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Bildungs- und Lernkapital zum Gelingen des Lernprozesses

5 Bildungs- und Lernkapital: Ressourcen zur Erreichung von Leistungs- Leistungs-exzellenz

5.2 Bildungs- und Lernkapital zum Gelingen des Lernprozesses

Ressourcen sind „Mittel, die eingesetzt werden können, um Ziele zu erreichen“ (Ziegler & Stö-ger, 2011, 9). Diese Ressourcen im Sinne des Bildungs- und Lernkapitals können in vielfältigen Erscheinungsformen auftreten. Im Folgenden werden die zehn verschiedenen Ressourcen de-tailliert dargestellt und jeweils mit wissenschaftlichen Belegen untermauert.

Unter Bildungskapital verstehen die Autoren exogene, also umweltbedingte Ressourcen, die zur Verbesserung von Lernen eingesetzt werden können und auf die das Individuum nicht im-mer direkten Einfluss nehmen kann. Diese werden noch einmal unterteilt in fünf verschiedene Formen.

Unter das ökonomische Bildungskapital fallen materielle Ressourcen wie bspw. Besitztümer und Geld, die für das Lernen verwendet werden können (Ziegler & Stöger, 2011). Diverse Stu-dien weisen auf den Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status der Eltern und dem Erfolg der Kinder in der Schule hin (OECD, 2018). So erzielen Kinder in der Grundschule, die in einer Familie mit hohem Einkommen aufwachsen, bessere schulische Leistungen (Ditton

& Krüsken, 2009). Dieses Ergebnis zeigt sich auch in PISA 2015: Sozioökonomisch benach-teiligte Kinder haben im OECD-Durchschnitt deutlich geringere Chancen, das Grundkompe-tenzniveau in den Naturwissenschaften zu erreichen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass es Eltern mit hohem sozioökonomischem Status leichter fällt, ihren Kindern eine lernförderliche Umwelt zur Verfügung zu stellen und ihnen teure Lernmaterialien und Nachhilfelehrer zu fi-nanzieren (McElvany, Becker & Lüdtke, 2009). Zudem verfügen diese Kinder über finanzielle Möglichkeiten, um Museen zu besuchen und interessante Bücher zu kaufen. Als Konsequenz davon wechseln Kinder aus Familien mit weniger finanziellen Mitteln beim Übertritt häufiger

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auf die Mittelschule. Ziegler et al. (2012) stellten in einer Studie fest, dass Schülerinnen und Schüler der Realschule und des Gymnasiums signifikant besser mit ökonomischen Bildungs-kapital ausgestattet sind als Hauptschüler. Eine mögliche Schlussfolgerung könnte sein, dass diejenigen Kinder, die von ihren Eltern keine anregende Umwelt zur Verfügung gestellt be-kommen, im deutschen dreigliedrigen Sekundarstufensystem eher auf die Mittelschule übertre-ten und es umgekehrt ökonomisch bevorzugübertre-ten Kindern leichter fällt, das Gymnasium zu durchlaufen. Im Tertiärbereich zeigt sich im OECD-Durchschnitt ein ähnliches Bild, auch hier sind diese Ungleichheiten vorhanden, sodass weniger junge Erwachsene mit niedrigem sozio-ökonomischem Status die höheren Bildungsinstitute besuchen (OECD, 2018). Auch bei der Wahl der Hochschule spielt das ökonomische Kapital eine große Rolle. Jugendliche aus höhe-ren sozialen Schichten, dehöhe-ren Eltern über mehr finanzielle Ressourcen verfügen, legen bei der Wahl des Studienfachs großen Wert auf den guten Ruf der Fachrichtung an der Hochschule. Im Gegensatz dazu ist sind den mit weniger ökonomischem Bildungskapital ausgestatteten Fami-lien Argumente wie die Nähe zum Wohnort oder Kosten relevant (BFS, 2009).

