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Entstehung und Überblick

Im Dokument 17 07 (Seite 74-79)

Abkürzungsverzeichnis

4 EU-Richtlinie und weitere Vorgaben (Öko-Institut)

4.1 Entstehung und Überblick

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mals die Notwendigkeit eines solchen übergreifenden Klimaschutzinstruments der Gemein-schaft umfassend dargelegt und verschiedene Ausgestaltungsoptionen diskutiert. Dabei stell-ten die Ausführungen der Kommission vor allem auf die wirtschaftlichen Argumente für die Schaffung eines gemeinschaftsweiten Emissionshandels ab, hob aber auch die besondere An-schlussfähigkeit eines EU-weiten Emissionshandelssystems zum europäischen Binnenmarkt hervor.

Der Vorschlag zur Entwicklung eines EU-weiten Emissionshandels sah die Einführung be-reits für das Jahr 2005 vor, damit in einer Pilotphase von 2005-2007 bebe-reits vor der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls Erfahrungen mit diesem neuen Instrument ge-sammelt werden können.

Den Hintergrund für das Grünbuch bildete eine Reihe von Studien, die die Wirksamkeit eines Emissionshandelssystems untersuchten. Dabei ergaben sich Zertifikatspreise von 5 bis 58 €/t CO2 und Kosteneinsparungen von bis zu 3 Mrd. € p.a. für die Erfüllung der Kyoto-Verpflichtungen.23 Auch für den Fall, dass die teilnehmenden Anlagen aus praktischen Erwä-gungen auf größere Emittenten begrenzt würden, wurden in diesen Studien noch Einsparun-gen von ca. 2 Mrd. € p.a. errechnet.24

Im Grünbuch stellt die Kommission verschiedene Ausgestaltungsoptionen für das EU-Emissionshandelssystem zur Diskussion:

1. Hinsichtlich der erfassten Bereiche schlug die Kommission – mit dem Ausgangs-punkt der GFA- und der IVU-Richtlinie25 – die Beschränkung auf eine relativ kleine Zahl von Branchen und Emissionsquellen vor, deren Anteil an den Gesamtemissionen erstens relativ groß ist und die sich zweitens durch signifikante Unterschiede bei den Vermeidungskosten auszeichnen. Vorgeschlagen wurden Strom- und Wärmeerzeu-gungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 50 MW, die Branchen Eisen und Stahl, Raffinerien, Chemische Industrie, Glas, Keramik und Baustoffe (ein-schließlich Zement) sowie die Papier- und Druckindustrie (ein(ein-schließlich Papierfaser-stoffe).

2. Hinsichtlich der europäischen Harmonisierung wurden verschiedene Varianten disku-tiert, darunter sowohl ein gemeinschaftliches System (mit europaweit einheitlicher Erfassung der verschiedenen Branchen durch das Emissionshandelssystem) oder aber eine Koordinierung verschiedener nationaler Systeme über eine Einstiegsvariante (Vereinbarung eines gemeinschaftlichen Systems, in das die Mitgliedstaaten auf Wunsch „einsteigen“ können) oder eine Ausstiegsvariante (Vereinbarung eines ge-meinschaftsweiten Systems, aus dem einzelnen Mitgliedstaaten zumindest temporär

„aussteigen“ können.

23 Dieser Zahl liegt zu Grunde ein alle Sektoren erfassendes EU-weites Emissionshandelssystem im Vergleich zur Zielerreichung ohne Emissionshandel zwischen den Mitgliedstaaten.

24 2,1 Mrd. € für ein System, das die Energiewirtschaft und ausgewählte energieintensive Industrien einbezie-hen würde und ca. 1,8 Mrd. € für ein System, das auf die Energiewirtschaft beschränkt bliebe.

25 Vergleiche hierzu die Ausführungen im Grünbuch (KOM 2000) und die dort enthaltenen Verweise auf die einschlägigen Studien und Gutachten.

