse Erwartungen in der Diskussion um den schulischen Religionsunterricht 182 – eine Analyse

7.1 Funktionale Ausdifferenzierung und weltanschaulich-religiöse Heterogenität als Voraussetzung von Zivilreligion

Der erste Punkt meiner Annäherung an den Begriff der Zivilreligion ist streng genommen nicht Teil der ‹Definition›, sondern identifiziert die Voraussetzun-gen, unter denen sich sinnvoll von Zivilreligion sprechen lässt. Zivilreligion setzt einerseits eine ausdifferenzierte Gesellschaft voraus und andererseits eine welt-anschaulich-religiös heterogene Gesellschaft, in der schon ein gewisses Mass an Religionsfreiheit realisiert ist (vgl. Unterkapitel 2.6, S. 66 f.). Ausdifferenzierung bedeutet die voranschreitende Unterscheidung verschiedener gesellschaftlicher Sphären mit ihren Eigengesetzlichkeiten – primär die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft. Die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft ist grundlegend, damit innerhalb der Gesellschaft verschiedene Sphären unter-schieden werden können. Erst diese Unterscheidung ermöglicht die Verhält-nisbestimmung zwischen Staat und Kirche – oder anderen gesellschaftlichen Sphären. Unterscheidung bedeutet aber nicht zwingend Trennung. So kann ein Staat oder Kanton durchaus für die Kirche Steuern einziehen, ohne jedoch die inneren Angelegenheiten der Kirche mitzubestimmen.

Religiös-weltanschau-liche Heterogenität ist eine weitere Voraussetzung von Zivilreligion, da nur dann überhaupt die Frage auftaucht, wie der gesellschaftliche Zusammenhalt angesichts unterschiedlicher Lebensorientierungen gewährleistet werden kann, worauf Zivilreligion eine mögliche Antwort ist. In diesem Kapitel soll erläutert werden, inwiefern diese beiden Voraussetzungen im Kanton Zürich um 1870 tatsächlich gegeben waren.

Bis zur Helvetik kann streng genommen nicht von einer gesellschaftlichen Ausdifferenzierung gesprochen werden. Kirche und Staat bildeten seit der Re-formation eine Einheit (cuius regio, eius religio) und die Kirche wurde nicht als institutionelle Macht einer eigenen gesellschaftlichen Sphäre – der religiösen – erachtet, die eigenen Gesetzen folgt, sondern als Teil des Staates oder politischen Gemeinwesens. Kirchenmitgliedschaft und Staatsbürgerschaft waren eins und der Rat verfügte nicht bloss über die kirchliche Ordnung und Organisation, sondern auch über deren Lehre.1 Mit der Helvetik begannen sich die staatskirch-lichen Strukturen allmählich aufzulösen. Die Helvetische Verfassung von 1798 wie auch die Mediationsverfassung von 1803 garantierten die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Doch insbesondere der Erlass eines eigenen Kirchengesetzes im Jahre 1803 ist als erster Schritt zur Auflösung der Staatskirche und zur funk-tionalen Unterscheidung zwischen Staat und Kirche zu interpretieren.2 Der erste Artikel dieses Kirchengesetzes3 weist darauf hin, dass neu auch von Gemeinden ausgegangen wurde, die «sich nicht zur reformirten Religion bekennen» und somit auch nicht dieser Kirche angehörten. Seit 1798 gehörte das katholische Rheinau zu Zürich und seit 1803 auch das zum Teil katholische Dietikon.4 Ebenso setzt die Rede von einer «unter einer Aufsicht stehenden Kirche» die funktionale Unterscheidung zwischen Kirche und Staat voraus, da der Staat nur eine von ihm unterschiedene Grösse beaufsichtigen kann.5 Doch erst Pa-ragraph 2 des Kirchengesetzes von 1831 erlaubte explizit den Kirchenaustritt, ohne dadurch zugleich den Verlust der bürgerlichen Rechte nach sich zu ziehen.6 Als Indikator eines weiteren Ausdifferenzierungsschrittes kann Artikel 63 der Zürcher Staatsverfassung von 1869 angesehen werden, der zum einen die Glau-bens-, Kultus- und Lehrfreiheit nicht nur der Landeskirche, sondern auch aller

1 Vgl. Schmid 1994, 195; vgl. auch Unterkapitel 3.1, S. 71 f.

2 Vgl. Schmid 1994, 201.

3 «Der Canton Zürich, in wie weit er sich zur reformirten Religion bekennt, macht eine, unter einer Aufsicht stehende Kirche aus.» (Kirchengesetz 1803, Art. 1, zit. in Schmid 1994, 201).