Mit dem kulturellen Bildungskapital ist die Akzeptanz des Lernens in der Gesellschaft gemeint, also die „Werthaltungen, Denkmuster, Leitbilder und ähnliches, die die Erreichung von Lern- und Bildungszielen begünstigen oder behindern können“ (Ziegler & Stöger, 2011). Kulturelles Bildungskapital spielt bereits sehr früh in der Entwicklung eine Rolle, denn dieses hat einen hohen Einfluss auf die Aktivitäten, die Eltern mit ihren Kindern unternehmen. Je mehr kultu-relles Bildungskapital die Eltern besitzen, desto größer ist deren Engagement, ihren Kindern altersgemäße, entwicklungsstimulierende Aktivitäten zu bieten (Biedinger & Klein, 2010). Mit vierjährigen Kindern, die in einem bildungsnahen Elternhaus geboren wurden, wurden durch-schnittlich ca. 45 Millionen Worte gesprochen. Im Gegensatz dazu wird mit gleichaltrigen Kin-dern aus bildungsfernen Elternhäusern nur ca. 15 Millionen Wörter gesprochen, also 2/3 weni-ger (Ziegler & Stöweni-ger, 2016). Somit hat die Bildung der Eltern einen Einfluss auf den schuli-schen und beruflichen Erfolg der Kinder. Eltern, die Lernen als etwas Positives einstufen, för-dern ihre Kinder also deutlich mehr.

Zudem ist soziales Bildungskapital enorm wichtig, um erfolgreich zu lernen. Dazu gehören alle Personen im sozialen Umfeld des Individuums, die Einfluss auf den Erfolg des Lernens und der Bildung haben (Ziegler & Stöger, 2011). Zu diesen Ressourcen zählen bspw. Mentor/-innen.

Die besondere Förderwirkung des Mentorings konnte bspw. Bloom (1985) in einer retrospek-tiven Interviewstudie mit 120 leistungsstarken Personen aus verschiedenen Domänen feststel-len. Alle Studienteilnehmer gaben an, mit Mentor/-innen gearbeitet zu haben, die sie auf ihrem

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Weg begleitet und in vielfacher Hinsicht unterstützt haben. Ein Vorteil ist bspw., dass der Be-rufseinstieg nach dem Studium durch wertvolle soziale Beziehungen wie Mentor/-innen oft be-schleunigt wird (Haug & Kropp, 2002). Mentor/-innen haben auch für Frauen, die eine hohe berufliche Position anstreben, eine sehr hohe Bedeutung (Braun et al., 2017; Cornils & Rastet-ter, 2012). Mentoring gilt als die wirksamste Fördermethode für qualifizierte weibliche Nach-wuchskräfte, denn sie können Frauen auf dem Weg zu Spitzenpositionen unterstützen – bspw.

mit intensiver Netzwerkarbeit, sodass die Frauen dort besser integriert werden. Ziel ist es, für die Geschlechter einen Chancenausgleich zu ermöglichen. Dadurch wird den Frauen der Ein-stieg in den Beruf erleichtert und durch die neu geknüpften Kontakte aus den Netzwerken er-langen sie neue Perspektiven. Zudem erfahren die teilnehmenden Frauen Bestätigung seitens der Mentor/-innen und führen mit diesen intensive Gesprächen, die ihr Selbstkonzept stärken und ihre Fähigkeiten verbessern (Kurmeyer & Höppel, 2017). Weiter können Mentor/-innen ihren Mentees dabei helfen, Anträge für Forschungsstipendien zu stellen. Somit kann bspw. ein Auslandsaufenthalt gefördert werden. Mentor/-innen stellen also einerseits soziales Bildungs-kapital dar, können aber auch bei der finanziellen Förderung behilflich sein und somit auch das ökonomische Bildungskapital erhöhen (Leemann & Boes, 2012). Als Beispiel für ein solches Mentoring-Programm kann das Projekt ,Mentoring as a Tool Towards Empowerment‘, kurz ME-TOTEM genannt werden. Hier geht es darum, den Prozentsatz von Frauen in Führungspo-sitionen zu erhöhen, indem Mentor/-innen talentierte Frauen dabei unterstützen, die Leaky Pipe-line zu überwinden. Größtenteils geht es dabei darum, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen (European Commission, 2017). Neben Mentor/-innen gibt es noch die sogenannten ,persons in the shadow‘. Das sind diejenigen Personen, die nicht direkt auf den Lernprozess des Individu-ums einwirken, aber dennoch eine wichtige Rolle im Kontext der Leistungsentwicklung ein-nehmen, die oft unterschätzt wird (Lehmann & Kristensen, 2014). Solche Personen können bspw. Ehepartner/-innen oder Eltern sein, die das Individuum in seiner Entwicklung unterstüt-zen, indem sie es bspw. im Alltag fördern (Ziegler & Stöger, 2011). Weiter hat ein universitärer Bildungsabschluss der Mutter einen positiven Einfluss auf die späteren internationalen For-schungsaufenthalte der Tochter. Junge Frauen, bei denen die Mutter bereits einen Abschluss an der Universität aufweist, legen signifikant mehr Wert auf die akademische Mobilität und sind gewillt, für Forschungsphasen für mehrere Monate ins Ausland zu gehen. Die Wissenschaftler, die zu diesem Ergebnis gekommen sind, vermuten, dass Töchter von ihren Müttern mit Uni-versitätsabschluss über die Relevanz von Auslandsaufenthalten und Mobilität für eine erfolg-reiche Karriere in der Wissenschaft aufgeklärt worden sind und sich daher dessen bewusst sind (Leemann & Boes, 2012). Es kann festgestellt werden, dass die Eltern von Frauen, die auf