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3. Für die Frage der Zuteilung der Zertifikate an die vom Emissionshandel erfassten Branchen sowie die einzelnen Anlagen wurde einerseits die Möglichkeit einer Festle-gung auf EU-Ebene wie auch die Zuteilung in weitgehender Autonomie der Mitglied-staaten erörtert. Bereits hier wurde klar, dass die Verzerrungen zwischen den einzel-nen Mitgliedstaaten für die Zuteilungsvariante der Versteigerung beträchtlich gerin-gen ausfallen würden als für die kostenlose Zuteilung.

4. Bereits in diesem ersten konzeptionellen Dokument wurde die schwierige Frage der Zuteilungsmethode für neue Marktteilnehmer aufgeworfen, wobei sowohl der Ver-zicht auf eine kostenlose Zuteilung für neue Marktteilnehmer aus umweltökonomi-schen Gründen als auch die möglichen Benachteiligungen für neue Marktteilnehmer thematisiert wurden.

Neben diesen zentralen Ausgestaltungsfragen für ein EU-Emissionshandelssystem themati-sierte die Kommission bereits im Grünbuch-Dokument die Frage des Zusammenwirkens der verschiedenen Klimaschutzinstrumente sowie die Fragen der Emissionserfassung und not-wendiger Sanktionen.

Das Grünbuch setzte eine umfassende Diskussion um die Sinnfälligkeit und die Ausgestal-tung eines EU-Emissionshandelssystems für Treibhausgase in Gang. Die Schwerpunkte dieser Diskussion lassen sich aus dem nur 17 Monate später vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Emissionshandelsrichtlinie ablesen (KOM 2001), mit der auch der maßgebliche Rahmen für das Gesetzgebungsverfahren gesetzt wurde. Zu den grundlegenden Ausgestal-tungsmerkmalen dieses Richtlinienvorschlages gehörten die folgenden Punkte:

• Einführung eines verbindlichen Emissionshandelssystems für alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, von dem zunächst die CO2-Emissionen ausgewählter Sektoren erfasst sind.

• Zu den gemeinschaftsweit erfassten Sektoren gehörten nach dem Richtlinienvor-schlag Verbrennungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 20 MW, Mineralölraffinerien, Kokereien, ausgewählte Anlagen der Eisen- und Stahlin-dustrie sowie der Mineralverarbeitenden InStahlin-dustrie (Zementklinker, Glas, keramische Erzeugnisse) sowie bestimmte Anlagen der Zellstoff-, Papier- und Pappeherstellung.

• Die Festlegung der Menge auszugebender Zertifikate sowie die Zuteilung an die ein-zelnen Anlagen sollten in Verantwortung der Mitgliedstaaten im Rahmen von Natio-nalen Zuteilungsplänen erfolgen sowie durch die Kommission geprüft und genehmigt werden. Für die erste Handelsperiode in den Jahren 2005-2007 war eine kostenlose Zuteilung vorgesehen, für die 2008 beginnende fünfjährige Handelsperiode sollte eine EU-weit harmonisierte Zuteilungsmethode geschaffen werden.

Die Ausprägung eines EU-Emissionshandelssystems war damit beträchtlich fortgeschritten.

Zwar war die chemische Industrie nicht mehr Teile der Liste verbindlich teilnehmender In-dustriesektoren, doch wurde gleichzeitig die Mindestgrenze für die teilnehmenden Verbren-nungsanlagen mit 20 MW deutlich abgesenkt worden.

Das Grundmodell eines gemeinschaftlich angelegten Emissionshandelssystems war zwar durch die Nationalen Zuteilungspläne weitgehend flexibilisiert worden, die für die zweite

Handelsperiode 2008-2012 vorgesehene Harmonisierung der Zuteilungsregeln verfolgte aber einen klaren Konvergenzpfad. Die kostenlose Zuteilung für die erste Handelsperiode war schließlich einerseits dem Druck der betroffenen Industrien geschuldet, konnte aber auch mit dem Pilotcharakter der ersten Handelsphase gut begründet werden.

Das Europäische Parlament beschloss in seiner ersten Lesung am 10. Oktober 2002 insgesamt 73 Änderungsanträge zum Richtlinienvorschlag der Kommission (EP 2002a+b). Davon be-troffen waren unter anderem die folgenden zentralen Regelungsgehalte:

• Die Liste der verbindlich erfassten Branchen sollte um die Aluminiumindustrie sowie – wie im Grünbuch – die chemische Industrie erweitert werden.