4 Vgl. Schmid 1994, 202.

5 Vgl. ebd., 201 f.

6 «Wer seine Trennung von derselben förmlich erklärt, verliert das Recht, in kirchlichen Ver-sammlungen zu rathen, zu stimmen, zu wählen, die Wählbarkeit zu kirchlichen Stellen und Ämtern, unbeschadet seiner bürgerlichen Rechte.» (Kirchengesetz 1831, § 2, zit. in Schmid 1994, 205).

anderen kirchlichen Gemeinschaften bekräftigte und zudem auch jeden Zwang gegen Gemeinden, Genossenschaften und Einzelne ausschloss. Im Unterschied zu den anderen kirchlichen Genossenschaften blieb die Landeskirche gemäss Artikel 63 hinsichtlich ihrer Organisation jedoch durch staatliches Gesetz ge-ordnet.7 Schmid weist nachdrücklich darauf hin, dass dies zur Folge hatte, dass der demokratische Staat die Landeskirche auf die Grundelemente der Demokra-tie verpflichtete und insbesondere «auf die auch innerkirchliche Gewährleistung der Glaubens- und Gewissensfreiheit».8

Wenn die Landeskirche Glaubens- und Gewissensfreiheit garantieren muss, dann stellt sich die Frage, inwiefern die Integrität der Landeskirche als Glau-bensgemeinschaft gewährleistet ist oder werden kann. Eine Glaubensgemein-schaft wird dann als integrale KörperGlaubensgemein-schaft respektiert, wenn sie innerhalb des Verfassungsrahmens ihre internen Angelegenheiten selber regeln und ihre eigenen Gesetze erlassen darf, ohne dazu von staatlich-politischen Entscheiden abhängig zu sein. Die Unterscheidung zwischen innen und aussen ist freilich nicht immer so eindeutig. Angewendet auf die Unterscheidung zwischen Kultus (innere Angelegenheit) und Organisation (äussere Angelegenheit), lässt sich diese Problematik am Beispiel der Taufpraxis sehr gut verdeutlichen. Aus theo-logischer Sicht ist der kultische Akt der Taufe seit urchristlichen Zeiten Zeichen der Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft und zugleich auch deren Bedingung. Als Kriterium der Mitgliedschaft gehört sie in den kirchlich-organi-satorischen Bereich, die sich jedoch nicht von der kultischen Handlung loslösen lässt. Im Zusammenhang mit der Kirchenordnung von 1905 akzeptierte der Regierungsrat den Satz in Paragraph 3 «Das religiöse Zeichen der Aufnahme in die christliche Kirche ist die heilige Taufe» auf dem Hintergrund der Verfassung gemäss Schmid «nur unter dem Vorbehalt, dass die Taufe juristisch tatsächlich nur als Zeichen und nicht etwas als Bedingung der Mitgliedschaft verstanden werde und demzufolge fakultativ sein müsse».9 Aus Sicht der Regierung hätte 7 Art. 63. der Kantonsverfassung von 1869: «Die Glaubens-, Kultus- und Lehrfreiheit ist

ge-währleistet. Die bürgerlichen Rechte und Pflichten sind unabhängig vom Glaubensbekennt-nisse. Jeder Zwang gegen Gemeinden, Genossenschaften und Einzelne ist ausgeschlossen.

Die evangelische Landeskirche und die übrigen kirchlichen Genossenschaften ordnen ihre Kultusverhältnisse selbständig unter Oberaufsicht des Staates. Die Organisation der erstern, mit Ausschluss jedes Gewissenszwanges, bestimmt das Gesetz.» (Zit. in Kölz 2000, 87 f. und Sträuli 1902, 233 f.)