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höchster Hierarchieebene agieren, sehr häufig selbst über einen hohen Bildungsabschluss ver-fügen (Holst & Friedrich, 2017).

Auch das vorhandene infrastrukturelle Bildungskapital beeinflusst Lernen und Bildung eines Individuums. Dazu gehören materielle Ressourcen und die Verfügbarkeit von Lernmöglichkei-ten in der Umwelt (Ziegler & Stöger, 2011). Wie bereits bei den Soziotopen erwähnt, spielen die Ressourcen in der Umwelt des Individuums eine zentrale Rolle bei der Erreichung von Leistung in einer bestimmten Domäne. McElvany, Becker & Lüdtke (2009) zeigen in ihrer Studie den Zusammenhang der Anzahl von Büchern in einem Haushalt und der Lesekompetenz der Kinder am Ende der Grundschulzeit: Je mehr Bücher einem Kind im Elternhaus zur Verfü-gung stehen, desto höher ist seine Lesemotivation, -kompetenz und Wortschatz. Aus dieser Studie kann geschlussfolgert werden, dass je mehr Ressourcen im Sinne von Büchern vorhan-den sind, desto mehr Möglichkeiten sind Kindern gegeben, sich damit zu beschäftigen. Zudem wird den Kindern dadurch der hohe Stellenwert des Lesens vorgelebt.

Als fünfte exogene Ressource, die zum Gelingen eines Lernprozesses beitragen kann, wird das didaktische Bildungskapital genannt. Es stellt die Kompetenzen sowie das Wissen einer Person über die optimale Gestaltung und Verbesserung ihres Lernprozesses dar (Ziegler & Stöger, 2011) und ist eine entscheidende Determinante bei der Entwicklung von Fähigkeiten. Es han-delt sich also um das Wissen, was und wie man am besten lernt. Zur Verdeutlichung dieser Ressource verwenden Ericsson und Pool (2016) einige Fallbeispiele: Johnny Hayes gewann 1908 den Olympischen Marathon mit einer Zeit von 2 Stunden, 55 Minuten und 18 Sekunden.

Heute liegt die Rekordzeit für einen Marathon bei 2 Stunden, 2 Minuten und 57 Sekunden, die Spitzenleistung von damals ist bis heute deutlich gestiegen. Ebenso im Jahr 1908 wurde bei den Olympischen Sommerspielen der doppelte Salto im Kunstspringen verboten, da dieser zu ge-fährlich sei. Dieser Sprung gehört heute zum Standardrepertoire vieler Amateurturmspringer und mittlerweile machen Profis deutlich mehr Saltos. Ziegler und Stöger (2011) nennen die Anhäufung didaktischen Kapitals als einen Grund für diese Steigerung der Leistungen. Die Autoren führen das bspw. auf die sich stetig verbessernden Trainingsmethoden und das ange-häufte Wissen über wertvolles Lernfeedback zurück.

