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Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft in Deutschland

Die Frage, ob sich die Leaky Pipeline auch in Führungsgremien außerhalb der universitären Landschaft zeigt, kann bejaht werden (Daehyun & Starks, 2016). Bevor diese Arbeit jedoch detaillierter in dieses Themenfeld eintaucht, soll der von der Autorin verwendete ‚Führungsbe-griff‘ erläutert werden.

20 2.5.1 Exkurs: Führungsdefinition

„Führen heißt, sich mit Menschen und den Beziehungen zwischen Menschen in Arbeitsorgani-sationen auseinanderzusetzen“ (Steiger & Lippmann, 2013, 4). Diese Definition ist äußerst un-scharf, ebenso ist die Bezeichnung Führung ein uneinheitlich definierter Begriff. In der Litera-tur sind zahlreiche Definitionen für den Begriff Führung zu finden. Dementsprechend variieren viele Ergebnisse aus Studien zum Anteil an Frauen in Führungspositionen stark (Holst & Fried-rich, 2017). Würde man die einleitende Definition dieses Kapitels von Steiger und Lippmann als Definition für eine Führungsposition heranziehen, so kämen womöglich auch Arbeitnehmer mit in die Zielgruppe, da sich bspw. eine in einem Salon angestellte Frisörin mit den Menschen auseinandersetzen muss. Als Anliegen dieses Abschnitts soll dahingehend eine Begriffsbe-schreibung für die vorliegende Arbeit formuliert werden.

Einen guten Ausgangspunkt bei der Beantwortung der Definitionsfrage benennt Rosenstiel (2011, 28): „Von Führung spricht man […] in der Regel nur dann, wenn ein hierarchischer Vorgesetzter einen ihm/ihr Unterstellten in dieser Weise beeinflusst“. Führende sollen also das Verhalten der Geführten beeinflussen. Weiter schreibt Rosenstiel, dass Führungskräfte die In-teressen des Unternehmens verfolgen sollen. Eine Führungskraft nimmt demnach eine soziale Rolle ein. Der Führungskräfte-Monitor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung be-trachtet dies aus einer ähnlichen Perspektive. Hier werden Führungskräfte als „Angestellte in der Privatwirtschaft in (1) Funktionen mit umfassenden Führungsaufgaben (z.B. Direktor/-in-nen, Geschäftsführer/-innen oder auch Vorstände größerer Betriebe und Verbände) [oder] (2) sonstigen Leitungsfunktionen oder hochqualifizierten Tätigkeiten (z.B. Abteilungsleiter/-in-nen, wissenschaftliche Angestellte, Ingenieur/-innen)“ (Holst & Friedrich, 2017, 17) definiert.

Aus der Definition kann entnommen werden, dass Führung eine große Bandbreite an hochqua-lifizierten Aufgaben mit sich bringt und zur Führung Unternehmens- und Personalführung ge-hört. Diese Tätigkeiten beinhalten vielfältige Managementaufgaben (Becker, 2011). Neben den Führungspositionen der obersten Hierarchieebene, zu denen Direktor/-innen, Geschäftsführer/-innen und Vorstandsmitglieder zählen (Holst & Friedrich, 2017), gibt es auch in der unteren oder mittleren Ebene von Unternehmen Führungskräfte, bspw. Abteilungs- und Gruppenleiter (ebd.).

Zu den Aufgaben von Führungskräften zählen das Lösen von Konflikten sowie der Umgang mit Informationen und Widerständen, woraus Steiger und Lippmann (2013) ableiten, dass die Hauptaufgabe einer Führungskraft die Kommunikation ist. Zu den weiteren Aufgaben zählen gemäß den Autoren die Wahrnehmung und Ausübung von Rollen. Die Autoren verwenden zur Differenzierung dieser Rollen die Führungsrollen nach Mintzberg (1973). Diese inkludieren

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interpersonelle Rollen, informationelle Rollen und Entscheidungsrollen. Interpersonelle Rollen bedeuten, dass eine Führungskraft das Unternehmen repräsentiert und die Mitarbeiter/-innen führt sowie Kontakte unter den Mitarbeiter/-innen sowie zu Externen pflegt. Zu der informellen Rolle gehören die Aufgaben, für das Unternehmen wichtige Informationen zu sammeln und diese als Sprecher weiter zu verteilen. Eine Führungskraft muss schließlich auch Entscheidun-gen treffen, einerseits über die Verteilung von Ressourcen, aber auch bei VerhandlunEntscheidun-gen und in Krisen.

In der vorliegenden Dissertation wurden verschiedene Kriterien der soeben aufgeführten Defi-nitionen von Führungspositionen genutzt, sodass eine Führungskraft folgendermaßen definiert wird: Mit einer Führungskraft wird eine Person mit Leitungsfunktionen verstanden, die beruf-lich hochqualifizierte Tätigkeiten ausübt und unterschiedberuf-liche Rollen in einem Unternehmen übernimmt. Zu diesen gehören Entscheidungsrollen, interpersonelle und informationelle Rol-len. Führungskräfte sind demnach bspw. Professor/-innen in der Wissenschaft oder Manager/-innen in der Wirtschaft.