8 Schmid 1994, 207; vgl. auch Unterkapitel 3.1, S. 75. Inwieweit die seit Mitte der 1840er Jah-ren schwelende Diskussion um die Entfernung des apostolischen Bekenntnisses aus der Tauf-agenda, dessen Verwendung 1868 in der zürcherischen Landeskirche dann auch tatsächlich für freiwillig erklärt worden ist, diesen Verfassungsentscheid mitbeeinflusst hat oder vielmehr umgekehrt die Diskussion um die Verfassung den Apostolikumsentscheid von 1868, kann in dieser Arbeit nicht entschieden werden.

9 Vgl. Schmid 1994, 208.

die Taufe als Bedingung der Mitgliedschaft einen Gewissenszwang bedeutet und wäre deswegen mit der Verfassung in Konflikt geraten. Wenn die Kirche jedoch ihre eigenen Mitgliedschaftskriterien nicht selber definieren kann, sondern diese vom Staat bestimmen lassen muss, dann ist sie in ihrer Integrität beschnitten.

Eine vergleichbare Verletzung der Sphärensouveränität würde stattfinden, wenn zum Beispiel die Kriterien für die Verleihung eines Master-Titels an einer Uni-versität von einem politischen Gremium anstatt einem universitären bestimmt würden.

Die Problematik einer eingeschränkten Ausdifferenzierung von Kirche und Staat wurde auch in der Öffentlichkeit diskutiert, insbesondere von Seiten der Positiven. In den Monaten vor der Abstimmung über die neue Kantonsver-fassung finden sich beispielsweise in der Zeitschrift Der Kirchenfreund gleich mehrere Beiträge zu dieser Thematik. Mitherausgeber J. Heer10 kritisierte in seinem Bericht über «Die zürcherische Synode» vom 10. März 1869 die im Verfassungsartikel 63 gewählten Ausdrücke «Kultus- und Lehrfreiheit». Er sah in der Verwendung dieser Ausdrücke die Gefahr religiösen Wildwuchses. Denn damit werde nicht bloss jedem Menschen das Recht zugestanden, «nach seinem Wissen und Gewissen einen Glauben zu haben», sondern ebenso das Recht, diesen uneingeschränkt – das heisst, solange staatliche Zwecke dadurch nicht beeinträchtigt werden – in Kultus und Lehre zu bekennen und zu vermitteln.

Heer befürchtete – und diese Furcht war auf dem Hintergrund des Aufruhrs um F. S. Vögelin in Uster nicht ganz unbegründet –, dass jeder Pfarrer in der Kirche erzählen könne, was ihm beliebe, ohne sich an irgendeine kirchliche Ordnung halten zu müssen. Mit dem so formulierten Verfassungsartikel wären aus seiner Sicht der Kirche rechtlich die Hände gebunden, eine solche Amtsperson zu massregeln. Heer fragte sich, warum «der Staat selbstverständlich innerhalb sei-ner Sphäre die Schranken gegen die Freiheit» ziehen dürfe, die seinen Zwecken zuwiderlaufe, die Kirche jedoch als intolerant bezeichnet werde, «wenn sie auf ihrem Gebiet dies auch für ein selbstverständliches Recht in Anspruch nimmt».11 Mit dem alternativen Ausdruck Religionsfreiheit sähe Heer die Gefahr gebannt, dass «innerhalb einer bestimmten bestehenden Religion, die in einer geschicht-lich entstandenen Kirche in Kultus und Lehre zum Ausdruck kommt, durch die Anerkennung der Kultus- und Lehrfreiheit diese Gemeinschaft selbst aufgelöst

10 J. Justus Heer (1840–1886) war von 1863 bis 1865 Pfarrverweser und dann Pfarrer in Erlen-bach. Ab 1881 amtete er als Mitglied des Zürcher Kirchenrats und 1885 promovierte er an der Universität Basel. Ab 1867 verfasste er als Mitherausgeber des Kirchenfreundes verschiedene theologische Artikel mit apologetischem Impetus. Er galt als positiver Theologe. Es war ihm jedoch ein Anliegen, zwischen einem biblisch-religiösen und einem naturwissenschaftlichen Weltbild klar zu unterscheiden (vgl. Stuber 2006).

