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Auktionierung, Rationierung und Gratisverteilung

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Abkürzungsverzeichnis

3 Gestaltungsoptionen des Emissionshandels und Allokationsverfah- Allokationsverfah-ren (DIW Berlin)

3.7 Varianten der Zuteilung von Emissionsrechten (Mikroebene)

3.7.1 Auktionierung, Rationierung und Gratisverteilung

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Gerechtigkeit, Praktikabilität, Systemkonformität und politischer Akzeptanz unterscheiden.

Aus wirtschaftstheoretischer Sicht hat eine Versteigerung der Erstausstattung von Emissions-rechten wesentliche Vorteile, die durch ein System der Gratiszuteilung nur unter bestimmten Bedingungen erreicht werden können.

Ein Emissionshandelssystem beruht konzeptionell auf der Nutzung des Marktmechanismus für die umweltpolitische Steuerung. Eine Auktionierung nutzt einen solchen Marktmechanis-mus bereits bei der Verteilung der Erstausstattung und ist insofern besonders systemkonform.

Die betroffenen Emittenten werden bei einer Versteigerung der Zertifikate soviel bieten, wie ihnen die Emissionsrechte wert sind. Sie offenbaren damit ihre Zahlungsbereitschaft, die von ihren individuellen technischen und ökonomischen Möglichkeiten und ihren Erwartungen ab-hängt. Als Ergebnis der Versteigerung kommt es zu einem einheitlichen Anfangspreis der Zertifikate und die Verteilung der Mengen kann gemäß den marginalen Zahlungsbereitschaf-ten erfolgen, die wiederum die marginalen EmissionsvermeidungskosZahlungsbereitschaf-ten widerspiegeln. 12 In-sofern kann eine effiziente Aufteilung der vorgegebenen Gesamtmenge erreicht werden. Eine Versteigerung der Zertifikate könnte im Vergleich zu einer Gratisvergabe auch stärkere An-reize für Innovationen im Bereich emissionssparender Technologien setzen. Ein solches Sys-tem hat eine einfache Grundstruktur, ist praktikabel und dürfte nur mit relativ geringen Trans-aktionskosten und Verwaltungsaufwand verbunden sein.

Die sich aus einer Auktion ergebende Verteilung der Zertifikate kann zudem als gerecht im Sinne des Äquivalenzprinzips angesehen werden, wobei die distributiven Effekte mit denen einer Emissionssteuer vergleichbar sind.13 Allerdings können sich starke Abweichungen zu einer gerechten Verteilung im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips ergeben. Darüber hinaus wären – ohne kompensatorische Maßnahmen – erhebliche negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von einzelnen Unternehmen oder Branchen nicht auszuschließen. Aus diesen Gründen und aufgrund von politischer Macht betroffener Wirtschaftsbereiche ist eine Auktionierung weitaus schwerer politisch durchzusetzen als eine kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten.

Angesichts der grundsätzlichen Vorteile aber (bisher) geringen politischen Akzeptanz einer Auktionierung sind Mischsysteme von Interesse, bei denen anfänglich nur ein kleiner Teil der Zertifikate versteigert wird. Diesem Ansatz folgend sieht die EU-Richtlinie vor, dass der Mindestanteil kostenloser Zuteilung von 95 % im ersten Allokationsplan auf 90 % im zweiten Allokationsplan sinkt. Mit diesen hohen Anteilen ist vor allem die politische Akzeptanz des Emissionshandelssystems berücksichtigt worden, aber auch der Aspekt des Bestandsschutzes, der in einer Einführungsphase eine besondere Berechtigung haben kann. Für Neuemittenten

12 Dieser Mechanismus bewirkt gleichzeitig, dass ein hoher Auktionsanteil dem Markt für Emissionsrechte Li-quidität entzieht. Ein Teil der Transaktionen, die ohne Auktion über den Markt abgewickelt worden wären, werden in einer Auktion quasi „vorweggenommen“. Eine dem eigentlichen Marktgeschehen vorgeschaltete Auktion kann aber auch die Effizienz des Systems dadurch verbessern, dass die Teilnehmer frühe Preissigna-le über die wahren Knappheitsverhältnisse erhalten und damit bessere Informationen für ihre Investitions- und Handelsstrategien zur Verfügung haben (vgl. Ehrhart et al. 2005).

