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Forschungsfrage 3: Die räumliche Auflösung von Erreichbarkeitsmodellen

1.7 Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

1.7.3 Forschungsfrage 3: Die räumliche Auflösung von Erreichbarkeitsmodellen

Wie beeinflusst die räumliche Auflösung die Genauigkeit von Erreich-barkeitsmodellen unter besonderer Berücksichtigung multimodaler Verkehrsgraphen?

Die Rechenzeiten und Datenbedarfe von Erreichbarkeitsmodellen werden primär über ihre räumliche Auflösung beeinflusst. Beide Faktoren haben einen erheblichen negativen Einfluss auf die Flexibilität, die Nutzbarkeit und die Verstetigung dieser Modelle. Folglich ist zu untersuchen, ob der

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Genauigkeitsgewinn einer hohen räumlichen Auflösung diese Nachteile rechtfertigt und zu welchen Verzerrungen eine Reduzierung der räum­

lichen Auflösung führt. Es stellt sich außerdem die Frage, wie sich die räumliche Variation von Erreichbarkeitswerten ändert, wenn sich die Detaillierung der Verkehrsgraphen reduziert. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass einzelne Netzelemente die Nutzbarkeit eines Erreich­

barkeitsmodells negativ beeinflussen. Zudem kann gerade in regionalen Modellen die Detaillierung der Verkehrsgraphen nicht isoliert von der räumlichen Auflösung betrachtet werden. Beispielsweise ist zu hinter­

fragen, welchen Einfluss die Modellierung von realen Gehzeiten zu den Haltestellen hat, wenn ein regionales Erreichbarkeitsmodell lediglich auf Ebene von Gemeinden aufgelöst ist. Entsprechend ist der Einfluss un­

terschiedlicher Netzelemente auf die Genauigkeit eines Erreichbarkeits­

modells in Abhängigkeit von der räumlichen Auflösung zu untersuchen.

Ausgangslage

Gerade regionale Erreichbarkeitsmodelle stehen im Spannungsverhält­

nis zwischen wissenschaftlichen Ansprüchen, planerischen Anforde­

rungen und praktischer Nutzbarkeit. In der Vergangenheit konnte eine Entwicklung zu immer höher aufgelösten Erreichbarkeitsmodellen be­

obachtet werden. Größe und Zuschnitt räumlicher Bezugssysteme füh­

ren zu unterschiedlichen Verzerrungen die unter dem Schlagwort des MAUP (modifiable areal unit problem) diskutiert werden (Openshaw 1984). Grundsätzlich führt eine Verkleinerung von Raumeinheiten zu einer genaueren Abbildung räumlicher Interaktionen (ESPON 2006;

Madelin et al. 2009). Da diese Interaktionen zumeist an Zentroide 13 ge­

bunden sind, reduziert eine höhere Auflösung den Unterschied zwischen realen und modellierten Wegen (vgl. Abbildung 6).

In wissenschaftlichen Untersuchungen konnten bisher jedoch keine nennenswerten Vorteile einer sehr hohen Auflösung auf die Nutzbar­

keit von Erreichbarkeitsinstrumenten in der Planungspraxis gefunden werden (te Brömmelstroet et al. 2016, S. 1187). Diese Untersuchung hat sich jedoch auf den Umgang mit fertigen Erreichbarkeitsinstrumen­

ten konzentriert. Es ging weder um die Einfachheit und Flexibilität der Erreichbarkeitsberechnung noch um den Modellaufbau. In einer

13 Bezugspunkte von Raumeinheiten

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weiteren Untersuchung von unterschiedlichen Praxisbeispielen wurde außerdem festgestellt, dass Erreichbarkeitsinstrumente mit einem hohen vermuteten Nutzen eher hohe Anforderungen an die Anwender stellen.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit, Flexibilität und Performance als eher nutzerfreundlich bewertete Instrumente, wurden hingegen als weniger nützlich eingestuft (Silva et al. 2017a, S. 142).

Betont werden immer wieder die langen Rechenzeiten aufgrund einer hohen räumlichen Auflösung (Benenson et al. 2017b, S. 215, 236;

Nicolai & Nagel 2011, S. 14). Die Bewertung von Planfällen und Szena­

rien erfordert indes eine schnelle Neuberechnung von Erreichbarkeits­

indikatoren. Es ist also notwendig, Erreichbarkeitsmodelle gegenüber Eingriffen in die Raumstruktur und die Verkehrsnetze zu öffnen und ihre Nutzbarkeit gleichzeitig zu sichern. Außerdem wird immer wieder die Forderung nach einer dauerhaften Integration von Erreichbarkeits­

instrumenten in etablierte Planungsprozesse geäußert (Owen & Levin­

son 2012, S. 1). Auch in diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass eine zügige Neuberechnung der Indikatoren nach einer Aktualisierung von Standorten möglich ist.