Diese exogenen Ressourcen sind demnach von der Umwelt gegeben und nicht immer durch das Individuum beeinflussbar. Die erhebliche Bedeutung von Bildungskapital bei der Entwicklung besonderer Fähigkeiten in einer bestimmten Domäne konnten Debatin, Hopp, Vialle und

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ler (2015) in einer Studie nachweisen. Das Ergebnis zeigt den Zusammenhang zwischen vor-handenen exogenen Ressourcen und den Aktivitäten sowie der Zeit, die täglich für den Interes-sensbereich aufgewendet wird. Je mehr Bildungskapital ein Individuum zur Verfügung hat, desto mehr beschäftigt es sich mit einer bestimmten Domäne. Zudem korreliert Intelligenz mit einem hohem Bildungskapital (Paz-Baruch, 2019).

Zusätzlich zum in der Umwelt liegenden Bildungskapital gibt es das Lernkapital, also endogene Ressourcen, die in der Person selbst liegen. Auch hier werden fünf Formen unterschieden: das organismische, das aktionale, das telische, das episodische sowie das attentative Lernkapital (Ziegler & Stöger). Ein hohes Vorhandensein dieser Ressourcen hat einen positiven Einfluss auf den schulischen Erfolg (Paz-Baruch, 2019).

Unter das organismische Lernkapital sind bestimmte körperliche Ressourcen zu subsumieren, aber auch kognitive Voraussetzungen, die vorhanden sein müssen, um sich mit einem Lernge-genstand optimal auseinanderzusetzen (Ziegler & Stöger, 2011). Die Forschung zeigt den po-sitiven Zusammenhang von körperlicher Fitness und den kognitiven Fähigkeiten einer Person (Aberg et al., 2009; Chaddock, Hillmann, Buck & Cohen, 2011). In einer Metaanalyse wurde gezeigt, dass körperliche Aktivitäten speziell im Kindesalter positive Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben (Verburgh et al., 2014). Somit führen körperliche Trainings und eine gute Fitness zu verbesserten Leistungen. Der Einfluss der körperlichen Fitness auf das Lernverhalten einer Person lässt sich an einem einfachen Beispiel veranschaulichen: Eine Stu-dentin, die unter körperlichen Beschwerden wie Müdigkeit, einer Grippe oder Migräne leidet, kann sich nur schwer auf das Lernen oder Übungen konzentrieren. Ist diese Studentin bspw.

beim Lernen meist müde, so kann das Leistungseinbußen zur Folge haben. Zu den körperlichen Ressourcen gehört auch die Größe einer Person. Diese ist bspw. beim Basketball sehr wichtig.

Der Profibasketballer Dirk Nowitzki ist 2,13 Meter groß und kann seine Bewegungen sehr gut koordinieren. Diese Faktoren bilden für ihn sehr gute Voraussetzungen, um in der Domäne

„Basketball“ erfolgreich zu sein (Trottler, 2014).

Das aktionale Lernkapital stellt das Handlungsrepertoire aus dem Aktiotop-Ansatz dar. Darun-ter fallen also all jene Aktivitäten, zu deren Ausführung das Individuum zu einem bestimmten Zeitpunkt theoretisch in der Lage wäre (Ziegler & Stöger, 2011). Dabei muss die Handlung noch nicht erfolgreich ausgeführt werden. Wenn Kinder aufgrund eines Migrationshintergrunds bspw. noch nicht so kompetent in der Sprache sind, dann fehlt ihnen in diesem Bereich das nötige aktionale Kapital, um die Sprache richtig produzieren und verstehen zu können (Stöger

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& Ziegler, 2013). Aufgrund der geschlechtsspezifischen Sozialisation, wie sie in Kapital 4.1.1 beschrieben wurde, werden Mädchen in den MINT-Fächern weniger gefördert. Dies führt dazu, dass sie bereits im Kindesalter weniger Wissen in diesen Domänen anhäufen. Daraus resultiert, dass sie in der Schule weniger Vorwissen haben und somit im Gegensatz zu Jungen ein gerin-geres aktionales Lernkapital in MINT haben.