13 Darüber kann ein auf Auktionierung beruhendes Konzept auf einfache Weise geöffnet und erweitert werden.

Es könnten auch Bieter zugelassen werden, die nicht zur Teilnahme am Handelssystem verpflichtet sind.

Denkbar wäre auch eine länderübergreifende Versteigerung von Emissionsrechten.

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gilt ein solcher Bestandsschutz grundsätzlich nicht, so dass für sie insofern eher ein Kauf von Emissionsrechten in Frage kommt. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass eine Schlechterstellung von Neuemittenten den Ersatz von alten Bestandsanlagen verzögern könn-te. Ein Mischsystem mit sinkendem Gratisanteil erfordert insofern ein abgestimmtes Regel-werk, bei dessen Gestaltung insbesondere Fragen der dynamischen Effizienz beachtet werden müssen.

Auch eine Gratisallokation der Emissionsrechte kann bei geeigneter Ausgestaltung die oben genannten Kriterien erfüllen. Theoretisch kann ein Emissionshandelssystem unabhängig von der Verteilung der Erstausstattung zu einer effizienten umweltökonomischen Emissionsstruk-tur führen. Wesentliche Bedingung dabei ist, dass die Verteilung der Emissionsrechte nicht von den Emittenten durch ihr Verhalten beeinflusst werden kann. Diese Bedingung ist z.B. er-füllt, wenn für die Allokationsplanung ein einmaliges, echtes Grandfathering zugrunde gelegt wird, d.h. wenn sich die Höhe der individuell zuzuteilenden Emissionsrechte allein an nicht mehr veränderlichen Daten über die Emission in einer vergangenen Basisperiode bemisst. In diesem Fall entspricht die Zuteilung von Emissionsrechten aus der Sicht der Emittenten einem unveränderlichen Transfer, der grundsätzlich emissionsneutral ist. Zu beachten ist, dass in ei-nem reinen Grandfatheringsystem lediglich eine Zuteilung an die bisherigen Emittenten er-folgt (wohlgemerkt unabhängig davon, ob und wie viel sie noch emittieren), nicht aber an Neuemittenten. Sie müssten die erforderlichen Rechte vollständig am Markt erwerben. Die entsprechend höhere Nachfrage nach Zertifikaten würde den Preis erhöhen und damit zugleich die Opportunitätskosten auch bei den bisherigen Emittenten. Ein solches Zuteilungs-system, das theoretisch allokationsneutral wäre, spielt allerdings in der aktuellen politischen Diskussion über den europäischen Emissionshandel praktisch keine Rolle.14

Andere Regelungen, die von den betroffenen Emittenten in ihr Kalkül einbezogen werden, können hingegen die Entscheidungen über emissionsrelevante Handlungen verzerren. Dazu zählen insbesondere intertemporale Regelungen im Zusammenhang mit einer Aktualisierung der Basisperiode, einer nachträglichen Anpassung innerhalb einer Handelsperiode und der Stilllegung sowie der Inbetriebnahme von Anlagen. Ebenso hängen die distributiven Effekte einer Gratisallokation wesentlich von der konkreten Ausgestaltung ab. Bei der Diskussion ü-ber die Mikroebene der Allokationsplanung stehen gerade solche Verteilungsfragen häufig im Vordergrund. Die hierbei auftretenden Konfliktpotenziale können selbst durch ein komplexes Regelwerk wohl nicht insgesamt befriedigend aufgefangen werden. An Stelle einer Vielzahl von differenzierten Sonderregelungen sollte deshalb generell eine möglichst einfache Struktur der Zuteilung festgelegt werden, die zugleich am ehesten auch die geforderten Kriterien der Transparenz und Objektivität erfüllen.

Die weitere Behandlung von Zuteilungsverfahren beschränkt sich auf den Grundtyp der Gra-tisverteilung von Emissionsrechten.

14 Dies gilt auch für andere effizienzneutrale Zuteilungsschemata, nach denen die Zuteilung völlig unabhängig von den Emissionen und von der Produktion der betroffenen Emittenten erfolgen würde.

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