• Die Gesamtmenge der maximal auszugebenden Zertifikate für die einzelnen Mit-gliedsstaaten sollte bereits in der Richtlinie als Anteil des in der Lastenteilungsverein-barung zum Kyoto-Protokoll definierten Emissionsziels näher bestimmt werden.

• Für die ersten beiden Handelsperioden sollten nur 85% der Zertifikate kostenlos zuge-teilt werden können. Neue Marktteilnehmer sollten in gleicher Weise mit Zertifikaten ausgestattet werden.

• Die Zuteilungsmengen für die einzelnen Anlagen sollten auf der Basis von Bench-marks für die best verfügbare Technik ermittelt werden.

• Für die erste Handelsperiode sollten einzelne Anlagen die Möglichkeit bekommen, aus dem Emissionshandelssystem hinauszuoptieren. Als Vorbedingung dafür sollte der Nachweis gleicher Minderungsanstrengungen erfolgen, sollten die Anlagen vergleich-baren Überwachungs-, Berichterstattungs- und Prüfungspflichten sowie bei Zielver-fehlung vergleichbaren Sanktionen unterliegen.

Die Kommission verwarf – im Gegensatz zu einigen eher technischen Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments – diese Modifikationen des Parlaments und übermittelte am 27.

Oktober 2002 einen überarbeiteten Richtlinienvorschlag (KOM 2002a).

Die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten waren durch eine Vielzahl sehr unter-schiedlicher Auffassungen geprägt, die sowohl zentrale Ausgestaltungspunkte betrafen (so setzten sich einzelnen Mitgliedstaaten stark für die Auktionierung der Zertifikate ein), für an-dere Mitgliedstaaten standen eher Optionen zur Öffnung des Systems (z.B. Opt out-Regelung, Pooling, Regelungen für den Fall höherer Gewalt, Einbeziehung von Senken) im Vordergrund der Bemühungen. Der Rat der Europäischen Union einigte sich am 9. Dezember 2002 auf ei-nen politischen Beschluss zu einem Gemeinsamen Standpunkt, der am 18. März 2003 vom Rat förmlich beschlossen wurde (Rat 2003a).

Hinsichtlich der zentralen Ausgestaltungsvorgaben ist hier auf folgende Aspekte hinzuweisen:

• Auch der Rat lehnte eine Erweiterung der vom Emissionshandel verbindlich erfassten Branchen ab.

• Eine nähere Spezifikation der Zuteilungskriterien hinsichtlich der Gesamtmenge zuzu-teilender Zertifikate bzw. Benchmarks fand ebenfalls keine Unterstützung des Rates.

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• Der Rat forderte für die erste Handelsperiode eine kostenlose Zuteilung aller Zertifika-te und für die zweiZertifika-te Handelsperiode eine kosZertifika-tenlose ZuZertifika-teilung von mindesZertifika-tens 90%

der Zertifikate.

• Die Forderung nach einer Opt out-Möglichkeit für einzelne Anlagen während der ers-ten Handelsperiode wurde mit den vom Europäischen Parlament aufgestellers-ten Kondi-tionen übernommen.

• Zusätzlich wurde die Möglichkeit des Anlagenpoolings aufgenommen, nach denen die Zertifikatszuteilung und die Abgabepflicht für die Zertifikate auf einen Treuhänder übertragen werden kann, gegen den im gegebenen Fall auch die Sanktionen verhängt werden sollten.

Das Europäische Parlament beschloss am 2. Juli 2003 in zweiter Lesung 17 Änderungsvor-schläge zum Richtlinienvorschlag in der Fassung des Gemeinsamen Standpunkts (EP 2003a+b), in dem nochmals versucht wurde, einige wichtige Regelungen ambitionierter aus-zugestalten:

• Die Forderung nach Einbeziehung der Aluminium- und Chemieindustrie wie auch die Einführung von auf Benchmarks beruhenden Zuteilungsregelungen wurden zumindest in den Überprüfungskatalog für den Erfahrungsbericht der Kommission aufgenom-men.