Unter telischem Lernkapital verstehen die Autoren das Vorhandensein funktionaler Ziele, die auf den Lernerfolg gerichtet sind (Stöger & Ziegler, 2013). Telisches Lernkapital spielt bei der Erreichung von Exzellenz eine außerordentliche Rolle (Trottler, 2014; Ziegler, Straber, Pfeiffer

& Wormald, 2014). Ein Großteil der Menschheit lernt bestimmte Dinge, bis sie gut genug be-herrscht werden. Wenn bspw. eine Person gerne Klavier spielen möchte, dann nimmt sie Un-terrichtsstunden und übt zu Hause. Schließlich kann die Person eine Vielzahl an Liedern spielen und ist damit zufrieden. Sie ist in einer Komfortzone angekommen, stellt sich keinen neuen Herausforderungen mehr und spielt nur noch Lieder, die ihrem Niveau entsprechen. Die Person hält also im Sinne der Homöostase ihren Soll-Zustand aufrecht, entwickelt sich aber ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter. Hier zeigt sich ein großer Unterschied zu den Personen, die Exzellenz erreichen (Ericsson, 2016). Diese setzen sich immer neue Ziele und sind in einem stetigen „metastabilen Zustand“ (Ziegler & Stöger, 2011). Eine Analyse erfolgreicher deutscher Violinisten ermittelte, dass dieser Zustand oft als negativ empfunden und die viele Übung als mühevoll angesehen wird. Dennoch setzen sich Personen mit einem hohen telischem Lernka-pital diesem Zustand immer wieder aus (Ericsson, 2016). Vergleicht man Frauen und Männer, die sich für ein MINT-Fach entschieden, so stellt man fest, dass die beiden Geschlechter verschie-dene Ziele verfolgen. Frauen wählen einen Ingenieurberuf, um die Lebenswelt zu verbessern. Ihr Ziel ist es, neue, moderne Dinge für die Gesellschaft zu entwickeln, während die MINT-Fach-Wahl der Männer aus weniger sozialorientierten Motiven entsteht. Für sie steht ein hohes Einkommen und Aufstiegschancen im Vordergrund, um auf diese Weise Ansehen zu genießen (Acatech & VDI, 2009). Das männliche Geschlecht hat demnach von Anfang an den Aufstieg im Blick, während das telische Lernkapital von Frauen meist in eine andere Richtung geht. Dabei haben Frauen, die es in Führungspositionen der Wissenschaft schaffen, gemeinsam, dass sie sehr ehrgeizig sind und eine große Willensstärke aufweisen (Kurmeyer & Höppel, 2017). Es ist also wichtig, im Hinblick auf die Karriereplanung zielorientiert vorzugehen, um eine hohe Position zu erreichen.

Das episodische Lernkapital meint die effektive Nutzung der grundsätzlich vorhandenen Hand-lungsmöglichkeiten im Zusammenspiel mit der Umwelt sowie den Zielen einer Person (Ziegler

& Stöger, 2011), also den „Erfahrungsschatz“ (Stöger & Ziegler, 2013) einer Person. Personen,

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die exzellente Leistungen vollbringen, haben sich ein umfangreiches Repertoire an Wissen an-geeignet, um in den unterschiedlichsten Situationen richtig zu handeln (Ziegler & Stöger, 2011). Es ist eine sehr lange Lernzeit nötig, um einen solchen enormen Wissensstand zu errei-chen (Ziegler & Stöger, 2013). Verschiedene Wissenschaftler gehen von der Annahme aus, dass Individuen mindestens 10 000 Stunden intensive und qualitativ hochwertige Beschäfti-gung mit einem Lerngegenstand benötigen, um den nötigen Erfahrungsschatz für exzellente Leistungen aufzubauen. Es gibt jedoch domänenspezifische Varianzen dieser Stundenanzahl.

Dieser Lernprozess wird als deliberate practice bezeichnet (Ericsson et al., 1993). Bei Kindern zeigt sich bereits sehr früh ein Unterschied im Vorhandensein des episodischen Kapitals. Ver-gleicht man die Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen, so haben Hauptschüler nach Einschätzung ihrer Lehrkräfte weniger Erfahrung in der Auswahl sinnvoller Lernstrate-gien und sind somit signifikant schlechter mit episodischem Lernkapital ausgestattet als Gym-nasiasten (Ziegler et al., 2012). Jugendliche, welche die Mittelschule besuchen, haben also ei-nen geringeren Erfahrungsschatz und ihei-nen stehen weniger Strategien bei der Lösung von Auf-gaben zur Verfügung.