11 Der Kirchenfreund, 2. 4. 1869, 138, Anm. 2.

und alle kirchliche Ordnung verunmöglicht [werde]».12 Mit diesen Einwänden drückte Heer sein Befremden gegenüber der Verletzung der Souveränität der kirchlichen Sphäre aus. Denn insofern die Kirche durch staatliches Gesetz ge-ordnet ist, ist sie dem Staat untergege-ordnet und steht nicht als eine Sphäre eigenen Rechts neben dem Staat.

Korrespondent I. H.13 formulierte wenige Wochen zuvor in seinen Bemer-kungen zu dem das Kirchenwesen betreffenden Artikel der neuen Zürcheri-schen Staatsverfassung seine in dieselbe Richtung zielenden Bedenken noch pointierter: «Indem der Staat den Gliedern der Landeskirche als Individuen, ja auch den Beamten der Kirche, die unbeschränkte Freiheit schützen will, nimmt er Andern die Freiheit, an dieser Landeskirche selber eine Glaubens-gemeinschaft zu haben. Die Sache auf die Spitze getrieben könnte man sagen:

der Staat verbietet der Landeskirche eine Kirche zu sein.»14 I. H. bringt hier die durch den besonderen Status der Landeskirche bedingte Einschränkung der Sphärensouveränität sehr deutlich zur Sprache. Eine Glaubensgemeinschaft im eigentlichen Sinne kann nicht bestehen, wenn ihr nicht zugestanden wird, ihre Mitgliedschaftskriterien selber zu bestimmen. Gemäss I. H. müsste in solch einem Fall eigentlich das durch die Verfassung garantierte Vereinsrecht angerufen werden, «da dieses doch wohl das Recht in sich begreift, bestimmte Statuten aufzustellen, denen die Mitglieder sich unterziehen müssen, oder ausgeschlossen werden können».15

Weil aber die Landeskirche als Volkskirche verstanden wurde – als eine Kirche für alle –, sollte es eben möglichst keine solchen Bestimmungen geben, denen die Mitglieder sich zwingend zu unterziehen haben bzw. die dazu berechtigen, jemanden auszuschliessen, der sich nicht an diese Bestimmungen hält. Doch gerade dieser Anspruch, eine Kirche für alle zu sein, kann dazu führen, dass ein Teil davon ausgeschlossen wird, nämlich diejenigen, die ein verbindliches Bekenntnis wünschen. In derselben Ausgabe des Kirchenfreundes drückt dies ein anderer (namenloser) Korrespondent folgendermassen aus: «Das zürche-rische Volk […] scheint zu merken, dass hier die Toleranz anfängt intolerant zu werden».16

Gemäss Schmid spiegelt sich der Übergang von der Staatskirche zur Landeskir-che im Aufkommen des von SchleiermaLandeskir-cher geprägten Begriffs der VolkskirLandeskir-che,

12 Ebd., 138 f.

13 Dieser als Korrespondent bezeichnete Autor wurde bloss mit den Initialen I. H. angegeben.

Ich gehe davon aus, dass hier nicht Heer gemeint ist, da dieser korrekterweise mit den Initialen J. H. angegeben werden müsste.