2.5.2 Geringer Frauenanteil in Spitzengremien deutscher Unternehmen

Weltweit beklagt die Forschung eine äußerst geringe Zahl von Frauen in den höheren Hierar-chieebenen (OECD, 2008). In lediglich vier Mitgliedsstaaten der EU sind mindestens 30 % der Führungspositionen in Unternehmen von Frauen besetzt. Zu diesen Ländern zählen Frankreich, Italien, Finnland und Schweden (European Commission, 2017). In den restlichen Staaten, wie auch in Deutschland, ist dieser Prozentsatz deutlich geringer. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft sind Frauen selten auf Führungspositionen anzutreffen (Engels, 2015), sodass die obersten Führungsgremien in Deutschland größtenteils männlich besetzt sind. Holst und Friedrich (2017) vermuten, dass die Dominanz der Männer in diesen Positionen auf die geschlechtsspezifische Berufswahl zurückgeführt werden kann. Denn Inhalte dieser hochqua-lifizierten Positionen sind oft Tätigkeiten aus dem Ingenieursbereich, in welchem Frauen un-terrepräsentiert sind. Diese Unterrepräsentanz geht auch aus den Statistiken des Kapitels 2.2 (Geschlechtsspezifische Studienfachwahl) hervor.

Im folgenden Diagramm soll der Frauenanteil in Führungspositionen in verschiedenen Bran-chen fokussiert werden. Ziel ist es, herauszuarbeiten, ob es Sektoren gibt, in denen Frauen hö-here Chancen auf eine Spitzenposition haben beziehungsweise in welchen Domänen besonders wenige Frauen hohe Positionen bekleiden.

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Abbildung 6: Verteilung der Geschlechter auf Führungspositionen nach Branchen (Eigene Darstellung auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamts, Bürgel, 2018a)

Aus der Abbildung kann entnommen werden, dass insgesamt nur 22,6 % der Führungspositio-nen in Deutschland von Frauen besetzt sind. Gleichsam zeigt sie unzweideutig, dass insbeson-dere in der MINT-Branche kaum Frauen in hohen Positionen vertreten sind. Im Baugewerbe arbeiten bspw. nur 9,7 % Frauen in Top-Positionen, im Maschinenbau lediglich 9,3 %. Dem-gegenüber sind es im Verlagswesen 24 % und im Gesundheitswesen bereits 38 %. Indes gibt es keine Branche, in welcher der Frauenanteil in Führungspositionen homogen mit dem der Männer oder sogar höher ist. Dieses Bild ist vor allem in großen Betrieben deutlich ausgeprägt, denn in der Führungsebene eines Betriebs mit mindestens 500 Beschäftigten sind Frauen mit einem sehr geringen Anteil von nur 13,4 % vertreten (Bürgel, 2018b). Die Existenz der Leaky Pipeline spiegelt sich auch in den DAX-Unternehmen wider. Unter den Aufsichtsräten der Top-200-Unternehmen lag der Frauenanteil 2016 in Deutschland bei 23 %, unter den Vorständen sogar nur bei 8 % (Holst & Friedrich, 2017).

Die folgende Abbildung auf Basis der Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt den prozentualen Frauenanteil in den Vorständen der größten deutschen Unternehmen von 2006 bis 2017.

22,6 % 38,0 % 24,0 % 9,3 % 9,7 %

77,4 % 62,0 % 76,0 % 90,7 % 90,3 %

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Prozent

Ausgewählte Branchen

Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland nach Branchen im Jahr 2018

Frauen Männer

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Abbildung 7: Frauenanteil in den Vorständen der Top-100 bzw. Top-200 größten deutschen Unternehmen von 2006 bis 2017

(Eigene Darstellung auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamts, DIW Berlin, 2018)

Im Jahr 2006 bekleidete nur knapp 1 % der Frauen das Amt eines Vorstands in den größten deutschen Unternehmen. Die Statistik zeigt seit 2006 einen Anstieg von Frauen in diesen Posi-tionen – sowohl unter den größten 100 als auch unter den größten 200 Unternehmen Deutsch-lands. So erfreulich diese Steigerungsrate ist, lässt sich doch identifizieren, dass dieser Anstieg nur sehr langsam vorangeht. 2017 sind immer noch weniger als 9 % der Vorstände in den 100 beziehungsweise 200 größten deutschen Unternehmen Frauen. Ein Vorstand ist also mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90 % ein Mann (Bürgel, 2018b; OECD, 2008). Ähnliche Ergeb-nisse zeigen sich europaweit (Holst & Wiemer, 2010).

Die in diesem Kapitel vorgestellten Daten bestätigen somit die Annahme, dass Frauen auch in Führungspositionen der deutschen Wirtschaft kaum vertreten sind.