• Hinsichtlich der Caps wurde nunmehr gefordert, dass die Gesamtmenge der zuzutei-lenden Zertifikate nicht höher als der wahrscheinliche Bedarf sein dürfe und weiterhin mit der Erfüllung der Kyoto-Ziele vereinbar sein müsse.

• Für die erste Handelsperiode sollten nunmehr mindestens 95% der Zertifikate kosten-los zugeteilt werden, also die Möglichkeit für eine Versteigerung von 5% der Zertifi-kate geschaffen werden. Für die zweite Handelsperiode wurde die Vorgabe des Rates übernommen, dass mindestens 90% der Zertifikate kostenlos zuzuteilen seien.

Die Kommission akzeptierte die 17 Änderungsvorschläge des Parlaments (KOM 2003), der Rat stimmte am 22. Juli 2003 zu, so dass die Richtlinie am 25. Oktober 2003 in Kraft treten konnte.

In der Richtlinie wurde die Kommission verpflichtet, eine Reihe weiterer Dokumente vorzu-legen, die einerseits unterschiedliche Regelungsinhalte betreffen und andererseits unterschied-liche rechtunterschied-liche Verbindlichkeit entfalten:

• Für die Emissionsüberwachung und –berichterstattung mussten Leitlinien erarbeitet werden, deren Einhaltung für die Mitgliedstaaten bindend sind. Diese Leitlinien soll-ten bis zum 30. September 2003 vorliegen, wurden aber angesichts der Verzögerung bei der Gesetzgebung erst am 29. Januar 2004 vorgelegt (KOM 2004a).

• Für die Anwendung der Kriterien zur Erstellung der Nationalen Zuteilungspläne soll-te von der Kommission eine – rechtlich nicht bindende – Anleitung erssoll-tellt werden.

Diese sollte bis zum 31. Dezember 2003 erstellt werden und lag am 7. Januar 2004 vor (KOM 2004b). In dieses Dokument wurden auch die geforderten Leitlinien für den Nachweis des Vorliegens höherer Gewalt aufgenommen.

Für die Umsetzung des EU-Emissionshandelsystems war auf der europäischen Ebene noch der Erlass einer Verordnung notwendig, in dem alle Fragen des Registers sowie die Schnitt-stellen zwischen den nationalen Registern und einem zentralen Transaktionsprotokoll auf EU-Ebene sicher zu stellen. Diese Verordnung trat am 29. Dezember 2004 in Kraft (KOM 2004c).

Für die in der EU-Emissionshandelsrichtlinie festgelegte Öffnung des Systems für Emissi-onsminderungszertifikate aus den projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls (JI, CDM) war eine weitere Richtlinie notwendig.

Am 23. Juli 2003 legte die Kommission einen entsprechenden Vorschlag vor, dem das Euro-päische Parlament in einer nach Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten geänderten Fassung am 20. April in der ersten und abschließenden Lesung zustimmte (EP 2004a+b).

Die zentrale Änderung in der Verbindungsrichtlinie zwischen dem ursprünglichen Entwurf der Kommission und der nach Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten dem Parlament vorge-legten Fassung betrifft die quantitative Beschränkung der nutzbaren Reduktionseinheiten (E-RU oder CER) im EU-Emissionshandelssystem. Nachdem die Kommission hier zunächst Höchstwerte von 8% der insgesamt ausgegebenen Zertifikate vorgesehen hatte, wurde den Mitgliedstaaten in der beschlossenen Richtlinie die Möglichkeiten eröffnet, in den Nationalen Zuteilungsplänen entsprechende Höchstgrenzen vorzusehen.

Letztlich soll noch darauf hingewiesen werden, dass die Mitte 2004 der Europäischen Union beigetretenen Staaten das EU-Emissionshandelssystem im vollen Umfang und ohne weitere Sonderbedingungen (mit Ausnahme eines leicht verschobenen Notifizierungstermins für die Nationalen Zuteilungspläne) einzuführen hatten.

4.2 EU-Emissionshandelsrichtlinie (einschließlich Novellierung durch die

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