Attentatives Lernkapital repräsentiert die Aufmerksamkeit, die ein Individuum beim Lernen benötigt. Dabei ist sowohl die zur Verfügung stehende Zeit als auch die Qualität gemeint, mit der ein Individuum dem Lernprozess begegnet (Ziegler & Stöger, 2011). Wenn ein Kind sehr viel Zeit in Hobbies investiert wie bspw. Schwimmen oder Theater spielen, so stehen ihm we-niger quantitative Ressourcen für das Lernen zur Verfügung. Gerade die Quantität jedoch, die man dem Lerngegenstand widmet, ist von großer Bedeutung. Hier soll noch einmal die Analyse der erfolgreichen Violinisten herangezogen werden, die bereits beim telischen Kapital erwähnt wurde. Ein Ergebnis der Studie ist: Je mehr Zeit die Musiker im Laufe ihrer Entwicklung mit dem Üben des Instruments verbracht haben, desto exzellenter sind ihre Leistungen (Ericsson, 2016). Das attentative Kapital exzellenter Musiker ist also hoch (Ziegler, Straber, Pfeiffer &

Wormald, 2014). Diese Aussage gilt allerdings nicht nur für Musiker, sondern für viele weitere Domänen, bspw. Sport oder Schach. Diejenigen, die es geschafft haben Exzellenz in einem Bereich zu erlangen, haben alle sehr viel Zeit für die Beschäftigung mit dem Lerngegenstand verwendet (Ericsson, 2016). Jedoch reicht die Quantität allein nicht aus. Widmet man sich dem Lerngegenstand, so ist für einen gelingenden Lernprozess eine hohe Qualität der Aufmerksam-keit fundamental. Ein junger Arzt, der erst drei Jahre lang praktiziert, kann zum Beispiel ge-nauso gut sein wie ein anderer Arzt, der bereits seit 30 Jahren denselben Job macht. Das kann dann der Fall sein, wenn der ältere Arzt zwar sehr viel Zeit in die Tätigkeit investiert, sich jedoch qualitativ nicht mehr weiterentwickelt. Er führt täglich die gleichen Behandlungsweisen

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durch und bleibt auf seinem Niveau, während der Jüngere stets Fortbildungen zu neuen Tech-nologien oder Behandlungstechniken besucht (Ericsson, 2016). Außerdem gehören zu der qua-litativen Komponente die Fähigkeiten, konzentriert und ablenkungsfrei zu lernen. Wenn bspw.

das Mobiltelefon während des Lernprozesses ständig klingelt, es Lärm am Arbeitsplatz gibt oder der Schreibtisch nicht aufgeräumt ist, so kann die Qualität des Lernens massiv beeinträch-tigt werden (Ziegler et al., 2012). Um also in einer Domäne besondere Leistungen zu erbringen, ist es wichtig viel und qualitativ hochwertige Zeit für das Üben und Trainieren zu nutzen.

Um Lernprozesse erfolgreich zu bewältigen und sich immer weiterzuentwickeln, werden viel-fältige Ressourcen benötigt. Hier soll noch angemerkt werden, dass die Ressourcen meist nicht für sich allein stehen, sondern vielfach vernetzt und gegenseitig konvertierbar sind. Nachhilfe-unterricht kostet bspw. Geld, das Individuum braucht also ökonomisches Bildungskapital. Die Nachhilfelehrkraft stellt dann soziales beziehungsweise didaktisches Bildungskapital dar, da sie Unterstützung und professionelles Feedback bietet. Somit ermöglicht das ökonomische Ka-pital den Erwerb anderer Ressourcen. Ein weiteres Beispiel sind die Bücher in einem Haushalt.

Sie stellen einerseits kulturelles, andererseits auch infrastrukturelles Bildungskapital dar.

Auch Ziegler und Stöger (2019) sind der Meinung, dass Ressourcen nicht künstlich voneinan-der getrennt werden sollen, da sie sich gegenseitig beeinflussen. Deshalb widmet sich das nächste Kapitel den Beziehungen zwischen den Ressourcen.