Abbildung 6: Funktionsweise des Zentroidproblems

räumliche Disaggregation = Reduzierung des Zentroidproblems

räumliche Disaggregation = Reduzierung des Zentroidproblems

Startpunkt

Interaktion im Modell Zielpunkt

Interaktion in der Realität Zentroid

Quelle: eigene Darstellung

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Es ist also nicht nur notwendig, die möglichen Vorteile einer ho­

hen räumlichen Auflösung zu untersuchen, sondern auch mögliche Nachteile bei ihrer Reduzierung. Es existieren bereits zahlreiche Arbei­

ten, die sich mit den Wirkungen des MAUP in Erreichbarkeitsmodel­

len beschäftigen (Hewko et al. 2002; Stępniak & Jacobs­Crisioni 2017;

Stępniak & Rosik 2015). Was jedoch fehlt, ist eine differenzierte Betrach­

tung in Abhängigkeit vom Modellierungsansatz und der verwendeten Erreichbarkeits indikatoren. Außerdem wird der öffentliche Verkehr, jedenfalls im Kontext möglicher Aggregationsfehler, in der Forschung bisher nahezu nicht beachtet. In einem Großteil der Arbeiten wird nur der MIV berücksichtigt, da die Berechnungen für den ÖV als zu auf­

wendig angesehen werden (Hewko et al. 2002; Kwan & Weber 2008).

Diese Arbeit verfolgt somit auch das Ziel, die Bedeutung hochaufgelös­

ter Raumbezugssysteme in regionalen Erreichbarkeitsmodellen und in Abhängigkeit aller Verkehrsmodi zu bestimmen.

Ziele

Aufbauend auf dem entwickelten regionalen Erreichbarkeitsmodell wird untersucht, welche Genauigkeitsverluste auftreten, wenn von der maximalen Auflösung eines 100­Meter­Rasters abgewichen wird. Die Vergleichssysteme umfassen Rastermodelle (500­Meter, 1­Kilometer, 5­Kilometer), Gemeinden und statistische Gebiete (nur Hamburg). Auf Basis von Aggregationsfehlern ist zu diskutieren, ob die zusätzliche Nutzbarkeit diese Verzerrungen rechtfertigt. Außerdem werden Hinwei­

se zur Interpretation geringer aufgelöster Erreichbarkeitswerte gegeben.

Es wird vermutet, dass die folgenden Modellbestandteile einen Einfluss auf mögliche Aggregationsfehler haben:

Verkehrsmodi

Verkehrsgraphen

Erreichbarkeitsindikatoren

Gelegenheiten (Dichte der Einrichtungen je Gelegenheitstyp) Untersucht wird außerdem der Einfluss der Haltestellenanbindung, der PRZ und der Realdistanz im Fußverkehr auf die Genauigkeit eines Erreichbarkeitsmodells in Abhängigkeit von der räumlichen Auf­

lösung. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass diese mit einer hohen

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Detaillierung steigt, während die Nutzbarkeit des Modells zurückgeht.

Es muss jedoch beantwortet werden, wie groß der Genauigkeitsgewinn wirklich ist. In diesem Zusammenhang soll auch untersucht werden, ob und ab wann eine geringere räumliche Auflösung dazu führt, dass sich die aus detaillierten Verkehrsgraphen ergebenden Reisezeitunterschiede eingeebnet werden. Im Gegensatz dazu ist auch denkbar, dass eine hohe räumliche Auflösung überflüssig ist, wenn die Raumwiderstände nicht einem vergleichbar detaillierten Verkehrsgraphen entstammen. Dies be­

trifft insbesondere die einfache Berücksichtigung von Parkzeiten über konstante Zeitaufschläge. Abschließend werden Empfehlungen für die Wahl der räumlichen Auflösung und der Detaillierung von Verkehrs­

graphen in Abhängigkeit vom Untersuchungsgegenstand gegeben.

Methode

Die Verzerrungen, die sich bei einem Unterschreiten der Referenzauf­

lösung (100­Meter­Raster) ergeben, werden mit Hilfe des Variations­

koeffizienten (VarK) ermittelt. Es wird davon ausgegangen, dass eine Erhöhung von Erreichbarkeitswerten je Raumeinheit einen Genauig­

keitsgewinn bedeutet. Der Maßstabseffekt (Skaleneffekt) besagt, dass die Variation zwischen Einzelwerten von der Menge an Werten in einem Untersuchungsgebiet abhängt (Dark & Bram 2007, S. 472). Abbildung 7 zeigt mögliche Fälle einer Reisezeitvariation auf Ebene eines 100­Meter­

Rasters innerhalb einer 500­Meter­Zelle. Je größer die Variation zwi­

schen den Einzelwerten, desto höher der Genauigkeitsgewinn einer höheren Auflösung. Der VarK entspricht dem Verhältnis der Standard­

abweichung einer Verteilung zu ihrem Mittelwert (vgl. Gleichung 1). Ein Wert > 1 bedeutet, dass die Einzelwerte im gewichteten Mittel um 100 % von ihrem Durchschnitt abweichen.

Gleichung 1

VarKx = Variationskoeffizient einer Verteilung x Sx = Standardabweichung einer Verteilung x xx = Mittelwert einer Verteilung x

VarKx = Sx xx

Abbildung 7: Quantifizierung von Aggregationsfehlern in Erreichbarkeits­

modellen

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