14 Der Kirchenfreund, 19. 2. 1869, 78.

15 Ebd., 76.

16 Ebd., 83.

der durch Alexander Schweizer auch in Zürich Verbreitung fand.17 Mit dem Begriff der Volkskirche sollte ein Element der überkommenen Staatskirche in die neue Zeit hinübergerettet werden: der Grundsatz, dass die Kirche das ganze Volk umfassen sollte. Sie sollte sogar noch mehr als das sein: «Kirche durch das Volk. Kirche hin zum Volk. Kirche eines Volkes. Kirche für das Volk. Kirche für das Volksganze».18 Dahinter steht gemäss Schmid die Vorstellung, die Kirche von ihrem Auftrag her zu definieren und nicht wie bei der Staatskirche vom Staat oder bei einer Bekenntniskirche von den Bekennenden her. Der Auftrag ist die Verkündigung des Wortes Gottes und das Spenden der Sakramente. Da die Verkündigung sich jedoch an alle Menschen richtet, hat die Kirche für das ganze Volk offen zu sein und ihm zu dienen; und auch durch das Volk mitgestaltet zu werden. Aus volkskirchlicher Perspektive ist die Kirche weder eine staatliche Institution noch ein privater Verein, sondern eine Institution mit einem öffent-lichen Auftrag, einem Volksauftrag, der jedoch auch dem Staat zugutekommen soll.19 Es ist dieses Konstrukt Volkskirche, das eine vollständige Ausdifferenzie-rung von Staat und Kirche verhindert.

Was impliziert dieser Befund nun für die in dieser Arbeit interessierende Frage nach Zivilreligion? Gemäss meinem Verständnis kann von Zivilreli-gion sinnvoll nur auf dem Hintergrund einer ausdifferenzierten Gesellschaft gesprochen werden. Doch wie sich gezeigt hat, war dies um 1870 im Kanton Zürich nur teilweise der Fall, obwohl seit der Helvetik auf verschiedenen Ebenen Ausdifferenzierungsprozesse in Gang kamen und die Gesellschaft vielfältiger wurde, was sich auch auf institutioneller Ebene abbildete. 1862 wurden die Ausnahme gesetze für Juden aufgehoben20 und die Israelitische Cul-tusgemeinde Zürich gegründet.21 1863 wurde das «Gesetz betreffend das katho-lische Kirchen wesen» erlassen, das die vier bisherigen römisch-kathokatho-lischen Pfarreien Rheinau, Dietikon, Zürich und Winterthur zu öffentlich-rechtlichen Kirchgemeinden mit Steuerrecht erhob und die Möglichkeit zuliess, weitere Kirchgemeinden zu bilden.22 Allerdings waren die Katholiken mit diesem Gesetz und auch der neuen Verfassung von 1869 nicht glücklich. Die verfas-sungsmässige Bestimmung, dass die Wahl bzw. Wiederwahl von Pfarrern durch

17 Vgl. Schmid 1994, 209 f.

18 Ebd., 210.

19 Vgl. ebd., 210.

20 Auf eidgenössischer Ebene wurde erst mit der Teilrevision der Bundesverfassung von 1866 die Niederlassungsfreiheit und die volle Ausübung der Bürgerrechte gewährt und auch dies nur unter wirtschaftlichem Druck von aussen! Erst 1874 wurde die revidierte Bundesverfas-sung angenommen, die den Juden gleiche Rechte inkl. Religions- und NiederlasBundesverfas-sungsfreiheit garantierte (vgl. Erlanger 2013).

21 Vgl. Brunschwig 2009.

22 Vgl. Schmid 1994, 206.

die Kirchgemeinde erfolgen sollte, war für die reformierte Kirche insofern ein Fortschritt, als damit der Einfluss von aussen beschnitten wurde. Für die Katholiken hingegen führte diese Bestimmung zu einem unmittelbaren Kon-flikt mit dem kanonischen Recht, gemäss dem der Pfarrer durch den Bischof und nicht durch die Gemeinde legitimiert wird. Des Weiteren sollte es für die Katholiken wegen des neuen obligatorischen Gesetzesreferendums schwieriger werden, neue Gemeinden zu gründen.23

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass infolge der bloss teilweisen Ausdif-ferenzierung von Kirche und Staat nur in eingeschränktem Sinn von Zivilreligion zu sprechen ist. Die Voraussetzungen für die Entwicklung von Zivilreligion sind aber dennoch gegeben, insofern ein zentraler Aspekt von Ausdifferenzierung, nämlich die Trennung von Bürgerrecht und Bekenntnispflicht, sich durchgesetzt hatte. Die spezifisch zürcherische Ausprägung von Zivilreligion soll in den folgenden Kapiteln herausgearbeitet werden, insbesondere auch in Abgrenzung zur liberal-theologischen Agenda, die von kirchlichen und staatlichen Funktio-nären portiert wurde.

7.2 Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit und der Evokation von

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